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Zwischen Frühjahrs- und Herbstarbeit kamen und gingen die Tage, aber Oline kam nicht.

Isak hatte jetzt seine Felder bestellt, er richtete zwei Sensen und zwei Rechen zur Heuernte, machte einen langen Boden auf seinen Karren, damit er Heu darauf laden konnte, richtete sich auch Kufen und geeignetes Holz zu einem Arbeitsschlitten für den Winter her. Er machte viele gute Sachen. Und was zwei Borte an der Wand in der Stube betraf, so brachte er auch diese an, so daß man die verschiedensten Dinge darauf legen konnte, den Kalender, den er sich endlich gekauft hatte, und Quirle und Schöpfkellen, die nicht im Gebrauch waren. Inger sagte, diese beiden Bretter seien etwas außerordentlich Gutes.

Inger fand alles außerordentlich gut. Seht, Goldhorn wollte nun nicht mehr durchgehen, sondern sie vergnügte sich mit dem Kalb und dem Stier und weidete den lieben langen Tag im Walde. Seht, die Ziegen gediehen so, daß ihre schweren Euter fast auf dem Boden schleppten. Inger nähte ein langes Kleidchen aus blauem Kattun und ein Mützchen von demselben Stoff, es war das hübscheste, was man sehen konnte, es war der Taufanzug. Das Kind selbst lag ganz still da und verfolgte das Werk mit seinen Augen, es war schon ein rechter Junge geworden, und wenn er durchaus Eleseus heißen sollte, so wollte sich Isak auch nicht länger dagegen sträuben. Als das Kleidchen fertig war, hatte es eine zwei Ellen lange Schleppe, und jede Elle kostete ihr Geld, aber das half nichts, das Kind war nun einmal der Erstgeborene. – Wenn dein Perlenhalsband einmal getragen werden soll, so ist es wohl diesmal an der Zeit, sagte Isak. – O, Inger hatte auch schon an die Perlen gedacht, sie war nicht umsonst Mutter, sondern durchaus einfältig und stolz. Die Perlen reichten dem Jungen nicht um den Hals, aber sie würden vorne auf der Mütze hübsch aussehen, und da brachte sie sie an.

Aber Oline kam nicht.

Wäre es nicht wegen der Tiere gewesen, dann hätten alle Bewohner das Haus verlassen und mit dem getauften Kinde nach drei bis vier Tagen zurückkommen können. Und wäre es nicht wegen der Trauung gewesen, so hätte Inger allein reisen können. – Ob wir nicht die Trauung so lange verschieben könnten? sagte Isak. – Aber Inger antwortete: Es wird zehn bis zwölf Jahre dauern, bis Eleseus daheimbleiben und melken kann.

Nun, da mußte Isak seinen Verstand gebrauchen. Eigentlich war das Ganze nicht am Anfang begonnen worden und die Trauung war vielleicht ebenso notwendig wie die Taufe, was wußte er. Jetzt sah es nach Trockenheit aus, nach richtiger böser Trockenheit, wenn nicht bald Regen kam, verbrannte der Ertrag der Felder, aber alles stand in Gottes Hand. Isak machte sich fertig, ins Dorf hinunter zu eilen und sich nach einem Menschen zur Aushilfe umzusehen. Da mußte er wieder viele Meilen laufen.

All diese Beschwer einer Trauung und einer Taufe wegen! Die Leute im Ödland haben wirklich viele kleine und große Sorgen!

Dann kam Oline ...

Jetzt waren sie verheiratet und getauft, alles war in Ordnung, sie waren sogar darauf bedacht gewesen, sich zuerst trauen zu lassen, damit das Kind ehelich wurde. Aber die Trockenheit hielt an, und nun verbrannten die kleinen Kornäcker, verbrannten diese Plüschteppiche, und warum nur? Alles stand in Gottes Hand. Isak mähte seine Wiesenstücke, aber es stand kein hohes Gras darauf, obgleich der Boden im Frühjahr gedüngt worden war. Er mähte und mähte auch auf weitentfernten Halden und wurde nicht müde, zu mähen, zu trocknen und Futter heimzuführen, denn er hatte ja jetzt ein Pferd und einen großen Viehstand. Aber mitten im Juli mußte er auch das Korn zu Grünfutter mähen, zu anderem war es nicht zu gebrauchen. So, und nun kam es nur noch auf die Kartoffeln an.

Wie stand es mit der Kartoffel? War sie nur eine Kaffeeart aus fremdem Lande, die entbehrt werden konnte? O die Kartoffel ist eine unvergleichliche Frucht, sie steht draußen in Trockenheit, steht in Nässe, wächst aber doch. Sie trotzt dem Wetter und hält viel aus, bekommt sie nur eine einigermaßen gute Behandlung von den Menschen, so lohnt sie es fünfzehnfach. Seht, die Kartoffel hat nicht das Blut der Traube, aber sie hat das Fleisch der Kastanie, man kann sie braten und kochen und zu allem benutzen. Ein Mensch kann Mangel an Brot haben, hat er Kartoffeln, dann ist er nicht ohne Nahrung. Die Kartoffeln können in warmer Asche gebraten werden und ein Abendessen sein, sie können in Wasser gekocht werden und zum Frühstück dienen. Was brauchen sie an Zuspeise? Wenig. Die Kartoffeln sind genügsam, eine Schale Milch, ein Hering ist genug für sie. Der Reichtum ißt Butter dazu, die Armut taucht sie in ein bißchen Salz auf einem Teller. Isak verzehrte sie als Sonntagsspeise mit ein wenig Sahne von Goldhorns Milch. Die mißachtete, gesegnete Kartoffel!

Aber jetzt spukte es auch für die Kartoffel.

Unzählige Male am Tag sah Isak nach dem Himmel. Der Himmel war blau. Manchen Abend sah es nach einem Regenschauer aus. Dann ging Isak hinein und sagte: Möchte wissen, ob es nicht doch Regen gibt! Aber nach ein paar Stunden war alle Hoffnung wieder verschwunden.

Jetzt hatte die Trockenheit schon sieben Wochen gedauert, und die Hitze war sehr groß. Die Kartoffel stand in all dieser Zeit in voller Blüte, sie blühte unnatürlich und wunderbar prächtig. Die Äcker sahen von ferne aus wie Schneefelder. Wie sollte das schließlich werden? Der Kalender gab keinen Wink, der derzeitige Kalender war nicht mehr wie früher, der taugte gar nichts. Jetzt sah es wieder nach Regen aus, und Isak ging zu Inger hinein und sagte: Mit Gottes Hilfe wird nun heute nacht doch Regen kommen! – Sieht es nach Regen aus? – Ja, und das Pferd schüttelt sich im Geschirr.

Inger schaute zur Tür hinaus und sagte: Ja, jetzt wirst du sehen! – Ein paar Tropfen fielen. Die Stunden vergingen, die Leute legten sich zur Ruhe, und als Isak in der Nacht einmal hinausging, um nachzusehen, war der Himmel blau.

Ach du lieber Gott im Himmel! sagte Inger. Nun, dann wird morgen auch dein letztes Laub trocken, sagte sie und tröstete so gut sie konnte.

Jawohl, Isak hatte auch Laub gesammelt und besaß nun eine Menge vom besten Laub. Das war wertvolles Futter, er behandelte es wie Heu und bedeckte es mit Birkenrinde im Walde. Jetzt war nur noch ein kleiner Rest draußen, deshalb antwortete er Inger tief verzweifelt und gleichgültig: Ich nehme es nicht herein, und wenn es auch ganz austrocknet. – Du weißt nicht, was du redest, versetzte Inger.

Am nächsten Tag holte er es also nicht herein – da er es nun einmal gesagt hatte, holte er das Laub nicht herein. Es konnte draußen bleiben, es kam ja doch kein Regen, mochte es in Gottes Namen draußen sein! Er konnte es vor Weihnachten einmal hereinnehmen, wenn es bis dahin die Sonne nicht ganz und gar versengt hatte.

Ganz tief und vollständig gekränkt fühlte er sich, es war ihm keine Freude mehr, unter der Haustür zu sitzen und über seinen Grund und Boden hinzusehen und alles zu besitzen. Da standen nun die Kartoffeläcker, blühten wie verrückt und vertrockneten, dann mochte auch das Laub bleiben, wo es war, bitte! O, aber Isak – vielleicht hatte er mitten in seiner dicken Treuherzigkeit doch einen kleinen schlauen Hintergedanken, vielleicht tat er es aus Berechnung und wollte versuchen, jetzt beim Mondwechsel den blauen Himmel herauszufordern.

Am Abend sah es wiederum nach Regen aus. Du hättest das Laub hereinholen sollen, sagte Inger. – Warum denn? fragte Isak und tat äußerst unzugänglich. – Ja, ja, du spottest, aber es könnte jetzt doch Regen kommen. – Du siehst doch wohl, daß in diesem Jahr kein Regen kommt.

Aber in der Nacht war es doch, als würden die Glasscheiben ganz dunkel, und es war auch, als jage etwas dagegen und mache sie naß, was es nun auch sein mochte.

Inger erwachte und sagte: Es regnet! Sieh die Fenster an!– Isak schnaubte nur verächtlich und erwiderte Regen? Das ist kein Regen. Ich verstehe nicht, was du sagst. – Ach, du sollst nicht spotten, sagte Inger.

Isak spottete, ja. Und er betrog sich nur selbst. Gewiß regnete es, und zwar einen tüchtigen Schauer; aber als Isaks Laub ordentlich durchnäßt war, hörte es auf zu regnen. Der Himmel war wieder blau. Ich hab es ja vorher gesagt, daß kein Regen kommt, sagte Isak eigensinnig und recht sündhaft.

Für die Kartoffeln nützte dieser Regenschauer nichts, die Tage kamen und gingen. Der Himmel war blau. Da machte sich Isak an die Herstellung seines Holzschlittens. Er gab sich alle Mühe damit. Er beugte sein Herz und hobelte demütig Kufen und Stangen. Ach ja, Herrgott im Himmel! Seht, die Tage kamen und gingen ja, das Kind wuchs heran, Inger machte Butter und Käse, es war eigentlich nicht so schlimm, ein Mißjahr überlebten tüchtige Leute draußen im Ödland wohl. Und außerdem – als neun Wochen vergangen waren, kam auch richtiger, segensreicher Regen; einen ganzen Tag und eine ganze Nacht hindurch regnete es, sechzehn Stunden lang goß es in Strömen, die Himmel hatten sich geöffnet. Wenn es nun vierzehn Tage früher gewesen wäre, dann hätte Isak gesagt: Es ist zu spät. Jetzt aber sagte er zu Inger: Du wirst sehen, es hilft den Kartoffeln doch noch ein wenig auf. – O ja, antwortete Inger tröstend, es hilft ihnen noch ganz und gar.

Und dann sah es allmählich besser aus; jeden Tag fiel ein Regenschauer, das Gras wurde wieder grün wie durch Zauber, die Kartoffeln blühten, jawohl, und zwar mehr als zuerst, und an den Stengeln wuchsen große Beeren, und das war eigentlich ganz richtig, aber niemand wußte, was unten an den Wurzeln war; Isak wagte nicht, nachzusehen. Dann kam eines Tages Inger daher, und sie hatte unter einem Stock zwanzig kleine Kartoffeln gefunden. Und jetzt haben sie noch fünf Wochen zum Wachsen! sagte Inger. – Diese Inger, sie mußte immerfort trösten und gut zureden mit ihrer Hasenscharte! Und eine jämmerliche Stimme hatte sie, sie zischte, es war, wie wenn ein Ventil etwas Dampf herausläßt; aber ihr Trösten war eine Wohltat draußen im Ödland. Und eine lebensfrohe Natur hatte sie auch. – Wenn du noch eine Bettstatt zimmern könntest, sagte sie zu Isak. – So, sagte er. – Ja, ja, es eilt nicht gerade, sagte sie.

Sie machten sich an die Kartoffelernte und wurden nach altem Herkommen bis Michaelis damit fertig. Es wurde ein mittelmäßiges Jahr, ein gutes Jahr; es zeigte sich wieder, daß die Kartoffeln nicht so sehr vom Wetter abhängig sind, sondern viel aushalten und doch heranwachsen. Natürlich war es, wenn sie genau nachrechneten, nicht gerade ein so recht mittelmäßiges und gutes Jahr, aber in diesem Jahr konnten sie nicht so genau nachrechnen. Eines Tages war ein Lappe vorübergekommen und hatte sich über all die Kartoffeln auf der Ansiedelung sehr verwundert; in den Dörfern sei es viel schlimmer, sagte er.

Dann hatte Isak wieder einige Wochen vor sich, während der er Land roden konnte, ehe die Kälte einsetzte und der Boden gefror. Jetzt weidete das Vieh auf den Feldern und wo es wollte. Es machte Isak Freude, mit den Tieren zusammen zu arbeiten und ihre Glocken zu hören. Es hielt ihn zwar auch von der Arbeit ab, denn der Stier stieß gar zu gerne mit seinen Hörnern in die Laubhaufen hinein, oder die Geißen waren droben und drunten und überall, sogar auf dem Dach der Hütte.

Kleine und große Sorgen!

Eines Tages hörte Isak einen lauten Schrei. Inger steht vor dem Hause mit dem Kind auf dem Arm und deutet auf den Stier und die kleine Kuh Silberhorn; die sind Liebesleute. Isak wirft die Haue weg und rennt hinunter, aber es ist zu spät, das Unglück ist geschehen. Sieh die Hexe, die ist zeitig dran, erst ein Jahr alt, ein halbes Jahr zu früh, die Hexe, das Kind! Isak bringt sie in den Stall hinein, aber es ist wohl zu spät. Ja, ja, sagt Inger, es ist nun gewissermaßen gut, sonst wären beide Kühe im Herbst trächtig geworden. – Ach, diese Inger, nein, sie hatte keinen guten Kopf, aber sie hatte vielleicht gewußt, was sie tat, als sie am Morgen Silberhorn und den Stier zusammen herausließ.

Es wurde Winter, Inger kartätschte und spann, Isak fuhr Klafterholz zu Tal, ungeheuere Ladungen von trockenem Holz auf guter Schlittenbahn; alle Schulden wurden getilgt, Pferd und Wagen, Pflug und Egge gehörten nun ihm. Er fuhr mit Ingers Ziegenkäse zu Tal und brachte Webgarn, Webstuhl, Haspel und Scherbaum dafür nach Hause, und wieder brachte er Mehl und Eßwaren, und wieder Bretter, Dielen und Nägel; eines Tages kam er sogar mit einer Lampe an. So wahr ich hier dastehe, rief Inger, du bist verrückt! Aber sie hatte schon lange erraten, daß die Lampe kommen würde. Am Abend zündeten sie sie an und waren wie im Paradies, der kleine Eleseus glaubte gewiß, es sei die Sonne. Siehst du, wie verwundert er ist! sagte Isak. Von da an konnte Inger bei Lampenlicht spinnen.

Isak brachte Leinwand zu Hemden und neue Schuhe für Inger. Sie hatte ihn um verschiedene Farben zum Färben der Wolle gebeten, und er brachte auch diese. Aber eines Tages kam er wahrhaftig mit einer Uhr an! Mit was? Mit einer Uhr! Da war Inger wie aus den Wolken gefallen, und sie konnte eine Weile kein Wort herausbringen.

Isak hing die Uhr mit vorsichtigen Händen an die Wand und stellte sie nach seiner Schätzung; er zog die Gewichte auf und ließ die Uhr schlagen. Das Kind drehte die Augen nach dem tiefen Klang und sah dann die Mutter an. Ja, du kannst dich wohl verwundern! sagte sie und nahm den Jungen auf den Schoß und war selbst gerührt. Denn von allem Guten hier in der Einsamkeit konnte sich nichts mit der Wanduhr vergleichen, die den ganzen dunklen Winter hindurch ging und die Stunden richtig schlug.

Dann war alles Holz fortgeschafft, Isak ging wieder in den Wald und fällte wieder Bäume; er machte seine Straßen und seine Stadt aus Klafterholzstapeln für den nächsten Winter. Er mußte jetzt immer weiter von seinem Haus weggehen, eine große, weite Halde lag da schon zum Bebauen bereit, und er wollte jetzt nicht noch mehr Boden ganz abholzen, sondern von jetzt an nur die ältesten Bäume mit vertrockneten Wipfeln fällen.

Natürlich hatte er auch schon längst verstanden, warum Inger von einem zweiten Bett gesprochen hatte, jetzt durfte er es wohl nicht länger hinausschieben, sondern mußte sich beeilen. Als er an einem dunklen Abend aus dem Walde heimkehrte, da war es geschehen: die Familie hatte sich vermehrt, wieder um einen Jungen. Inger lag zu Bett. Diese Inger! Am Morgen hatte sie ihn ins Dorf hinunterschicken wollen. Du solltest das Pferd ein wenig bewegen, hatte sie gesagt. Denn es steht nur in seinem Stand und scharrt. – Ich habe keine Zeit zu solchem Unsinn, sagte Isak und ging fort. Jetzt merkte er, daß sie ihn nur aus dem Wege hatte haben wollen, aber warum? Es wäre doch vielleicht gut gewesen, wenn sie ihn in der Nähe gehabt hätte. – Wie kommt es nur, daß du einem nie ein Zeichen geben kannst? sagte er. – Nun mußt du dir eine eigene Bettstatt richten und in der Kammer schlafen, erwiderte sie.

Aber mit der Bettlade war es nicht getan, es gehörten auch Bettstücke hinein. Sie hatten keine zwei Felldecken und konnten sich auch vor dem nächsten Herbst, wo sie einige Hämmel schlachten würden, keine zweite Felldecke verschaffen; aber selbst von zwei Hämmeln bekam man noch keine Decke. In der nächsten Zeit hatte es Isak nicht gut, er fror jämmerlich bei Nacht. Er versuchte, sich in das Heu unter dem Felsenhang einzugraben, versuchte, bei den Kühen zu schlafen, obdachlos war er. Zum Glück war es schon Mai, dann kam der Juni, der Juli ...

Merkwürdig, wie viel hier in nur drei Jahren zustande gebracht worden war: eine Behausung für Menschen, ein Stall und urbar gemachtes Land. Was baute Isak jetzt? Einen neuen Schuppen, eine Scheune, einen Anbau ans Wohnhaus? Es dröhnte durchs Haus, wenn er die acht Zoll langen Nägel hineinschlug, und Inger kam ab und zu heraus und bat um Gnade für die Kleinen. Jawohl die Kleinen! Unterhalte sie einstweilen! Sing ihnen was vor, gib dem Eleseus den Eimerdeckel, dann kann er damit lärmen! Die großen Nägel werden bald hineingeschlagen sein, sie müssen eben gerade hier sitzen, in den Streckbalken, mit denen der Anbau am Haus festgemacht wird. Nachher hab ich nur noch Bretter und zweieinhalb Zoll lange Nägel, das ist das reine Kinderspiel.

Hätte er es vermeiden können, zu hämmern? Bisher wurden die Heringstonne, das Mehl und andere Eßwaren im Stall aufbewahrt, damit sie nicht unter freiem Himmel stehen mußten; aber der Speck bekam einen Stallgeschmack, eine Vorratskammer war die reinste Notwendigkeit. Die kleinen Jungen mußten sich auch an so ein paar Hammerschläge an die Wand gewöhnen; Eleseus war allerdings etwas zart und schwächlich geworden, aber der andere saugte wie ein Posaunenengel, und wenn er nicht schrie, dann schlief er. Ein prächtiger Junge! Isak wollte sich dem nicht widersetzen, daß er Sivert heißen sollte, es war vielleicht am besten so, obgleich er abermals an den Namen Jakob gedacht hatte. In manchen Fällen hatte Inger recht, Eleseus war nach ihrem Pfarrer getauft, und es war ein vornehmer Name, aber Sivert hieß Ingers Oheim, der Bezirkskassierer, der ein Junggeselle und ein vermöglicher Mann ohne Erben war. Was hätte dem Kinde Besseres widerfahren können, als Sivert zu heißen!

Dann kam wieder die Frühjahrsarbeit, und alles wurde vor Pfingsten in die Erde gelegt. Damals als Inger nur Eleseus ihr eigen nannte, hatte sie nie Zeit gehabt, ihrem Manne zu helfen, so sehr hatte sie der Erstgeborene in Anspruch genommen. Jetzt, da sie zwei Kinder hatte, jätete sie das Unkraut aus und verrichtete noch vieles andere; sie half viele Stunden lang beim Kartoffellegen, säte auch Karotten und Rüben. Eine solche Frau fand sich nicht so leicht wieder. Und hatte sie nicht auch Tuch auf dem Webstuhl? Jeden Augenblick nützte sie aus, um in die Kammer zu laufen und ein paar Spulen abzuweben; es war halbwollenes Tuch zu Wäsche für den Winter. Nachdem das Garn gefärbt war, webte sie blau und roten Kleiderstoff für sich und die Kinder; dann legte sie noch mehr Farben ein und machte Bettbezüge für Isak. Lauter notwendige, nützliche und höchst dauerhafte Sachen.

Seht, nun war die Familie im Ödland schon recht heraufgekommen, und wenn dieses Jahr gut einschlug, waren die Ansiedler geradezu zu beneiden. Was fehlte ihnen noch? Ein Heuschuppen natürlich, eine Scheune mit einer Tenne in der Mitte, das war ein Zukunftsziel, und es würde erreicht werden wie die andern Ziele auch. Mit der Zeit, ja! Jetzt hatte die kleine Silberhorn ein Kalb und die Ziegen hatten Zicklein und die Schafe hatten Lämmer, es wimmelte von kleinen Tieren auf der Weide. Und die Menschen? Eleseus konnte schon auf seinen eigenen Beinen gehen, wohin er wollte, und der kleine Sivert war getauft. Und Inger? Sie war gewiß schon wieder guter Hoffnung, sie sah so rundlich aus. Was war auch ein Kind für sie? Nichts – das heißt große Dinge, nette kleine Leute, sie war stolz auf ihre Kinder und gab zu verstehen, daß Gott nicht allen Leuten solche große, hübsche Kinder anvertraue. Inger war ganz davon in Anspruch genommen jung zu sein. Sie hatte ein verunstaltetes Gesicht und hatte ihre ganze Jugend als eine Ausgestoßene verbracht, die Burschen hatten sie nicht angesehen, obgleich sie tanzen und arbeiten konnte, sie hatten ihre gute Weiblichkeit verschmäht, sie hatten sich weggewendet – jetzt war ihre Zeit, sie entfaltete sich, sie stand ununterbrochen in voller Blüte und war guter Hoffnung. Isak selbst, der Hausvater, war und blieb ein ernster Mann, aber er hatte guten Erfolg gehabt und war zufrieden. Wie und womit er sich das Leben erträglich gemacht hatte, ehe Inger kam, war sehr dunkel; mit Kartoffeln und Ziegenmilch, ja mit gewagten Gerichten ohne Namen; jetzt hatte er alles, was ein Mann in seinen Verhältnissen nur verlangen konnte.

Wieder kam große Trockenheit, wieder ein Mißjahr. Der Lappe Os-Anders, der mit seinem Hund vorüber kam, konnte berichten, daß die Leute im Dorfe schon alles Getreide zu Viehfutter abgemäht hätten. – So, sie hatten also keine Hoffnung mehr? fragte Inger. – Nein, aber dafür haben sie einen guten Heringsfang gemacht. Dein Oheim Sivert bekommt seinen Anteil als Strandbesitzer. Und er hat doch vorher schon ein bißchen etwas in Küche und Keller gehabt. Gerade wie du, Inger. – Ja, Gott sei Dank, ich habe nichts zu klagen. Was sagen sie denn daheim von mir? – Os-Anders wiegt den Kopf hin und her und sagt schmeichlerisch, er habe keine Worte dafür! – Wenn du eine Schale süße Milch möchtest, so brauchst du es nur zu sagen, versetzt Inger. – Du sollst dich nicht in Unkosten stürzen. Aber hast du ein wenig für den Hund?

Die Milch kam, das Futter für den Hund auch. Der Lappe hörte Musik aus der Stube heraus und lauschte: Was ist das? – Das ist unsere Wanduhr, die schlägt, sagt Inger, sie ist am Platzen vor lauter Stolz.

Wieder wiegte der Lappe den Kopf hin und her und sagte: Ihr habt Haus und Pferd und Wohlbehagen, kannst du mir sagen, was ihr nicht habt? – Nein, wir können Gott nicht genug danken. – Oline hat mir einen Gruß an dich aufgetragen. – So. Wie geht es ihr? – Es geht. Wo ist dein Mann? – Er ist auf dem Feld draußen. – Es heißt, er habe nicht gekauft! wirft der Lappe hin.– Gekauft? Wer sagt das? – Es heißt so. – Von wem sollte er denn kaufen? Es ist Allmende. – Ja, ja. – Und viele Schweißtropfen hat er in diesen Grund und Boden hineinfallen lassen. – Es heißt, euer Boden gehöre dem Staat.

Inger verstand davon nichts und sagte: Ja, das kann schon sein. Hat etwa sie, die Oline, das gesagt? – Ich erinnere mich nicht, wer es war, antwortete der Lappe, und er ließ seine unsteten Augen in allen Richtungen umherschweifen. Inger wunderte sich darüber, daß er nicht um etwas bettelte, das tat Os-Anders sonst immer, alle Lappen betteln. Os-Anders aber sitzt ruhig da, stopft seine kurze Kreidepfeife und zündet sie an. Das ist eine Pfeife! Er raucht und pafft so, daß sein ganzes runzliges Gesicht aussieht wie ein Rindenstück. – Ja, ich brauche nicht zu fragen, ob das deine Kinder sind, sagte er noch schmeichlerischer. Denn sie sind dir so ähnlich. Genau so nett wie du selbst, als du klein warst.

Inger, die eine Mißgeburt und ein Auswurf gewesen war – natürlich war es verkehrt, aber ihr Herz schwoll doch vor Stolz. Selbst ein Lappe kann ein Mutterherz froh machen. Wenn dein Sack nicht schon so voll wäre, so würde ich dir ein bißchen was hineintun, sagte sie. – Nein, du sollst dich nicht in Unkosten stürzen!

Inger geht mit dem Kind auf dem Arm hinein, während Eleseus bei dem Lappen draußen bleibt. Die beiden kommen gut miteinander aus. Der Junge darf etwas Merkwürdiges aus des Lappen Sack sehen, etwas Haariges, er darf es streicheln. Der Hund winselt und bellt. Als Inger mit etwas Mundvorrat herauskommt, stößt sie einen kleinen Seufzer aus und sinkt auf die Türschwelle. Was hast du da? fragt sie. – Ach nichts, es ist ein Hase. – Das hab ich gesehen. – Dein Kleiner wollte ihn sehen. Mein Hund hat ihn heute gejagt und umgebracht. – Da ist dein Essen, sagt Inger.


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