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Dritter Abschnitt. Das Maaß.

Im Maaße sind, abstrakt ausgedrückt, Qualität und Quantität vereinigt. Das Seyn als solches ist unmittelbare Gleichheit der Bestimmtheit mit sich selbst. Diese Unmittelbarkeit der Bestimmtheit hat sich aufgehoben. Die Quantität ist das so in sich zurückgekehrte Seyn, daß es einfache Gleichheit mit sich als Gleichgültigkeit gegen die Bestimmtheit ist. Aber diese Gleichgültigkeit ist nur die Aeußerlichkeit, nicht an sich selbst, sondern in Anderem die Bestimmtheit zu haben. Das Dritte ist nun die sich auf sich selbst beziehende Aeußerlichkeit; als Beziehung auf sich ist es zugleich aufgehobene Aeußerlichkeit, und hat an ihr selbst den Unterschied von sich, der als Aeußerlichkeit das quantitative, als in sich zurückgenommene, das qualitative Moment ist.

Indem die Modalität, unter den Kategorien des transcendentalen Idealismus, nach der Quantität und Qualität, auf Einschiebung der Relation, aufgeführt wird, so kann derselben hier erwähnt werden. Diese Kategorie hat daselbst die Bedeutung, die Beziehung des Gegenstandes auf das Denken zu seyn. Im Sinne jenes Idealismus ist das Denken überhaupt dem Ding-an-sich wesentlich äußerlich. Insofern die andern Kategorien nur die transcendentale Bestimmung haben, dem Bewußtseyn, aber als das Objektive desselben, anzugehören, so enthält die Modalität, als die Kategorie der Beziehung auf das Subjekt, insofern relativ die Bestimmung der Reflexion in sich; d.h. die Objektivität, welche den andern Kategorien zukomme, mangelt denen der Modalität; diese vermehren, nach Kants Ausdruck, den Begriffe als Bestimmung des Objekts nicht im mindesten, sondern drücken nur das Verhältniß zum Erkenntnißvermögen aus, (Kr. d. rein. Vern. 2te Aufl. s. S. 99, 266). Die Kategorien, die Kant unter der Modalität zusammenfaßt, Möglichkeit, Wirklichkeit und Nothwendigkeit, werden in der Folge an ihrer Stelle vorkommen; Kant hat die unendlich wichtige Form der Triplicität, so sehr sie bei ihm nur erst als ein formeller Lichtfunken erschienen, nicht auf die Gattungen seiner Kategorien (Quantität, Qualität u.s.f.) wie auch diesen Namen, nur auf deren Arten angewendet; daher hat er nicht auf das Dritte der Qualität und Quantität kommen können.

Bei Spinoza ist der Modus nach Substanz und Attribut gleichfalls das Dritte; er erklärt ihn für die Affektionen der Substanz, oder für dasjenige, was in einem Andern ist, durch welches es auch begriffen wird. Dieses Dritte ist nach diesem Begriffe nur die Aeußerlichkeit als solche; wie sonst erinnert worden, daß bei Spinoza überhaupt der starren Substantialität die Rückkehr in sich selbst fehlt.

Die hier gemachte Bemerkung dehnt sich allgemeiner auf die Systeme des Pantheismus aus, welche der Gedanke etwas ausgebildet hat. Das Seyn, das Eine, die Substanz, das Unendliche, das Wesen ist das Erste; gegen dieses Abstraktum kann das Zweite, alle Bestimmtheit, überhaupt als das nur Endliche, nur Accidentelle, Vergängliche, Außer- und Unwesentliche u.s.f., ebenso abstrakt zusammengefaßt werden wie in dem ganz formalen Denken gewöhnlich und zunächst geschieht. Aber es drängt sich zu sehr der Zusammenhang dieses Zweiten mit dem Ersten auf, um es nicht zugleich in einer Einheit mit demselben zu fassen, wie das Attribut bei Spinoza die ganze Substanz ist, aber von dem Verstand, selbst einer Beschränkung oder Modus, gefaßt; der Modus aber, das Nichtsubstantielle überhaupt, das nur aus einem Andern gefaßt werden kann, macht so das andere Extrem zu der Substanz, das Dritte überhaupt, aus. Der indische Pantheismus hat in seiner ungeheuern Phantasterei gleichfalls, abstrakt genommen, diese Ausbildung erhalten, die sich durch ihr Maßloses hindurch als ein mässigender Faden zu einigem Interesse zieht, daß Brahm, das Eine des abstrakten Denkens durch die Gestaltung in Wischnu besonders in der Form Krischnas, zu dem Dritten, Siwa, fortgeht. Die Bestimmung dieses Dritten ist der Modus, Veränderung, Entstehen und Vergehen, das Feld der Aeußerlichkeit überhaupt. Wenn diese indische Dreiheit zu einer Vergleichung nut der christlichen verleitet hat, so ist in ihnen zwar ein gemeinsames Element der Begriffsbestimmung zu erkennen, aber über den Unterschied ist wesentlich ein bestimmteres Bewußtseyn zu fassen; derselbe ist nicht nur unendlich, sondern die wahrhafte Unendlichkeit macht den Unterschied selbst aus. Jenes dritte Princip ist seiner Bestimmung nach das Auseinanderfahren der substantiellen Einheit, in ihr Gegegentheil, nicht die Rückkehr derselben zu sich, das Geistlose vielmehr, nicht der Geist. In der wahrhaften Dreiheit, ist nicht nur Einheit, sondern Einigkeit, der Schluß zur inhaltsvollen und wirklichen Einheit, die in ihrer ganz konkreten Bestimmung der Geist ist, gebracht. Jenes Princip des Modus und der Veränderung schließt wohl die Einheit nicht überhaupt aus; wie nämlich im Spinozismus eben der Modus als solcher das Unwahre und nur die Substanz das wahrhafte ist, Alles auf diese zurückgeführt werden soll, welches dann ein Versenken alles Inhalts in die Leerheit, in nur formelle, inhaltslose Einheit ist, so ist auch Siwa wieder das große Ganze, von Brahm nicht unterschiedene, Brahm selbst; d. h. der Unterschied und die Bestimmtheit verschwindet nur wieder, aber wird nicht aufbewahrt, nicht aufgehoben, und die Einheit wird nicht zur konkreten Einheit, die Entzweiung nicht zur Versöhnung zurückgeführt. Das höchste Ziel für den in die Sphäre des Entstehens und Vergehens, der Modalität überhaupt versetzten Menschen ist die Versenkung in die Bewußtlosigkeit, die Einheit mit Brahm, die Vernichtung; dasselbe ist das buddhistische Nirvana, Nieban u.s.f.

Wenn nun der Modus überhaupt die abstrakte Aeußerlichkeit, die Gleichgültigkeit gegen die qualitativen wie gegen die quantitativen Bestimmungen ist, und es im Wesen auf das Aeußerliche, Unwesentliche nicht ankommen soll, so wird auch wieder in Vielem zugestanden, daß alles auf die Art und Weise ankomme; der Modus wird damit selbst für wesentlich zum Substantiellen einer Sache gehörig erklärt; in welcher sehr unbestimmten Beziehung wenigstens dieß liegt, daß dieß Aeußerliche nicht so abstrakt das Aeußerliche sey.

Hier hat der Modus die bestimmte Bedeutung das Maaß zu seyn. Der Spinozistische Modus, wie das indische Princip der Veränderung ist das Maaßlose. Das griechische selbst noch unbestimmte Bewußtseyn, daß Alles ein Maaß hat, so daß selbst Parmenides nach dem abstrakten Seyn die Nothwendigkeit, als die alte Grenze, die Allem gesetzt ist, eingeführt, ist der Anfang eines viel höhern Begriffs als die Substanz und der Unterschied des Modus von derselben enthält.

Das entwickeltere, reflektirtere Maaß ist die Nothwendigkeit; das Schicksal, die Nemesis, schränkt sich im Allgemeinen auf die Bestimmtheit des Maaßes ein, daß was sich vermesse, zu groß, zu hoch mache, auf das andere Extrem der Herabsetzung zur Nichtigkeit reducirt, und damit die Mitte des Maaßes, die Mittelmäßigkeit, hergestellt werde. Das Absolute, Gott ist das Maaß aller Dinge, ist nicht stärker pantheistisch als die Definition: das Absolute, Gott ist das Seyn, aber unendlich wahrhafter. Das Maaß ist zwar äußerliche Art und Weise, ein Mehr oder Weniger, welches aber zugleich ebenso in sich reflektirt, nicht bloß gleichgültige und äußerliche, sondern an sich seyende Bestimmtheit ist; es ist so die konkrete Wahrheit des Seyns; in dem Maaße haben darum die Völker etwas Unantastbares, Heiliges verehrt.

Es liegt in dem Maaße bereits die Idee des Wesens, nämlich in der Unmittelbarkeit des Bestimmtseyns identisch mit sich zu seyn, so daß jene Unmittelbarkeit durch diese Identität-mit-sich zu einem Vermittelten herabgesetzt ist, wie diese ebenso nur durch diese Aeußerlichkeit vermittelt aber die Vermittelung mit sich ist; die Reflexion, deren Bestimmungen sind, aber in dieseni Seyn schlechthin nur als Momente ihrer negativen Einheit. Im Maaße ist das Qualitative quantitativ; die Bestimmtheit oder der Unterschied ist als gleichgültig, damit ist es ein Unterschied, der keiner ist; er ist aufgehoben; diese Quantitativität macht als Rückkehr in sich, worin sie als das Qualitative ist, das An- und Fürsichseyn aus, welches das Wesen ist. Aber das Maaß ist erst an sich oder im Begriffe das Wesen; dieser Begriff des Maaßes ist noch nicht gesetzt. Das Maaß noch als solches ist selbst die seyende Einheit des Qualitativen und Quantitativen; seine Momente sind als ein Daseyn, eine Qualität und Quanta derselben, die nur erst an sich untrennbar, aber noch nicht die Bedeutung dieser reflektirten Bestimmung haben. Die Entwicklung des Maaßes, enthält die Unterscheidung dieser Momente, aber zugleich die Beziehung derselben, so daß die Identität, welche sie an sich sind, als ihre Beziehung aufeinander wird, d. i. gesetzt wird. Die Bedeutung dieser Entwickelung ist die Realisation des Maaßes, in der es sich zu sich selbst ins Verhältniß, und damit zugleich als Moment setzt; durch diese Vermittelung wird es als Aufgehobenes bestimmt; seine Unmittelbarkeit wie die seiner Momente verschwindet, sie sind als reflektirte; so als das hervorgetreten, was es seinem Begriffe nach ist, ist es in das Wesen übergegangen.

Das Maaß ist zunächst unmittelbare Einheit des Qualitativen und Quantitativen, so daß

erstens ein Quantum ist, das qualitative Bedeutung hat, und als Maaß ist. Dessen Fortbestimmung ist, daß an ihm, dem an sich bestimmten, der Unterschied seiner Momente, des qualitativen und quantitativen Bestimmtseyns, hervortritt. Diese Momente bestimmen sich weiter selbst zu Ganzen des Maaßes, welche insofern als Selbstständige sind; indem sie sich wesentlich aufeinander beziehen, wird das Maaß

zweitens Verhältniß von specifischen Quantis, als selbstständigen Maaßen. Ihre Selbstständigkeit beruht aber wesentlich zugleich auf dem quantitativen Verhältnisse und dem Größenunterschiede; so wird ihre Selbstständigkeit ein Uebergehen in einander. Das Maaß geht damit im Maaßlosen zu Grunde. Dieß Jenseits des Maaßes ist aber die Negativität desselben nur an sich selbst; es ist dadurch

drittens die Indifferenz der Maaßbestimmungen, und als reell mit der in ihr enthaltenen Negativität das Maaß gesetzt, als umgekehrtes Verhältniß von Maaßen, welche als selbstständige Qualitäten wesentlich nur auf ihrer Quantität und auf ihrer negativen Beziehung aufeinander beruhen, und damit sich erweisen, nur Momente ihrer wahrhaft selbstständigen Einheit zu seyn, welche ihre Reflexion-in-sich und das Setzen derselben, das Wesen, ist.

Die Entwickelung des Maaßes, die im Folgenden versucht worden, ist eine der schwierigsten Materien; indem sie von dem unmittelbaren, äußerlichen Maaße anfängt, hätte sie einer Seits zu der abstrakten Fortbestimmung des Quantitativen (einer Mathematik der Natur) fortzugehen, anderer Seits den Zusammenhang dieser Maaßbestimmung mit den Qualitäten der natürlichen Dinge anzuzeigen, wenigstens im Allgemeinen; denn die bestimmte Nachweisung des aus dem Begriffe des konkreten Gegenstandes hervorgehenden Zusammenhangs des Qualitativen und Quantitativen gehört in die besondere Wissenschaft des Konkreten; wovon Beispiele in der Encykl. der philos. Wissensch. 3te Aufl. _. 267 u. 270 Anm. das Gesetz des Falles und das der freien himmlischen Bewegung betreffend, nachzusehen sind. Es mag hierbei dieß überhaupt bemerkt werden, daß die verschiedenen Formen, in welchen sich das Maaß realisirt, auch verschiedenen Sphären der natürlichen Realität angehören. Die vollständige, abstrakte Gleichgültigkeit des entwickelten Maaßes d. i. der Gesetze desselben kann nur in der Sphäre des Mechanismus Statt haben, als in welchem das konkrete Körperliche nur die selbst abstrakte Materie ist; die qualitativen Unterschiede derselben haben wesentlich das Quantitative zu ihrer Bestimmtheit; Raum und Zeit sind die reinen Aeußerlichkeiten selbst, und die Menge der Materien, Massen, Intensität des Gewichts, sind ebenso äußerliche Bestimmungen, die an dem Quantitativen ihre eigenthümliche Bestimmtheit haben. Dagegen wird solche Größebestimmtheit des abstrakt Materiellen schon durch die Mehrheit und damit einen Konflikt von Qualitäten, im Physikalischen, noch mehr aber im Organischen gestört. Aber es tritt hier nicht bloß der Konflikt von Qualitäten als solchen ein, sondern das Maaß wird hier höhern Verhältnissen untergeordnet, und die immanente Entwicklung des Maaßes vielmehr auf die einfache Form des unmittelbaren Maaßes reducirt. Die Glieder des animalischen Organismus haben ein Maaß, welches als ein einfaches Quantum im Verhältniß zu andern Quantis der andern Glieder steht; die Proportionen des menschlichen Körpers sind die festen Verhältnisse von solchen Quantis; die Naturwissenschaft hat noch weithin, von dem Zusammenhange solcher Größen mit den organischen Funktionen, von denen sie ganz abhängig sind, etwas einzusehen. Aber von der Herabsetzung eines immanenten Maaßes zu einer bloß äußerlich determinirten Größe ist die Bewegung das nächste Beispiel. An den Himmelskörpern ist sie die freie nur durch den Begriff bestimmte Bewegung, deren Größen hiermit ebenso nur von demselben abhängen (s. oben), aber von dem Organischen wird sie zur willkürlichen oder mechanisch-regelmäßigen, d. h. überhaupt abstrakten formellen Bewegung herunter gesetzt.

Noch weniger aber findet im Reich des Geistes eine eigenthümliche, freie Entwicklung des Maaßes Statt. Man sieht z.B. wohl ein, daß eine republikanische Verfassung, wie die atheniensische oder eine durch Demokratie versetzte aristokratische nur bei einer gewissen Größe des Staats Platz haben kann; daß in der entwickelten bürgerlichen Gesellschaft die Mengen von Individuen, welche den verschiedenen Gewerben angehören, in einem Verhältnisse mit einander stehen; aber dieß giebt weder Gesetze von Maaßen noch eigenthümliche Formen desselben. Im Geistigen als solchen kommen Unterschiede von Intensität des Charakters, Stärke der Einbildungskraft, der Empfindungen, der Vorstellungen u.s.f. vor; aber über dieß Unbestimmte der Stärke oder Schwäche geht die Bestimmung nicht hinaus. Wie matt und völlig leer die sogenannten Gesetze ausfallen, die über das Verhältniß von Stärke und Schwäche der Empfindungen, Vorstellungen u.s.f. aufgestellt werden, wird man inne, wenn man die Psychologien nachsieht, welche sich mit dergleichen bemühen.


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