Hanns von Gumppenberg
Philosophie und Okkultismus
Hanns von Gumppenberg

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Mit einer Reihe der vorbezeichneten Erscheinungen – namentlich mit den mediumistischen – beschäftigt sich nun neben dem Okkultismus auch der sogenannte Spiritismus, und mit ihrer Gesamtheit auch die Theosophie: beide aber auf eine wesentlich andere Weise, unter anderen Voraussetzungen und zu anderen Zwecken. Der Spiritismus will sich von der persönlichen Unsterblichkeit des Menschen überzeugen und, wenn das gelang, den Verkehr mit den Verstorbenen bewerkstelligen und pflegen; sobald er (durch in der Regel unzureichende Mittel) Betrug und Selbsttäuschung ausgeschlossen glaubt, nimmt er die fremden »Intelligenzen« oder »Operatoren« ohne weiteres für die (nur mehr mit einem feinmateriellen, doch ihrem »abgelegten« Menschenkörper formal gleichenden »Astralleib« verbundenen) Persönlichkeiten verstorbener Menschen, ja (ohne dafür zureichende Beweise zu haben) für die »Geister« derselben Menschen, die sie nach ihrer klopfenden oder schreibenden Angabe gewesen sein wollen; er verehrt sie als die »Schutzgeister«, »Genien« oder »geistigen Führer«, als welche sie sich bezeichnen, und schenkt demgemäß ihren Mitteilungen, Mahnungen und Warnungen blindes Vertrauen, ja seine Anhänger lassen sich oft in allen praktischen Lebensfragen entscheidend durch sie beeinflussen. Er ist somit nichts anderes als eine Glaubenssekte, die durch ihre »Sitzungen« bestenfalls den Zweck religiöser und sittlicher Bestärkung, Erbauung und Läuterung erreicht oder doch zu erreichen sucht, meist aber einen bloßen Kult der wollüstigen Gespensterschauer, der spielerischen Neugier und Eitelkeit treibt. Eine seltenere Abart des Spiritismus ist der Dämonismus; durch die auffallende Neigung der meisten sich manifestierenden »Operatoren« zum Betrug oder Unfug an deren himmlischer Hoheit und ehedem menschlichem Charakter irre gemacht, hat diese Sondersekte die Urheber der medialen Mitteilungen und Materialisationen für die »Dämonen zwischen Himmel und Erde« des alten Kirchenglaubens genommen, deren halb entrüstet, halb neugierig beobachtete Äußerungen ihr aber immerhin eine Jenseitsbestätigung liefern sollen. Wieder anders stellen sich die Anhänger der Theosophie zu der Sache. Wie die Spiritisten und Dämonisten weit davon entfernt, das Geheimnis der fremden »Intelligenzen« mit den Mitteln wissenschaftlichen Denkens und Experimentierens ergründen zu wollen, glauben sie, dieser Erkenntnis – ganz wie auch jeder andern, die der Mensch sich wünschen mag – nur auf dem Weg einer nicht verstandesmäßigen inneren Erleuchtung, einer ekstatischen Intuition teilhaft zu werden, von welcher Intuition sie behaupten, daß sie sich nach entsprechender asketischer Vorbereitung und ethischer Läuterung von selbst einstelle. Wie den Spiritisten gelten auch ihren erleuchteten »Meistern« die Urheber der mediumistischen Phänomene als »Geister« abgeschiedener Menschen mit feinerer Körperlichkeit, aber im Gegensatze zu jenen als der noch erdgebundene Auswurf und Abschaum der jenseitigen Geisterwelt, als sittlich und intellektuell tiefstehende Angehörige des traumhaften »Zwischenreichs«, in das die Verstorbenen unmittelbar nach dem Tode eingehen. Diese »schlechte Gesellschaft« drängt sich nach der Behauptung der »Meister« gierig an die Lebenden heran und sucht mittels der Medien wieder körperlichen und seelischen Anteil an dem grobmateriellen Dasein zu gewinnen: ungefähr wie die homerischen Schatten der Unterwelt durch den Genuß warmen Tierbluts sich auf eine Weile wiederbeleben und mit den Menschen sprechen können. Der egoistischen Minderwertigkeit dieser Abgeschiedenen entspricht dann nach theosophischer Anschauung auch ihre tatsächliche Stellungnahme zu den Menschen, die ihnen Gelegenheit zur Wiederbetätigung in der grobmateriellen Sphäre geben; sie suchen die Leichtgläubigen unter listiger Ausnützung ihrer Schwächen zu beherrschen, rühmen sich verlogen umfassender Kenntnis der Geisterwelt und anderer hoher Eigenschaften, üben Verleumdung und Bosheit und suchen ihre diesseitigen Klienten zu den Torheiten und Lastern zu verleiten, die ihnen selbst noch anhaften. Die Theosophie verurteilt daher ganz wie die Kirche die mediumistische Praxis als eine ethisch verderbliche Verirrung, die der wahren menschlichen Erkenntnis mehr Abbruch tue als sie fördere, und die in ethischem Betracht von unheilvollster Wirkung sei, indem sie nicht nur die Lebenden, die sich damit beschäftigen, sondern auch jene minderwertigen Abgeschiedenen von der geistigen und sittlichen Höherentwicklung zurückhalte. Es sei hier gar nicht erörtert, inwieweit diese Behauptungen der theosophischen »Meister« den Tatsachen entsprechen, sondern lediglich betont, daß sie ebensowenig wissenschaftlichen Charakter tragen und ebensosehr auf den Glauben, auf bloßes Fürwahrhalten angewiesen sind wie jene der Spiritisten und Dämonisten. Auch wer selbst als »Erleuchteter« zu derartigem instruktivem »Schauen« gelangt ist, wird, wenn ihm noch ein Rest von Kritik blieb, dem Zweifel Raum geben müssen, ob ihm nicht bloß seine Phantasie einen Possen spielte.

Sobald eine Anzahl wissenschaftlich Gebildeter sich in vorsichtigster Prüfung überzeugt hatte, daß neben Fällen bewußten Betrugs von Pseudo-Medien, unbewußten Betrugs von wirklichen Medien, Selbsttäuschung, Übertreibung und Unwahrhaftigkeit von Sitzungsteilnehmern auch die Echtheit sehr vieler Phänomene der behaupteten Art außer Frage steht, kam nun aber auch eine strengwissenschaftliche Erforschung des Mediumismus auf, die dann zugleich auch auf die übrigen mit den Prinzipien der Naturwissenschaft schwer oder gar nicht verträglichen okkulten Erscheinungen sich erstreckte. Diese wissenschaftlichen Erforscher des Gebiets nannten sich Okkultisten, in scharfer Abgrenzung zunächst gegen die Glaubenssekten der Spiritisten und Dämonisten wie auch gegen die subjektiv behaupteten, aber objektiv unkontrollierbaren Intuitionen der Theosophie. Sie traten an den Gegenstand ohne bewußte dogmatische Voraussetzungen heran, auch, ohne das materialistische Dogma der Naturwissenschaft, mußten sie doch angesichts der bestehenden Widersprüche auf die Notwendigkeit einer Revision auch dieser Grundannahme gefaßt sein. Im übrigen aber hielten sie, aus den bereits erwähnten Gründen, und weil die Philosophie infolge der eingangs besprochenen Mißstände ihnen keinen wissenschaftlichen Halt oder Rat bot, an der Methode des naturwissenschaftlichen Experiments fest, ohne sich darüber klar zu werden, daß sie mit den Methoden der Naturwissenschaft auch deren dogmatische Voraussetzung mitübernahmen. Sie gewannen auf diesem Wege exakte naturwissenschaftliche Beweise für die Existenz betrugsfreier Phänomene der bezeichneten Art und allerlei neue Einsichten in die äußeren, grobmateriellen Bedingungen ihres Auftretens wie auch neue Beobachtungen über ihre sinnenfälligen Eigentümlichkeiten; allein in der Beantwortung der entscheidenden Hauptfragen, vor allem auch der Frage nach den denkenden und wollenden Urhebern der Erscheinungen kamen sie dabei keinen Schritt vorwärts und konnten es naturgemäß nicht, weil eben das materialistische, reinobjektive Experiment immer nur materielle, reinobjektive Erkenntnisse liefern konnte, aber keine Aufschlüsse über die subjektive Seite der Phänomene oder gar über ihr metaphysisches Wesen: und manches, wie beispielsweise das zeitliche Fernsehen, blieb in jedem Betracht rätselhaft.

Schon bei einfacher logischer Überlegung wird die Unmöglichkeit klar, nach erfahrungswissenschaftlicher Methode den Urheber einer mediumistischen Erscheinung bestimmen zu können (in jener Mehrheit der Fälle, wo bewußter und unbewußter Betrug, Suggestion und Sinnestäuschungen ausgeschlossen sind). Es sei einmal der denkbar idealste Fall angenommen. In einer »Materialisationssitzung« trete eine Erscheinung auf, die bis in die kleinsten, leicht übersehbaren und nur den Familienangehörigen bekannten Merkmale dem menschlichen Äußern eines Verstorbenen gleicht, dessen Witwe, Mutter, Brüder und Kinder der Sitzung beiwohnen und jene Übereinstimmung mit ehrlichem, klarem und besonnenem Urteil konstatieren. Eine Anzahl von Lichtbildern des Verstorbenen aus seiner letzten Lebenszeit, die zum Vergleiche bereit liegen, bestätige durchaus dieses Urteil. Die Erscheinung werde auf einer bereitstehenden Wage gewogen, auch überzeuge sie durch begrüßenden Händedruck alle Anwesenden, durch Umarmung und Kuß jedes Familienmitglied von ihrer Körperhaftigkeit, und auch die Art ihres Betragens gegenüber jedem einzelnen entspreche durchaus den charakteristischen Eigentümlichkeiten und Gewohnheiten des Verstorbenen. Die Erscheinung ergreife auch das Wort und spreche zu den Hinterbliebenen mit einer Stimme, die genau der des Betrauerten gleicht, und in einer Ausdrucksweise, die sich gleichfalls völlig mit der seinen deckt: und zwar bespreche sie mit jedem Familienglied und mehreren anwesenden Freunden Einzelheiten, von denen nachweisbar kein Dritter wußte und weiß. Auch die materielle Objektivität ihrer Reden und ihrer körperlichen Bewegungen werde durch aufgestellte Apparate nachgewiesen. Jede Art Täuschung durch Lebende sei durch entsprechende Kontrollapparate (mit elektrischen Klingeln verbundene Drähte und dergleichen) wie auch dadurch ausgeschlossen, daß das Medium und sämtliche anderen Sitzungsteilnehmer unmittelbar vor dem Betreten des Sitzungsraumes durch einwandfreie und sachverständige Vertrauensleute peinlichst visitiert wurden (einschließlich der Mundhöhle, der Achselhöhle, der Haare usw.), daß der gleichfalls von zuverlässigen Unparteiischen unmittelbar vorher genau untersuchte und vom Medium zum erstenmal betretene Sitzungsraum keine andere Einrichtung enthält als die nötigen Sitze und Kontrollapparate und keinen anderen Eingang hat als die eine Zutrittstüre, die der letzteingetretene Teilnehmer hinter sich verriegelte, worauf er die Türklinke noch zu allem Überfluß mit einer Kontrollklingel verband; endlich sei jeder Betrugsverdacht auch dadurch zerstreut, daß Blitzlichtaufnahmen auf nachweisbar vorher noch nie belichteten photographischen Platten die Gestalt neben dem Medium und allen übrigen Anwesenden zeigen, und daß die Gestalt sich nach einer Weile vor den Augen der Sitzungsteilnehmer wie auch wieder nach dem objektiven Zeugnis einwandfreier Blitzlichtaufnahmen in leere Luft auflöst.

Vor der Wucht dieses Nachweises würden gewiß auch hartnäckigste Skeptiker kapitulieren und eingestehn, daß sie nunmehr von der persönlichen Fortexistenz des betreffenden Verstorbenen überzeugt seien. Trotzdem wären sie die Opfer von Trugschlüssen. Wohl ist unter den aufgezählten Voraussetzungen bewußter und unbewußter Betrug wie auch Halluzination oder Suggestion völlig ausgeschlossen und das Auftreten einer körperhaften, bewegungsfähigen, sprechenden und in allem durchaus dem Verstorbenen gleichenden Gestalt neben dem Medium und den übrigen Sitzungsteilnehmern einwandfrei dargetan. Ist aber damit auch schon bewiesen, daß diese Gestalt mit dem Verstorbenen identisch ist oder war? Daß der Körper der Gestalt trotz aller Übereinstimmungen, oder vielmehr: gerade wegen dieser Übereinstimmungen nicht identisch sein konnte mit der Körperlichkeit des Betreffenden in seiner letzten Lebenszeit, ist klar und würde wohl selbst von extremsten Auferstehungsgläubigen nicht bestritten; jene andere Körperlichkeit lag ja gleichzeitig nachweisbar im Grabe, und zwar in ganz anderem Zustand als das, was man sah, fühlte und hörte: ja im Fall erfolgter Feuerbestattung bestand sie, gleichzeitig, nur mehr in einem Häuflein Asche. Man hat also offenbar nur eine Nachbildung, eine plastische Kopie jener Körperlichkeit in lebensähnlicher Funktion gesehen. Ist aber somit die körperliche Identität der Erscheinung mit der Person des Verstorbenen ausgeschlossen, so bliebe lediglich deren seelisch-geistiges Ich für einen möglichen Identitätsnachweis übrig, das ja – mindestens für die Familienangehörigen – ebenso überzeugend, wenn auch nur durch die sinnenfällige Vermittlung sich kundgab. Gläubige Spiritisten würden auch gewiß sagen: Offenbar hat der Verstorbene seinen »Astralleib«, der ja eine Art »Kopie« seines ehemaligen Menschenleibes ist, mittels der geheimnisvollen Feinmaterie, die er dem Körper des Mediums entnahm, bis zur Sinnenfälligkeit verdichtet, um sich den Seinen zeigen zu können. Aber ist das wirklich so »offenbar«? Können nicht ebensogut andere individuelle Kräfte des Wollens und Wirkens, deren Wesen und Fähigkeiten wir nicht kennen, die wundersame »Kopie« hergestellt und in lebensähnliche, dem Verstorbenen entsprechende Funktion gesetzt haben? Daß die Gläubigen, auch wenn sie darüber ins klare kamen, daß es sich nur um eine Kopie oder Rekonstruktion des lebendigen Körpers von ehedem handeln konnte, diese ohne weiteres dem Ich des Verstorbenen zuschreiben, folgt nur aus ihrer Gewohnheit, die körperliche Erscheinung eines lebenden Menschen mit dem zugehörigen seelisch-geistigen Ich untrennbar verbunden zu denken: ein Verhältnis, das wohl für die Lebenden zutrifft, nicht aber für die Toten. »Aber die genau übereinstimmenden Eigentümlichkeiten nicht nur des Betragens und der Ausdrucksweise, auch der reinseelischen Persönlichkeit! und obendrein noch das Wissen um die Geheimnisse!« suchen sich die Gläubigen noch einmal verzweifelt zu wehren. Nun: stehen nicht auch da unbegrenzte Möglichkeiten offen, bei der natürlichen Engumschränktheit dessen, was wir »erfahren« können? »Geheimnisse«, die Alleinbesitz zweier Menschen (das heißt: ihres » Oberbewußtseins«) wären, kann es für das Urteil von Nachdenklichen gar nicht im strengsten Sinne geben, denn das Bild jedes einzelnen Geschehens, das einmal in irgendeiner Form erfolgte, handle es sich nun um »äußeres« oder »inneres«, körperliches, seelisches oder geistiges Sichereignen, muß als Wirkung, Eindruck oder Reflex tausendfältig (wenn auch nicht menschlich wahrnehmbar) erhalten bleiben, und es ist sozusagen lediglich eine »technische« Frage, ist lediglich dem Inkrafttreten geeigneter natürlicher oder künstlicher Werkzeuge anheimgestellt, ob, wann und von wem ein solches Bild wieder hervorgerufen oder verwertet werden kann. Ließe sich auf Grund unserer wirklichen, ja unserer überhaupt möglichen Erfahrung behaupten, daß es unmöglich individuelle Kräfte geben kann, die nie in Menschengestalt lebten und wirkten, aber in den Erinnerungen jener Hinterbliebenen oder auch in anderen Eindrücken und Nachwirkungen, welche die Vergangenheit hinterließ, zu lesen vermögen und hiernach die Funktionen der körperlichen Kopie ebenso täuschend gestalten konnten, wie sie diese Kopie selbst nach allen vorhandenen Spiegelungen und Erinnerungsbildern lebenstreu formten? Ja noch mehr: können wir solche Fähigkeiten und Leistungen unserem eigenen menschlichen » Unterbewußtsein« erfahrungswissenschaftlich absprechen, also etwa dem »Unterbewußtsein« des »Mediums«, das sich hellsehend und gedankenlesend aus den erhaltenen Lichtbildern wie auch aus den Erinnerungseindrücken der Anwesenden alle nötigen Kenntnisse nehmen konnte? Die Wunderleistungen des Hellsehens und Gedankenlesens sind ja jedem erfahrenen Okkultisten vertraut! Oder konnte nicht ebensogut – in mittelberer Benützung der Feinmaterie des Mediums, dafür aber in ganz unmittelbarer Verwertung eigener »unterbewußter« Eindrücke und hellsehender bzw. gedankenlesender von Erinnerungsbildern und Eindrücken der übrigen Verwandten und Freunde – das unterbewußte Ich eines Hinterbliebenen der Gestalter und Beweger des plastischen Abbilds und der Enthüller der »Geheimnisse« sein?

Man sieht: überall läßt da das erfahrungswissenschaftliche Verfahren trotz aller exakt logischen Verarbeitung des im Sinne der Erfahrungswissenschaft Gegebenen kläglich im Stiche. Offenbar bedarf unser Urteilen und Schließen zur eindeutigen Erklärung solcher Phänomene anderer – oder wenigstens auch noch anderer – Voraussetzungen als jener der naturwissenschaftlichen Forschung; eine von Grund aus andere, durch allgemeinere und tiefere Einsicht gewonnene Auffassung des Erfahrungsmaterials erscheint dafür nötig, welche nicht verschiedenste gleichwertige Möglichkeiten offen läßt, sondern die Beobachtung von vornherein in bestimmte Richtung lenkt und der Beurteilung brauchbare Mittel der Unterscheidung und Wertung an die Hand gibt. Nur die von Betrug und Selbsttäuschung freie »Echtheit« der mediumistischen Materialisations-Erscheinungen vermag ein bloß im Sinne der Naturwissenschaft betriebener Okkultismus einwandfrei festzustellen, nicht aber ihren jeweiligen persönlichen Urheber und ihre Stellung im Weltgeschehen. Und ganz dasselbe gilt auch für die okkultistische Erforschung der äußerlich schlichteren Phänomene des Mediumismus und jener nicht minder rätselhaften, scheinbar nichtmediumistischen Erscheinungen, deren Ursache man von vornherein in noch unbekannten Fähigkeiten lebender Menschen suchen durfte, also jener Phänomene, die man als »animistische« (das heißt: von der »Seele« Lebender bewirkte) von den »spiritistischen« unterschieden hat: so namentlich des räumlichen und zeitlichen Hellsehens, der Psychometrie, der Telepathie und mancher physikalischen Wunderleistungen einzelner Menschen (meist im Zustand irgendeiner künstlich erzeugten Ekstase), bei welchen sich keine fremde Persönlichkeit (wie bei den mediumistischen Erscheinungen) ausdrücklich kundgibt und Suggestion (eventuell Massen-Suggestion) wie auch gewöhnlicher Betrug einwandfrei ausgeschlossen werden kann. Hier schienen die naturwissenschaftlichen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte, namentlich die neuen Entdeckungen der Physik und Chemie wertvolle Aufschlüsse zu versprechen, so die zauberkräftigen Röntgen-Strahlen und die noch wunderbareren Leistungen des Radiums, die Erfindung der drahtlosen Telegraphie und anderes. Allein auch diese Hoffnungen der Okkultisten wurden enttäuscht. Daß die Überwindung materieller Schranken bei okkulten Phänomenen durch eine der neuentdeckten Kräfte, Vorgänge und Möglichkeiten zustande käme, ließ sich nicht nachweisen, man konnte nur vage Analogieschlüsse ziehen; das Rätsel der psychometrischen Erscheinungen blieb von alledem unberührt, auch für die Erklärung des zeitlichen Fernsehens gewann man nicht den geringsten Anhalt. Übrigens hätte da von trügerischen Hoffnungen schon die Überlegung zurückhalten sollen, daß jene neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sich nur auf anorganische Materie bezogen, nicht aber auf die Stofflichkeit und die Kräfte von Lebewesen, wie sie bei den okkulten Phänomenen in Frage kommen.

In ihrem Ringen um klare und eindeutige Resultate kann die okkultistische Forschung nur von einer Seite wirksamen Beistand erhalten: vom philosophischen Denken in jenem strengeren Sinne, der eingangs unserer Betrachtungen gekennzeichnet wurde. Seine elementaren Feststellungen zeigen die in Frage stehenden Erscheinungen in einem ganz bestimmten Lichte und geben damit die Richtung an, in der eingehende Beobachtungen Aussicht auf Erfolg hätten. Selbst diejenigen Okkultisten, die trotz aller Gegengründe der Handgreiflichkeit mehr Vertrauen schenken als den Denknotwendigkeiten (die sie dann bei ihren Urteilen und Schlußfolgerungen unbewußterweise doch wieder respektieren müssen!) und trotz allen Enttäuschungen vom naturwissenschaftlich geleiteten Experimentieren allein die entscheidenden Aufschlüsse erhoffen, werden die reinlogischen Erkenntnisse wenigstens als Hypothesen gelten lassen, die den praktischen Untersuchungen solange zugrunde gelegt werden dürfen, als das Beobachtete ohne Ausnahme durch sie erklärt werden kann.

Soll nun im Folgenden ein Überblick über das Elementare geboten werden, das sich aus der rein denkenden Untersuchung der gesamten Erfahrungswelt ergibt und sich zu einem bestimmten metaphysischen und metapsychischen Weltbild zusammenschließt, ist vorher zu betonen, daß hier aus Raumgründen natürlich nur eine kurze Skizzierung möglich ist; doch dürfte auch diese schon dem Zweck genügen, die Verwertbarkeit der reinen Denkergebnisse für die Erklärung okkulter Phänomene zu zeigen. Ein in der Geschichte der Philosophie bewanderter Leser wird da im einzelnen viel Bekanntes finden, worauf er durch das früher Gesagte ja schon vorbereitet ist; er wird bald an die Eleaten, bald an Spinoza, bald an Berkeley, bald an Kant, an Fichte, Schelling und viele andere erinnert werden. Zugleich wird er aber auch deutlichst die fundamentalen Irrtümer erkennen, welche die Spekulationen der Denker nach verschiedenen Richtungen und zu sehr verschiedenen Resultaten auseinanderführten. Besonders folgenschwer waren diese Irrtümer, wenn sie die Allsubstanz in einem Begriffsinhalt gefunden glaubten, der logisch nachweisbar nur einen Teil der Erfahrungswelt bedeutet, mochte es sich da nun um die objektive oder um die subjektive Sphäre handeln. So beispielsweise wenn Hobbes ausschließlich das Materielle für existierend nahm und Herbart dem Objektiven die Priorität vor dem Subjektiven zuerkannte, oder wenn anderseits Hegel die Allsubstanz nur im Intellekt, Schopenhauer sie nur im »Willen« erblickte.


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