Heinrich Heine
Elementargeister und Dämonen
Heinrich Heine

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Elementargeister

(1834.)

Ich habe mein Möglichstes gethan, die mittelalterliche Tendenz unsrer Romantiker nicht einzig und allein aus tadelnswerthen Quellen herzuleiten; ich habe ihren besten Rechtfertigungsgrund im dritten Buch der Beiträge »zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland« angeführt,Sämmtliche Werke, Bd. V. S. 230. wo ich bemerkte, dass die Manie für das Mittelalter am Ende vielleicht nur eine geheime Vorliebe für den altgermanischen Pantheismus war, da die Überreste dieser alten Religion in dem Volksglauben jener späteren Epoche fortlebten. Ich habe schon früher davon gesprochen, wie diese Überreste sich, freilich in entstellter und verstümmelter Form, in dem Zauber- und Hexenwesen erhielten. Ja, sie leben in dem Gedächtnis des Volkes, in seinen Gebräuchen, in seiner Sprache fort . . . Auf jedes Brot, das der deutsche Bäcker backt, druckt er den alten Druidenfuß, und unser tägliches Brot trägt noch das Zeichen der germanischen Religion. Welch einen bedeutsamen Kontrast bildet dies wirkliche Brot zu dem trockenen, saftlosen Scheinbrote, mit dem der spiritualistische Kultus»der christliche Kultus« steht in der ältesten französischen Ausgabe.
Der Herausgeber.
uns abspeist!

Nein, die Erinnerungen an den altgermanischen Glauben sind noch nicht erloschen. Wie man behauptet, giebt es greise Menschen in Westfalen, die noch immer wissen, wo die alten Götterbilder verborgen liegen; auf ihrem Sterbebette sagen sie es dem jüngsten Enkel, und Der trägt dann das theure Geheimnis in dem verschwiegenen Sachsenherzen. In Westfalen, dem ehemaligen Sachsen, ist nicht Alles todt, was begraben ist. Wenn man dort durch die alten Eichenhaine wandelt, hört man noch die Stimmen der Vorzeit, da hört man noch den Nachhall jener tiefsinnigen Zaubersprüche, worin mehr Lebensfülle quillt, als in der ganzen Literatur der Mark Brandenburg. Eine geheimnisvolle Ehrfurcht durchschauerte meine Seele, als ich einst, diese Waldungen durchwandernd, bei der uralten Siegburg vorbeikam. »Hier,« sagte mein Wegweiser, »hier wohnte einst König Wittekind,« und er seufzte tief. Es war ein schlichter Holzhauer, und er trug ein großes Beil.

Ich bin überzeugt, dieser Mann, wenn es drauf ankömmt, schlägt sich noch heute für König Wittekind; und wehe dem Schädel, worauf sein Beil fällt!

Das war ein schwarzer Tag für Sachsenland, als Wittekind, sein tapferer Herzog, von Kaiser Karl geschlagen wurde bei Engter. Als er flüchtend gen Ellerbruch zog, und nun Alles mit Weib und Kind an die Furth kam und sich drängte, mochte eine alte Frau nicht weiter gehen. Weil sie aber dem Feinde nicht lebendig in die Hände fallen sollte, so wurde sie von den Sachsen lebendig in einen Sandhügel bei Bellmanns-Kamp begraben; dabei sprachen sie: »Krup under, krup under, de Welt is di gram, du kannst dem Gerappel nich mer folgen.«

Man sagt, dass die alte Frau noch lebt. Nicht Alles ist todt in Westfalen, was begraben ist.Dieser Satz fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.

Die Gebrüder Grimm erzählen diese Geschichte in ihren deutschen Sagen; die gewissenhaften, fleißigen Nachforschungen dieser wackeren Gelehrten werde ich in den folgenden Blättern zuweilen benutzen. Unschätzbar ist das Verdienst dieser Männer um germanische Alterthumskunde. Der einzige Jakob Grimm hat für Sprachwissenschaft mehr geleistet,»Diese Männer haben mehr geleistet,« steht in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
als eure ganze französische Akademie seit Richelieu.Statt der folgenden drei Sätze lesen wir in den französischen Ausgaben: »Jakob Grimm hat in seinem Fache nicht seines Gleichen. Seine Gelehrsamkeit ist kolossal wie ein Berg, und sein Geist so frisch wie der Quell, welcher demselben entsprudelt.«
Der Herausgeber.
Seine deutsche Grammatik ist ein kolossales Werk, ein gothischer Dom, worin alle germanischen Völker ihre Stimmen erheben, wie Riesenchöre, jedes in seinem Dialekte. Jakob Grimm hat vielleicht dem Teufel seine Seele verschrieben, damit er ihm die Materialien lieferte und ihm als Handlanger diente bei diesem ungeheuren Sprachbauwerk. In der That, um diese Quadern von Gelehrsamkeit herbeizuschleppen, um aus diesen hunderttausend Citaten einen Mörtel zu stampfen, dazu gehört mehr als ein Menschenleben und mehr als Menschengeduld.

Eine Hauptquelle für Erforschung des altgermanischen Volksglaubens ist Paracelsus. Ich habe seiner schon mehrmals erwähnt. Seine Werke sind ins Lateinische übersetzt, nicht schlecht, aber lückenhaft. In der deutschen Urschrift ist er schwer zu lesen; abstruser Stil, aber hie und da treten die großen Gedanken hervor mit großem Wort. Er ist ein Naturphilosoph in der heutigsten Bedeutung des Ausdrucks. Man muss seine Terminologie nicht immer in ihrem traditionellen Sinne verstehen. In seiner Lehre von den Elementargeistern gebraucht er die Namen Nymphen, Undinen, Silvanen, Salamander, aber nur desshalb, weil diese Namen dem Publikum schon geläufig sind, nicht weil sie ganz Dasjenige bezeichnen, wovon er reden will. Anstatt neue Worte willkürlich zu schaffen, hat er es vorgezogen, für seine Ideen alte Ausdrücke zu suchen, die bisher etwas Ähnliches bezeichneten. Daher ist er vielfach missverstanden worden, und Manche haben ihn der Spötterei, Manche sogar des Unglaubens bezichtigt. Die Einen meinten, er beabsichtige ein Kindermärchen aus Scherz in ein System zu bringen, die Anderen tadelten, dass er, abweichend von der christlichen Ansicht, jene Elementargeister nicht für lauter Teufel erklären wollte. Wir haben keine Gründe, anzunehmen, sagt er irgendwo, dass diese Wesen dem Teufel gehören; und was der Teufel selbst ist, Das wissen wir auch noch nicht. Er behauptet, die Elementargeister wären, eben so gut wie wir, wirkliche Geschöpfe Gottes, die aber nicht wie Unseresgleichen aus Adam's Geschlechte seien, und denen Gott zum Wohnsitz die vier Elemente angewiesen habe. Ihre Leibesorganisation sei diesen Elementen gemäß. Nach den vier Elementen ordnet nun Paracelsus die verschiedenen Geister, und hier giebt er uns ein bestimmtes System.

Den Volksglauben selbst in ein System bringen, wie Manche beabsichtigen, ist aber eben so unthunlich, als wollte man die vorüberziehenden Wolken in Rahmen fassen. Höchstens kann man unter bestimmten Rubriken das Ähnliche zusammentragen. Dieses wollen wir auch in Betreff der Elementargeister versuchen.

Von den Kobolden haben wir bereits gesprochen.Im ersten Buch der »Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland.« Sämmtliche Werke, Band V. S. 52 ff.
Der Herausgeber.
Sie sind Gespenster, ein Gemisch von verstorbenen Menschen und Teufeln; man muss sie von den eigentlichen Erdgeistern genau unterscheiden. Diese wohnen meistens in den Bergen und man nennt sie Wichtelmänner, Gnomen, Metallarii, kleines Volk, Zwerge. Die Sage von diesen Zwergen ist analog mit der Sage von den Riesen, und sie deutet auf die Anwesenheit zweier verschiedener Stämme, die einst mehr oder minder friedlich das Land bewohnt, aber seitdem verschollen sind. Die Riesen sind auf immer verschwunden aus Deutschland. Die Zwerge aber trifft man mitunter noch in den Bergschachten, wo sie, gekleidet wie kleine Bergleute, die kostbaren Metalle und Edelsteine ausgraben. Von jeher haben die Zwerge immer vollauf Gold, Silber und Diamanten besessen; denn sie konnten überall unsichtbar herumkriechen, und kein Loch war ihnen zu klein, um durchzuschlüpfen, führte es nur endlich zu den Stollen des Reichthums. Die Riesen aber blieben immer arm, und wenn man ihnen Etwas geborgt hatte, würden sie Riesenschulden hinterlassen haben. Auch wollten sich die Riesen niemals zum Christenthume bekehren. Ich schließe Dies aus einer alten dänischen Ballade, wo sich die Riesen zuletzt versammeln und eine Hochzeit feiern. Die Braut verschlingt allein zum Frühstück vier Tonnen Brei, sechzehn Ochsenleiber und achtzehn Schweineseiten, und trinkt außerdem sieben Tonnen Bier. Freilich bemerkt der Bräutigam: »Ich sah noch nie eine junge Braut, die so guten Appetit gehabt hätte.« Unter den Gästen befand sich der kleine Mimmering, dessen Kleinheit einen Gegensatz zu der Gestalt dieser Riesen bildete. Und das Lied endigt mit den Worten: »Klein Mimmering war unter diesem heidnischen Volke das einzige Christenkind.«

Über die Hochzeiten des kleinen Volkes, wie man in Deutschland zuweilen die Zwerge nennt, hat man noch die anmuthigsten Traditionen, z. B. die folgende:

Das kleine Volk wollte einstmals im Schlosse Eilenburg in Sachsen eine Hochzeit feiern. Während der Nacht schlüpften sie durchs Schlüsselloch und durch die Fensterritzen in den Saal, und sprangen Alle auf der gebohnten Diele, wie Erbsen auf einer Scheunentenne, umher. Dadurch erwachte der alte Graf, welcher unter dem Himmel seines großen Bettes in jenem Saale schlief, und er war sehr verwundert beim Anblick dieser Menge von winzigen Leuten. Dann schritt Einer von ihnen, reich wie ein Herold gekleidet, auf ihn zu und lud ihn höflich und in geziemenden Ausdrücken ein, an dem Feste teilzunehmen. »Aber,« fügte er hinzu, »wir bitten dich um Eins: Nur du allein darfst hier zugegen sein; Keiner deines Hauses darf sich erlauben, das Fest gleichzeitig mit dir anzusehn, wäre es auch nur mit einem einzigen Blicke.« Der alte Graf antwortete freundlich: »Da ihr mich in meinem Schlafe gestört habt, will ich euch gern Gesellschaft leisten.« Hierauf führte man ihm eine kleine Frau zu; kleine Fackelträger stellten sich auf, und eine leise, geheimnisvolle Musik begann. Der Graf hatte viel Mühe, beim Tanz nicht die kleine Frau zu verlieren, welche ihm so leicht bei ihren Sprüngen entschlüpfte und zuletzt so mit ihm herum wirbelte, dass er kaum Athem zu holen vermochte. Plötzlich hielt Alles im Augenblick der lebhaftesten Tanzfreude inne; die Musik verstummte, und die ganze Schar rannte zu den Thürritzen, Mauselöchern und überall hin, wo sich ein kleiner Ausgang fand. Aber die Vermählten, die Herolde und die Tänzer richteten ihre Augen zu einer Öffnung in der Saaldecke empor und erblickten dort das Gesicht der alten Gräfin, welche verstohlen die lustige Gesellschaft betrachtete. Dann verbeugten sie sich vor dem Grafen, und Der, welcher ihn eingeladen, näherte sich ihm abermals und dankte ihm für seine Gastfreundschaft. »Aber,« setzte er hinzu, »da unsere Festfreude und unsere Hochzeit gestört worden sind, weil noch ein anderes menschliches Auge sie angesehn hat, sollen von deinem Geschlecht künftig nie mehr als sieben gleichzeitig am Leben sein.« Darauf entflohen sie eiligst; Alles war wieder in Schweigen gehüllt, und der alte Graf befand sich allein in dem dunklen Saale. Der Fluch ist bis heut in Erfüllung gegangen, und immer starb einer der sechs Ritter von Eilenburg, welche bis dahin gelebt hatten, sobald der Siebente geboren ward.

Von der Kunstfertigkeit der Zwerge ist in den alten Liedern viel rühmlich die Rede. Sie schmiedeten die besten Schwerter, aber nur die Riesen wussten mit diesen Schwertern dreinzuschlagen. Waren diese Riesen wirklich von so hoher Statur? Die Furcht hat vielleicht ihrem Maße manche Elle hinzugefügt. Dergleichen hat sich schon oft ereignet. Nicetas, ein Byzantiner, der die Einnahme von Konstantinopel durch die Kreuzfahrer berichtet, gesteht ganz ernsthaft, dass einer dieser eisernen Ritter des Nordens, der Alles vor sich her zu Paaren trieb, ihnen in diesem schrecklichen Augenblick fünfzig Fuß groß zu sein schien.Dieser Absatz fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.

Die Wohnungen der Zwerge waren, wie schon erwähnt, die Berge. Die kleinen Öffnungen, die man in den Felsen findet, nennt das Volk noch heut zu Tag Zwerglöcher. Im Harz, namentlich im Bodenthale, habe ich dergleichen viele gesehen. Manche Tropfsteinbildungen, die man in den Gebirgshöhlen trifft, so wie auch manche bizarre Felsenspitzen nennt das Volk die Zwergenhochzeit.Der Schluß dieses Absatzes fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
Es sind Zwerge, die ein böser Zauberer in Steine verwandelt, als sie eben von einer Trauung aus ihrem kleinen Kirchlein nach Hause trippelten, oder auch beim Hochzeitmahl sich gütlich thaten. Die Sagen von solchen Versteinerungen sind im Norden eben so heimisch wie im Morgenlande, wo der bornierte Moslem die Statuen und Karyatiden, die er in den Ruinen alter Griechentempel findet, für lauter versteinerte Menschen hält. Wie im Harze, so auch in der Bretagne sah ich allerlei wundersam gruppierte Steine, die von den Bauern Zwergenhochzeiten genannt wurden; die Steine bei Loc Maria Ker find die Häuser der Torriganen, der Kurilen, wie man dort das kleine Volk benamset.

Ich kann bei dieser Gelegenheit noch eine solche Hochzeitgeschichte erzählen.

Es giebt in Böhmen, nicht weit von Elnbogen, in einem wilden aber schönen Thale, durch welches die Eger sich in vielfachen Windungen bis nach Karlsbad schlängelt, eine berühmte Zwergengrotte. Die Bewohner der umliegenden Städte und Dörfer erzählen sich Folgendes. Diese Felsen wurden in alter Zeit von kleinen Berggeistern bewohnt, welche dort ein ruhiges Dasein verbrachten. Sie thaten Niemanden Etwas zu Leide, und halfen im Gegentheil ihren Nachbarn vorkommenden Falles aus Noth und Verlegenheit. Sie wurden lange Zeit von einem mächtigen Zauberer beherrscht; allein eines Tages, als sie eine Hochzeit feiern wollten und sich zu dem Ende in ihre kleine Kirche begaben, gerieth er in heftigen Zorn und verwandelte sie in Steine, oder schloss sie vielmehr, da sie unvernichtbare Geister waren, in solche ein. Diese Felsenmasse heißt noch heut zu Tage »die verzauberte Zwergenhochzeit,« und man sieht die kleinen Gestalten in allen möglichen Posituren auf den Bergspitzen. Man zeigt in der Mitte eines Felsens das Bild eines Zwerges, der, als die Anderen der Verzauberung entschlüpfen wollten, zu lange in seiner Wohnung blieb, und in dem Momente versteinert ward, wo er aus dem Fenster sah, um nach Beistand zu spähen.

Die Zwerge tragen kleine Mützchen, wodurch sie sich unsichtbar machen können; man nennt sie Tarnkappen oder auch Nebelkäppchen. Ein Bauer hatte einst beim Dreschen mit dem Dreschflegel die Tarnkappe eines Zwerges herabgeschlagen; Dieser wurde sichtbar und schlüpfte schnell in eine Erdspalte. Man kann übrigens durch Beschwörungen die Zwerge sichtbar machen.

Zu Nürnberg lebte ein Mann, Namens Paul Kreutz, der eine wunderbare Beschwörung anwandte. Er stellte an eine gewisse flache Stelle einen kleinen ganz neuen Tisch, mit einem weißen Tuche bedeckt, darauf zwei Schüsselchen Milch, ferner zwei Schüsselchen Honig, zwei Tellerchen und neun Messerchen. Hierauf nahm er ein schwarzes Huhn und schnitt demselben über einer Küchenpfanne den Hals ab, so dass das Blut in die Speise tröpfelte. Dann warf er ein Stück gen Sonnenaufgang und das andere gen Sonnenuntergang, und begann seine Beschwörung. Darnach stellte er sich schleunigst hinter einen großen Baum, und sah, dass zwei Zwerglein aus der Erde hervorgekommen, sich zu Tische gesetzt und auf der kostbaren Räucherpfanne gegessen, die er gleichfalls dort hingestellt. Nun richtete er Fragen an sie, die sie beantworteten, und als er Dies oft wiederholt hatte, wurden sie so vertraut mit ihm, dass sie wie seine Gäste in sein Haus kamen. Wenn er nicht die gehörigen Anstalten getroffen, erschienen sie gar nicht oder entflohen fast auf der Stelle. Er ließ endlich auch ihren König erscheinen, der allein in einem Scharlachmäntelchen ankam, worunter er ein Buch trug, das er auf den Tisch warf, und er gestattete seinem Beschwörer darin zu lesen, so viel und so lange er wolle. Auch schöpfte der Mann daraus große Weisheit und Geheimnisse besonderer Art.

Die Zwerge zeigten sich auch manchmal freiwillig den Menschen, hatten gern mit uns Umgang, und waren zufrieden genug, wenn wir ihnen nur kein Leids zufügten. Wir aber, boshaft, wie wir noch sind, wir spielten ihnen manchen Schabernack. In Wyß' Volkssagen liest man»Im Haslithale erzählt man« steht in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
folgende Geschichte:

»Des Sommers kam die Schar der Zwerge häufig aus den Flühen herab ins Thal, und gesellte sich entweder hilfreich oder doch zuschauend zu den arbeitenden Menschen, namentlich zu den Mähdern in der Heuernte. Da setzten sie sich denn wohl vergnügt auf den langen und dicken Ast eines Ahorns ins schattige Laub. Einmal aber kamen boshafte Leute und sägten bei Nacht den Ast durch, so dass er bloß noch schwach am Stamme hielt, und als die arglosen Geschöpfe sich am Morgen darauf niederließen, krachte der Ast vollends entzwei, die Zwerge stürzten auf den Grund, wurden ausgelacht, erzürnten sich heftig und jammerten:

    ›O wie ist der Himmel so hoch
Und die Untreue so groß!
Heut hierher und nimmermehr!‹

Sie sollen seit der Zeit das Land verlassen haben.«

Ich bezweifle, dass die Zwerge die Menschen als gute Geister betrachteten; sicherlich vermochten sie an unsern Handlungen nicht unsern göttlichen Ursprung zu erkennen. Wesen von einer andern Natur als die unsrige dürften keine gute Meinung von uns hegen, und der Teufel hält uns für die schlechtesten aller Kreaturen. Ich habe einmal in einer Dorfscheune die Faustkomödie darstellen sehn. Faust beschwört den Teufel und verlangt im Vertrauen auf seine Unerschrockenheit, dass der Teufel ihm in der furchtbarsten Gestalt, unter den Zügen der entsetzlichsten aller Kreaturen erscheine . . . und der gehorsame Teufel erscheint unter der Gestalt eines Menschen.

Man weiß nicht recht, weßhalb die Zwerge uns zuletzt so plötzlich verließen. Es giebt indessen noch zwei andere Traditionen, die ebenfalls den Abzug der Zwerge unserer Necksucht und Bosheit zuschreiben. Die eine wird in den erwähnten VolkssagenIn den französischen Ausgaben nennt Heine das Märchenbuch der Gebrüder Grimm als die Quelle, aus welcher er die beiden Sagen geschöpft habe.
Der Herausgeber.
folgendermaßen erzählt:

»Die Zwerge, welche in Höhlen und Klüften rings um die Menschen herum wohnten, waren gegen Diese immer freundlich und gut gesinnt, und des Nachts, wenn die Menschen schliefen, verrichteten sie deren schwere Arbeit. Wenn dann das Landvolk früh Morgens mit Wagen und Geräthe herbeizog und erstaunte, dass Alles gethan war, steckten die Zwerge im Gesträuch und lachten hell auf. Oftmals zürnten die Bauern, wenn sie ihr noch nicht ganz zeitiges Getreide auf dem Acker niedergeschnitten fanden, aber als bald Hagel und Gewitter hereinbrach und sie wohl sahen, dass vielleicht kein Hälmchen dem Verderben entronnen sein würde, da dankten sie innig dem voraussichtigen Zwergvolk. Endlich aber verscherzten die Menschen durch ihren Frevel die Huld und Gunst der Zwerge, sie entflohen, und seitdem hat sie kein Auge wieder erblickt. Die Ursache war diese. Ein Hirt hatte oben am Berg einen trefflichen Kirschbaum stehen. Als die Früchte eines Sommers reiften, begab es sich, dass dreimal hinter einander Nachts der Baum geleert wurde und alles Obst auf die Bänke und Hürden getragen war, wo der Hirt sonst die Kirschen aufzubewahren pflegte. Die Leute im Dorfe sprachen: ›Das thut niemand Anders als die redlichen Zwerge, Die kommen bei Nacht in langen Mänteln mit bedeckten Füßen herangetrippelt, leise wie Vögel, und schaffen den Menschen emsig ihr Tagwerk; schon einmal hat man sie heimlich belauscht, allein man stört sie nicht, sondern lässt sie kommen und gehen.‹ Durch diese Rede wurde der Hirt neugierig und hätte gern gewusst, warum die Zwerge so sorgfältig ihre Füße bärgen, und ob diese anders gestaltet wären als Menschenfüße. Da nun das nächste Jahr wieder der Sommer und die Zeit kam, dass die Zwerge heimlich die Kirschen abbrachen und in den Speicher trugen, nahm der Hirt einen Sack voll Asche und streute sie rings um den Berg herum aus. Den andern Morgen mit Tagesanbruch eilte er zur Stelle hin, der Baum war richtig leer gepflückt, und er sah unten in der Asche die Spuren von vielen Gänsefüßen eingedrückt. Da lachte der Hirt und spottete, dass der Zwerge Geheimnis verrathen war. Bald aber zerbrachen und verwüsteten Diese ihre Wohnungen und flohen tiefer in den Berg hinab, grollen dem Menschengeschlecht und versagen ihm ihre Hilfe. Jener Hirt, der sie verrathen hatte, wurde siech und blödsinnig fortan bis an sein Lebensende.«

Die andere Tradition, die in Otmar's Volkssagen mitgetheilt wird,Dieser Zwischensatz fehlt in den französischen Ausgaben. Vgl. die Anmerkung auf der vorletzten Seite.
Der Herausgeber.
ist von viel betrübsam härterem Charakter:

»Zwischen Walkenried und Neuhof in der Grafschaft Hohenstein hatten einst die Zwerge zwei Königreiche. Ein Bewohner jener Gegend merkte einmal, dass seine Feldfrüchte alle Nächte beraubt wurden, ohne dass er den Thäter entdecken konnte. Endlich ging er auf den Rath einer weisen Frau bei einbrechender Nacht an seinem Erbsenfelde auf und ab, und schlug mit einem dünnen Stabe über dasselbe in die bloße Luft hinein. Es dauerte nicht lange, so standen einige Zwerge leibhaftig vor ihm. Er hatte ihnen die unsichtbar machenden Nebelkappen abgeschlagen. Zitternd fielen die Zwerge vor ihm nieder und bekannten, dass ihr Volk es sei, welches die Felder der Landesbewohner beraubte, wozu aber die äußerste Noth sie zwänge. Die Nachricht von den eingefangenen Zwergen brachte die ganze Gegend in Bewegung. Das Zwergvolk sandte endlich Abgeordnete, und bot Lösung für sich und die gefangenen Brüder, und wollte dann auf immer das Land verlassen. Doch die Art des Abzugs erregte neuen Streit. Die Landeseinwohner wollten die Zwerge nicht mit ihren gesammelten und versteckten Schätzen abziehen lassen, und das Zwergvolk wollte bei seinem Abzuge nicht gesehen sein. Endlich kam man dahin überein, dass die Zwerge über eine schmale Brücke bei Neuhof ziehen, und dass Jeder von ihnen in ein dorthin gestelltes Gefäß einen bestimmten Theil seines Vermögens als Abzugszoll werfen sollte, ohne dass einer der Landesbewohner zugegen wäre. Dies geschah. Doch einige Neugierige hatten sich unter die Brücke versteckt, um den Zug der Zwerge wenigstens zu hören. Und so hörten sie denn viele Stunden lang das Getrappel der kleinen Menschen; es war ihnen, als ob eine sehr große Herde Schafe über die Brücke ging.«

Nach einer Variante sollte jeder abziehende Zwerg nur ein einziges Geldstück in das Fass werfen, welches man vor der Brücke hingestellt; und den andern Morgen fand man das Faß ganz gefüllt mit alten Goldmünzen. Auch soll vorher der Zwergenkönig selber in seinem rothen Mäntelchen zu den Landeseinwohnern gekommen sein, um sie zu bitten, ihn und sein Volk nicht fort zu jagen. Flehentlich erhob er seine Ärmchen gen Himmel und weinte die rührendsten Thränen, wie einst Don Isaak Abarbanel vor Ferdinand von Aragonien.Dieser Absatz fehlt in den französischen Ausgaben.

Von den Zwergen, den Erdgeistern, sind genau zu unterscheiden die Elfen, die Luftgeister, die auch in Frankreich mehr bekannt sind und die besonders in englischen Gedichten so anmuthig gefeiert werden. Wenn die Elfen nicht ihrer Natur nach unsterblich wären, so würden sie es schon allein durch Shakespeare geworden sein. Sie leben ewig im Sommernachtstraum der Poesie. Eben so wenig wird man je die Elfenkönigin Spencer's vergessen, mindestens so lange man Englisch verstehen wird.

Der Glaube an Elfen ist nach meinem Bedünken viel mehr celtischen als skandinavischen Ursprungs. Daher mehr Elfensagen im westlichen Norden, als im östlichen. In Deutschland weiß man wenig von Elfen, und Alles ist da nur matter Nachklang von bretonischen Sagen, wie z. B. Wieland's Oberon.Der Zusatz: »wie z. B. Wieland's Oberon« und der nachfolgende Satz fehlen in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
Was das Volk in Deutschland Elfen oder Elben nennt, sind die unheimlichen Geburten der Hexen, die mit dem Bösen gebuhlt. Die eigentlichen Elfensagen sind heimisch in Irland und Nordfrankreich;»in Irland, Schottland, England und Nordfrankreich,« steht in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
indem sie von hier hinabklingen bis zur Provence, vermischen sie sich mit dem Feenglauben des Morgenlands. Aus solcher Vermischung erblühen nun die vortrefflichen Lais vom Grafen Lanval, dem die schöne Fee ihre Gunst schenkt, unter dem Beding, dass er sein Glück verschweige. Als aber König Arthus bei einem Festgelage zu Karduel seine Königin Ginevra für die schönste Frau der Welt erklärte, da konnte Graf Lanval nicht länger schweigen; er sprach, und sein Glück war wenigstens auf Erden zu Ende. Nicht viel besser ergeht es dem Ritter Grüeland; auch er kann sein Liebesglück nicht verschweigen, die geliebte Fee verschwindet, und auf seinem Ross Gedefer reitet er lange vergebens, um sie zu suchen. Aber in dem Feenland Avalun finden die unglücklichen Ritter ihre Geliebten wieder. Hier können Graf Lanval und Herr Grüeland so Viel schwatzen, als nur ihr Herz gelüstet. Hier kann auch Ogier der Däne von seinen Heldenfahrten ausruhen in den Armen seiner Morgane. Ihr Franzosen kennt sie alle, diese Geschichten. Ihr kennt Avalun, aber der Perser kennt es auch, und er nennt es Dschinnistan. Es ist das Land der Poesie.Der folgende Absatz und das angefügte Gedicht Heine's fehlen in den französischen Ausgaben.

Das Äußere der Elfen und ihr Weben und Treiben ist euch ebenfalls ziemlich bekannt. Spencer's Elfenkönigin ist längst zu euch herübergeflogen aus England. Wer kennt nicht Titania? Wessen Hirn ist so dick, dass es nicht manchmal das heitre Geklinge ihres Luftzugs vernimmt? Ist es aber wahr, daß es ein Vorzeichen des Todes, wenn man diese Elfenkönigin mit leiblichen Augen erblickt und gar einen freundlichen Gruß von ihr empfängt? Ich möchte Dieses gern genau wissen, denn

In dem Wald im Mondenscheine
Sah ich jüngst die Elfen reuten;
Ihre Hörner hört' ich klingen,
Ihre Glöckchen hört' ich läuten.

Ihre weißen Rösslein trugen
Güldnes Hirschgeweih und flogen
Rasch dahin; wie Schwanenzüge
Kam es durch die Luft gezogen.

Lächelnd nickte mir die Kön'gin,
Lächelnd im Vorüberreuten.
Galt Das meiner neuen Liebe,
Oder soll es Tod bedeuten?

In den dänischen Volksliedern giebt es zwei Elfensagen, die den Charakter dieser Luftgeister am treuesten zur Anschauung bringen.

* [Fußnote aus technischen Gründen im Text mit Absatzeinrückung wiedergegeben. Re.] In den französischen Ausgaben werden hier, statt dieses und des folgenden Absatzes, die Lieder selbst in wortgetreuer Übersetzung mitgetheilt. Es heißt dort (ich gebe das erste Lied theilweise nach der Übertragung von Rosa Warrens):

»Es giebt nur zwei Elfensagen, die im östlichen Norden heimisch sind, und da sie in den dänischen Volksliedern den kürzesten und besten Ausdruck finden, will ich sie in dieser Gestalt mittheilen. Die erste lautet:

Ich legte mein Haupt an die Elfenhöh',
Mein Auge ward schlummerbefangen.
Da kamen gegangen zwei Jungfraun schön,
Die mit mir zu reden verlangen.
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

Die Eine strich mir die Wange rund,
Die Andre flüsterte leise:
»Steht auf, Herr Ritter, ich frag' Euch jetzund,
Geliebt's Euch zu tanzen im Kreise?«
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

»Wacht auf, wacht auf, Herr Rittersmann,
Geliebt's Euch im Reigen zu wallen;
Meine Jungfrau viel Holdes Euch singen kann,
Das wird Euch zu hören gefallen,«
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

Sie huben ein Lied zu singen an,
Ich hörte die Weise beginnen.
Der reißende Strom im Lauf hielt an,
Der sonstens pflegte zu rinnen.
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

Der reißende Strom hielt an gemach,
Der sonstens pflegte zu rinnen;
Die kleinen Fischlein im klaren Bach
Die plätscherten spielend darinnen.
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

Sie spielten mit ihren Schwänzlein all'.
Die kleinen Fischlein im Springen.
Die Vöglein alle mit süßem Schall
Begannen in Lüften zu singen.
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

»Und höret, Ihr junger Rittersmann,
Geliebt's Euch bei uns zu bleiben?
Wir lehren Euch Runen zu schneiden dann,
Runen zu lesen und schreiben.«
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

»Ich lehr' Euch den Eber in Waldesnacht,
Den Bären zu schlagen in Bande.
Der Drache, welcher das Gold bewacht,
Soll fliehen vor Euch aus dem Lande.«
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

Sie tanzten herab, sie tanzten heran,
Die Elfen alle im Reigen.
Da thät' ich junger Rittersmann
Aufs Schwert die Hände neigen.
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

»Und höret, Ihr junger Rittersmann,
Und wollt Ihr uns fürder noch meiden:
So müsst von schneidigem Messer dann
Den kalten Tod Ihr erleiden.«
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

Und hätte es Gott nicht gnädig verliehn,
Dass der Hahn geregt seine Flügel,
So müsst' ich mit den Elfinnen ziehn
Hinein in den Elfenhügel.
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

Drum will ich jedem Gesellen nunmeh,
Der zu Hof ausreitet, Das sagen:
Er reite nimmer zur Elfenhöh',
Noch mög' er zu schlummern dort wagen.
      Seitdem ich sie zuerst gesehn!

Der Herausgeber.

* [Ende Fußnote. Re]

Das eine Lied erzählt von dem Traumgesichte eines jungen Fants, der sich auf Elvershöh niedergelegt hatte und allmählich eingeschlummert war. Er träumt, er stände auf seinem Schwerte gestützt, während die Elfen im Kreise um ihn her tanzen und durch Liebkosen und Versprechung ihn verlocken wollen, an ihrem Reigen Theil zu nehmen. Eine von den Elfen kömmt an ihn heran und streichelt ihm die Wange und flüstert: »Tanze mit uns, schöner Knabe, und das Süßeste, was nur immer dein Herz gelüstet, wollen wir dir singen.« Und da beginnt auch ein Gesang von so bezwingender Liebeslust, dass der reißende Strom, dessen Wasser sonst wildbrausend dahin fließt, plötzlich still steht, und in der ruhigen Fluth die Fischlein hervortauchen und vergnügt mit ihren Schwänzlein spielen. Eine andere Elfe flüstert: »Tanze mit uns, schöner Knabe, und wir wollen dich Runensprüche lehren, womit du den Bär und den wilden Eber besiegen kannst, sowie auch den Drachen, der das Gold hütet; sein Gold soll dir anheimfallen.« Der junge Fant widersteht jedoch allen diesen Lockungen, und die erzürnten Jungfrauen drohen endlich, ihm den kalten Tod ins Herz zu bohren. Schon zücken sie ihre scharfen Messer, da, zum Glücke, kräht der Hahn, und der Träumer erwacht mit heiler Haut.

Das andere Gedicht ist minder luftig gehalten, die Erscheinung der Elfen findet nicht im Traume, sondern in der Wirklichkeit statt, und ihr schauerlich anmuthiges Wesen tritt uns desto schärfer entgegen.

* [Fußnote aus technischen Gründen im Text mit Absatzeinrückung wiedergegeben. Re.] In den französischen Ausgaben heißt es, statt des obigen Absatzes:

»Das andere Gedicht behandelt fast dasselbe Thema; nur findet die Erscheinung der Elfen diesmal nicht im Traume, sondern in der Wirklichkeit statt, und der Ritter, welcher nicht mit ihnen tanzen will, empfängt diesmal wirklich eine tödliche Wunde.

Herr Oluf reitet im Mondenschein,
Er ladet die Gäste zur Hochzeit ein.
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

Sie tanzen zu vier und zu fünfen durchs Land,
Erlkönigs Tochter streckt aus die Hand.
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»Willkommen, Herr Oluf, halt an dein Roß,
Und tanze mit mir im Elfenschloß!«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»»Ich nimmer darf, ich nimmer mag,
Denn morgen ist mein Hochzeitstag.««
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»Und höre, Herr Oluf, und tanz mit mir;
Zwei Widderhautstiefel die geb' ich dir.«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»Zwei Widderhautstiefel, die sitzen so schön,
So gut die güldenen Sporen stehn.«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»Und höre, Herr Oluf, und tanz mit mir;
Ein Hemd von Seiden das geb' ich dir.«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»Ein Hemd von Seiden, so weiß und fein,
Meine Mutter bleicht' es mit Mondenschein.«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»»Ich nimmer darf, ich nimmer mag,
Denn morgen ist mein Hochzeitstag.««
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»Und höre, Herr Oluf, und tanz mit mir;
Eine güldene Schärpe die geb' ich dir.«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»»Eine güldene Schärpe die liebt' ich mir,
Doch darf ich nimmer tanzen mit dir.««
      Und das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»Und willst du nimmer tanzen mit mir,
Soll Pest und Krankheit folgen dir.«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

Sie gab einen Schlag ihm mitten aufs Herz,
Wohl nimmer empfand er so großen Schmerz.
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

Sie hob ihn auf sein rothbraun Ross:
»Kehr heim zur Braut, kehr heim zum Schloss!«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

Und als er kam an des Schlosses Thor,
Seine Mutter harrend stand davor.
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»Hör, liebster Sohn, und sag mir gleich,
Warum ist deine Wange so bleich?«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»»Wohl mag die Wange bleich mir sein,
Ich war zu Nacht bei dem Elfenreihn.««
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»Und höre, mein Sohn, so klug und traut,
Was sag' ich deiner jungen Braut?«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»»Sag ihr, ich sei im Walde zur Stund',
Und prüfe mein Ross und meine Hund'.««
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald,

Am Morgen früh, als Tag es war,
Da kam die Braut mit der Hochzeitschar.
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

Sie schenkten Meth, sie schenkten Wein.
»Wo ist Herr Oluf, der Bräutigam mein?«
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

»»Herr Oluf ritt in den Wald zur Stund',
Zu prüfen sein Ross und seine Hund'.««
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

Die Braut hub auf das Bahrtuch roth,
Da lag Herr Oluf, Der war todt.
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

Als wieder vom Himmel das Frühlicht floss,
Drei Leichen trug man hinaus vom Schloss.
      Doch das Tanzen geht so schnell durch den Wald.

Der Herausgeber.

* [Ende Fußnote. Re.]

Es ist das Lied von dem Herrn Oluf, der Abends spät ausreitet, um seine Hochzeitgäste zu entbieten. Der Refrain ist immer: »Aber das Tanzen geht so schnell durch den Wald.« Man glaubt, unheimlich lüsterne Melodien zu hören und zwischendrein ein Kichern und Wispern, wie von muthwilligen Mädchen. Herr Oluf sieht endlich, wie vier, fünf, ja noch mehre Jungfrauen hervortanzen und Erlkönigs Tochter die Hand nach ihm ausstreckt. Sie bittet ihn zärtlichst, in den Kreis einzutreten und mit ihr zu tanzen. Der Ritter aber will nicht tanzen und sagt zu seiner Entschuldigung: »Morgen ist mein Hochzeitstag.« Da werden ihm nun gar verführerische Geschenke angeboten; jedoch weder die Widderhautstiefel, die so gut am Beine sitzen würden, noch die güldenen Sporen, die man so hübsch daran schnallen kann, noch das weißseidene Hemd, das die Elfenkönigin selber mit Mondschein gebleicht hat, nicht mal die silberne Schärpe, die man ihm ebenfalls so kostbar anrühmt, Nichts kann ihn bestimmen, in den Elfenreigen einzutreten und mitzutanzen. Seine beständige Entschuldigung ist: »Morgen ist mein Hochzeitstag.« Da freilich verlieren die Elfen endlich die Geduld, sie geben ihm einen Schlag aufs Herz, wie er ihn noch nie empfunden, und heben den zu Boden gesunkenen Ritter wieder auf sein Roß und sagen spöttisch: »So reite denn heim zu deiner Braut.« Ach! als er auf seine Burg zurückkehrte, da waren seine Wangen sehr blaß und sein Leib sehr krank, und als am Morgen früh die Braut ankam mit der Hochzeitschar, mit Sang und Klang, da war Herr Oluf ein stiller Mann; denn er lag todt unter dem rothen Bahrtuch.

»Aber das Tanzen geht hin so schnell durch den Wald.«

Der Tanz ist charakteristisch bei den Luftgeistern; sie sind zu ätherischer Natur, als daß sie prosaisch gewöhnlichen Ganges, wie wir, über diese Erde wandeln sollten. Indessen so zart sie auch sind, so lassen doch ihre Füßchen einige Spuren zurück auf den Rasenplätzen, wo sie ihre nächtlichen Reigen gehalten. Es sind eingedrückte Kreise, denen das Volk den Namen Elfenringe gegeben.Dieser Absatz fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.

In einem Theile Östreichs giebt es eine Sage, die mit den vorhergehenden eine gewisse Ähnlichkeit bietet, obgleich sie ursprünglich slavisch ist. Es ist die Sage von den gespenstischen Tänzerinnen, die dort unter dem Namen »die Willis« bekannt sind. Die Willis sind Bräute, die vor der Hochzeit gestorben sind. Die armen jungen Geschöpfe können nicht im Grabe ruhig liegen; in ihren todten Herzen, in ihren todten Füßen blieb noch jene Tanzlust, die sie im Leben nicht befriedigen konnten, und um Mitternacht steigen sie hervor, versammeln sich truppenweis an den Heerstraßen, und wehe dem jungen Menschen, der ihnen da begegnet! Er muß mit ihnen tanzen, sie umschlingen ihn mit ungezügelter Tobsucht, und er tanzt mit ihnen ohne Ruh und Rast, bis er todt niederfällt. Geschmückt mit ihren Hochzeitkleidern, Blumenkronen und flatternde Bänder auf den Häuptern, funkelnde Ringe an den Fingern, tanzen die Willis im Mondglanz eben so wie die Elfen. Ihr Antlitz, obgleich schneeweiß, ist jugendlich schön, sie lachen so schauerlich heiter, so frevelhaft liebenswürdig, sie nicken so geheimnisvoll lüstern, so verheißend; diese todten Bacchantinnen sind unwiderstehlich.

Das Volk, wenn es blühende Bräute sterben sah, konnte sich nie überreden, daß Jugend und Schönheit so jähling gänzlich der schwarzen Vernichtung anheimfallen, und leicht entstand der Glaube, daß die Braut noch nach dem Tode die entbehrten Freuden sucht.

Dieses erinnert uns an eins der schönsten Gedichte Goethe's, die Braut von Korinth, womit das französische Publikum durch Frau von Staël schon längst Bekanntschaft gemacht hat. Das Thema dieses Gedichtes ist uralt und verliert sich hoch hinauf in die Schauernisse der thessalischen Märchen. Aelian erzählt davon, und Ähnliches berichtet Philostrates im Leben des Apollonius von Tyane. Es ist die fatale Hochzeitgeschichte, wo die Braut eine Lamia ist.

Es ist den Volkssagen eigenthümlich, daß ihre furchtbarsten Katastrophen gewöhnlich bei Hochzeitfesten ausbrechen. Das plötzlich eintretende Schrecknis kontrastiert dann desto grausig schroffer mit der heiteren Umgebung, mit der Vorbereitung zur Freude, mit der lustigen Musik. So lange der Rand des Bechers noch nicht die Lippen berührt, kann der kostbare Trank noch immer verschüttet werden. Ein düsterer Hochzeitgast kann eintreten, den Niemand gebeten hat, und den doch Keiner den Muth hat fortzuweisen. Er sagt der Braut ein Wort ins Ohr, und sie erbleicht. Er giebt dem Bräutigam einen leisen Wink, und Dieser folgt ihm aus dem Saale, wandelt mit ihm weit hinaus in die wehende Nacht, und kehrt nimmermehr heim. Gewöhnlich ist es ein früheres Liebesversprechen, weßhalb plötzlich eine kalte Geisterhand die Braut und den Bräutigam trennt. Als Herr Peter von Staufenberg beim Hochzeitmahle saß, und zufällig aufwärts schaute, erblickte er einen kleinen weißen Fuß, der durch die Saalesdecke hervortrat. Er erkannte den Fuß jener Nixe, womit er früher im zärtlichsten Liebesbündnisse gestanden, und an diesem Wahrzeichen merkte er wohl, daß er durch seine Treulosigkeit das Leben verwirkt. Er schickt zum Beichtiger, lässt sich das Abendmahl reichen und bereitet sich zum Tode. Von dieser Geschichte wird in deutschen Landen noch Viel gesagt und gesungen. Es heißt auch, die beleidigte Nixe habe den ungetreuen Ritter unsichtbar umarmt und in dieser Umarmung gewürgt. Tief gerührt werden die Frauen bei dieser tragischen Erzählung. Aber unsere jungen Freigeister lächeln darüber spöttisch und wollen nimmermehr glauben, dass die Nixen so gefährlich sind. Sie werden späterhin ihre Ungläubigkeit bitter bereuen.

Die Nixen haben die größte Ähnlichkeit mit den Elfen. Sie sind Beide verlockend, anreizend und lieben den Tanz. Die Elfen tanzen auf Moorgründen, grünen Wiesen, freien Waldplätzen und am liebsten unter alten Eichen. Die Nixen tanzen bei Teichen und Flüssen; man sah sie auch wohl auf dem Wasser tanzen, den Vorabend wenn Jemand dort ertrank. Auch kommen sie oft zu den Tanzplätzen der Menschen, und tanzen mit ihnen ganz wie Unsereins. Die weiblichen Nixen erkennt man an dem Saum ihrer weißen Kleider, der immer feucht ist. Auch wohl an dem feinen Gespinnste ihrer Schleier und an der vornehmen Zierlichkeit ihres geheimnisvollen Wesens.Dieser Satz fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
. Den männlichen Nix erkennt man daran, daß er grüne Zähne hat, die fast wie Fischgräten gebildet sind.Der Zusatz: »die fast wie Fischgräten gebildet sind« und der nachfolgende Satz fehlen in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
Auch empfindet man einen inneren Schauer, wenn man seine außerordentlich weiche, eiskalte Hand berührt. Gewöhnlich trägt er einen grünen Hut. Wehe dem Mädchen, das, ohne ihn zu kennen, gar zu sorglos mit ihm tanzt. Er zieht sie hinab in sein feuchtes Reich.Dieser Satz fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
Man erzählt sich die folgende Geschichte:

Zu Laibach wohnte in dem Flusse, welcher denselben Namen führt, ein Wassergeist, den man Nix oder Wassermann nannte. Er hatte sich Nachts den Fischern und Schifferknechten und Tags anderen Leuten gezeigt, so daß Jeder erzählen konnte, wie er aus dem Wasser gestiegen sei, und sich in menschlicher Gestalt habe blicken lassen. Im Jahre 1547, am ersten Sonntag im Juli, versammelte sich die ganze Bevölkerung der Gegend nach altem Gebrauche auf dem Marktplatze zu Laibach neben der Quelle, welche lustig von einer Linde beschattet war. Sie nahmen bei den Klängen der Musik freundnachbarlich ihr Mahl ein; dann begannen sie zu tanzen. Nach Verlauf einiger Zeit kam ein junger wohlgebauter und wohlgekleideter Mann, und schien an dem Tanze theilnehmen zu wollen. Er grüßte höflich die ganze Versammlung und bot Jedem freundlich seine Hand, die sehr weich und eiskalt war und bei der Berührung einen eigenthümlichen Schauer erregte. Dann forderte er ein schönes und reichgeschmücktes junges Mädchen zum Tanz auf, ein frisches, keckes Ding und von leichtfertigen Sitten, mit Namen Ursula Schöfferin; sie wusste sich trefflich in seine Art zu finden, und halb und halb auf seine belustigenden Späße einzugehn. Als sie so einige Zeit leidenschaftlich getanzt hatte, wirbelten sie von dem Platze fort, den gewöhnlich der Tänzerkreis umschloß, und immer weiter, erst von der Linde bis Sittichenhof, dann noch weiter bis zur Laibach, wo er vor den Augen vieler Schifferknechte mit ihr hinabsprang, und Beide verschwanden.

Die Linde stand noch bis zum Jahre 1638, wo man sie ihres Alters wegen umhieb.

Dieselbe Sage existiert in vielerlei Variationen. Die schönste ist die dänische in dem Liedercyklus, welcher den Untergang des Königsmörders Marsk Stig und seines ganzen Hauses besingt. Marsk Stig, der Königsmörder, hatte zwei schöne Töchter, wovon die jüngste in des Wassermanns Gewalt gerieth, sogar während sie in der Kirche war. Der Nix erschien als ein stattlicher Ritter; seine Mutter hatte ihm ein Roß von klarem Wasser und Sattel und Zaum von dem weißesten Sande gemacht, und die arglose Schöne reichte ihm freudig ihre Hand. Wird sie ihm da unten im Meere die versprochene Treue halten? Ich weiß nicht; aber ich kenne eine Sage von einem anderen Wassermann, der sich ebenfalls eine Frau vom festen Lande geholt hat und aufs listigste von ihr betrogen ward. Es ist die Sage von Roßmer, dem Wassermann, der, ohne es zu wissen, seine eigne Frau in einer Kiste auf den Rücken nahm und sie ihrer Mutter zurückbrachte. Er vergoß darüber nachher die bitterlichsten Thränen.

* [Fußnote aus technischen Gründen im Text mit Absatzeinrückung wiedergegeben. Re.] In den französischen Ausgaben werden, statt des obigen Absatzes, siebzehn Strophen aus einem dieser Lieder mitgetheilt. Es heißt dort: »Der Nix spricht zu seiner Mutter:

»Lieb Mutter, gebt einen Rath mir gleich
Wie bring' ich die Tochter Marsk Stig's in mein Reich?«
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Sie schuf ihm ein Roß vom Wasser klar,
Der Zaum und Sattel von Sande war.
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Sie macht' ihn zu einem Ritter fein,
Zum Marienkirchhof dann ritt er ein.
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Er band sein Roß an den Kirchfirst an,
Und dreimal umschritt er die Kirche dann.
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Der Meermann trat in die Kirche stumm,
Die Heil'genbilder da wandten sich um.
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Der Priester sprach vor dem Altarschrein:
»Welch stattlicher Ritter mag Das sein?«
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Die Tochter Marsk Stig's unterm Schleier sprach:
»Daß der Himmel den Ritter mir geben mag!«
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Er schritt eine Bank und zwo vorbei:
»O Tochter Marsk Stig's, gelobe mir Treu!«
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Er schritt über vier und fünf hinaus:
»O folge mir, Tochter Marsk Stig's, in mein Haus!«
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Es streckte die Maid ihre Hand herfür:
»Ich gelobe dir Treu und ich folge dir.«
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Aus der Kirche da ging eine Hochzeitschar,
Und sie tanzten freudig ohn' alle Gefahr.
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Sie tanzten mitsammen zum Meeresstrand,
Bis endlich Keiner bei ihnen mehr stand.
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

»O Tochter Marsk Stig's, halt an mein Pferd,
So bau' ich dir ein Schifflein werth.«
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Und als sie kamen zum weißen Sand,
Da wandten sich alle Schifflein zum Land.
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Und als sie kamen hinaus auf den Sund,
Versank die Maid auf den Meeresgrund.
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Man hörte bis tief in das Land hinein
Die Tochter Marsk Stig's im Wasser schrein.
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Ich rathe jeglicher Jungfrau gut,
Sie geh' nicht zum Tanze so hochgemuth!
      Mich dünkt, gar schlimm ist das Reiten.

Auch wir geben manchem jungen Mädchen den weisen Rath, nicht mit dem ersten besten Ankömmling zu tanzen. Aber das junge Blut fürchtet immer, nicht genug Tänzer zu bekommen, und ehe sie sich der Gefahr aussetzten, Tapisserie-Arbeit zu machen, würfen sie sich mit Freuden einem Wassermann in die Arme.«
Der Herausgeber.

* [Ende Fußnote. Re.]

Die Nixen haben ebenfalls oft dafür zu büßen, daß sie an dem Umgang der Menschen Gefallen fanden. Auch hierüber weiß ich eine Geschichte,»die mich mit seltsamer Rührung erfüllt hat:« schließt hier der obige Absatz in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
die von deutschen Dichtern vielfach besungen worden. Aber am rührendsten klingt sie in folgenden schlichten Worten, wie sie die Gebrüder Grimm in ihren Sagen mittheilen:

»Zu Epfenbach bei Sinzheim traten seit der Leute Gedenken jeden Abend drei wunderschöne weißgekleidete Jungfrauen in die Spinnstuben des Dorfes. Sie brachten immer neue Lieder und Weisen mit, wussten hübsche Märchen und Spiele, auch ihre Rocken und Spindeln hatten etwas Eigenes, und keine Spinnerin konnte so fein und behend den Faden drehen. Aber mit dem Schlag Elf standen sie auf, packten ihre Rocken zusammen, und ließen sich durch keine Bitte einen Augenblick länger halten. Man wusste nicht, woher sie kamen, noch wohin sie gingen; man nannte sie nur die Jungfern aus dem See, oder die Schwestern aus dem See. Die Burschen sahen sie gern und verliebten sich in sie, zu allermeist des Schulmeisters Sohn. Der konnte nicht satt werden, sie zu hören und mit ihnen zu sprechen, und Nichts that ihm leider, als daß sie jeden Abend schon so früh aufbrachen. Da verfiel er einmal auf den Gedanken, und stellte die Dorfuhr eine Stunde zurück, und Abends im steten Gespräch und Scherz merkte kein Mensch den Verzug der Stunde. Und als die Glocke Elf schlug, es aber schon eigentlich Zwölf war, standen die drei Jungfrauen auf, legten ihre Rocken zusammen und gingen fort. Den folgenden Morgen kamen etliche Leute am See vorbei; da hörten sie wimmern und sahen drei blutige Stellen oben auf der Fläche. Seit der Zeit kamen die Schwestern nimmermehr zur Stube. Des Schulmeisters Sohn zehrte ab und starb kurz darnach.«

Es liegt etwas so Geheimnisvolles in dem Treiben der Nixen. Der Mensch kann sich unter dieser Wasserdecke so viel Süßes und zugleich so viel Entsetzliches denken. Die Fische, die allein Etwas davon wissen können, sind stumm. Oder schweigen sie etwa aus Klugheit? Fürchten sie grausame Ahndung, wenn sie die Heimlichkeiten des stillen Wasserreiches verriethen? So ein Wasserreich mit seinen wollüstigen Heimlichkeiten und verborgenen Schrecknissen mahnt an Venedig. Oder war Venedig selbst ein solches Reich, das zufällig aus der Tiefe des adriatischen Meers zur Oberwelt heraufgetaucht mit seinen Marmorpalästen, mit seinen delphinäugigen Kourtisanen, mit seinen Glasperlen- und Korallenfabriken, mit seinen Staatsinquisitoren, mit seinen geheimen Ersäufungsanstalten, mit seinem bunten Maskengelächter? Wenn einst Venedig wieder in die Lagunen hinabgesunken sein mag, dann wird seine Geschichte wie ein Nixenmärchen klingen, und die Amme wird den Kindern von dem großen Wasservolk erzählen, das durch Beharrlichkeit und List sogar über das feste Land geherrscht, aber endlich von einem zweiköpfigen Adler todtgebissen worden.

Das Geheimnisvolle ist der Charakter der Nixen, wie das Träumerisch-luftige der Charakter der Elfen. Beide sind vielleicht in der ursprünglichen Sage selbst nicht sehr unterschieden, und erst spätere Zeiten haben hier eine Sonderung vorgenommen. Die Namen selbst geben keine sichere Auskunft. In Skandinavien heißen alle Geister Elfen, Alf, und man unterscheidet sie in weiße und schwarze Alfen; Letztere sind eigentliche Kobolde. Den Namen Nix gibt man in Dänemark ebenfalls den Hauskobolden, die man dort, wie ich schon früher gemeldet, Nissen nennt.

Dann gibt es auch Abnormitäten, Nixen, welche nur bis zur Hüfte menschliche Bildung tragen, unten aber in einen Fischschweif endigen, oder mit der Oberhälfte ihres Leibes als eine wunderschöne Frau und mit der Unterhälfte als eine schuppige Schlange erscheinen, wie eure Melusine, die Geliebte des Grafen Raimund von Poitiers.

Glücklicher Raimund, dessen Geliebte nur zur Hälfte eine Schlange war!

Auch kommt es oft vor, dass die Nixen, wenn sie sich mit Menschen in ein Liebesbündnis einlassen, nicht bloß Verschwiegenheit verlangen, sondern auch bitten, man möge sie nie befragen nach ihrer Herkunft, nach Heimat und Sippschaft. Auch sagen sie nicht ihren rechten Namen, sondern sie geben sich unter den Menschen so zu sagen einen nom de guerre. Der Gatte der Kleve'schen Prinzessin nannte sich Helias. War er ein Nix oder ein Elfe? Der Schwan, welcher ihn ans Ufer führte, erinnert mich an die Sage von den Schwanenjungfrauen. Die Geschichte von diesem Helias lautet in unseren Volksmärchen, wie folgt:

Im Jahre 711 lebte Beatrix, die einzige Tochter des Herzogs von Kleve. Ihr Vater war todt, und sie war Herrin von Kleve und vielen anderen Landen. Eines Tages saß das junge Burgfräulein im Schlosse von Nymwegen; es war schönes Wetter, die Luft war klar, und sie schaute hinab in den Rhein. Dort gewahrte sie ein seltsamlich Ding. Ein weißer Schwan glitt den Fluss hinab, und er trug ein gülden Kettlein am Halse. An der Kette war ein Nachen befestigt, den der Schwan vorwärts zog; in dem Nachen saß ein schöner Mann; er hielt ein Goldschwert in der Hand, ein Jagdhorn hing an seiner Seite, und er trug einen kostbaren Ring am Finger. Der junge Mann sprang ans Land und führte lange Reden mit dem Fräulein; er sagte ihr, dass er ihr Land beschützen und ihre Feinde vertreiben werde. Der junge Mann gefiel ihr so gut, dass sie sich in ihn verliebte und ihn zum Gatten nahm. Aber er sagte ihr: »Fraget mich niemals nach meinem Geschlecht und meiner Herkunft, denn an dem Tage, wo Ihr mich darnach früget, müsste ich von Euch scheiden, und Ihr würdet mich niemals wiedersehn.« Und er sagte ihr noch, dass er Helias heiße. Er war von hoher Gestalt, ganz wie ein Riese. Sie hatten nachmals mehre Kinder mit einander. Aber nach Verlauf einiger Jahre, einst in der Nacht, als Helias bei seiner Gemahlin im Bette lag, sprach die Prinzessin, ohne der Warnung zu gedenken: »Herr, wollt Ihr nicht unsern Kindern sagen, woher Ihr gekommen?« Bei diesen Worten verließ Helias seine Gemahlin, sprang in sein Schwanenschiff, und ward nimmermehr gesehen. Die Frau härmte sich ab, und starb vor Gram und Reue im selbigen Jahr. Es scheint jedoch, dass er seinen drei Kindern seine drei Kleinodien, das Schwert, das Horn und den Ring, zurückließ. Seine Nachkommen leben noch, und auf dem Schlosse zu Kleve erhebt sich ein hoher Thurm, auf dessen Spitze ein Schwan steht; man nennt ihn den Schwanenthurm, zum Andenken an jenes Ereignis.

Wie oft, wenn ich den Rhein hinabfuhr, und dem Schwanenthurm von Kleve vorüberkam, dachte ich an den geheimnisvollen Ritter, der so wehmüthig streng sein Inkognito bewahrte, und den die bloße Frage nach seiner Herkunft aus den Armen der Liebe vertreiben konnte.Hier folgt in den früheren deutschen Ausgaben, welche nicht die oben mitgetheilte Erzählung enthalten, der Satz: »Als die Prinzessin ihre Neugier nicht bemeistern konnte, und einst in der Nacht zu ihrem Gemahle die Worte sprach: ›Herr, solltet Ihr nicht unserer Kinder wegen sagen, wer Ihr seid?‹ da stieg er seufzend aus dem Bette, setzte sich wieder auf sein Schwanenschiff, fuhr den Rhein hinab, und kam nimmermehr zurück.«
Der Herausgeber.

Aber es ist auch wirklich verdrießlich, wenn die Weiber zu viel fragen. Braucht eure Lippen zum Küssen, nicht zum Fragen, ihr Schönen!Der Schluß des Absatzes fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
Schweigen ist die wesentlichste Bedingung des Glückes. Wenn der Mann die Gunstbezeugungen seines Glückes ausplaudert, oder wenn das Weib nach den Geheimnissen ihres Glückes neugierig forscht, dann gehen sie Beide ihres Glückes verlustig.

Elfen und Nixen können zaubern, können sich in jede beliebige Gestalt verwandeln; indessen manchmal sind auch sie selber von mächtigeren Geistern und Nekromanten in allerlei häßliche Mißgebilde verwünscht worden. Sie werden aber erlöst durch Liebe, wie im Märchen Zemire und Azor; das krötige Ungeheuer muß dreimal geküsst werden, und es verwandelt sich in einen schönen Prinzen. Sobald du deinen Widerwillen gegen das Häßliche überwindest und das Häßliche sogar lieb gewinnst, so verwandelt es sich in etwas Schönes. Keine Verwünschung widersteht der Liebe. Liebe ist ja selber der stärkste Zauber, jede andere Verzauberung muss ihr weichen. Nur gegen eine Gewalt ist sie ohnmächtig. Welche ist das? Es ist nicht das Feuer, nicht das Wasser, nicht die Luft, nicht die Erde mit allen ihren Metallen; es ist die Zeit.

Die seltsamsten Sagen in Betreff der Elementargeister findet man bei dem alten guten»Ich habe der Sammlung der Gebrüder Grimm einige der mitgetheilten Sagen entnommen; aber mein bester Führer ist der gute alte« &c. heißt es in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
Johannes Prätorius, dessen »Anthropodemus plutonicus, oder neue Weltbeschreibung von allerlei wunderbaren Menschen« im Jahre 1666 zu Magdeburg erschienen ist. Schon die Jahrzahl ist merkwürdig; es ist das Jahr, dem der jüngste Tag prophezeit worden. Der Inhalt des Buches ist ein Wust von Unsinn, aufgegabeltem Aberglauben,»und gelehrten Citaten. Das Buch macht denselben Eindruck wie ein Raritäten-Kabinett am Quai Malaquais oder am Quai Voltaire. Reliquien aller entschwundenen Religionen, Geräthschaften fabelhafter Länder, untermischt mit Krucifixen und erblichenen Madonnen, – ein buntes Sammelsurium (vrai bric-à-brac).« heißt es in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
maulhängkolischen und affenteuerlichen Historien und gelehrten Citaten, Kraut und Rüben. Die zu behandelnden Gegenstände sind geordnet nach den Anfangsbuchstaben ihres Namens, die ebenfalls höchst willkürlich gewählt sind. Auch die Einteilungen sind ergötzlich, z. B. wenn der Verfasser von Gespenstern handeln will, so handelt er 1) von wirklichen Gespenstern, 2) von erdichteten Gespenstern, d. h. von Betrügern, die sich als Gespenster vermummen. Aber er ist voll Belehrung, und in diesem Buche, so wie auch in seinen anderen Werken, haben sich Traditionen erhalten, die theils sehr wichtig für das Studium der germanischen Religionsalterthümer, theils auch als bloße Kuriositäten sehr interessant sind. Ich bin überzeugt, ihr Alle wisst nicht, dass es Meerbischöfe giebt. Ich zweifle sogar, ob die Gazette de France es weiß. Und doch wäre es wichtig für manche Leute, zu wissen, daß das Christenthum sogar im Ocean seine Anhänger hat, und gewiß in großer Anzahl. Vielleicht die Majorität der Meergeschöpfe sind Christen, wenigstens eben so gute Christen wie die Majorität der Franzosen. Ich möchte Dieses gern verschweigen, um der katholischen Partei in Frankreich durch diese Mittheilung keine Freude zu machen, aber da ich hier von Nixen, von Wassermenschen zu sprechen habe, verlangt es die deutsch-gewissenhafte Gründlichkeit, dass ich der Seebischöfe erwähne. Prätorius erzählt nämlich Folgendes:

»In den holländischen Chroniken liest man, Cornelius von Amsterdam habe an einen Medikus, Namens Gelbert, nach Rom geschrieben, daß im Jahr 1531 in dem nordischen Meere, nahe bei Elpach, ein Meermann sei gefangen worden, der wie ein Bischof von der römischen Kirche ausgesehen habe. Den habe man dem König von Polen zugeschickt. Weil er aber ganz im geringsten Nichts essen wollte von Allem, was ihm dargereicht, sei er am dritten Tage gestorben, habe Nichts geredet, sondern nur große Seufzer geholet.«

Eine Seite weiter hat Prätorius ein anderes Beispiel mitgetheilt:

»Im Jahre 1433 hat man in dem baltischen Meere, gegen Polen, einen Meermann gefunden, welcher einem Bischof ganz ähnlich gewesen. Er hatte einen Bischofshut auf dem Haupte, seinen Bischofsstab in der Hand und ein Messgewand an. Er ließ sich berühren, sonderlich von den Bischöfen des Ortes, und erwies ihnen Ehre, jedoch ohne Rede. Der König wollte ihn in einem Thurm verwahren lassen, darwider setzte er sich mit Gebärden, und bat die Bischöfe, dass man ihn wieder in sein Element lassen wolle, welches auch geschehen, und wurde er von zwei Bischöfen dahin begleitet, und erwies sich freudig. Sobald er in das Wasser kam, machte er ein Kreuz, und tauchte sich hinunter, wurde auch künftig nicht mehr gesehen. Dieses ist zu lesen in Flandr. Chronic. in Hist. ecclesiast. Spondani, wie auch in den Memorabilibus Wolfii

Ich habe beide Geschichten wörtlich mitgetheilt und meine Quelle genau angegeben, damit man nicht etwa glaube, ich hätte die Meerbischöfe erfunden. Ich werde mich wohl hüten, noch mehr Bischöfe»noch mehr Pfaffen« steht in der neuesten französischen Ausgabe.
Der Herausgeber.
zu erfinden. Ich habe völlig genug an denen, welche uns sichtbar sind. Ich sähe sogar Manche derselben gern ihren Kollegen im Ocean einen Besuch abstatten und die Christenheit drunten im Meere mit ihrer Gegenwart erfreuen. Der Unglaube hat sich noch nicht bis in die Tiefen des Oceans verbreitet; man hat dort noch keine Voltaire'schen Werke zu fünf Sous gedruckt; die Meerbischöfe schwimmen dort noch friedlich umher zwischen ihren gläubigen Herden.

Einigen Engländern, mit denen ich mich gestern über die Reform der anglikanisch-episkopalen Kirche unterhielt, habe ich den Rath gegeben, aus ihren Landbischöfen lauter Meerbischöfe zu machen.

Zur Ergänzung der Sagen von Nixen und Elfen habe ich noch von den obenerwähnten Schwanenjungfrauen zu reden. Die Sage ist hier sehr unbestimmt und mit einem allzugeheimnisvollen Dunkel umwoben.Dieser Satz fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
Sind sie Wassergeister? Sind sie Luftgeister? Sind sie Zauberinnen? Manchmal kommen sie aus den Lüften als Schwäne herabgeflogen, legen ihre weiße Federhülle von sich wie ein Gewand, sind dann schöne Jungfrauen, und baden sich in stillen Gewässern. Überrascht sie dort irgend ein neugieriger Bursche, dann springen sie rasch aus dem Wasser, hüllen sich geschwind in ihre Federhaut, und schwingen sich dann als Schwäne wieder empor in die Lüfte. Der vortreffliche Musäus erzählt in seinen Volksmärchen die schöne Geschichte von einem jungen Ritter, dem es gelang, eines von jenen Federgewändern zu stehlen; als die Jungfrauen aus dem Bade stiegen, sich schnell in ihre Federkleider hüllten und davon flogen, blieb Eine zurück, die vergebens ihr Federkleid suchte. Sie kann nicht fortfliegen, weint beträchtlich, ist wunderschön, und der schlaue Ritter heirathet sie. Sieben Jahre leben sie glücklich; aber einst in der Abwesenheit des Gemahls kramt die Frau in verborgenen Schränken und Truhen, und findet dort ihr altes Federgewand; geschwind schlüpft sie hinein und fliegt davon.

In den altdänischen Liedern ist von einem solchen Federgewand sehr oft die Rede; aber dunkel und in höchst befremdlicher Art. Hier finden wir Spuren von dem ältesten Zauberwesen. Hier sind Töne von nordischem Heidenthum, die wie halbvergessene Träume in unserem Gedächtnisse einen wunderbaren Anklang finden. Ich kann nicht umhin, ein altes Lied mitzutheilen, worin nicht bloß von der Federhaut gesprochen wird, sondern auch von den Nachtraben, die ein Seitenstück zu den Schwanenjungfrauen bilden. Dieses Lied ist so schauerlich, so grauenhaft, so düster wie eine skandinavische Nacht, und doch glüht darin eine Liebe, die an wilder Süße und brennender Innigkeit nicht ihres Gleichen hat,Der Schluß dieses Satzes und der folgende Satz fehlen in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
eine Liebe, die, immer gewaltiger entlodernd, endlich wie ein Nordlicht emporschießt und mit ihren leidenschaftlichen Strahlen den ganzen Himmel überflammt. Indem ich hier dieses ungeheure Liebesgedicht mittheile, muss ich vorausbemerken, dass ich mir dabei nur metrische Veränderungen erlaubte, dass ich nur am Äußerlichen, an dem Gewande, hie und da ein bischen geschneidert. Der Refrain nach jeder Strophe ist immer: »So fliegt er über das Meer!«In den französischen Ausgaben findet sich hier noch folgende Einschaltung: »Es ist ein wunderbares Lied, und sein Zauber wirkt immer noch . . . Hört nur!
    Der König, die junge Königin,
    Die saßen bei Tische selbander;
    Von einer Fahrt übers salzige Meer
    Sprachen sie wohl miteinander.«
Der Herausgeber.

Sie schifften wohl über das salzige Meer,
Der König und die Königin beide;
Dass die Königin nicht geblieben daheim,
Das ward zu großem Leide.

Das Schiff das stand auf einmal still,
Sie konnten's nicht weiter lenken;
Ein wilder Nachtrabe geflogen kam,
Er wollt's in den Grund versenken.

»Ist Jemand unter den Wellen versteckt,
Und hält das Schiff befestigt?
Ich gebe ihm beides Silber und Gold,
Er lasse uns unbelästigt.

»So du es bist, Nachtrabe wild,
So senk uns nicht zu Grunde,
Ich gebe dir beides Silber und Gold,
Wohl fünfzehn gewogene Pfunde.«

»»Dein Gold und Silber verlang' ich nicht,
Ich verlange bessere Gaben,
Was du trägst unter dem Leibgurt dein,
Das will ich von dir haben.««

»Was ich trage unter dem Leibgurt mein
Das will ich dir gerne geben;
Das sind ja meine Schlüssel klein.
Nimm hin, und lass' mir mein Leben!«

Sie zog heraus die Schlüssel klein,
Sie warf sie ihm über Borde.
Der wilde Rabe von dannen flog,
Er hielt sie freudig beim Worte.

Und als die Kön'gin nach Hause kam,
Sie ging am Strande spazieren,
Da merkt' sie, wie German, der fröhliche Held
Sich unter dem Leibgurt that rühren.

Und als fünf Monde verflossen dahin,
Die Königin eilt in die Kammer,
Eines schönen Sohnes sie genas,
Das ward zu großem Jammer.

Er ward geboren in der Nacht,
Und getauft sogleich den Morgen,
Sie nannten ihn German, den fröhlichen Held,
Sie glaubten ihn schon geborgen.

Der Knabe wuchs, er wusste sich gut
Im Reiten und Fechten zu üben,
So oft seine liebe Mutter ihn sah
That sich ihr Herz betrüben.

»O Mutter, liebe Mutter mein,
Wenn ich Euch vorübergehe,
Warum so traurig werdet Ihr,
Daß ich Euch weinen sehe?«

»»So wisse, German, du fröhlicher Held,
Dein Leben ist bald geendet,
Denn als ich dich unter dem Leibgurt trug,
Hab' ich dich dem Raben verpfändet.««

»O Mutter, liebe Mutter mein,
O lasst Eu'r Leid nur fahren!
Was mir mein Schicksal bescheren will,
Davor kann mich Niemand bewahren.«

Das war eines Donnerstags im Herbst,
Als kaum der Morgen graute,
Die Frauenstube offen stand,
Da kamen krächzende Laute.

Der häßliche Rabe kam herein,
Setzt' sich zu der Königin dorten:
»Frau Königin, gebt mir Euer Kind,
Ihr habt's mir versprochen mit Worten.«

Sie aber hat beim höchsten Gott,
Bei allen Heil'gen geschworen,
Sie wüsste weder von Tochter noch Sohn,
Die sie auf Erden geboren.

Der häßliche Rabe flog zornig davon,
Und zornig schrie er im Fluge:
»Wo find' ich German, den fröhlichen Held,
Er gehört mir mit gutem Fuge.«

Und German war alt schon fünfzehn Jahr',
Und ein Mädchen zu freien gedacht' er;
Er schickte Boten nach Engeland,
Er warb um des Königs Tochter.

Des Königs Tochter ward ihm verlobt,
Und nach England zu reisen beschloss er:
»Wie komm' ich schnell zu meiner Braut,
Rings um die Insel ist Wasser?«

Und Das war German, der fröhliche Held,
In Scharlach sich kleiden that er,
In seinem scharlachrothen Kleid
Vor seine Mutter trat er.

»O Mutter, liebe Mutter mein,
Erfüllet mein Begehre,
Und leiht mir Euer Federgewand,
Dass ich fliegen kann über dem Meere.«

»»Mein Federgewand in dem Winkel dort hängt,
Die Federn die fallen zur Erde;
Ich denke, dass ich zur Frühjahrzeit
Das Gefieder ausbesseren werde.

»»Auch sind die Fittige viel zu breit,
Die Wolken drücken sie nieder –
Und ziehst du fort in ein fremdes Land,
Ich schaue dich niemals wieder.««

Er setzte sich in das Federgewand,
Flog fort wohl über das Wasser;
Da traf er den wilden Nachtraben an.
Auf der Klippe im Meere saß er.

Wohl über das Wasser flog er fort,
Inmitten des Sundes kam er;
Da hört' er einen erschrecklichen Laut,
Eine häßliche Stimme vernahm er:

»Willkommen, German, du fröhlicher Held,
So lange erwarte ich deiner;
Als deine Mutter dich mir versprach,
Da warst du viel zarter und kleiner.«

»»O laß' mich fliegen zu meiner Braut,
Ich treffe (bei meinem Worte!),
Sobald ich sie gesprochen hab',
Dich hier auf demselben Orte.««

»So will ich dich zeichnen, dass immerdar
Ich dich wiedererkenne im Leben.
Und dieses Zeichen erinnere dich
An das Wort, das du mir gegeben.«

Er hackte ihm aus sein rechtes Aug',
Trank halb ihm das Blut aus dem Herzen
Der Ritter kam zu seiner Braut
Mit großen Liebesschmerzen.

Er setzte sich in der Jungfraun Saal,
Er war so blutig, so bleiche;
Die kosenden Jungfraun in dem Saal,
Sie verstummten alle sogleiche.

Die Jungfraun ließen Freud' und Scherz,
Sie saßen still so sehre;
Aber die stolze Jungfrau Adelutz
Warf von sich Nadel und Schere.

Die Jungfraun saßen still so sehr,
Sie ließen Scherz und Freude;
Aber die stolze Jungfrau Adelutz
Schlug zusammen die Hände beide.

»Willkommen, German, der fröhliche Held,
Wo habt Ihr gespielet so muthig?
Warum sind Eure Wangen so bleich
Und Eure Kleider so blutig?«

»»Ade, stolze Jungfrau Adelutz,
Muß wieder zurück zu dem Raben,
Der mein Aug' ausriß und mein Herzblut trank,
Auch meinen Leib will er haben.««

Einen goldnen Kamm zieht sie heraus,
Selbst kämmt sie ihm seine Haare;
Bei jedem Haare, das sie kämmt,
Vergießt sie Thränen viel klare.

Bei jeder Locke, die sie ihm schlingt,
Vergießt sie Thränen viel klare;
Sie verwünscht seine Mutter, durch deren Schuld
Er so viel Unglück erfahre.

Die stolze Jungfrau Adelutz
Zog ihn in ihre Arme beide;
»Deine böse Mutter sei verwünscht,
Sie bracht' uns zu solchem Leide.«

»»Hört, stolze Jungfrau Adelutz,
Meine Mutter verwünschet nimmer,
Sie konnte nicht, wie sie gewollt,
Seinem Schicksal erliegt man immer.««

Er setzte sich in sein Federgewand,
Flog wieder fort so schnelle.
Sie setzt sich in ein andres Federgewand
Und folgt ihm auf der Stelle.

Er flog wohl auf, er flog wohl ab
In der weiten Wolkenhöhe;
Sie flog beständig hinter ihm drein,
Blieb immer in seiner Nähe.

»Kehrt um, stolze Jungfrau Adelutz,
Müsst wieder nach Hause fliegen;
Eure Saalthür ließet ihr offen steh«.
Eure Schlüssel zur Erde liegen.«

»»Lass' meine Saalthür offen stehn,
Meine Schlüssel liegen zur Erde;
Wo Ihr empfangen habt Eu'r Leid,
Dahin ich Euch folgen werde.««

Er flog wohl ab, er flog wohl auf,
Die Wolken hingen so dichte,
Es brach herein die Dämmerung,
Sie verlor ihn aus dem Gesichte.

Alle die Vögel, die sie im Fluge traf,
Die schnitt sie da in Stücken;
Nur dem wilden hässlichen Raben zu nahn,
Das wollt' ihr nicht gelücken.

Die stolze Jungfrau Adelutz,
Herunter flog zum Strand sie;
Sie fand nicht German, den fröhlichen Held,
Seine rechte Hand nur fand sie.

Da schwang sie sich wieder erzürnt empor,
Zu treffen den wilden Raben,
Sie flog gen Westen, gen Osten sie flog,
Von ihr selbst den Tod sollt' er haben.

Alle die Vögel, die kamen vor ihre Scher',
Hat sie in Stücken zerschnitten;
Und als sie den wilden Nachtraben traf,
Sie schnitt ihn entzwei in der Mitten.

Sie schnitt ihn und zerrt ihn, so lang bis sie selbst
Des müden Todes gestorben.
Sie hat um German, den fröhlichen Held,
So viel Kummer und Noth erworben.

Höchst bedeutungsvoll ist in diesem Liede nicht bloß die Erwähnung des Federgewandes, sondern das Fliegen selbst. Zur Zeit des Heidenthums waren es Königinnen und edle Frauen, von welchen man sagte, dass sie in den Lüften zu fliegen verstünden, und diese Zauberkunst, die damals für etwas Ehrenwerthes galt, wurde später in christlicher Zeit als eine Abscheulichkeit des Hexenwesens dargestellt. Der Volksglaube von den Luftfahrten der Hexen ist eine Travestie alter germanischer Traditionen und verdankt seine Entstehung keineswegs dem Christenthum, wie man aus einer Bibelstelle, wo Satan unseren Heiland durch die Lüfte führt, irrthümlich vermuthet hat. Jene Bibelstelle könnte allenfalls zur Justifikation des Volksglaubens dienen, indem dadurch bewiesen ward, dass der Teufel wirklich im Stande sei, die Menschen durch die Luft zu tragen.Dieser Absatz fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.

Die Schwanenjungfrauen, von welchen ich geredet, halten Manche für die Walküren der Skandinavier. Auch von Diesen haben sich bedeutsame Spuren im Volksglauben erhalten. Sie sind weibliche Wesen, die mit weißen Flügeln die Luft durchschneiden, gewöhnlich am Vorabend einer Schlacht, deren Ausgang sie durch ihre geheime Entscheidung bestimmen. Sie pflegen auch den Helden auf einsamen Waldwegen zu erscheinen, und ihnen den Sieg oder die Niederlage vorherzusagen. Man liest im Prätorius:

Es hat sich dermaleinst begeben, dass König Hother in Dänemark und Schweden, da er auf der Jagd in einem Nebel von den Seinen zu weit abgeritten, zu solchen Jungfrauen sei kommen, die haben ihn gekannt, mit Namen genennet und angesprochen. Und als er gefragt, wer sie wären, haben sie zur Antwort gegeben, sie wären Die, in deren Hand der Sieg stünde im Krieg wider die Feinde, sie wären allezeit im Kriege mit und hülfen streiten, ob man sie gleich mit Augen nicht sehe; wem sie nun den Sieg gönneten, der schlüge und überwinde seine Feinde, und behielte den Sieg und das Feld, und könnte ihm der Feind nicht schaden. Wie sie Solches zu ihm geredet, sind sie bald mit ihrem Hause und Tempel vor seinen Augen verschwunden, daß der König da allein gestanden ist im weiten Felde, unter offenem Himmel.

Der wesentliche Inhalt dieser Geschichte erinnert uns an die Hexen, die Shakespeare in seinem Macbeth auftreten lässt, und die in der alten Sage, welche der Dichter fast umständlich benutzt hat, weit edler, als sonst wohl die Hexen, geschildert werden.

Nach dieser Sage sind gleichfalls dem Helden im Walde, kurz vor der Schlacht, drei räthselhafte Jungfrauen begegnet, die ihm sein Schicksal voraussagten und spurlos verschwanden. Es waren Walküren oder gar die Nornen, die Parzen des Nordens. An Diese mahnen auch die drei wunderlichen Spinnerinnen, die uns aus alten Ammenmärchen bekannt sind; die Eine hat einen Plattfuß, die Andere einen breiten Daumen, und die Dritte eine Hängelippe. Hieran erkennt man sie immer, sie mögen sich verjüngt oder verältert präsentieren.In den französischen Ausgaben fehlt der obige Satz. Auch lauten die vorhergehenden Sätze der Form nach etwas anders.
Der Herausgeber.
Ich theile die lieblichste Version dieses Märchens nach dem Grimm'schen Buche mit.

Es war ein Mädchen faul und wollte nicht spinnen, und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, sie konnte es nicht dazu bringen. Endlich übernahm die Mutter einmal Zorn und Ungeduld, dass sie ihm Schläge gab, worüber es laut zu weinen anfing. Nun fuhr grade die Königin vorbei, und als sie das Weinen hörte, ließ sie anhalten, trat in das Haus und fragte die Mutter, warum sie ihre Tochter schlüge, dass man draußen aus der Straße das Schreien hörte. Da schämte sich die Frau, dass sie die Faulheit ihrer Tochter offenbaren sollte und sprach: »Ich kann sie nicht vom Spinnen abbringen, sie will immer und ewig spinnen, und ich bin arm und kann den Flachs nicht herbeischaffen.« Da antwortete die Königin: »Ich höre Nichts lieber als Spinnen, und bin nicht vergnügter als wenn die Räder schnurren; gebt mir Eure Tochter mit ins Schloß, ich habe Flachs genug, da soll sie spinnen, so viel sie Lust hat.« Die Mutter war's von Herzen gerne zufrieden, und die Königin nahm das Mädchen mit. Als sie ins Schloss gekommen waren, führte sie es hinauf zu drei Kammern, die lagen von unten bis oben voll vom schönsten Flachs. »Nun spinn mir diesen Flachs,« sprach sie, und wenn du es fertig bringst, so sollst du meinen ältesten Sohn zum Gemahl haben; bist du gleich arm, so acht' ich nicht darauf, dein unverdrossener Fleiß ist Ausstattung genug.« Das Mädchen erschrak innerlich, denn es konnte den Flachs nicht spinnen, und wär's dreihundert Jahr' alt geworden, und hätte jeden Tag von Morgen bis Abend dabei gesessen. Als es nun allein war, fing es an zu weinen, und saß so drei Tage, ohne die Hand zu rühren. Am dritten Tage kam die Königin, und als sie sah, dass noch Nichts gesponnen war, verwunderte sie sich, aber das Mädchen entschuldigte sich damit, dass es vor großer Betrübnis über die Entfernung aus seiner Mutter Hause noch nicht hätte anfangen können. Das ließ sich die Königin gefallen, sagte aber beim Weggehen: »Morgen musst du mir anfangen zu arbeiten.«

Als das Mädchen wieder allein war, wusste es sich nicht mehr zu rathen und zu helfen, und trat in seiner Betrübnis vor das Fenster. Da sah es drei Weiber herkommen, davon hatte die Erste einen breiten Platschfuß, die Zweite hatte eine so große Unterlippe, dass sie über das Kinn herunterhing, und die Dritte hatte einen breiten Daumen. Die blieben vor dem Fenster stehen, schauten hinauf und fragten das Mädchen, was ihm fehlte. Es klagte ihnen seine Noth, da trugen sie ihm ihre Hilfe an und sprachen: »Willst du uns zur Hochzeit einladen, dich unser nicht schämen und uns deine Basen heißen, auch an deinen Tisch setzen, so wollen wir dir den Flachs wegspinnen, und Das in kurzer Zeit.« »Von Herzen gern,« antwortete es; »kommt nur herein und fangt gleich die Arbeit an.« Da ließ es die drei seltsamen Weiber herein und machte in der ersten Kammer eine Lücke, wo sie sich hinsetzten und ihr Spinnen anhuben. Die Eine zog den Faden und trat das Rad, die Andere netzte den Faden, die Dritte drehte ihn und schlug mit dem Finger auf den Tisch, und so oft sie schlug, fiel eine Zahl Garn zur Erde, und das war aufs feinste gesponnen. Vor der Königin verbarg sie die drei Spinnerinnen, und zeigte ihr, so oft sie kam, die Menge des gesponnenen Garns, dass Diese des Lobes kein Ende fand. Als die erste Kammer leer war, ging's an die zweite, endlich an die dritte, und die war auch bald aufgeräumt. Nun nahmen die drei Weiber Abschied und sagten zum Mädchen: »Vergiß nicht, was du uns versprochen hast, es wird dein Glück sein.«

Als das Mädchen der Königin die leeren Kammern und den großen Haufen Garn zeigte, richtete sie die Hochzeit aus, und der Bräutigam freute sich, dass er eine so geschickte und fleißige Frau bekäme, und lobte sie gewaltig. »Ich habe drei Basen,« sprach das Mädchen, »und da sie mir viel Gutes gethan haben, so wollte ich sie nicht gern in meinem Glücke vergessen; erlaubt doch, dass ich sie zu der Hochzeit einlade, und dass sie mit an dem Tisch sitzen.« Die Königin und der Bräutigam sprachen: »Warum sollen wir Das nicht erlauben?« Als nun das Fest anhub, traten die drei Jungfrauen in wunderlicher Tracht herein, und die Braut sprach: »Seid willkommen, liebe Basen!« »Ach,« sagte der Bräutigam, »wie kommst du zu der garstigen Freundschaft?« Darauf ging er zu der Einen mit dem breiten Platschfuß und fragte: »Wovon habt Ihr einen solchen breiten Fuß?« »Vom Treten,« antwortete sie, »vom Treten.« Da ging der Bräutigam zur Zweiten und sprach: »Wovon habt Ihr nur die herunterhängende Lippe?« »Vom Lecken,« antwortete sie, »vom Lecken.« Da fragte er die Dritte: »Wovon habt Ihr den breiten Daumen?« »Vom Fadendrehen,« antwortete sie, »vom Fadendrehen.« Da erschrak der Königssohn und sprach: »So soll mir nun und nimmermehr meine schöne Braut ein Spinnrad anrühren.« Damit war sie das böse Flachsspinnen los.

Und die Moral? Die Franzosen, denen ich dies Märchen erzählt habe, fragten mich immer nach der Moral davon. Meine Freunde, Das eben ist der Unterschied zwischen euch und uns. Wir fragen nur im wirklichen Leben, nicht aber bei den Schöpfungen der Poesie, nach der Moral. Ihr könnt jedenfalls aus dieser Geschichte lernen, wie man seinen Flachs von Andern spinnen lassen und doch Prinzessin werden kann. Es ist hübsch von der Amme, frühzeitig den Kindern zu bekennen, dass es noch etwas Wirksameres als die Arbeit giebt, nämlich das Glück. Man erzählt bei uns häufig die Sage von Kindern, die in einer Glückshaut geboren sind, und denen später Alles in der Welt gelingt. Der Glaube an das Glück, als ein angeborenes oder zufällig gewährtes, ist von heidnischem Ursprung und kontrastiert anmuthig mit den christlichen Vorstellungen, wonach Leiden und Entbehrungen als die höchste Gunst des Himmels betrachtet werden.

Die Aufgabe, das Endziel des Heidenthums war die Erreichung des Glücks. Der griechische Held nennt es das goldene Flies, der deutsche den Nibelungenhort. Die Aufgabe des Christenthums war im Gegentheil die Entsagung, und seine Helden erlitten die Qualen des Märtyrerthums; sie luden sich selber das Kreuz auf, und ihr großartigster Kampf trug ihnen immer nur den Gewinn eines Grabes ein.

Man wird sich freilich erinnern, dass das goldene Flies und der Nibelungenhort ihren Besitzern großes Leid gebracht haben. Allein es war eben der Irrthum dieser Helden, dass sie das Gold für das Glück hielten. In der Hauptsache jedoch hatten sie Recht. Der Mensch soll das Glück auf dieser Erde erstreben, das süße Glück und nicht das Kreuz . . . Ach, er mag warten, bis er auf den Kirchhof kommt; dann wird man es ihm schon auf die Gruft setzen, das Kreuz!In der ältesten französischen Ausgabe fehlen hier die nachfolgenden Passagen bis S. 96: »Ich habe in diesen Blättern &c.« Der Herausgeber.

Ich kann nicht umhin, hier eines Märchens zu erwähnen, als dessen Schauplatz mir die rheinische Heimat wieder recht blühend und lachend ins Gedächtnis tritt. Auch hier erscheinen drei Frauen, von welchen ich nicht bestimmen kann, ob sie Elementargeister sind oder Zauberinnen, nämlich Zauberinnen von der altheidnischen Observanz, die sich von der späteren Hexenschwesterschaft durch poetischen Anstand so sehr unterscheiden. Ganz genau habe ich die Geschichte nicht im Kopfe; wenn ich nicht irre, wird sie in Schreiber's rheinischen Sagen aufs umständlichste erzählt.Die obige Stelle stimmt mit bei neuesten französischen Ausgabe fast überein. Der letzte Satz lautet dort: »Die hier mitgetheilte Version weicht ohne Zweifel von derjenigen ab, mit welcher uns der Verfasser des »Taschenbuchs für Rheinreisende,« der geschmacklose und prosaische Herr Aloys Schreiber, regaliert hat.
Der Herausgeber.
Es ist die Sage vom Wisperthale, welches unweit Lorch am Rheine gelegen ist. Dieses Thal führt seinen Namen von den wispernden Stimmen, die Einem dort am Ohre vorbeipfeifen und an ein gewisses heimliches Pist! Pist! erinnern, das man zur Abendzeit in gewissen Seitengässchen einer Hauptstadt zu vernehmen pflegt. Durch dieses Wisperthal wanderten eines Tages drei junge Gesellen, sehr froh gelaunt und höchst neugierig, was doch das beständige Pist! Pist! bedeuten möge. Der Ältere und Gescheiteste von ihnen, ein Schwertfeger seines Handwerks, rief endlich ganz laut: Das sind Stimmen von Weibern, die gewiß so häßlich sind, dass sie sich nicht zeigen dürfen! Er hatte kaum die herausfordernd schlauen Worte gesprochen, da standen plötzlich drei wunderschöne Jungfrauen vor ihm, die ihn und seine zwei Gefährten mit anmuthiger Gebärde einluden, sich in ihrem Schlosse von den Mühseligkeiten der Reise zu erholen und sonstig zu erlustigen. Dieses Schloß, welches sich ganz in ihrer Nähe befand, hatten die jungen Gesellen vorher gar nicht bemerkt, vielleicht weil es nicht frei aufgebaut, sondern in einen Felsen ausgehauen war, so dass nur die kleinen Spitzbogenfenster und ein großer Thorweg von außen sichtbar. Als sie hineintraten in das Schloß, wunderten sie sich nicht wenig über die Pracht, die ihnen von allen Seiten entgegenglänzte. Die drei Jungfrauen, welche es ganz allein zu bewohnen schienen, gaben ihnen dort ein köstliches Gastmahl, wobei sie ihnen selber den Weinbecher kredenzten. Die jungen Gesellen, denen das Herz in der Brust immer freudiger lachte, hatten nie so schöne, blühende und liebreizende Weibsbilder gesehen, und sie verlobten sich denselben mit vielen brennenden Küssen. Am dritten Tage sprachen die Jungfrauen: Wenn ihr immer mit uns leben wollt, ihr holden Bräutigame, so müsst ihr vorher noch einmal in den Wald gehen und euch erkundigen, was die Vögel dort singen und sagen; sobald ihr dem Sperling, der Elster und der Eule ihre Sprüche abgelauscht und sie wohlverstanden habt, dann kommt wieder zurück in unsere Arme.

Die drei Gesellen begaben sich hierauf in den Wald, und nachdem sie sich durch Gestrüpp und Krüppelholz den Weg gebahnt, an manchem Dorne sich geritzt, auch über manche Wurzel gestolpert, kamen sie zu dem Baume, worauf ein Sperling saß, welcher folgenden Spruch zwitscherte:

Es sind mal drei dumme Hänse
Ins Schlaraffenland gezogen;
Da kamen die gebratenen Gänse
Ihnen just vors Maul geflogen.
Sie aber sprachen: Die armen Schlaraffen,
Sie wissen doch nichts Gescheites zu schaffen,
Die Gänse müssten viel kleiner sein,
Sie gehn uns ja nicht ins Maul hinein.

Ja, ja, rief der Schwertfeger, Das ist eine ganz richtige Bemerkung! Ja, ja, wenn der lieben Dummheit die gebratenen Gänse sogar vors Maul geflogen kommen, so fruchtet es ihr doch Nichts! Ihr Maul ist zu klein und die Gänse sind zu groß, und sie weiß sich nicht zu helfen!

Nachdem die drei Gesellen weiter gewandert, sich durch Gestrüpp und Krüppelholz den Weg gebahnt, an manchem Dorne sich geritzt, über manche Wurzel gestolpert, kamen sie zu einem Baume, auf dessen Zweigen eine Elster hin- und hersprang und folgenden Spruch plapperte: Meine Mutter war eine Elster, meine Großmutter war ebenfalls eine Elster, meine Urgroßmutter war wieder eine Elster, auch meine Ur-Urgroßmutter war eine Elster, und wenn meine Ur-Urgroßmutter nicht gestorben wär', so lebte sie noch.

Ja, ja, rief der Schwertfeger, Das verstehe ich! Das ist ja die allgemeine Weltgeschichte. Das ist am Ende der Inbegriff aller unserer Forschungen, und Viel mehr werden die Menschen auf dieser Welt nimmermehr erfahren.

Nachdem die drei Gesellen wieder weiter gewandert, durch Gestrüpp und Krüppelholz sich den Weg gebahnt, an manchem Dorne sich geritzt, über manche Wurzel gestolpert, kamen sie zu einem Baume, in dessen Höhlung eine Eule saß, die folgenden Spruch vor sich hin murrte: Wer mit einem Weibe spricht, Der wird von einem Weibe betrogen, wer mit zwei Weibern spricht, Der wird von zwei betrogen, und wer mit drei Weibern spricht, Der wird von drei betrogen.

Holla! rief zornig der Schwertfeger, du häßlicher, armseliger Vogel mit deiner häßlichen, armseligen Weisheit, die man von jedem bucklichten Bettler für einen Pfennig kaufen könnte! Das ist alter, abgestandener Leumund. Du würdest die Weiber weit besser beurtheilen, wenn du hübsch und lustig wärest wie wir, oder wenn du gar unsere Bräute kenntest, die so schön sind wie die Sonne und so treu wie Gold!

Hierauf machten sich die drei Gesellen auf den Rückweg, und nachdem sie, lustig pfeifend und trillernd, einige Zeit lang gewandert, befanden sie sich wieder Angesichts des Felsenschlosses, und mit ausgelassener Fröhlichkeit sangen sie das Schelmenlied:

Riegel auf, Riegel zu,
Feins Liebchen, was machst du?
Schläfst du oder wachst du?
Weinst du oder lachst du?

Während nun die jungen Gesellen solchermaßen jubilierend vor dem Schloßthore standen, öffneten sich über demselben drei Fensterchen, und aus jedem guckte ein altes Mütterchen heraus; alle drei langnasig und triefäugig, wackelten sie vergnügt mit ihren greisen Köpfen, und sie öffneten ihre zahnlosen Mäuler und sie kreischten: Da unten sind ja unsere holden Bräutigame! Wartet nur, ihr holden Bräutigame, wir werden euch gleich das Thor öffnen und euch mit Küssen bewillkommnen, und ihr sollt jetzt das Lebensglück genießen in den Armen der Liebe!

Die jungen Gesellen, zu Tode bestürzt, warteten nicht so lange, bis die Pforten des Schlosses und die Arme ihrer Bräutchen und das Lebensglück, das sie darin genießen sollten, sich ihnen öffneten; sie nahmen auf der Stelle Reißaus, liefen über Hals und über Kopf, und machten so lange Beine, dass sie noch desselben Tags in der Stadt Lorch anlangten. Als sie hier des Abends in der Schenke beim Weine saßen, mussten sie manchen Schoppen leeren, ehe sie sich von ihrem Schrecken ganz erholt. Der Schwertfeger aber fluchte hoch und theuer, daß die Eule der klügste Vogel der Welt sei und mit Recht für ein Sinnbild der Weisheit gelte.

Ich habe diese Erzählung dem Märchen von den drei Spinnerinnen angereiht. Nach der Meinung einiger gelehrten Hellenisten sind Letztere die drei Parzen; allein unsere patriotischen Alterthumsforscher, welche für Alles, was nach klassischen Studien aussieht, wenig eingenommen sind, vindicieren diese drei Frauen der skandinavischen Mythologie und behaupten, es seien die drei Nornen. Diese beiden Hypothesen könnten auch auf die drei Frauen des Wisperthals Anwendung finden. Es ist schwierig, das Wesen der skandinavischen Nornen genau zu bestimmen. Man kann sie für Eins und Dasselbe mit den Walküren halten, von denen ich schon gesprochen. Die Sagas der isländischen Dichter erzählen uns von diesen Walküren die wunderbarsten Dinge. Bald reiten sie in den Lüften über dem Getümmel der Schlacht, deren Loos sie entscheiden; bald sind sie Amazonen, welche Schildjungfrauen genannt werden und für ihre Liebhaber kämpfen; bald erscheinen sie unter der Gestalt jener Schwanenjungfrauen, von denen ich oben einige Züge mitgetheilt. Es herrscht in diesen Traditionen eine Verworrenheit, die so neblicht ist wie der Himmel des Nordens. Eine derartige Walküre war die starke Sigrun; in der Saga, die von ihr redet, finden wir eine rührende Episode, die an Bürger's »Lenore« erinnert. Aber Letztere erscheint matt im Vergleich mit der Heldin des skandinavischen Gedichtes. Ich gebe nachstehend einen Auszug dieser Saga.

König Sigmund, der Sohn Wölsung's, hatte Borghild von Bralund zur Gemahlin, und sie nannten ihren Sohn Helgi, nach Helgi, dem Sohne Sorward's. Sigmund und die Mannen seines Geschlechts nannten sich Wölsungen. – Hunding war der König eines reichen Landes, das nach ihm Hundland hieß; er war ein großer Krieger und der Vater zahlreicher Söhne, die zum Kampf ausgezogen. Der König Hunding und der König Sigmund lebten miteinander in Feindschaft und Krieg, und tödteten einander gegenseitig ihre Freunde, – Granmar war der Name eines mächtigen Königs, der auf einer Anhöhe, Swarinshöh genannt, residierte; er hatte viele Söhne, von welchen der Eine Hodbrodd, der Andere Gudmund und der Dritte Starkoddr hieß. Hodbrodd wohnte der Königsversammlung bei, und ward mit Sigrun, der Tochter Högni's, verlobt. Als aber Diese hievon Kunde erhielt, schwang sie sich mit den Walküren aufs Ross, und durchschweifte die Lüfte und das Meer, um Helgi aufzusuchen. Helgi befand sich damals zu Logafjäll; er hatte gegen Hunding's Söhne gekämpft, hatte Alf, Eiolf, Hagbard und Herward getödtet, und ermüdet von der Schlacht ruhte er unter der Adlerklippe aus. Dort fand ihn Sigrun; sie fiel ihm um den Hals, umarmte ihn (unter ihrem Helm) und sprach: »Mein Vater hat mich mit dem bösen Sohne Granmar's verlobt, aber ich habe ihn tapfer wie den Sohn einer Katze genannt. In wenigen Nächten wird der Fürst kommen, wenn du ihn nicht auf das Schlachtfeld lockst, und die Königstochter entführst.« Da fühlte sich der Held von Liebe zu der Jungfrau ergriffen; aber Sigrun hatte den Sohn Sigmund's schon leidenschaftlich geliebt, bevor sie ihn gesehen. Die Tochter Högni's folgte daher ihrem Herzen, indem sie sagte, daß sie Helgi's Liebe bedürfe. »Aber,« fuhr Sigrun fort, »ich sehe, o Prinz, den Zorn der Freunde unseres Hauses voraus, weil ich den liebsten Wunsch meines Vaters vereitelt habe.« Helgi antwortete: »Kümmere dich nicht um den Zorn Högni's, noch um den Groll deines Stammes; du wirst bei mir wohnen, Jungfrau; du bist, wie ich sehe, von edler Herkunft.« Helgi versammelte eine große Zahl Krieger und hieß sie zu Schiff steigen, und fuhr mit ihnen gen Frekastein; auf dem Meere wurden sie von einem heftigen Sturm überfallen, der sie in Lebensgefahr brachte, die Blitze zuckten rings am Himmel, der Strahl fuhr hinab und traf ihre Schiffe. Da sahen sie neun Walküren in den Lüften reiten, und sie erkannten Sigrun; bald legte sich das Unwetter, und sie erreichten wohlbehalten das Ufer. Die Söhne Granmar's lagerten auf einem Berge, als die Schiffe ans Land kamen. Gudmund warf sich auf sein Pferd und ritt zum Meere hinab, um die Ankömmlinge in Augenschein zu nehmen. Da zogen die Wölsungen ihre Segel auf, und Gudmund frug: »Wer ist der König, der über diese Flotte gebeut und dies furchtbare Heer in unser Land führt?« Der Sohn Sigmund's antwortete ihm stolz und herausfordernd, und Gudmund kehrte mit der Kriegsbotschaft zurück. Alsbald sammelten die Söhne Granmar's ein Heer, in welchem sich viele Könige befanden, sowie auch Högni, der Vater Sigrun's, und seine Söhne Bragi und Dag. Und es kam zu einer großen Schlacht, in der alle Söhne Granmar's und alle ihre Heeresobersten fielen, ausgenommen Dag, den Sohn Högni's, welcher Frieden schloss und den Wölsungen Treue schwor. Sigrun ging über das Schlachtfeld und fand Hodbrodd, der im Sterben lag. Sie sprach: »Niemals, o König Hodbrodd, wird Sigrun von Sewafjäll in deinen Armen ruhn; dein Leben ist verfallen. Bald wird die Wolfstatze die Söhne Granmar's zerfleischen.« Dann ging sie wieder zu Helgi und war voller Freude; der junge Krieger sprach zu ihr: »Leider, o Alwitr (die Allwissende, einer der Namen, die man den Walküren gab), leider ist nicht Alles nach deinen Wünschen gegangen, aber die Nornen lenken unsre Schicksale; Bragi und Högni sind heute Morgen bei Frekastein gefallen – ich war ihr Mörder. Und Starkoddr fiel bei Styrkleif, und bei Hlebjorg fielen Hrollang's Söhne; der Eine von ihnen war der grimmste Held, den ich jemals gesehen; als sein Kopf abgehauen war, kämpfte noch immer sein Leib. Fast dein ganzes Geschlecht liegt jetzt am Boden, verwundet und todt; du hast in dieser Schlacht Nichts gewonnen; es war dir vorherbestimmt, nur durch Kämpfe die Erfüllung deiner Wünsche zu erreichen.« Da vergoss Sigrun Thränen, und Helgi sprach: »Tröste dich, Sigrun, du warst unsere Hilde (eine Kriegsgöttin, die zum Kampf anfeuerte); die Könige selbst entgehen nicht ihrem Schicksal!« Sie antwortete: »Ach, könnte ich Die, welche todt sind, wieder beleben, zugleich aber in deinen Armen ruhn!«

Helgi nahm Sigrun zum Weibe, und sie schenkte ihm Söhne. Helgi lebte nicht lange. Dag, der Sohn Högni's, brachte Odin Opfer dar und bat ihn um Beistand, seinen Vater zu rächen, und Odin lieh ihm seine furchtbare Lanze. Dag fand seinen Schwager in der Gegend, welche Fjöturland heißt, und er durchbohrte ihn mit der Lanze Odin's. So fiel Helgi; aber Dag ritt sofort nach Sewafjäll und brachte Sigrun die Nachricht von dem Tode ihres geliebten Helden. »Meine Schwester, ich bin genöthigt, dir eine traurige Botschaft zu verkünden. Ich muß dich Thränen vergießen machen; ein König ist heute Morgen in Fjöturland gefallen, ein König, welcher der beste von allen auf Erden war, und dessen Haupt hoch über dem der tapfersten Krieger emporragte.« Sigrun rief aus: »Möge dein Herz durchbohrt werden von allen Eiden, die du Helgi bei der Lichtwelle Leiptr's (der Fluß der Unterwelt) und bei der Eisklippe geschworen hast, die von seinen Wassern bespült wird! Möge nie ein Schiff unter dir dahingleiten, das ein günstiger Wind treibt; möge nie ein Schlachtroß dich forttragen, würdest du auch von deinen grausamsten Feinden verfolgt! Möge das Schwert, das du schwingst, seine Schneide verlieren, wenn es dir nicht selbst um das Haupt pfeift! O, könntest du, um den Tod Helgi's an dir gerächt zu sehn, in einen Wolf verwandelt werden und im Walde leben, jedes Guts, jeder Freude und jeder Nahrung beraubt, wenn du nicht zwischen Leichen umherspringst!« Dag erwiderte: »Du rasest, meine Schwester, und es ist Wahnsinn, deinem Bruder zu fluchen. Odin allein war Ursache all dieses Unglücks; er warf Zwietrachtsrunen zwischen die nächsten Verwandten. Dein Bruder bietet dir jetzt die rothen Ringe der Versöhnung, er bietet dir alles Land von Wlandilswe und Wigdali; nimm, o Weib mit den Ringen geschmückt, nimm für dich und deinen Sohn die Hälfte des Reiches zum Ersatz für deinen Schmerz!« Sigrun sprach: »Nimmer werde ich glücklich in Sewafjäll thronen, noch mich des Lebens erfreuen bei Nacht oder bei Tag, wenn der Glanz meines Helden nicht an der Pforte des Grabes erscheint, und wenn das Streitroß meines Königs, Wigblör mit den goldenen Zügeln, sich nicht unter ihm bäumt, auf daß ich ihn erfassen und ihn in meine Arme drücken kann. So erschreckt flohen vor Helgi alle seine Feinde und ihre Freunde, wie vor dem Wolf die aufgescheuchten Bergziegen entfliehen. So hoch ragte Helgi unter den Helden hervor, wie die Edelesche unter den Brombeeren hervorragt, oder wie der thaubenetzte Damhirsch alle anderen Thiere übertrifft und seine glänzenden Hörner gen Himmel erhebt!«

Ein Grabhügel ward über Helgi errichtet; und als er nach Walhall kam, bot ihm Odin an, mit ihm seine Herrschaft über das Weltall zu theilen. Und Helgi sprach, Hunding erblickend: »Du, Hunding, wirst alle Tage, bevor du zu Bette gehst, jedem Manne sein Fußbad bereiten, du wirst das Feuer anzünden, die Hunde koppeln, die Pferde besorgen und den Schweinen ihr Futter geben!«

Die Magd Sigrun's ging Abends am Grabhügel Helgi's vorüber, und siehe, sie sah Helgi mit einem zahlreichen Gefolge von Kriegern die Höhe hinanreiten. Die Magd sagte: »Sind es nur Trugbilder, die meinen Augen erscheinen, oder ist das Ende der Welt da? Todte Männer kommen geritten; mit den Sporen treibt ihr eure Streitrosse an. Ist die Rückkehr den Helden gewährt?« Helgi sprach: »Es sind keine Trugbilder, die deinen Augen erscheinen, und das Ende der Welt ist auch noch nicht da, obgleich du uns siehst und wir mit den Sporen unsere Streitrosse antreiben, aber die Rückkehr ist den Helden gewährt.« Die Magd ging eilig nach Hause und sprach zu Sigrun: »Geh auf den Hügel, Sigrun von Sewafjäll, wenn es dich verlangt, den Fürsten der Völker zu finden; das Grab hat sich geöffnet, Helgi ist gekommen, seine Wunden bluten; er ladet dich ein, sie zu stillen und sie zu heilen. Sigrun eilte zum Hügel, trat zu Helgi und sprach: »Wie froh bin ich, dich wiederzusehn! so froh wie Odin's fraßgierige Geier, wenn sie den Geruch von Leichnamen wittern, oder, von Thau befeuchtet, die Morgenröthe heraufsteigen sehn. Zuerst will ich dich umarmen, todter König, ehe du dein blutiges Panzerhemd ablegst. O Helgi, dein Haar ist weiß geworden vom Reif, du bist überall von dem Thau der Todten (das Blut) bedeckt, und deine Hände sind kalt wie Eis. Wie vermag ich, o König, deinen Leiden Linderung zu verschaffen?« Helgi antwortete: »Du allein, Sigrun von Sewafjäll, bist Ursache, dass Helgi vom Thau des Unglücks benetzt ist; allabendlich, ehe du einschläfst, o Königin mit Gold und Edelsteinen geschmückt, vergießest du lange Zeit bittere Thränen. Jede deiner Thränen ist blutend auf meine Brust gefallen, auf meine eisige und schmerzzerschlagene Brust! Aber wir trinken noch mit einander den Saft der Wonnen, wenn wir auch jede Freude und jegliches Gut verloren; ja, dass Niemand ein Trauerlied anstimme, wenn er auch klaffende Wunden auf meiner Brust sieht! Frauen weilen jetzt bei uns im Verborgenen, Königsfrauen bei uns, den Todten!« Sigrun bereitete ein Bett in dem Hügel: »Hier ist ein Bett der Ruhe und frei von Sorgen, das ich für dich bereitet habe, o Helgi, Sohn Wölsung's! Ich will schlafen in deinen Armen, o König, wie ich es gethan, als du lebtest!« Helgi sprach: »Jetzt behaupte ich, dass Nichts unglaublich ist früh oder spät in Sewafjäll, da du, hehre Tochter Högni's von königlichem Stamme, in meinen leblosen Armen ruhst, du, die noch unter den Lebenden weilet! – Aber es ist Zeit, dass ich meinen Lichtweg wieder wandle, und mein bleiches Streitross seinen Luftpfad wieder antrete, den das Morgenroth schon zu erhellen beginnt; denn ich muss westwärts von der Windhjalm-Brücke (der Regenbogen) sein, ehe Salgofuir (der Hahn) das Volk der Sieger weckt.« – Helgi und sein Gefolge ritten auf ihren Streitrossen fort, und die Frauen kehrten zu ihrer Wohnung zurück. Am folgenden Tag gegen Abend ließ Sigrun ihre Magd am Grabhügel Wacht halten. Aber bei Sonnenuntergang, als Sigrun zum Hügel kam, sagte sie: »Um diese Stunde würde der Sohn Sigmund's von Odin's Hallen gekommen sein, wenn er heute zu kommen gedächte. Meine Hoffnung erlischt, den Helden wieder erscheinen zu sehn, denn die Adler lassen sich schon nieder auf den Zweigen der Esche, und alle Welt beeilt sich, in das Reich der Träume einzugehn.« Die Magd erwiderte: »Sei nicht so tollkühn, o Tochter der Skjoldunger, dich allein in die Wohnungen der Geister zu begeben; in der Nacht sind die Todten mächtiger als in der Helle des Tages.« – Sigrun lebte nicht lange in Leid und in Gram.

Hier endigt die Sage, aber der Erzähler fügt auf eigene Verantwortung die Worte hinzu:

Es herrschte in alten Zeiten der Glaube an die Wiedergeburt der Menschen; allein in unseren Tagen nennt man Das ein Ammenmärchen. Man berichtet von Helgi und Sigrun, dass sie zum zweiten Mal lebten; er hieß nachmals Helgi, der Held von Haddjugia, und Sigrun hieß Kara, die Tochter Halfdan's, und sie war eine Walküre.

Ich gebe noch den Anfang einer andern skandinavischen Sage, die Wölundurs-Saga genannt, weil daraus ein recht deutlicher Beweis der Verwandtschaft oder gar der Identität der Walküren mit den drei Spinnerinnen und den Schwanenjungfrauen hervorzugehen scheint, von denen ich vorhin gesprochen. Es heißt dort:

Nidhudur war der Name eines Königs in Swithiod (Schweden); er war der Vater zweier Söhne und einer Tochter, Namens Baudwildur. – Und er hatte in Finnland drei Brüder, Söhne des Königs in diesem Lande, von denen der älteste Slagfidr, der zweite Egil und der dritte Wölundur hieß; sie zogen aus, ihre Herden zu weiden, und sie kamen nach Ulfdalir (das Wolfsthal), wo sie sich Hütten bauten. Dort war ein See, Namens Ulffjar (der Wolfssee), und am Ufer dieses Wassers fanden die Königssöhne eines Morgens zu sehr früher Stunde drei Frauen sitzen, welche Flachs spannen und ihre Schwanengewänder neben sich auf die Erde gelegt hatten. Es waren Walküren, und zwei von ihnen waren Töchter des Königs Landwer; sie hießen, die Eine Hladgur Swanhvit (Schwanenweiß) und die Andere Hervoer Alwitr (die Allwissende); aber die Dritte war Aulrun, die Tochter Kjar's von Walland. Die drei Brüder führten sie heim, und Egil nahm Aulrun, Slagfidr Swanhvit und Wölundur Alwitr zur Gemahlin. Sie blieben sieben Winter beisammen, aber im achten Jahre entflogen die Frauen, um bei Kämpfen zugegen zu sein, und sie kamen nimmer zurück. Egil zog fort, um Aulrun zu suchen, und Slagfidr suchte seine Swanhvit, aber Wölundur blieb in Ulfdalir. Er war, nach dem Bericht alter Sagen, der geschickteste Mann in seiner Kunst. Er fasste kostbare Perlen in edles Gold, und er reihte all' seine Ringe auf ein Bastseil. So erwartete er die Rückkehr seiner hehren Gemahlin. – Als Nidhudur, der König von Swithiod, erfuhr, dass Wölundur allein in Ulfdalir sei, zog er nächtlicher Weile aus mit seinen Mannen; ihre Rüstungen waren fest gefügt, und ihre Schilde glänzten im Mondenschein. Bei der Wohnung Wölundur's angelangt, überfielen sie den Königssohn und knebelten ihn während seines Schlafes, und Nidhudur führte ihn mit sich fort. U. s. w.

Ich habe in diesen Blättern immer nur flüchtig ein Thema berührt, welches zu den interessantesten Betrachtungen einen bändereichen Stoff bieten könnte, nämlich die Art und Weise, wie das Christenthum die altgermanische Religion entweder zu vertilgen oder in sich aufzunehmen suchte, und wie sich die Spuren derselben im Volksglauben erhalten haben. Wie jener Vertilgungskrieg geführt wurde, ist bekannt. Da, wo die christlichen Priester nicht durch geschickte Mirakel die Priester des Heidenthums zu verdrängen vermochten, kam ihnen das Schwert der weltlichen Gewalt willfährig zu Hilfe. Die meisten Bekehrungen wurden durch christliche Prinzessinnen vollbracht, welche den heidnischen Anführer heiratheten, und es giebt Jahrhunderte, wo die ganze Kirchengeschichte nur eine Heirathschronik ist. Wenn das Volk, gewohnt an den ehemaligen Naturdienst, auch nach der Bekehrung für gewisse Orte eine verjährte Ehrfurcht bewahrte, so suchte man solche Sympathie entweder für den neuen Glauben zu benutzen, oder als Antriebe des bösen Feindes zu verschreien. Bei jenen Quellen, die das Heidenthum als göttlich verehrte, baute der christliche Priester sein kluges Kirchlein, und er selber segnete jetzt das Wasser und exploitierte dessen Wunderkraft. Es sind noch immer die alten lieben Brünnlein der Vorzeit, wohin das Volk wallfahrtet, und wo es gläubig seine Gesundheit schöpft, bis auf heutigen Tag. Die heiligen Eichen, die den frommen Arten widerstanden, wurden verleumdet; unter diesen Bäumen, hieß es jetzt, trieben die Teufel ihren nächtlichen Spuk und die Hexen ihre höllische Unzucht. Aber die Eiche blieb dennoch der Lieblingsbaum des deutschen Volkes, die Eiche ist noch heut zu Tage das Symbol der deutschen Nationalität selber: es ist der größte und stärkste Baum des Waldes; seine Wurzel dringt bis in die Grundtiefe der Erde; sein Wipfel, wie ein grünes Banner, flattert stolz in den Lüften; die Elfen der Poesie wohnen in seinem Stamme; die Mistel der heiligsten Weisheit rankt an seinen Ästen; nur seine Früchte sind kleinlich und ungenießbar für Menschen.

In den altdeutschen Gesetzen, vorzüglich der Alemannen, giebt's jedoch noch viele Verbote, dass man bei den Flüssen, den Bäumen und Steinen nicht seine Andacht verrichten solle, in ketzerischem Irrwahn, dass eine Gottheit darin wohne. Karl der Große musste in seinen Kapitularien ausdrücklich befehlen, man solle nicht opfern bei Steinen, Bäumen, Flüssen; auch solle man dort keine geweihten Kerzen anzünden.Der letzte Halbsatz fehlt in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.

Diese drei, Steine, Bäume und Flüsse, erscheinen als Hauptmomente des germanischen Kultus, und damit korrespondiert der Glaube an Wesen, die in den Steinen wohnen, nämlich Zwerge, an Wesen, die in den Bäumen wohnen, nämlich Elfen, und an Wesen, die im Wasser wohnen, nämlich Nixen. Will man einmal systematisieren, so ist diese Art weit zweckmäßiger, als das Systematisieren nach den verschiedenen Elementen, wo man, wie Paracelsus, noch für das Feuer eine vierte Klasse Elementargeister, nämlich die Salamander, annimmt. Das Volk aber, welches immer systemlos, hat nie Etwas von Dergleichen gewusst, und ich bin überzeugt, dass der Glaube an Feuergeister nur dem Paracelsus selbst seine Entstehung verdankte. Es giebt unter dem Volke eigentlich nur die Sage von einem Thiere, welches im Feuer leben könne und Salamander heiße. Alle Knaben sind eifrige Naturforscher, und als kleiner Junge habe ich es mir mal sehr angelegen sein lassen, zu untersuchen, ob die Salamander wirklich im Feuer leben können. Als es einst meinen Schulkameraden gelungen, ein solches Thier zu fangen, hatte ich nichts Eiligeres zu thun, als dasselbe in den Ofen zu werfen, wo es erst einen weißen Schleim in die Flammen spritzte, immer leiser zischte und endlich den Geist aufgab. Dieses Thier sieht aus wie eine Eidechse, ist aber safrangelb, etwas schwarz gesprenkelt, und der weiße Saft, den es im Feuer von sich giebt, und womit es vielleicht manchmal die Flamme löscht, mag den Glauben veranlasst haben, dass es in den Flammen leben könne.

Die feurigen Männer, die des Nachts umherwandeln, sind keine Elementargeister, sondern Gespenster von verstorbenen Menschen, todten Wucherern, unbarmherzigen Amtmännern und Bösewichtern die einen Grenzstein verrückt haben. Die Irrwische sind auch keine Geister. Man weiß nicht genau, was sie sind; sie verlocken den Wanderer in Moorgrund und Sümpfe. Die Engländer nennen sie Will with a wisp oder wohl auch Jack with a lantern. Wie gesagt, eine ganze Klasse Feuergeister, wie Paracelsus sie beschreibt, kennt das Volk nicht.Der obige Satz steht in den französischen Ausgaben zu Anfang dieses Absatzes. Statt der nachfolgenden Zeilen findet sich dort die Stelle:
»Was die echten Feuergeister betrifft, d. h. Die, welche im Feuer zu leben vermögen, so giebt es Deren vielleicht nur zwei, nämlich Gott und den Teufel.
Da man in unserm Frankreich Wenig von diesen beiden Widersachern weiß, oder von ihnen nur dunkle Erinnerungen hat, werdet ihr vielleicht neugierig sein, zu erfahren, was der Volksglaube in Deutschland darüber meldet.
Dass Gott ein Feuergeist sei, behaupten schon die alten Philosophen, z, B. Porphyrius, nach welchem unsre Seele nur ein Ausfluss der Feuerseele Gottes ist. Die alten Magier haben das Feuer als die Gottheit selbst verehrt. Moses sah Jehovah im feurigen Busche . . . Wäre er nicht ein Feuergeist, wie hätte er sich dort aufhalten können? Die gewichtigste Autorität ist die des kleinen Mädchens, dem die Muttergottes erlaubt hatte, im Himmel umherzugehn. Nachdem die Kleine zwölf große Zimmer gesehn hatte, in deren jedem ein Apostel wohnte, kam sie endlich zu einer Kammer, in welche einzutreten die Muttergottes ihr streng verboten hatte. Aber sie vermag ihrer Neugier nicht zu widerstehen, sie öffnet die Thür, und was erblickt sie? Die heilige Dreieinigkeit inmitten eines hellstrahlenden rothen Feuers.
Der Teufel muss ein Feuergeist sein; wie könnte er es sonst in der Hölle aushalten? Aber während der liebe Gott das Feuer verträgt, weil er selbst ein feuriger Geist ist, hält der Teufel dasselbe vortrefflich aus, weil er von so kalter Natur ist, daß er sich nur im Feuer behaglich fühlt.«
Der Herausgeber.
Es spricht höchstens nur von einem einzigen Feuergeist, und Das ist kein Anderer als Lucifer, Satan, der Teufel. In alten Balladen erscheint er unter dem Namen der Feuerkönig, und im Theater, wenn er auftritt oder abgeht, fehlen nie die obligaten Flammen. Da er also der einzige Feuergeist ist und uns für eine ganze Klasse solcher Geister schadlos halten muss, wollen wir ihn näher besprechen.

In der That, wenn der Teufel kein Feuergeist wäre, wie könnte er es dann in der Hölle aushalten? Er ist ein Wesen von so kalter Natur, dass er sogar nirgend anders als im Feuer sich behaglich fühlen kann. Über diese kalte Natur des Teufels haben sich alle die armen Frauen beklagt, die mit ihm in nähere Berührung gekommen. Merkwürdig übereinstimmend sind in dieser Hinsicht die Aussagen der Hexen, wie wir sie in den Hexenprocessen aller Lande»und besonders in den Werken des Kriminalisten Carpzow« steht in den französischen Ausgaben.
Der Herausgeber.
finden können. Diese Damen, die ihre fleischlichen Verbindungen mit dem Teufel eingestanden, sogar auf der Folter, erzählen immer von der Kälte seiner Umarmungen; eiskalt, klagten sie, waren die Ergüsse dieser teuflischen Zärtlichkeit.Der letzte Halbsatz lautet in der ältesten französischen Ausgabe: »besonders aber klagen sie darüber, dass seine Nase eiskalt und gar zu stumpf sei.«
Der Herausgeber.
Er erschien ihnen gewöhnlich im Gewand eines Höflings, mit einer rothen Feder auf dem Kopfe.

Der Teufel ist kalt, selbst als Liebhaber. Aber hässlich ist er nicht; denn er kann ja jede Gestalt annehmen. Nicht selten hat er sich ja auch mit weiblichem Liebreiz bekleidet, um irgend einen frommen Klosterbruder von seinen Bußübungen abzuhalten oder gar zur sinnlichen Freude zu verlocken. Bei Anderen, die er nur schrecken wollte, erschien er in Thiergestalt, er und seine höllischen Gesellen. Besonders wenn er vergnügt ist und viel geschlemmt und gebechert hat, zeigt er sich gern als ein Vieh. Da war ein Edelmann in Sachsen, Der hatte seine Freunde eingeladen zu einem Gastmahl. Als nun der Tisch gedeckt und die Stunde der Mahlzeit gekommen und Alles zugerichtet war, fehlten ihm seine Gäste, die sich Einer nach dem Andern entschuldigen ließen. Darob zornig, entfuhren ihm die Worte: »Wenn kein Mensch kommen will, so mag der Teufel bei mir essen mit der ganzen Hölle!« und er verließ das Haus, um seinen Unmuth zu verschmerzen. Mittlerweile kommen in den Hof hereingeritten große und schwarze Reiter, und heißen des Edelmanns Knecht seinen Herrn suchen, um ihm anzuzeigen, daß die zuletzt geladenen Gäste angelangt seien. Der Knecht, nach langem Suchen, findet endlich seinen Herrn, kehrt mit Diesem zurück, haben aber Beide nicht den Muth, ins Haus hineinzugehn. Denn sie hören, wie drinnen das Schlemmen, Schreien und Singen immer toller wird, und endlich sehen sie, wie die besoffenen Teufel in der Gestalt von Bären, Katzen, Böcken, Wölfen und Füchsen ans offene Fenster treten, in den Pfoten die vollen Becher oder die dampfenden Teller, und mit glänzenden Schnauzen und lachenden Zähnen heruntergrüßend.

Dass der Teufel in Gestalt eines schwarzen Bockes dem Konvente der Hexen präsidiert, ist allgemein bekannt. Welche Rolle er in dieser Gestalt zu spielen pflegte, werde ich später berichten, wenn ich von Hexen und Zauberei zu reden habe. In dem merkwürdigen Buche, worin der hochgelehrte Georgius Godelmanus über dieses letztere Thema einen wahrhaften und folgebegründeten Bericht abstattet, finde ich auch, dass der Teufel nicht selten in der Gestalt eines Mönchs erscheint. Er erzählt folgendes Beispiel:

»Als ich in der berühmten hohen Schule zu Wittenberg die Rechte studierte, gedenkt mir noch wohl, etlichemal von meinen Lehrmeistern daselbst gehört zu haben, dass vor Luther's Thür gekommen sei ein Münch, welcher heftig an der Thüre geklopft, und wie ihm der Diener aufthat und fragte, was er wollte, da fraget der Münch, ob der Luther daheim wäre. Als Lutherus die Sache erfuhr, ließ er ihn herein gehen, weil er nun eine gute Weile keinen Münch gesehen hatte. Da Dieser hineinkam, sprach er, er habe etliche papistische Irrthümer, derwegen er sich gern mit ihm besprechen wollte, und er legte ihm einige Syllogismos und Schulreden für, und da sie Luther ohne Mühe auflöste, brachte er andere, die nicht so leicht aufzulösen waren, daher Lutherus, etwas bewegt, diese Worte entfahren ließ: Du machst mir viel zu schaffen, da ich doch Anderes zu thun hätte! und stund sobald auf und zeigte ihm in der Bibel die Erklärung der Frage, so der Münch vorbrachte. Und als er in demselbigen Gespräche vermerkte, dass des Münchs Hände nicht ungleich wären Vogelsklauen, sprach er: Bist du nicht Der? Halt, höre zu, dieses Urtheil ist Wider dich gefällt! und zeigte ihm sobald den Spruch in Genesi, dem ersten Buche Mosis: Des Weibes Samen wird der Schlange den Kopf zertreten. Da der Teufel mit diesem Spruch überwunden, ward er zornig und ging murrend davon, warf das Schreibzeug hinter den Ofen, und verbreitete einen Duft, dessen die Stube noch etliche Tage übel roch.«In den französischen Ausgaben fehlen die drei folgenden Absätze.
Der Herausgeber.

In der vorstehenden Erzählung bemerkt man eine Eigentümlichkeit des Teufels, die sich schon frühe kundgab und bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Es ist nämlich seine Disputiersucht, seine Sophistik, seine »Syllogismen.« Der Teufel versteht sich auf Logik, und schon vor achthundert Jahren hat der Papst Sylvester, der berühmte Gerbert, Solches zu seinem Schaden erfahren. Dieser hatte nämlich, als er zu Cordova studierte, mit Satan einen Bund geschlossen, und durch seine höllische Hilfe lernte er Geometrie, Algebra, Astronomie, Pflanzenkunde, allerlei nützliche Kunststücke, unter anderen die Kunst, Papst zu werden. In Jerusalem sollte vertragsmäßig sein Leben enden. Er hütete sich wohl hinzugehen. Als er aber einst in einer Kapelle zu Rom Messe las, kam der Teufel, um ihn abzuholen, und indem der Papst sich dagegen sträubt, beweist ihm Jener, dass die Kapelle, worin sie sich befänden, den Namen Jerusalem führe, dass die Bedingungen des alten Bündnisses erfüllt seien, und dass er ihm nun zur Hölle folgen müsse. Und der Teufel holte den Papst, indem er ihm lachend ins Ohr flüstert:

Tu non pensavi qu'io loico fossi!
                (Dante, Inferno c. 28).

»Du dachtest nicht daran, dass ich ein Logiker bin!«

Der Teufel versteht Logik, er ist Meister in der Metaphysik, und mit seinen Spitzfindigkeiten und Ausdeuteleien überlistet er alle seine Verbündeten. Wenn sie nicht genau aufpassten und den Kontrakt später nachlasen, fanden sie zu ihrem Erschrecken, dass der Teufel, anstatt Jahre, nur Monate oder Wochen oder gar Tage geschrieben, und er kommt ihnen plötzlich über den Hals und beweist ihnen, dass die Frist abgelaufen. In einem der älteren Puppenspiele, welche das Satansbündnis, Schandleben und erbärmliche Ende des Doktor Faustus vorstellen, findet sich ein ähnlicher Zug. Faust, welcher vom Teufel die Befriedigung aller irdischen Genüsse begehrte, hat ihm dafür seine Seele verschrieben und sich anheischig gemacht, zur Hölle zu fahren, sobald er die dritte Mordthat begangen habe. Er hat schon zwei Menschen getödtet und glaubt, ehe er zum drittenmale Jemanden umbringe, sei er dem Teufel noch nicht verfallen. Dieser aber beweist ihm, dass eben sein Teufelsbündnis, sein Seelentodschlag, als dritte Mordthat zähle, und mit dieser verdammten Logik führt er ihn zur Hölle. Wie weit Goethe in seinem Mephisto jenen Charakterzug der Sophistik exploitiert hat, kann jeder selbst beurtheilen. Nichts ist ergötzlicher als die Lektüre von Teufelskontrakten, die sich aus der Zeit der Hexenprocesse erhalten haben, und worin der Kontrahent sich vorsichtig gegen alle Chikanen verklausuliert und alle Stimulationen aufs ängstlichste paraphrasiert.

Der Teufel ist ein Logiker. Er ist nicht bloß der Repräsentant der weltlichen Herrlichkeit, der Sinnenfreude, des Fleisches, er ist auch Repräsentant der menschlichen Vernunft, eben weil diese alle Rechte der Materie vindiciert; und er bildet somit den Gegensatz zu Christus, der nicht bloß den Geist, die ascetische Entsinnlichung, das himmlische Heil, sondern auch den Glauben repräsentiert. Der Teufel glaubt nicht, er stützt sich nicht blindlings auf fremde Autoritäten, er will vielmehr dem eignen Denken vertrauen, er macht Gebrauch von der Vernunft! Dieses ist nun freilich etwas Entsetzliches, und mit Recht hat die römisch-katholisch-apostolische Kirche das Selbstdenken als Teufelei verdammt und den Teufel, den Repräsentanten der Vernunft, für den Vater der Lüge erklärt.

Über die Gestalt des Teufels lässt sich in der That nichts Genaues angeben. Die Einen behaupten, wie ich schon erwähnt, er habe gar keine bestimmte Gestalt und könne sich in jeder beliebigen Form producieren. Dieses ist wahrscheinlich. Finde ich doch in der Dämonomagie von Horst, dass der Teufel sich sogar zu Salat machen könne. Eine sonst ehrbare Nonne, die aber ihre Ordensregeln nicht genau befolgte und sich nicht oft genug mit dem heiligen Kreuze bezeichnete, aß einmal Salat. Kaum hatte sie ihn gegessen, als sie Regungen empfand, die ihr sonst fremd waren und sich keineswegs mit ihrem Stande vertrugen. Es wurde ihr jetzt gar sonderbar zu Muth jedes Abends im Mondschein, wenn die Blumen so stark dufteten und die Nachtigallen so schmelzend und schluchzend sangen. Bald darauf machte ein angenehmer Junggeselle mit ihr Bekanntschaft. Nachdem Beide mit einander vertrauter geworden, fragte sie der schöne Jüngling einmal: »Weißt du denn auch, wer ich bin?« Nein, sagte die Nonne mit einiger Bestürzung. »Ich bin der Teufel,« erwiderte Jener. »Erinnerst du dich nicht jenes Salates? Der Salat Das war ich!«

Manche behaupten, der Teufel sehe immer wie ein Thier aus, und es sei nur eitel Täuschung, wenn wir ihn in einer anderen Gestalt erblicken. Etwas Cynisches hat der Teufel freilich, und diesen Charakterzug hat Niemand besser beleuchtet wie unser Dichter Wolfgang Goethe. Ein anderer deutscher Schriftsteller, der in seinen Mängeln eben so großartig ist wie in seinen Vorzügen, jedenfalls aber zu den Dichtern ersten Ranges gezählt werden muss, Herr Grabbe, hat den Teufel in jener Beziehung ebenfalls vortrefflich gezeichnet. Auch die Kälte in der Natur des Teufels hat er ganz richtig begriffen. In einem Drama dieses genialen Schriftstellers erscheint der Teufel auf Erden, weil seine Mutter in der Hölle schruppt; Letzteres ist eine bei uns gebräuchliche Art, die Zimmer zu reinigen, wobei das Estrich mit heißem Wasser übergossen und mit einem groben Tuche gerieben wird, so dass ein quiekender Misston und lauwarmer Dampf entsteht, der es einem vernünftigen Wesen unmöglich macht, unterdessen zu Hause zu bleiben; der Teufel muss deshalb aus der wohlgeheizten Hölle sich in die kalte Oberwelt hinaufflüchten, und hier, obgleich es ein heißer Juliustag ist, empfindet der arme Teufel dennoch einen so großen Frost, dass er fast erfriert, und nur mit ärztlicher Hilfe aus dieser Erstarrung gerettet wird.

Wir sahen eben, dass der Teufel eine Mutter hat; Viele behaupten, er habe eigentlich nur eine Großmutter. Auch Diese kommt zuweilen zur Oberwelt, und auf sie bezieht sich vielleicht das Sprichwort: Wo der Teufel selbst Nichts ausrichten kann, da schickt er ein altes Weib. Gewöhnlich aber ist sie in der Hölle mit der Küche beschäftigt, oder sitzt in ihrem rothen Lehnsessel, und wenn der Teufel des Abends, müde von den Tagesgeschäften, nach Hause kommt, frisst er in schlingender Hast, was ihm die Mutter gekocht hat, und dann legt er seinen Kopf in ihren Schoß, und lässt sich von ihr lausen, und schläft ein. Die Alte pflegt ihm auch wohl dabei ein Lied vorzuschnurren, welches mit folgenden Worten beginnt:

Im Thume, im Thume,
Da steht eine Rosenblume,
Rose roth wie Blut.

Manche versichern, wenn das arme Kind nicht einschlafen kann, greift die gute Alte gewöhnlich zu dem Mittel, ihm die Berliner »evangelische Kirchenzeitung« vorzulesen.

Der Haushalt des Teufels in der Hölle, woselbst er als Junggesell mit seiner Mutter lebt, bildet das vollständigste Gegenstück zu dem Haushalt Christi im Himmel. Dieser lebt droben gleichfalls als Junggesell mit seiner heiligen Mutter; die Himmelskönigin und die Engel sind seine Vertrauten, wie die Teufel die Vertrauten des Andern. Der Teufel und seine Diener sind schwarz; Christus und seine Engel sind weiß. In den Volksliedern des Nordens ist immer vom weißen Christus die Rede. Wir pflegen den Teufel den Schwarzen, den Fürsten der Finsternis zu nennen. Diesen beiden Persönlichkeiten, Christus und dem Teufel, hat unser Volk noch zwei andere ebenso unsterbliche, ebenso unzerstörbare Figuren, den Tod und den ewigen Juden, beigesellt. Das Mittelalter hat der modernen Kunst diese vier Typen als kolossale Personifikationen des Guten, des Bösen, der Zerstörung und der Menschheit hinterlassen. Den ewigen Juden, das wehmüthige Symbol der Menschheit, hat Keiner so tief aufgefasst, wie Edgar Quinet, einer der größten Dichter Frankreichs. Wir Deutsche, die jüngst seinen »Ahasverus« übersetzten, waren nicht wenig erstaunt, bei einem Franzosen eine so großartige Konception anzutreffen.

Vielleicht auch sind die Franzosen berufen, mit größtmöglicher Richtigkeit die Symbole des Mittelalters zu erklären. Die Franzosen sind längst aus dem Mittelalter herausgetreten, sie betrachten dasselbe mit Ruhe, und vermögen seine Schönheiten mit philosophischer oder artistischer Unparteilichkeit zu würdigen. Wir Deutsche stecken noch tief im Mittelalter, wir bekämpfen noch seine hinfälligen Vertreter; wir vermöchten es also nicht mit allzu großer Vorliebe zu bewundern. Wir müssen uns im Gegentheil in parteilichem Hasse ereifern, damit unsere Zerstörungskraft nicht gelähmt werde.

Ihr Franzosen mögt das Ritterthum bewundern und lieben. Es sind euch davon nur heitere Chroniken und eiserne Rüstungen geblieben. Ihr wagt Nichts dabei, eure Einbildungskraft solchergestalt zu erlustigen, eure Neugier zu befriedigen. Bei uns Deutschen aber ist die Chronik des Mittelalters noch nicht geschlossen; die neuesten Blätter sind noch feucht von dem Blut unserer Verwandten und Freunde, und jene funkelnden Harnische schützen noch den lebendigen Leib unserer Henker. Nichts hindert euch Franzosen, die alten gothischen Formen zu schätzen. Für euch sind die großen Kathedralen, wie Notre-Dame-de-Paris, nichts Anders als Denkmäler der Baukunst und Romantik; für uns sind sie die furchtbarsten Festungen unsrer Feinde. Für euch sind Satan und seine höllischen Genossen nur Gebilde der Poesie; bei uns giebt es Schelme und Dummköpfe, welche sich abmühen, den Glauben an den Teufel und an höllischen Hexenfrevel wieder philosophisch zu begründen. Dass so Etwas in München geschieht, ist in der Ordnung; dass man aber im aufgeklärten Würtemberg eine Rechtfertigung der alten Hexenprocesse versucht, dass ein angesehener Schriftsteller, Herr Justinus Kerner, sich dort unterfangen hat, den Glauben an Besessene wieder zu beleben, Das ist ebenso betrübend als widerwärtig.

O schwarze Schelme und ihr Schwachköpfe aller Farben! vollendet euer Werk, erhitzt das Gehirn des Volkes durch den alten Aberglauben, treibt es auf die Bahn des Fanatismus! Ihr selbst werdet eines Tags seine Opfer sein; ihr werdet nicht dem Loose der ungeschickten Beschwörer entrinnen, die am Ende die Geister, welche sie heraufgerufen, nicht mehr beherrschen konnten und von ihnen in Stücke zerrissen wurden.

Vermag der Geist der Revolution etwa nicht durch die Vernunft das deutsche Volk aufzurütteln? ist es vielleicht die Aufgabe der Thorheit, dies große Werk zu vollenden? Wenn ihm das Blut einmal siedend zu Kopfe steigt, wenn es sein Herz wieder schlagen fühlt, wird das Volk nicht mehr auf den frommen Singsang dänischer Scheinheiligen noch auf das mystische Geschwätz schwäbischer Fasler hören; sein Ohr wird nur noch die laute Stimme des Mannes vernehmen.

Wer ist dieser Mann?

Es ist der Mann, den das deutsche Volk erwartet, der Mann, welcher ihm endlich das Leben und das Glück verschaffen wird, das Glück und das Leben, nach denen es so lange in seinen Träumen geschmachtet. Was zögerst du noch, du, den die Greise mit so brennender Sehnsucht verkündet haben, du, den die Jugend so ungeduldig erwartet, du, der als Scepter den Zauberstab der Freiheit und die kreuzlose Kaiserkrone trägt?

– Es ist hier indess nicht der Ort zu Beschwörungen, um so mehr als ich mich dadurch von meinem Thema entfernen würde. Ich habe nur von unschuldigen Sagen zu reden; von Dem, was hinter den deutschen Ofen gesagt und gesungen wird. Ich bemerke eben, dass ich nur sehr dürftig von den Geistern gesprochen, die in den Bergen hausen, z. B. dass ich Nichts von dem Kyffhäuser gesagt, wo der Kaiser Friedrich wohnt. Dieser ist allerdings kein Elementargeist, und nur von Solchen habe ich in dieser Abhandlung zu reden. Aber die Sage ist zu lieblich und entzückend; so oft ich ihrer gedachte, erbebte mein Gemüth von heiliger Sehnsucht und geheimnisvoller Hoffnung. Es liegt sicherlich mehr als ein bloßes Märchen in dem Glauben, dass Kaiser Friedrich, der alte Barbarossa, nicht todt sei, sondern dass er, als das Priestervolk ihn zu arg belästigte, in einen Berg floh, den man den Kyffhäuser nennt. Man sagt, er bleibe dort mit seinem ganzen Hofhalt verborgen, bis er einst wieder in der Welt erscheinen wird, um das deutsche Volk glücklich zu machen. Dieser Berg liegt in Thüringen, nicht weit von Nordhausen. Ich bin dort oft vorübergekommen, und in einer schönen Winternacht blieb ich daselbst länger als eine Stunde und rief wiederholentlich: »Komm, Barbarossa, komm!« und das Herz brannte mir wie Feuer in der Brust, und Thränen rieselten über meine Wangen. Aber er kam nicht, der geliebte Kaiser Friedrich, und ich konnte nur den Felsen umarmen, in welchem er wohnt.

Ein junger Hirt aus der Umgegend war glücklicher. Er weidete seine Schafe am Kyffhäuser, und begann auf dem Dudelsack zu spielen, und als er einen guten Lohn verdient zu haben glaubte, rief er laut: »Kaiser Friedrich, ich habe dir dies Ständchen gebracht!« Man sagt, der Kaiser sei alsdann aus dem Berge gekommen, habe sich dem Hirten gezeigt und zu ihm gesprochen: »Gott grüße dich, junger Knabe! Wem zu Ehren hast du gespielt?« – »Dem Kaiser Friedrich.« – »Wenn Dem also ist, komm mit mir, er wird dich belohnen.« – »Ich darf mich nicht von meinen Schafen entfernen.« – »Folge mir nur, es wird deinen Schafen kein Leid widerfahren.«

Der Schäfer folgte dem Kaiser, der ihn an der Hand zu einer Öffnung im Berg führte. Sie gelangten an eine Eisenthür, die sich öffnete, und man erblickte alsdann einen großen und schönen Saal, woselbst sich viele Herren und wackere Diener befanden, die ihn ehrerbietig empfingen. Danach zeigte sich der Kaiser sehr wohlwollend gegen ihn, und frug ihn, welchen Lohn er begehre. Der Schäfer antwortete: »Gar keinen.« Der Kaiser sagte ihm darauf: »Geh hinaus, und nimm als Lohn einen der Füße meiner goldenen Trinkkanne.« Der Schäfer that, wie ihm geboten, und wollte sich entfernen; aber der Kaiser zeigte ihm noch viele merkwürdige Waffen, Harnische, Schwerter und Büchsen, und hieß ihn den Leuten sagen, er wolle mit diesen Waffen das heilige Grab erobern.

Der Schäfer hat ihn ohne Zweifel falsch verstanden. Barbarossa hat ganz andere Eroberungen als die des heiligen Grabes im Sinne. Oder vielleicht auch hat der Schäfer, aus Furcht, als Demagog eingesperrt zu werden, die Wahrheit ein wenig entstellt. Nicht ein Grab, das kalte Bett eines Todten, will der alte Barbarossa erobern, sondern einen herrlichen Wohnort für die Lebenden, ein warmes Reich des Lichts und der Freude, wo er fröhlich herrschen kann, in der Hand den Zauberstab der Freiheit und die kreuzlose Kaiserkrone auf dem Haupte.

Was den erwähnten Schäfer belangt, so meldet das Ende der Erzählung, dass er gesund und munter aus dem Berge hervorkam, und am folgenden Morgen den Fuß der Trinkkanne, der ihm geschenkt worden, zu einem Goldschmiede trug. Der Goldschmied erkannte denselben für gediegenes Gold, und bezahlte ihm das kaiserliche Geschenk mit dreihundert Dukaten.

Man erzählt auch von einem Bauern aus dem Dorfe Reblingen, dass er den Kaiser im Kyffhäuser sah und ein artiges Geschenk von ihm erhielt. Ich weiß nur, wenn mich mein Stern in diesen Berg führt, so werde ich von Barbarossa weder Goldkannen noch ähnliche Kleinodien begehren, sondern wenn er mir Etwas schenken will, werde ich sein Buch De tribus impostoribus von ihm fordern. Ich habe dies Buch vergeblich in den Bibliotheken gesucht, und ich denke mir, dass der Verfasser, der alte Rothbart, gewiss ein Exemplar davon im Kyffhäuser aufbewahrt.

Manche versichern, der Kaiser sitze in seinem Berge an einem Steintisch und schlafe, oder sinne auf Mittel, sein Reich wieder zu erobern. Er wiegt beständig den Kopf hin und her, und blinzt mit den Augen. Sein Bart wallt jetzt bis zur Erde hinab. Manchmal streckt er wie im Traume die Hand aus, und scheint nach seinem Schwert und Schild greifen zu wollen. Man sagt: wenn der Kaiser auf die Erde zurückkehrt, so wird er diesen Schild an einen abgestorbenen Baum hängen, und der Baum wird dann ausschlagen und grünen, und es wird dann für Deutschland eine bessere Zeit beginnen. Von seinem Schwert aber sagt man, dass ein Bauer in grobem Kittel es vor sich hertragen, und dass man allen Denen den Kopf damit abschlagen wird, die noch einfältig genug sind, sich von besserem Blut als ein Bauer zu dünken. Aber die alten Erzähler fügen hinzu, Niemand wisse recht, wann und wie Solches geschehn werde.

Man berichtet noch, dass einst, als ein Schäfer von einem Zwerg in den Kyffhäuser geführt wurde, der Kaiser sich erhob und ihn frug, ob die Raben noch um den Berg flögen. Und als die Antwort des Schäfers bejahend lautete, rief er aus: »So muss ich also noch hundert Jahr' schlafen!«

Ach, gewiss fliegen die Raben noch immer um den Berg, jene Raben, die uns so gut bekannt sind, und deren frommes Gekrächz wir beständig vernehmen. Aber das Alter hat sie geschwächt, und es giebt gute Schützen, die sie im Fluge herabschießen. Wenn der Kaiser einst auf die Erde zurückkehrt, wird er wohl auf seinem Wege mehr als einen Raben von Pfeilen durchbohrt finden. Und der alte Herr wird lächelnd bemerken, dass der Schütz, der sie getroffen, einen guten Bogen geführt.In der ältesten französischen Ausgabe findet sich, statt der letzten zwei Sätze, folgender Schluss: »Ich kenne einen dieser Schützen, der gegenwärtig zu Paris wohnt und von dort aus die Raben zu treffen weiß, die um den Kyffhäuser fliegen. Wenn der Kaiser auf die Erde zurückkehrt, wird er wohl auf seinem Wege mehr als einen Raben von den Pfeilen dieses Schützen erlegt finden. Und der alte Herr wird lächelnd bemerken, dass Derselbe einen guten Bogen geführt.«
Der Herausgeber.

 


 


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