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Dritter Akt

Die Szene ist dieselbe wie im zweiten Akt. Am Tage darauf. Gegen Abend. Beim Aufgehen des Vorhangs ist die Bühne leer.

Erste Szene

Hans, (in Paletot und langen Stiefeln, kommt (vom Scheibenstand). Er dreht sich in der Tür um und ruft zurück:) Heinrich! (Er geht ins Zimmer und beginnt sich auszuziehn.)

Heinrich (kommt. Er ist ihm eilig und schweigend beim Ausziehen behilflich.)

Hans, (nachdem er abgelegt und abgeschnallt hat, geht ins Schlafzimmer, dessen Tür er offen läßt. Ruft heraus:) Die Litewka.

Heinrich (nimmt aus dem Kleiderschrank die Litewka und bringt sie ins Schlafzimmer.)

Hans (im Schlafzimmer:) Mach Licht!

Heinrich (kommt zurück und steckt die Lampe auf dem Schreibtisch an.)

Hans (ruft:) War jemand da?

Heinrich. Nein, Herr Leutnant. (Er nimmt einen Brief vom Schreibtisch.) Aber ein Brief ist gekommen.

(Er geht mit ihm zur Tür.)

Hans (von drinnen:) Brief? Woher?

Heinrich (sieht nach dem Poststempel:) Aus Köln, Herr Leutnant.

Hans. Na laß man. Ich komme.

Heinrich (legt den Brief auf den Tisch zurück.)

Hans (kommt in Litewka und langen Hosen. Er ist nervös erregt.)

Heinrich (zwei Briefe in Geschäftskuvert vom Schreibtisch nehmend – lächelt.)

Hans. Na, was grinst du denn, du alter Esel?

Heinrich. Auch zwei Rechnungen, Herr Leutnant. Eine grüne und eine blaue.

Hans (winkt ab:) Weg damit. Du weißt ja, wo die Rechnungen hinkommen.

Heinrich (zur Kommode, zieht eine Schublade auf und wirft die beiden Briefe hinein.)

Hans (setzt sich.)

Heinrich (springt herbei, kniet und knöpft ihm die Strippen zu.) 253

Hans. Ist das Parolebuch schon dagewesen?

Heinrich. Nein, Herr Leutnant.

Hans. Weißt du schon, was morgen los ist?

Heinrich (mit dem linken Bein beschäftigt:) Jawohl, Marschübung im Bataillon mit eingetretenen Rekruten.

Hans. Lieblich. Sehr lieblich!

Heinrich (ist fertig und steht auf.)

Hans. Also vorwärts! Kaffee!

Heinrich (holt aus dem Vertiko die Kaffeemaschine usw. und stellt sie auf den Tisch. Dann geht er ins Schlafzimmer und holt die Wasserkaraffe.)

Hans (ist zum Schreibtisch getreten, hat den Brief erbrochen und liest. Er legt ihn mit einer unwilligen Bewegung wieder auf den Tisch.) Ä! gib mir erst mal 'n Schnaps!

Heinrich (stürzt zum Vertiko, auf dem das Schnapsservice steht. Hans geht zum Sofa und setzt sich in die rechte Sofaecke.) Schenk mal ein! Was kann das schlechte Leben nützen! Die Tugend siegt ja schließlich doch.

Heinrich (bringt den Schnaps.) Gehen Herr Leutnant heute noch aus?

Hans. Wart's nur ab, mein Sohn. Es wird sich schon alles historisch entwickeln. (Es klopft.) Herein!

Eine Ordonnanz (öffnet schüchtern die Tür und bleibt stehen.)

Heinrich (tritt hinzu und nimmt der Ordonnanz das Parolebuch ab.)

Hans. Na, zeig mal her die Bescherung. Also, Heinrich: morgen früh sechs Uhr dreißig antreten.

Heinrich. Jawohl, Herr Leutnant.

Hans (hat mit dem ans Parolebuch angebundenen Bleistift seinen Namen eingeschrieben und gibt es ihm zurück.)

Heinrich (bringt es der Ordonnanz. Ordonnanz ab.)

Hans. Ja also nun hör mal zu, mein Sohn! Wie heißen die drei Haupttugenden eines brauchbaren Burschen? Sauberkeit...

Heinrich. Sauberkeit, Pünktlichkeit und

Hans. Na?

Heinrich. Und Verschwiegenheit, Herr Leutnant.

Hans. Verschwiegenheit. Jawohl. Was hier in 254 meinen vier Pfählen vorgeht geht niemanden was an. Verstanden! Hier bin ich mein eigener Herr.

Heinrich. Jawohl, Herr Leutnant.

(Bedient ihn mit dem Kaffee.)

Hans. Also sperre deine Ohren auf. (Er sieht nach der Uhr.) Jetzt ist es Sechs durch. Punkt halb Sieben erwart ich den Besuch einer jungen Dame.

Heinrich. Jawohl, Herr Leutnant.

Hans. Sie weiß nicht, wo mein Zimmer ist, und weiß überhaupt nicht in der Kaserne Bescheid. Du wirst dich deshalb ein paar Minuten vor halb Sieben am Kasernentor aufpflanzen. Setzst die Burschenmütze auf, verstehste?

Heinrich. Jawohl, Herr Leutnant.

Hans. Und wenn du die junge Dame kommen siehst, gehst du auf sie zu, nimmst deinen Deckel ab und fragst sie höflich, ob sie vielleicht zu Herrn Leutnant Rudorff wolle. Wenn sie dann ja sagt, führst du sie schleunigst, auf dem schnellsten Wege hierher. Du brauchst sie nicht erst zu melden, machst ihr einfach die Tür auf und läßt sie eintreten. Ganz glatt. Verstanden?

Heinrich. Jawohl, Herr Leutnant.

Hans. Na: was denn?

Heinrich. Ich soll um halb Sieben

Hans. Ein paar Minuten vor halb Sieben, und wartest eventuell bis Sieben.

Heinrich. Soll ich das Fräulein von Herrn Leutnant

Hans. Das ist nicht mein Fräulein, Schaf, dummes! Ich habe gesagt: eine junge Dame.

Heinrich. Soll ich eine junge Dame abwarten und zu Herrn Leutnant bringen... ohne anzuklopfen.

Hans. Richtig. Und die Burschenmütze aufsetzen, daß sie dich erkennt. So, nun schwirr ab!

Heinrich (ab.)

Hans (trinkt Kaffee, nimmt den Brief noch einmal auf, liest und legt ihn kopfschüttelnd wieder weg. Er stützt den Kopf in die Hand und seufzt. Es klopft. Er fährt heftig zusammen – und steht auf.) 255

 

Zweite Szene

Harold (ernst, in Paletot und Mütze:) Guten Abend.

Hans. Guten Abend, Harold. (Händedruck.) Bitte, leg ab!

Harold. Danke. Bleibe nicht lange. (Sie setzen sich.) Nun?

Hans. Rauchst du?

Harold. Danke.

(Er steckt sich eine Zigarre an.)

Hans (nimmt nervös den Brief wieder vor.)

Harold. Von deiner Braut?

Hans (sieht in den Brief:) Hm

Harold. Ihr schreibt euch wohl oft?

Hans (in Gedanken:) Hm . . . (Er liest:) »Und dann möcht ich Dich noch fragen, ob ich zum Photographieren das meergrüne Kostüm mitbringen soll, in welchem ich Dir so gefallen habe. Papa hat übrigens Kabinett-Muschel-Format erlaubt, was jetzt so modern ist, verzeih, wenn ich jetzt schließe, aber ich bin zu Meyers zum Tennis geladen und muß mich noch umziehn.« (Er sieht Harold an:) Hm?

Harold. Mein Gott, was willst du! Es ist eben ein junges Mädchen.

Hans. Ja, ja . . . Ja.

(Er schließt den Brief in den Schreibtisch.)

Harold. Hör mal, Hans . . . ich habe dich... um Entschuldigung zu bitten... wegen gestern.

Hans. Du!

Harold. Ja. Es war unrecht von mir, dir jetzt nachträglich die... Schliche deiner Herren Vettern zu verraten. Geschehn ist geschehn...

Hans. Oho!

Harold. Ja, Hans. Ich bereue es jetzt sehr, daß ich mich durch meine momentane Empörung hinreißen ließ...

Hans. Momentane Empörung? Bist du etwa jetzt nicht mehr empört? Willst du sie etwa jetzt in 256 Schutz nehmen? Harold! Mach mich nicht irre an dir!

Harold. Ach Gott, Hans! Ich bin ja leider eben so 'n dummer Kerl, wie du. Immer wieder verfällt man in dieselben Torheiten. Ein anderer wie unsereins würde heilsfroh sein, wenn nur alles fein säuberlich verborgen bliebe.

Hans. Erlaube mir, dir zu bemerken, daß dieser andere eine ziemlich gemeine Seele sein müßte! Ich lasse mir meinen Willen nicht heimtückisch stehlen! Wenn sich in mir der Verdacht regt, daß ich vielleicht ohne Wissen ein großes Unrecht begangen habe... wenn ich mir vorstellen soll, daß das Schicksal, unter dem ich fast zusammengebrochen wäre, vielleicht nur ein wohlberechneter Bubenstreich war dann empört sich in mir alles! Alles! Dann muß ich die Wahrheit erfahren um jeden Preis und ich werde sie erfahren! (Er geht durchs Zimmer.) Ich war bereits bei Grobitzsch.

Harold (höchst erregt, steht auf.) Hans! Lieber Mensch! Was tust du? Was willst du!

Hans. Die Wahrheit will ich! Ich bin auch ein Mensch und keine Drahtpuppe, die andere im Verborgenen nach ihrem Willen leiten und bewegen dürfen. Ich will mein Leben selber führen, selber leben!

Harold. Was sagte Grobitzsch?

Hans. Ich traf ihn nicht zu Hause

Harold. Ach dann

Hans (fortfahrend:) Aber ich hinterließ ihm, daß ich ihn in dringender, privater Angelegenheit sprechen müsse. Nun wird er ja wohl zu mir kommen: was meinst du?

Harold. Zweifellos. Er wird kommen. Herrgott! Also wirklich! Du willst also wirklich wenige Tage nach deiner Verlobung diese alte Geschichte wieder aufrühren?

Hans. Jawohl! Das will ich! Ich kann nicht anders! Ich will Ruhe haben vor mir selber und als 257 reinlicher Mensch weiter leben: ich will am Rosenmontag meiner Braut als anständiger Kerl frei in die Augen sehn können! Ja: das will ich!

Harold (schlägt sich gegen die Stirn:) Herrgott, was hab ich da angerichtet! Weißt du, was jetzt bloß noch fehlte?

Hans. Na?

Harold. Daß du sie wiedersähest die Traute...

Hans (lacht laut auf.)

Harold. Weshalb lachst du?

Hans. Ich habe sie wiedergesehn, mein Lieber... ich habe sie wiedergesehn! Grad vorhin, als ich vom Scheibenstande kam, ist sie mir begegnet. Wenn du wüßtest, wie mir zumute wurde...

Harold. Hans!!

Hans. Ja, ja . . . laß nur gut sein! Ich danke dem Zufall. Starr mich nicht so an!

Harold. Du hast mit ihr gesprochen?

Hans. Allerdings. Das heißt: ich werde erst mit ihr sprechen. (Er sieht nach der Uhr.) Sie wird wohl bald kommen.

Harold. Sie kommt? Hierher? In die Kaserne?

Hans (nickt:) Ich hoffe. Auf der Straße konnten wir uns natürlich nicht aussprechen: ich habe nur in aller Hast auf sie eingeredet, sie hat, glaub ich, überhaupt kein Wort gesagt, ich weiß nicht, ich war sehr erregt. Sie sah mich an, so... Weshalb sollte sie nicht in die Kaserne kommen? Zu mir? Ich bitte dich! Hier bin ich mein eigner Herr sie kennt doch keiner und der Heinrich ist treu wie Gold...

Harold. Hans: das darfst du nicht tun!

Hans. Was?

Harold. Du darfst sie nicht wiedersehn

Hans. Ich muß! Ich kann nicht anders.

Harold. Sie wird es längst verwunden haben.

Hans. Das hat sie nicht! Ich habe sie ja gesehn! Nein, nein! Ich muß sie fragen. Ich hätt es gleich tun sollen. 258

Harold. Und jetzt sollst du es nicht mehr! Laß die Rambergs noch so elende Intriganten sein laß den wüsten Kerl, den Grobitzsch, meinetwegen ihr Komplize sein deshalb bleibt sie doch immer die Schuldige. Sie! Vergiß das nicht du weißt, man hat sie eines schönen Morgens bei Grobitzsch gefunden.

Hans (heftig:) Hör auf! Was willst du, was soll das alles! Ich fühle in mir das Rechte, was ich tun muß. Ich weiß nur eins: der Gedanke, daß sie sie, die ich über alles geliebt habe, das Opfer eines wie sagte das Paulchen? einer kleinen Notlüge geworden ist der Gedanke läßt mich nicht ruhn und nicht rasten ich werde ihn nicht los, weder bei Tag noch bei Nacht.

Und wer sagt mir denn die Wahrheit? Wem soll ich glauben? Ich weiß ja alles nur durch die Rambergs sie aber, meine Traute, hat mich früher nie belogen sie wird es auch jetzt nicht tun. Geh jetzt.

Harold. Nein. Ich gehe nicht. Hans! Denkst du daran, was du dem Oberst in die Hand versprochen hast?

Hans. Gewiß denk ich daran! Ich habe ihm mein Wort gegeben, daß zwischen der Traute und mir alles aus sei tot und begraben.

Harold. Tot und begraben?

Hans (gedämpft:) Und das ist es auch. Und das muß es jetzt bleiben darin hast du recht und wenn sie unschuldig wäre wie der weiße Schnee... (Wieder lebhaft:) Aber kein Oberst und kein Mensch unter der Sonne kann mir verbieten... mein Gewissen

(Er hält, von Harolds durchdringendem Blick irritiert, inne.)

Harold. Nun? Was denn? Was denn? Alles kann dir der Oberst verbieten! Alles! Und vor allem dies: daß du wieder mit der Traute anknüpfst

Hans. Wer spricht von Anknüpfen . . . 259

Harold. Hans! Menschenskind, komm doch nur zur Besinnung! Siehst du denn die Gefahr nicht? Merkst du denn gar nicht, daß du dir das alles nur vormachst... das mit dem Gewissen, und daß du durchaus die Wahrheit an den Tag bringen müßtest? Merkst du denn gar nicht, daß es im letzten Grunde nur die alte Liebe ist, die dir immer noch im Blute festsitzt? Ja, ja, Hans: Du liebst sie noch, liebst sie noch immer! Sei auf deiner Hut, lieber Junge: ich bitte dich: sei auf deiner Hut!

 

Dritte Szene

Heinrich (öffnet schweigend die Tür und läßt Traute eintreten.)

Traute, (verschleiert, tritt ein, sieht Harold und bleibt in der Tür stehen.)

Harold (wendet sich zu ihr um.)

Hans (geht auf sie zu:) Du . . . Sie kennen doch Harold noch? Fürchten Sie nichts: er ist wirklich mein Freund. Bitte: treten Sie ein!

Traute (tritt langsam ein.)

Heinrich (geht ab.)

Hans (reicht ihr die Hand.)

Harold (ernsthaft:) Fräulein Reimann, ich bin... ich hoffe, Sie glauben ihm, daß ich wirklich sein Freund bin. Und deshalb (Er geht auf sie zu.) Geben Sie mir bitte Ihre Hand! (Er faßt fest ihre Hand.) Sein Sie nicht sein Feind! Verstehn Sie mich? Ich bitte Sie: sein Sie nicht sein Feind! Adieu. Adieu, Hans.

(Er geht ab. Lange Pause.)

 

Vierte Szene

Hans (befangen:) Wollen Sie nicht... ablegen?

Traute. Danke, nein: ich muß gleich wieder fort.

Hans. Aber bitte, wenigstens setzen . . . einen Augenblick?

Traute (tritt etwas tiefer ins Zimmer und streift den Schleier 260 in die Höhe.) Ich wollte... ich wollte gar nicht kommen. Ich schäme mich auch... aber... (Sie sieht ihn groß an:) Sie waren so ernst... machten es so dringend...

(Sie kommt etwas weiter nach links, sieht das Bild auf der Staffelei und bleibt stehen.)

Hans. Ja . . . Es ist ja nicht recht wohnlich hier...

Traute. Ist das . . . verzeihen Sie . . . ist das Ihr Fräulein Braut?

Hans. Ja.

Traute (leise:) Also so sieht sie aus.

Hans (geniert:) Bitte, Fräulein Reimann. Wir wollten ja nicht von meiner... (Er unterbricht sich – erstaunt:) Woher wissen Sie übrigens, daß ich verlobt bin?

Traute. Woher ich das weiß?

Hans. Ja. Ist das schon Stadtgespräch? Wie?

Traute. Stadtgespräch? Aber ich komme ja kaum aus dem Hause.

Hans. Von wem wissen Sie's denn?

Traute. Nun, von Ihren Vettern doch . . . von den Herren von Ramberg.

Hans. Von . . . ja, wie denn? Seit wann denn?

Traute (mit einem Seufzer:) Oh . . . schon lange!

Hans. Schon lange? Das ist ja gar nicht möglich. Ich bin ja kaum vierzehn Tage hier. Haben Sie... meine Vettern in der Zeit gesprochen?

Traute. O nein! Wie sollt ich wohl?

Hans. Aber wie können Sie's denn da von ihnen wissen? Haben sie's Ihnen geschrieben?

Traute. O nein. Sie sagten es mir schon damals.

Hans (sieht sie einen Augenblick fragend an.) Wann?

Traute. Nun, im vorigen Sommer . . . als Sie in Erfurt waren. An Ihrem Geburtstag war es.

Hans. Als ich . . . in Erfurt . . . Aber mein Gott, da war ich ja noch gar nicht verlobt. Da dacht ich ja gar nicht im Entferntesten daran. Im Gegenteil, da... Wie?

Traute (mit schmerzlichem Lächeln:) Ach wozu? Wozu wollen Sie es jetzt noch leugnen? Es war ja 261 schlimm genug, damals... daß Sie es mir verheimlicht hatten.

Hans (erregt:) Ich? Verheimlicht! Aber das ist ja... Traute! Um Gotteswillen, Traute, sagen Sie mir die Wahrheit: haben die Rambergs Ihnen wirklich damals gesagt, ich sei verlobt?

Traute (ruhig:) Ja. An Ihrem Geburtstage, den wir bei Herrn von Grobitzsch feierten.

Hans (sieht sie starr an.)

Traute (mit schmerzlichem Lächeln:) Ach! Sie sollten es wohl nicht? Ich kann's mir denken! Aber... (Bitter, erregt:) Eins möcht ich Sie fragen und nur deshalb bin ich hierher noch einmal zu Ihnen gekommen ich möchte Sie fragen: war das wohl recht von Ihnen? Hatte ich das von Ihnen verdient?

Hans. Traute?

Traute. So wie ich Ihnen ergeben war, so wie ich an Ihnen hing... Nein! Es war nicht recht von Ihnen. Ich hatte es nicht von Ihnen verdient. Wie ich Ihnen vertraute! Sie hätten es mir wenigstens selber sagen sollen, daß es nun aus sein müsse... daß ich nun gehen müsse.

Hans (hat sich auf den Stuhl rechts gesetzt und verbirgt den Kopf in beiden Händen. Unterdrücktes Schluchzen.)

Traute (tritt ihm näher. Leise:) Ach, Hans, laß nur... laß nur jetzt. Es ist ja nun vorbei aber damals da tat es sehr weh.

Hans (auffahrend:) Nein! Nein! Es ist nicht vorbei. O diese Hunde! Diese infamen Hunde! (Er ist erregt durchs Zimmer gegangen. Dann faßt er sich und bleibt vor Traute stehen.) Traute! Du! Sieh mich an! Gib mir deine Hand! Höre mich an! Meine Vettern haben dich damals belogen. Ich war nicht verlobt und ich dachte auch gar nicht daran. Glaubst du mir, Traute?

Traute (schüttelt den Kopf. Herb:) Nein.

Hans (tritt einen Schritt zurück.)

Traute. Verzeih mir, Hans, aber so schlecht 262 können sie doch nicht gewesen sein. Bedenke doch, Hans: dann wäre ja alles, alles anders geworden... dann

Hans. Ja! Und sie sind doch so schlecht gewesen. Du mußt es mir glauben, Traute, Kind... ich schwör es dir, bei allem, was mir heilig ist: sie haben dich damals belogen erst jetzt, in Köln, vor kaum drei Wochen hab ich mich verlobt

Traute (starrt ihn entsetzt an.)

Hans. Was ist dir, Traute . . . was hast du?

Traute (schwankend, matt:) Erlaubst du... darf ich... mich setzen...

Hans (geleitet sie zur linken Sofaecke.)

Traute. Danke

(Sie setzt sich.)

Hans. Ist dir nicht wohl? Soll ich dir ein Glas Wasser holen?

Traute, (schwach, nickt.)

Hans (geht ins Schlafzimmer.) Sofort.

(Er holt eine Wasserkaraffe und Glas.)

Traute (bedeckt, solange er draußen ist, die Augen mit den Händen, ohne zu weinen.)

Hans (läßt, wenn er zurückkommt, in der Eile die Schlafzimmertür offenstehen. Er schenkt ein.) So. Komm.

Traute (trinkt.) Ich danke dir. Laß mich nun noch einen Augenblick und dann... will ich gehn.

Hans. Nein, bleib noch bleib noch, Traute. Sieh: es war recht gut, daß du kamst. Nun wissen wir doch, daß wir beide nur zwei arme betrogene Menschenkinder sind. Denn auch mich haben sie belogen: mir haben sie gesagt (Auf einen angstvollen Blick Trautes:) Aber erhol dich erst.

Traute. Was haben sie dir gesagt?

Heinrich (tritt ein und geht zu Hans.)

Hans (wendet sich um, schroff:) Na?

Heinrich. Herr Leutnant von Grobitzsch ist da.

Traute (springt auf:) O Gott!

Hans (schnell:) Ich bin nicht zu Hause! 263

Heinrich (macht kehrt.)

Hans. Halt! Das geht ja nicht. Er weiß ja, daß ich zu Hause bin.

Traute (schnell:) Laß mich hinaus!

Hans. Du läufst ihm ja in die Finger.

Traute. Laß mich hinaus!

Hans (auf die offene Schlafzimmertür deutend:) Hier! Bitte! Geh bitte dahinein.

Traute. Nein, nein, nein.

Hans (sehr hastig:) Wenn ich dich bitte, Kind! Es dauert zwei Minuten! Er darf dich nicht sehn! Und ich kann ihn nicht abweisen.

Traute. Nein, ich will nicht! Laß mich hinaus!

Hans. Traute! Bitte. Mir zuliebe!

Traute (auf einen Blick von ihm, hinten rechts ab.)

Hans (schließt die Tür:) Ich lasse den Herrn Leutnant bitten.

Heinrich (ab.)

 

Fünfte Szene

von Grobitzsch (tritt ein. Er sieht sich einen Augenblick prüfend im Zimmer um. Er tritt auf Hans, der ihm entgegenkommt, zu. Sie geben sich die Hand.) Guten Abend, Rudorff.

Hans. Guten Abend.

von Grobitzsch. Sie . . . waren bei mir, wie ich höre. Ich habe sehr bedauert.

Hans. Darf ich bitten.

(Er weist ihn auf den Stuhl links vom Tisch.)

von Grobitzsch. Danke sehr. (Er setzt sich links, Hans vor den Tisch, ihm gegenüber.) Sie haben's hier ein bißchen kahl, aber na, das dauert ja nicht lange mehr, ist ja nur ein Provisorium. Ich höre, Ihr Herr Schwiegervater steht wegen Ankaufs der Gräflich Baudenschen Villa in Verhandlung?

Hans. Ja, ich glaube . . . Ich hab es auch nur so gehört.

von Grobitzsch. Aha! Soll 'ne liebe Überraschung werden. Jedenfalls kein übler Kontrast. Hm. Aber, Pardon... Sie wollten mich in einer ernsten privaten Angelegenheit sprechen?

Hans. Jawohl. Sie sind sehr liebenswürdig, daß Sie gleich zu mir gekommen sind. Nämlich, Herr von Grobitzsch, es handelt sich um eine Sache, die... für mich allerdings tatsächlich sehr ernst geworden ist.

von Grobitzsch. Bitte sehr.

Hans. Sie erinnern sich vielleicht . . . daß ich im vorigen Sommer kurz nach meinem Kommando in Erfurt... schon einmal bei Ihnen war, und Sie... ja... und Sie um eine gewisse Auskunft bat... (Er senkt die Stimme.) ...in betreff eines jungen Mädchens... eines Fräulein Reimann.

von Grobitzsch. Allerdings.

Hans. Sie . . . lehnten es damals ab, mir . . . eine Auskunft zu geben...

von Grobitzsch. Ich glaube. Ja.

Hans. Ja . . .

von Grobitzsch (ruhig:) Nun und?

Hans. Ich habe damals den Grund, weshalb Sie zu schweigen wünschten geachtet. Ich habe wohl gemerkt, daß Sie sich unter keinen Umständen einer... Indiskretion schuldig machen wollten...

von Grobitzsch (unbefangen:) Indiskretion? Wieso? Ach so! (Behaglich lächelnd:) Ne, wissen Sie, lieber Rudorff: für so zartfühlend müssen Sie mich nun nicht halten! Alles an seinem Platze! Es handelte sich doch schließlich nicht um 'ne Dame, sondern um en Mädel! Ne, ich will Ihnen was sagen: es paßte mir einfach nicht! Nehmen Sie's mir nicht übel: aber wie kam ich denn dazu, Ihnen quasi Rechenschaft abzulegen? Das ist nicht mein Fall.

Hans (sieht ihm mit unterdrücktem Haß in die Augen:) Ja so... Nun, Herr von Grobitzsch trotzdem, ich möchte heute trotzdem meine Bitte von damals wiederholen. (Auf eine Kopfbewegung von Grobitzsch:) Bitte! Es liegt mir fern, Rechenschaft von Ihnen zu fordern, 265 aber... ich bin... ich glaube, die Verhältnisse heute besser zu übersehen als damals. Um es kurz zu sagen! Ich weiß heute, daß meine Vettern Rambergs, wie sie mir selber gestanden haben, damals den Plan hatten die bewußte Absicht, es zwischen mir und... dem jungen Mädchen zum Bruch zu bringen.

von Grobitzsch (obenhin:) So?

Hans. Ja! Der Plan ist ihnen auch gelungen, Herr von Grobitzsch mit Ihrer Hilfe. Und jetzt möchte ich Sie nur fragen: war Ihnen dieser Plan bekannt?

von Grobitzsch (erhebt sich:) Herr Rudorff! Wie nennen Sie das? Nennen Sie das anders, als von jemandem Rechenschaft fordern? Hab ich Ihnen nicht gesagt, daß es nicht mein Geschmack ist, auf solche Fragen zu antworten?

Hans. Herr von Grobitzsch, Sie wußten, daß ich mit dem Mädchen, um das es sich handelt, ein Liebesverhältnis unterhielt?

von Grobitzsch (mit erhobener Stimme, in dienstlichem Ton:) Herr Leutnant Rudorff! Ich bin nicht hierher gekommen, um mich von Ihnen zur Rede stellen zu lassen!

Hans (einlenkend:) Aber ich bitte Sie, Herr von Grobitzsch: wir stehen uns doch in diesem Moment lediglich als Kameraden gegenüber. Sie können doch in dieser Sache unmöglich einen dienstlichen Ton anschlagen?

von Grobitzsch (streng:) Ob dienstlich oder kameradschaftlich jedenfalls lasse ich mir von Ihnen nicht den Ton vorschreiben, in dem ich mit Ihnen zu verhandeln wünsche.

Hans. Es gibt, bei Gott! Dinge, die ausschließlich eine menschliche Behandlung vertragen!

von Grobitzsch. Das sind Phantastereien! Das sind Ihre Sentiments! Sparen Sie sich die für Ihre Gedichte oder für Ihr Harmoniumspiel. Entweder man ist Offizier oder man ist es nicht. 266

Hans. Ich bin zu allererst ein Mensch mit menschlichem Gefühl

von Grobitzsch (unterbricht ihn, scharf:) Hören Sie mal, Rudorff! Lassen wir mal jetzt die Redensarten in der famosen Sache selbst scheinen Sie mir denn doch bedenklich aus der Rolle zu fallen. Was soll denn diese Fragerei? Den Teufel auch: ich hatte nicht die geringste Veranlassung, mir die Mühe zu geben, etwaige Pläne Ihrer Herren Vettern zu durchschaun, ich...

Hans (schnell:) Also wußten Sie nichts?

von Grobitzsch. Was ich wußte oder nicht wußte, ist meine Sache! Hier handelt es sich um den merkwürdigen Standpunkt, den Sie dieser Lumperei gegenüber...

Hans. Lumperei?! Es handelt sich

von Grobitzsch (unterbricht ihn wiederum:) Lassen Sie mich ausreden! Um ein Mädel handelt es sich. Ich will Ihnen mal was sagen, Rudorff und zwar sage ich Ihnen das als älterer Kamerad und als Ihr momentaner Vorgesetzter. Ich denke, Sie sind verlobt? Nicht wahr? Da macht es denn doch einen sehr absonderlichen Eindruck, mit welchem Interesse Sie diese zweifelhafte Weibergeschichte hier wieder auskramen! Wirklich: höchst merkwürdig!

Hans. Für Sie wohl!

von Grobitzsch (gesteigerten Tones fortfahrend, ohne sich unterbrechen zu lassen:) Was kümmert Sie denn überhaupt noch dieses Frauenzimmer? He? Überlassen Sie die Person doch Ihrem Schicksal! Was liegt denn an einem solchen Geschöpf? Die ist bei mir gewesen, wie wahrscheinlich bei einem Dutzend anderer. Was weiß ich! Dirne bleibt Dirne!

(Man hört einen unterdrückten Aufschrei aus dem Schlafzimmer.)

Hans (macht eine unwillkürliche Bewegung zur Tür.)

von Grobitzsch. Hm? Was war denn das?

Traute (öffnet langsam die Tür. Sie bleibt im Türrahmen 267 stehen. Mühsam zu Grobitzsch, den sie groß ansieht:) Sie sind... schlimmer... als ein Mörder.

von Grobitzsch (mit einem bösen Lächeln.) Ah... So...

Traute (ihn voll ansehend:) Sie wissen, daß ich mir nichts vorzuwerfen habe.

von Grobitzsch (höhnisch auflachend:) Ha, ha, ha! Also doch! Sie hier! Dacht es mir beinah...

Hans. Herr von Grobitzsch

von Grobitzsch (lauter:) Ha, ha, ha! Ich gratuliere Ihnen! Sind ein Mordskerl!

Hans (stark:) Herr von Grobitzsch! Wir haben uns nichts mehr zu sagen. Verlassen Sie mein Zimmer!

von Grobitzsch (betroffen – beinah erstaunt:) Herr... Leutnant Rudorff (Beide sehen sich einen Moment in die Augen.) Sie hören noch von mir.

(Er geht ruhig ab.)

 

Fünfte Szene

Hans (versucht seine Erregung zu bemeistern.) Traute komm fasse dich! Er ist ja nun fort. Verzeih, daß du das hören mußtest... daß ich so ohnmächtig war so ohnmächtig bin also nicht einmal hier bin ich mein eigner Herr nicht im kleinsten Winkel bin ich mein eigner Herr!

(Pause.)

Traute (mit plötzlicher Angst:) Hans! Was habe ich getan! Er durfte mich nicht sehen du wirst Verdruß haben oder Schlimmeres! Ach Gott, verzeih aber es war zu furchtbar. Ich konnte es nicht ertragen.

Hans (bitter lachend:) Ha, ha, sehr gut mußt dich womöglich noch entschuldigen, daß du überhaupt geboren bist. Eine tolle Welt! Herrgott!

Traute. Soll ich nun nicht lieber . . . ?

Hans (sich zusammenraffend:) Nein. (Er geht auf sie zu und nimmt ihre Hand:) Komm, Traute sein wir ruhig! Wir haben uns nun... noch etwas zu sagen. Das wollen 268 wir tun und dann... Er führt sie zu einem Stuhl. Sieh mich an, Traute. Ja du bist es. (Er hält ihre Hand.) Siehst du: die andern alle wollten lügen und haben gelogen. Ich glaube nur noch dir.

Traute (sieht zu ihm auf:) Ich danke dir, Hans

Hans. Nicht mehr zittern, Kind sei ganz ruhig! Komm. Wird es dir nicht zu warm? Willst du nicht doch einen Augenblick ablegen?

Traute (verneint.)

Hans. Jetzt seh ich erst du bist in tiefer Trauer. Was ist denn...?

Traute. Weihnachten . . . starb meine Mutter.

Hans (leise:) Deine Mutter . . . dann bist du also jetzt ganz allein? In dem alten Häuschen?

Traute. Ja.

Hans (setzt sich auf den andern Stuhl zu ihr und faßt unwillkürlich ihre Hand. Pause.)

Traute. Sie hatte einen leichten, sanften Tod. (Sie entzieht ihm ihre Hand. Energisch.) Hör mich jetzt an, Hans! Ich will dir jetzt in kurzen Worten sagen, was du nun noch hören mußt, eh wir auseinandergehn. Damals hatt ich mir vorgenommen, zu schweigen, denn ich sagte mir, du wolltest mich los sein und seist nur zu feige... und da wollte ich stolz sein. Aber heute sehe ich, daß das alles Lug und Trug war, und habe gehört, wie sie nachträglich von mir reden und nun muß ich dir alles sagen.

Wie du damals fort warst, waren deine Vettern sehr nett und freundlich zu mir – wie sie's dir versprochen hatten. Ein paarmal trafen wir uns draußen in Paulis Garten, wo wir beide so glückliche Stunden verlebt haben – wie froh war ich, die paar Menschen zu haben, mit denen ich über dich sprechen konnte. –

Da kam – dein Geburtstag. Wir hatten uns wieder verabredet, ihn zusammen draußen zu feiern, aber wie wir uns trafen, war es schlechtes Wetter und wir konnten nicht im Freien sitzen. Da machten die Rambergs den Vorschlag, zu einem Freunde von dir 269 und ihnen, zu Herrn von Grobitzsch, zu gehn. Das sei ein reicher Mann, hätte eine große Wohnung und würde sich gewiß sehr freuen.

Ich wollte erst durchaus nicht, aber die beiden redeten mir so lange zu – und dann hatt ich mich so auf den Abend gefreut – ich bin schließlich mitgegangen. (Auf einen Blick von Hans, sich unterbrechend:) Es war unrecht, wie? ( Hans schüttelt den Kopf.) Wir kamen also zu Grobitzsch. Es fiel mir ja zwar anfangs auf, daß alles schon so von vornherein zu einem Feste hergerichtet war ein Abendessen war serviert der Sekt war in großen Kübeln kaltgestellt aber da lachten mich die Rambergs aus so ginge das bei Grobitzsch alle Tage zu.

Ja . . . und dann . . . kam alles bald in lustige Stimmung, von Anfang an wurde Sekt getrunken – auf dein Wohl und immer wieder auf dein Wohl. Dann fingen sie an mich zu necken: du wärst mir in der Fremde ja doch nicht treu – na, da lacht ich sie ja einfach aus. Und dann: du würdest doch nun auch gewiß bald heiraten und ob ich denn daran schon gedacht hätte? Gewiß, sagte ich, daran hätt ich wohl schon gedacht. Aber ich könne mich nicht daran kehren, denn das Leben sei so kurz. (Sie läßt die Stimme fallen:) Ich hätte dich so lieb und so bald würde es ja wohl nicht sein oder was ich sonst für Unsinn daher schwätzte, denn ich wurde selber nur immer lustiger und toller.

Aber da auf einmal stand dein Vetter Peter auf und mit einem ganz ernsten Gesicht. Sie hätten mich darauf vorbereiten wollen... ich hätte ja also doch gewußt, daß es einmal so kommen müßte nun solle ich aber auch ein verständiges Mädel sein und es mir und dir nicht unnütz schwer machen...

Hans (unterdrückt:) Herrgott!

Traute. Und was er sonst noch redete mir ging alles wirr und blöd im Kopf herum, und wie er zu Ende war, lachte ich wie verrückt, denn ich wollt es 270 immer noch gern für einen Scherz halten. Aber als ich dann ihre Gesichter sah auf einmal da war es aus. Erst kriegt ich einen Weinkrampf und dann fiel ich in Ohnmacht.

Hans (streicht ihr über die Hand, leise:) Meine Traute... Weiter...

Traute. Und bin wohl eingeschlafen fest, tief wie ich dalag. Ich weiß nicht.

Hans (leise:) Und dann?

Traute. Ein paar Stunden später wacht ich plötzlich auf von einem Lachen, glaub ich. Es war lichter, früher Morgen. Man hatte mir mit zarter Fürsorge ein Kissen unter den Kopf geschoben. Am Spieltisch saßen die Rambergs, Herr von Grobitzsch und noch ein Herr, den ich nicht kannte. Als ich sie ansah, hörten sie auf zu lachen. Ich konnte
kein Wort sprechen und ging hinaus. Draußen sangen alle Vögel. Ich war wie tot. (Lange Pause. Sie steht auf, fest:) Ja, Hans so ist es gewesen. Ich verschweige dir nichts nichts. So wahr ich dich liebgehabt habe und immer noch liebhaben muß, Hans das ist die reine Wahrheit.

Am Abend des Tages bin ich in die Kirche gegangen und habe lange, sehr lange gebetet. Ich hatte Gottes Gebot übertreten, denn unsere Liebe war Sünde gewesen, und ich glaubte nun, dies sei die Strafe.

Hans (lacht bitter auf.)

Traute. Nicht lachen, Hans es wird wohl doch so sein trotz alledem.

Hans (steht ebenfalls auf.) Traute, du weißt: ich habe nie versucht, dich in deinem Glauben zu stören aber: kannst du glauben, daß Gott sich, um zu strafen, einer gemeinen menschlichen Büberei bedienen würde? Oh, warum hast du mir damals nicht geschrieben?

Traute (schüttelt den Kopf:) Nein. Wenn ich demütig war, kam ich zu dem, was dein Freund mir vorhin gesagt hat und was ich wohl verstanden habe: sei 271 nicht sein Feind er hat es so gewollt. Denke doch: ich mußte ja glauben, daß es dein Wille gewesen war, daß du mich so... und wenn dann der Haß mich packte und Wut und Schmerz, daß du mir das nicht selber gesagt, daß du es mir durch deine Vettern und Freunde hattest antun lassen dann siegte doch immer wieder mein Stolz und machte mich starr und kalt. Und so hab ich geschwiegen.

Hans. Wie gut sie gerechnet haben! Auch mit mir! Mit meinem Stolz meiner kläglichen, verletzten Eitelkeit. Und so ist es ihnen gelungen, so haben sie mich richtig hier in diesen Käfig eingesperrt. OGott... (Er schaut wild um sich.) Jetzt... Ja, nun ist mir alles klar. Hab Dank!

(Er reicht ihr die Hand.)

Traute (nimmt seine Hand.) Ich danke dir, Hans, daß du mir glaubst. Und nun: leb wohl.

Hans (ihre Hand noch haltend:) Du willst nun...

Traute. Ja. Ich muß nun gehn. (Sie zieht ihre Hand zurück.) Leb wohl, Hans...

Hans. Traute . . . Traute!

Traute. Nein, nein . . . laß mich, laß mich... Ich bin nicht dein Feind, Hans!

Hans (mit überströmendem Gefühl:) Nein! Nein! Du bist meine Traute...

(Er breitet die Arme aus.)

Traute, (aufschluchzend, will sich an seine Brust werfen. Sie hält, plötzlich erschrocken, inne. Sie sieht ihn noch einmal groß an und eilt dann ab.)

Hans (will ihr folgen und bleibt dann stehen.) Das... das sollen sie mir büßen! 272

 


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