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Anweisung zum Lieben

Ich rufe dich, Gefühl, das oft kredenzte.
Vom Schauplatz der Amouren ab.
Wer liebt, der rennt im Trab;
Hinter ihm tanzt die buntgeschwänzte
Peitsche der Angst, die Wiege und das Grab.
Wer liebt, irrt in Gefahr. Wer liebt, der schildert
Unwirkliches hinaus mit seinem Blut,
Der hebt zum Rausch das Bein, der wird verwildert
Und ein verbrannter, gelber Sommerhut.
Denn nur wer vieles weiß, der kann sich retten.
Der bleibt im Wehen wie im Süßen gut;
Ihn trägt ein Flötenton in allen Betten,
Gleich einem Spiegel, durch die Flut.

 

Entflieht den Jünglingen und werdet Greise!
Horcht. Seid geschickt. Im Spielen immer neu.
Fahrt nicht im Zug – fahrt langsam auf der Reise,
Und wenn ihr liebt, seid mutig und seid scheu.
Nicht mehr nach Brunst, nach weiser Überlegung
Erfindet euren Künsten Nerv und Kuß,
Und von der ersten bis zur letzten Regung
Verwandelt alles Wollen in Genuß.
Die schöne Freude steigert so zur Wahrheit!
Verliert euch nicht! Seid mit euch selbst beengt.
Daß ihr, wie ein Begriff allmählicher Klarheit,
Fernlächelnd, leicht an der Geliebten hängt.

 

Vielleicht, vor einer großen Stadt versunken,
Hat einer Sehnsucht, die ihm heiß entquillt;
Oder du hast die laute Nacht vertrunken
Und siehst vor dem Nachhausegehn ein Bild.
Du denkst an einen Park, an einen Schwan,
An einen Strumpf in einer Eisenbahn
Und kannst nicht ruhn und kannst dich nicht verlassen:
So geh zu einer unbekannten Frau.
Versuche sie zu lieben und zu hassen.
Erzähle ihr, du seist vom Mond ein Tier;
Sie wird es hören und vielleicht erfassen.
Und wenn du müde bist, geh schnell von ihr.

 

Du sitzst in dem Café. Du bist ein Name.
Da steigt aus der Musik erregtem Spiel
Das kalte Antlitz einer blassen Dame
Irr vor dir auf, wie ein begehrtes Ziel.
Du wirst sie nicht erreichen und nicht küssen.
Was ist ein Kuß vor deinem Liebessinn!
Doch später wirst du dich erinnern müssen.
Dann tritt die blasse Dame vor dich hin.
Du mußt sie milde mit dir selbst versöhnen.
Mußt dich berühren wie ein Geigenstrich:
So strömt in schönen, unerhörten Tönen
Glück, das du nicht besitzest, über dich.

 

Die Frauen, die man liebt, gehören Vielen –
Und weil sie wechselnd ihre Güter reichen.
So reizt es, ihre Freuden zu vergleichen;
Sie aber trinken. Und wir wollen spielen.
Laß nie dich einer einzigen vermählen!
Sie haben einen Raum für tausend Seelen,
Der immer ihr Verlangen weckt und stillt.
Und jagen wie ein herrenloses Wild
An uns vorbei, da wir die Spur verfehlen.
Ich will von ihnen Vieles, Vieles lernen!
Und jede soll mir sein, was sie mir gibt,
So steig ich, ohne das Gefühl von Sternen,
In ihren Schoß: wissend und unverliebt.

 

Ich will vor ihren Augen alles können
Und alles finden, wie ein Kind, das liest.
Ich will die stärksten Zauberdinge nennen,
Bis sich ihr Berg mir öffnet und verschließt.
Ich will die fernste Welt herübergießen,
Bis dem Bewußtsein alles sich entrückt:
O laß den Strom der Freude überfließen,
Denn ich bin wach! Ich bin von dir entzückt!
Ich weiß, ich kann dich ewig wiederholen;
Ein Hauch von meiner Hand ist deine Bahn –
Du liebst mich, und ich kann auf leisen Sohlen
Von dir entfliegen wie ein Aeroplan.

 

O meine Freunde, kommt! Wir wollen alle
Uns lieben: Gleich, ob Mann, ob Weib, ob Kind;
Daß keine Frage, keine Antwort falle:
Wir tun es, weil wir auf der Erde sind!
Wir lieben ohne Sinn für Zärtlichkeiten,
Nur daß wir lieben ist uns schon Gewinn.
Dem andern Freunde Freude zu bereiten,
So tritt der Jüngling vor den Jüngling hin.
Nun komm auch du, aus jenem Kreis der Damen!
Du bist ein Weib. Sei nackt. Hier hast du Geld,
Erfüllt von mir und meines Freundes Samen
Zieh aus und werde reicher auf der Welt!

 

Kehr nie zurück, Geschöpf aus unsern Freuden!
Du bist vorhanden. Hab zum Lieben Mut.
Du wirst vielleicht ein Kind von uns erleiden,
So laß es wachsen und so mach es gut!
Da liegst du zwischen uns, du arme Dirne,
Und hast mit uns gemeinsam nur die List.
Die Wollust steigt dir nicht mehr zum Gehirne:
Du liebst, weil nichts mehr ewig an dir ist.
O du mein Freund, die wir zuzweit genießen
An dem Kadaver einer dritten Frau –
Siehst du es nicht wie einen Zug von Riesen,
Einsam, und ragen an der Leichenschau?

 

Kehr mir zurück, mein Geist, im Blut verrieben;
Was du gelöst, das sammle wieder fest.
Und halte mir das Gleichgewicht beim Lieben,
Sonst sterb ich am Gefühl wie an der Pest.
Ich will jetzt mit dir sein und mit dir reisen;
Wir wollen wie zwei Kugeln uns umkreisen,
Aus einem hellen Raum ins Dunkel wehn.
Wenn je dich ein Genuß verzehrt, den töte!
Verkauf dein Weib, du wirst es überstehn.
Gleichviel ob Ekel oder Liebesnöte –
Am Himmel eilen Wind und Morgenröte,
Die Scheiben klirren, und die Züge gehn.

 

Geschlossen ist der Ring. Wo sind die Namen,
Die bürgerlich und lüstern zu mir kamen?
Ich spielte gut auf ihrem Instrument.
Erhalt ich mir die Kraft, werd ich zum Weisen
Und kann wie ein Fakir mit vielen, leisen
Glocken das Feuer rufen, bis es brennt.
Ausgieße dich ins All, mein Geist! Sei Feuer!
Stets unverbrannt – so brenne immer neuer:
O Erde, bist du nicht ein Faunsgesicht,
An das wir trunken unser Herz verschwenden.
Bis wir dich herrlich in uns selbst vollenden
Und aus dem Wirbel tanzen in das Licht!


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