Heinrich Heine
Der Doktor Faust
Heinrich Heine

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Dritter Akt

Nächtlicher Schauplatz des Hexensabbats: Eine breite Bergkoppe; zu beiden Seiten Bäume, an deren Zweigen seltsame Lampen hängen, welche die Szene erleuchten; in der Mitte ein steinernes Postament, wie ein Altar, und darauf steht ein großer schwarzer Bock mit einem schwarzen Menschenantlitz und einer brennenden Kerze zwischen den Hörnern. Im Hintergrunde Gebirgshöhen, die einander überragend, gleichsam ein Amphitheater bilden, auf dessen kolossalen Stufen als Zuschauer die Notabilitäten der Unterwelt sitzen, nämlich jene Höllenfürsten, die wir in den vorigen Akten gesehen und die hier noch riesenhafter erscheinen. Auf den erwähnten Bäumen hocken Musikanten mit Vogelgesichtern und wunderlichen Saiten- und Blasinstrumenten. Die Szene ist bereits ziemlich belebt von tanzenden Gruppen, deren Trachten an die verschiedensten Länder und Zeitalter erinnern, so daß die ganze Versammlung einem Maskenball gleicht, um so mehr, da wirklich viele darunter verlarvt und vermummt sind. Wie barock, bizarr und abenteuerlich auch manche dieser Gestalten, so dürfen sie dennoch den Schönheitssinn nicht verletzen, und der häßliche Eindruck des Fratzenwesens wird gemildert oder verwischt durch märchenhafte Pracht und positives Grauen. Vor den Bocksaltar tritt ab und zu ein Paar, ein Mann und ein Weib, beide mit einer schwarzen Fackel in der Hand, sie verbeugen sich vor der Rückseite des Bocks, knieen davor nieder und leisten das Homagium des Kusses. Unterdessen kommen neue Gäste durch die Luft geritten, auf Besenstielen, Mistgabeln, Kochlöffeln, auch auf Wölfen und Katzen. Diese Ankömmlinge finden hier die Buhlen, die bereits ihrer harrten. Nach freudigsten Willkomm-Begrüßung mischen sie sich unter die tanzenden Gruppen. Auch Ihre Durchlaucht die Herzogin kommt auf einer ungeheuren Fledermaus herangezogen; sie ist so entblößt als möglich gekleidet und trägt am rechten Fuß den güldenen Schuh. Sie scheint jemanden mit Ungeduld zu suchen. Endlich erblickt sie den Ersehnten, nämlich Faust, welcher mit Mephistophela auf schwarzen Rossen zum Feste heranfliegt; er trägt ein glänzendes Rittergewand und seine Gefährtin schmückt das züchtig enganliegende Amazonenkleid eines deutschen Edelfräuleins. Faust und die Herzogin stürzen einander in die Arme und ihre überschwellende Inbrunst offenbart sich in den verzücktesten Tänzen. Mephistophela hat unterdessen ebenfalls einen erwarteten Gespons gefunden, einen dürren Junker in schwarzer, spanischer Manteltracht und mit einer blutroten Hahnenfeder auf dem Barett; doch während Faust und die Herzogin die ganze Stufenleiter einer wahren Leidenschaft, einer wilden Liebe, durchtanzen, ist der Zweitanz der Mephistophela und ihres Partners, als Gegensatz, nur der buhlerische Ausdruck der Galanterie, der zärtlichen Lüge, der sich selbst persiflierenden Lüsternheit. Alle vier ergreifen endlich schwarze Fackeln, bringen in der oben erwähnten Weise dem Bocke ihre Huldigung, und schließen sich zuletzt der Ronde an, womit die ganze vermischte Gesellschaft den Altar umwirbelt. Das Eigentümliche dieser Ronde besteht darin, daß die Tänzer einander den Rücken zudrehen, und nicht das Gesicht, welches nach außen gewendet bleibt.

Faust und die Herzogin, welche dem Ringelreihen entschlüpfen, erreichen die Höhe ihres Liebetaumels und verlieren sich hinter den Bäumen zur rechten Seite der Szene. Die Ronde ist beendet und neue Gäste treten vor den Altar und begehen dort die Adoration des Bocks; es sind gekrönte Häupter darunter, sogar Großwürdenträger der Kirche in ihren geistlichen Ornaten.

Im Vordergrunde zeigen sich mittlerweile viele Mönche und Nonnen, und an ihren extravaganten Polkasprüngen erquicken sich die dämonischen Zuschauer auf den Bergspitzen und sie applaudieren mit lang hervorgestreckten Tatzen. Faust und die Herzogin kommen wieder zum Vorschein, doch sein Antlitz ist verstört, und verdrossen wendet er sich ab von dem Weibe, das ihn mit den wollüstigsten Karessen verfolgt. Er gibt ihr seinen Überdruß und Widerwillen in unzweideutiger Weise zu erkennen. Vergebens stürzt flehentlich die Herzogin vor ihm nieder; er stößt sie mit Abscheu zurück. In diesem Augenblicke erscheinen drei Mohren in goldnen Wappenröcken, worauf lauter schwarze Böcke gestickt sind; sie bringen der Herzogin den Befehl, sich unverzüglich zu ihrem Herrn und Meister Satanas zu begeben, und die Zögernde wird mit Gewalt fortgeschleppt. Man sieht im Hintergrunde wie der Bock von seinem Postamente herabsteigt und, nach einigen sonderbaren Komplimentierungen, mit der Herzogin ein Menuett tanzt. Langsam gemessene zeremoniöse Pas. Auf dem Antlitz des Bockes liegt der Trübsinn eines gefallenen Engels und der tiefe Ennui eines blasierten Fürsten; in allen Zügen der Herzogin verrät sich die trostloseste Verzweiflung. Nach Beendigung des Tanzes steigt der Bock wieder auf sein Postament; die Damen, welche diesem Schauspiel zugesehen, nahen sich der Herzogin mit Knix und Huldigung und ziehen dieselbe mit sich fort. Faust ist im Vordergrunde stehengeblieben, und während er jenem Menuett zuschaut, erscheint wieder an seiner Seite Mephistophela. Mit Widerwillen und Ekel zeigt Faust auf die Herzogin und scheint in betreff derselben etwas Entsetzliches zu erzählen; er bezeugt überhaupt seinen Ekel ob all dem Fratzentreiben, das er vor sich sehe, ob all dem gotischen Wuste, der nur eine plump schnöde Verhöhnung der kirchlichen Asketik, ihm aber ebenso unerquicklich sei wie letztere. Er empfindet eine unendliche Sehnsucht nach dem Reinschönen, nach griechischer Harmonie, nach den uneigennützig edlen Gestalten der Homerischen Frühlingswelt! Mephistophela versteht ihn, und mit ihrem Zauberstab den Boden berührend, läßt sie das Bild der berühmten Helena von Sparta daraus hervorsteigen und sogleich wieder verschwinden. Das ist es, was das gelehrte, nach antikem Ideal dürstende Herz des Doktors begehrte; er gibt seine volle Begeisterung zu erkennen, und durch einen Wink der Mephistophela erscheinen wieder die magischen Rosse, worauf beide davonfliegen. In demselben Momente erscheint die Herzogin wieder auf der Szene; sie bemerkt die Flucht des Geliebten, gerät in die unsinnigste Verzweiflung und fällt ohnmächtig zu Boden. In diesem Zustande wird sie von einigen wüsten Gestalten aufgehoben und mit Scherz und Possen, wie im Triumphe, umhergetragen. Wieder Hexenronde, die plötzlich unterbrochen wird von dem gellenden Klang eines Glöckchens und einem Orgelchoral, der eine verruchte Parodie der Kirchenmusik ist. Alles drängt sich zum Altar, wo der schwarze Bock in Flammen aufgeht und prasselnd verbrennt. Nachdem der Vorhang schon gefallen, hört man noch die grausenhaft burlesken Freveltöne der Satansmesse.


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