Andreas Gryphius
Leo Armenius
Andreas Gryphius

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Die dritte Abhandlung.

Der Erste Eingang.

Leo. Papias. Reyen der Spielleute vnd Sänger.

Leo. Er ist versichert? Pap. Ja. Leo. verhüttet? Pap. starck. Leo. wer gibt
Acht auf die wach' Pap. ich selbst. Leo. last keinen den er liebt
Eindringen auf die Burg: Jhn auch heiß feste schliessen;
Mit Ketten vmb den Arm / mit sprengen an den füssen /
Pap. Mein Fürst / es ist verricht. Leo. Wo sind die schlüssel? Pap. hier!
Leo. Entweiche. ruffe du die Sänger vor die Thür.
Wir wündschen vnß allein! O kummerreiches leben!
Wer wird mit Hüttern mehr / wir oder er vmbgeben?
Er beb't vor seiner noth. Wir selbst vor vnserm schwerdt.
Ist dieses Zepter-gold wol solcher sorgen werth.
Wie drückt diß leichte Kleid! O selig wer die Jahre
Den kurtzen Rest der zeit / biß auff die grawen hare
Weit von der Burg verzehrt. der nur die wälder kenn't /
In welchen er ernehrt / den nicht die pracht verblent
Die auf dem purpur spiel't; er mag ja sicher gehen /
Wenn vnd wohin er wil: die vnß zu dienste stehen
Stehn offt nach vnserm Leib. Jhn wirfft die sanffte nacht /
Auf ein geringes Stroh / biß Titan ist erwacht /
Wir irren ohne Ruh. wen wir den Leib ausstrecken /
Verkehrt das küssen sich in allzeit-frische hecken.
So bleibt ein grüner strauch von blitzen vnverletz't
Wenn der erhitz'te grim in hohe Cedern setz't
Vnd äst vnd stam zuschlegt / wenn sich die wind' erheben
Vnd zeichen jhrer kräfft / an langen Eychen geben.
Der Himmel der vnß nichts ohn etwas wehmut schenckt /
Hat mit stets-newer furcht den stoltzen Thron vmbschrenckt.
Mit Eysen wird ein Knecht / mit gold' ein Fürst gebunden.
Der Krigsman fühlt das Schwerdt / vns gibt der argwohn wunden
Die nicht zu heilen sind. Wir schweben auff der See.
Doch wenn die grimme fluth den Kahn bald in höh'
Bald in den abgrund reißt! vnd in den Haven rücket /
Wird an der rawen Klipp' ein grosses Schiff zu stücket.

Violen.

Der Chor. l. Die stille lust der angenehmen Nacht
Der ruhe zeit / die alles schwartz anstreicht.
Krönt nun jhr Haupt mit schimmernd-lichter pracht
Der bleiche Mond / der Sonnenbild entweicht.
2. Die Erd erstarr't. der faule Morpheus lert
Sein feuchtes Horn auff tausend glieder aus
Vnd deckt mit schlaff / was schmertz vnd tag beschwert /
Der träume schar schleicht eyn in Hütt vnd Hauß.
3. Die kleine welt / das grosse Bizantz liegt
In stoltzer Ruh. in dem sein Keyser wacht.
Der grosse Printz / der für vns kriegt vnd siegt
Vnd gantz zubricht der harten Persen macht.
4. Er wacht für vnß! daß Pontus stiller fleußt
Daß Nilus dient / daß Ister dich verehrt /
Vnd daß der Bospher nicht das Land begeußt.
Entsteht / weil jhn nicht einer schnarchen hört.
5. Er wacht für vnß / vnd der wacht über jhn
Der Fürsten stüel' auf steiffen Demand setz't
Der Fürsten täg' heißt auß metallen zihn.
Vnd jhre feind mit schnellem blitz verletz't.
6. Gott helt ob den / die er selbst Götter nenn't /
Ob schon der Riesen freche schaar erhitz't:
Vnd sich vor wahn vnd rasen nicht mehr kenn't /
Vnd Berg auf Berg / vnd felß auff klippen stützt.
7. Ob Atlas gleich schon auff dem Haemus stünd' /
Vnd Athos reicht an das bestern'te schloß.
Ob man die thür auch in den Himmel fünd /
Wenn Rhetus noch so starck vnd noch so groß:
8. So bleibt es doch / so bleibts vmbsonst gewagt
Was sie gewündscht! auf einen schlag verschwind
Das lange werck. wer Gott in streit außtag't /
Wird asch / vnd staub / vnd dunst / vnd rauch / vnd wind.

Violen.

Der Ander Eingang.

Tarasij Geist. das Gespenst Michaelis. Leo. die Trabanten.

Auff Fürst: gestürtzter Fürst! auf! auf! was schlummerst du?
Weil Gottes Rach erwacht. auf! treib die faule Ruh
Von deinem Hertzen auß / dein Zepter wird zubrochen!
Dir hat der schnelle todt ein schneller recht gesprochen.
Der / den du aus dem Thron / vntrewer man verjag't /
Der über deine schuld mit heissen trähnen klagt /
Vnd das gerechte Recht stets-klagend hart erbittert /
Die Kirche / die für dir / vnselig Mensch / erzittert.
Dein eigner übermuth; der der in felßen sitz't
Durch dein befehl verjagt / der in metallen schwitz't
Vnd auß dem mittelpunckt der Erden durch die Himmel
Mit seufftzenreichem Ach! vnd winselndem getümmel
Gott an das Hertze dringt / das nimmer stille blutt
So ewig zetter rufft / das du gleich schlechter flutt /
Der Amphitrit geschätz't vnd ohne schuld vergossen
Die / die dein heisser geitz in Klöster hat verschlossen
Die du gestümmelt hast / vnd der entmann'te mann
Theophilact / vnd wer noch über dich Tyrann.
Auch sonder zunge rufft. gibt der getrotzten Rache
Das Mordschwerd in die faust; Auf Keyser auf / vnd wache!
Wofern du wachen kanst / doch nein! dein end ist dar!
Kein schloß / kein schild / kein schwerd / kein tempel / kein Altar
Schütz't / wenn Gott blitzen will! dein Engel schaw' ich weichen /
Dich sonder Haupt vnd hand; vnd die zustückte Leichen
Vmbschleiffen durch die Statt. dein Stamm muß vntergehn /
Entgliedert vnd verhöhnt. Was willst du länger stehn?
Stoß Michael! stoß zu! Leo. Mord! mord! Verrähter! degen.
Schild! Mord! Trabanten! Mord! helfft mir den feind erlegen!
Jhr Himmel! was ist diß? hat vns der traum erschreck't!
Schaw'n wir diß wachend an! wird durch Gespenst entdeckt
Was diesem Nacken drew't? Wen habt jhr hier gefunden?
Trab. gantz niemand! Leo. Niemand? wie? Trab.den Fürsten hielt gebunden
Ein vnverhoffter schlaff. Wir drungen auf sein wortt
Bewehret ins gemach. Er saß auff diesem ortt
Vnd rieff nach hülff vnd schwerdt. Leo. habt jhr sonst nichts vernommen?
Trab. gantz nichts. Leo. auch niemand sehn durch wach' vnd Thüren kommen.
Trab. Nicht einen. Leo. Hat der schlaff euch blind vnd taub gemacht?
Trab. Wir wündschen vns den todt / dafern wir nicht gewacht!
Leo. Sind schloß vnd Thor mit Volck' vnd nach gebühr versehen?
Hat man den Port besetzt? Trab. Mein Fürst es ist geschehen.
Die scharen sind versterckt / die Maur ist waffen voll.
Leo. Schawt wo Nicander sey / vnd weck't den Exabol.
Wie viel ist von der zeit der Finsternüß verschwunden?
Trab. Die Burgtrompette bläst jtzt auß die sechste stunden.


Der Dritte Eingang.

Leo.

      Was bilden wir vns ein?
Soll vnß ein leerer wahn / ein falscher dunst bewegen?
Sol dises zittern sich auß Phantasie erregen?
      Sol es gantz eitel seyn
      Was diß schröckliche gesichte
      Von dem ernsten Bluttgerichte /
      Von vntergang / fall / todt / vnd wunden
      Vns in die Seelen eingebunden?

      Der kalte schweiß bricht vor.
Der müde Leib erbebt / das Hertz mit angst vmbfangen /
Klopfft schmachtend zwischen furcht vnd sehnlichem verlangen.
      Es klingt nichts in dem Ohr;
      Als der donner-herben rache
      Von Gott außgetagte sache /
      Wir schaw'n den geist noch für vnß stehen
      Wir schawen vnser Reich vergehen.

      Stoß Michael Stoß zue!
So rieff das trawrgespenst. Dein Zepter wird zerbrochen.
Der strenge todt hat dir diß strenge recht gesprochen:
      Auff / auff von deiner Ruh!
      Ach! hat ruh' vns je erquicket
      Weil die Cron das Haupt gedrücket?
      Ist eine wollust die wir funden
      Die nicht in leichtes nichts verschwunden?

      Dein Zepter ist entzwey!
Diß recht spricht vns der tod / der hohe Thron wird brechen;
Die straffe wil den mann / den wir vertrieben / rechen
      Geht denn der Mörder frey?
      Haben wir diß schwerdt gewetzet!
      Das vns selbst die brust verletzet?
      Steht vns're zeit in dessen händen
      Der in der glutt die zeit sol enden?

      Kein Tempel kein Altar
Schützt / wenn Gott blitzen wil; wil Gott denn die nicht schützen /
Die Er an seine statt hies auff den Richtstuel sitzen?
      Kürtzt Er der Fürsten jahr?
      Oder lehrt er nur durch zeichen
      Wie man sol der grufft entweichen?
      So ists! er pflegt vns zwar zu drewen:
      Doch pflegt jhn auch sein zorn zu rewen.

      Ist Michael denn frey!
Der in den eisen sitzt? wie wenn die Kett' erbrochen?
Durch Gold / zusag / vnd list? was hat man nicht versprochen
      Wie köstlich es auch sey?
      Wenn man von den scheiterhauffen
      Den verdam'ten Leib wil kauffen?
      Kein Ertz ist das nicht gaben weiche!
      Kein Mittel das nicht geld erreiche.

      Auff! schrie der geist vnß an!
Auff Keyser! auf! wach auff! wol! last vns selber schawen
Wie fest der Kercker sey / wie fern der Burg zu trawen /
      Vnd was vns zugethan.
      Wer der noth weiß vorzukommen:
      Hat der noth die macht benommen.
      Die können kaum dem fall' entgehen
      Die nur auff frembden füssen stehen.


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