Balduin Groller
Der olle ehrliche Lehmann und andere Geschichten
Balduin Groller

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Der olle ehrliche Lehmann.

Den ganzen Vormittag von fünf Uhr früh an war heiß gekämpft worden. Es war wunderschön gegangen; der Feind war glorreich aufs Haupt geschlagen – Sieg auf der ganzen Linie. Es geht immer wunderschön bei den Manövern und der Feind wird immer glorreich aufs Haupt geschlagen bei den Manövern. Die Sieger lagerten nun auf einer eroberten Kopje im Salzburgschen und da Sieger immer hungrig und durstig sind, ließen sie es sich wohl sein bei dem, was ihnen die Feldküche zu bieten vermochte.

Im Schatten eines Heckenrosenstrauches kampierten drei Freunde, alle drei von der reitenden Artillerie und alle drei Oberleutnants und ließen es sich wohl geschehen. Sie hielten fest und treu zusammen, obschon das Charakterbild des einen von ihnen einen dunklen Punkt aufzuweisen hatte: er war nämlich nur von der Reserve und das ist, wie man wohl ohne weiteres zugeben wird, schließlich doch nicht das Richtige. Der Mensch hatte überhaupt Pech. Er hieß Wilhelm Kohner. Seine Freunde nannten ihn Willy und bald folgte das ganze Regiment in zarter Rücksicht ihrem Beispiele. Das war im Handumdrehen zur Gewohnheit geworden und selbst der gestrenge Herr Oberst sprach von ihm nur als vom Oberleutnant Willy. Die zwei letzten Buchstaben seines Zunamens waren ja allerdings Milderungsgründe, aber die vier ersten! Man liebte Willy beim Regiment und man wollte ihm das nicht antun, ihn beim Namen zu nennen. Die zwei letzten Buchstaben konnten ja auch einen Komparativ, also eine Verstärkung bedeuten, und am Ende 4muß doch alles seine Grenzen haben! Dabei war Willy, und das war ja das Pech, völlig unschuldig und er hätte wohl ein Recht gehabt, auch unverdächtig zu sein. In seiner Familie hatte es zahlreiche Generäle, hohe Beamte, Hofräte aller Kategorien, aber niemals einen Journalisten gegeben.

Die zwei engeren Kameraden, mit welchen Willy Freud und Leid während der Manöver zu teilen pflegte, hatten ihn besonders ins Herz geschlossen. Sie waren alljährlich immer nur einige Wochen beisammen, aber Willy wurde von ihnen doch für voll genommen. Das kam daher, daß er, wenn er einmal eingerückt war, sich seiner Stellung und seiner Pflichten vollkommen bewußt war. Er empfand schuldbewußt den dunkeln Punkt in seinem Leben und er wußte, daß er etwas gut zu machen habe und er machte gut, soviel er konnte. Er erkannte an, daß es doch etwas anderes sei, ständig beim Regiment zu sein, als nur gelegentlich als Hospitant, er ordnete sich willig unter, achtete die berufsmäßige Überlegenheit seiner Freunde und nahm gern auf sich, was ihm zu ihrer Erleichterung aufgehalst wurde, auch wenn es nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Auch war er immer reichlich bei Kasse und immer war er ein loyaler Kamerad.

Auch jetzt hatten sie eine Mission für ihn. Die Schlacht war geschlagen; nach den Mühen des Kampfgewühls würde ein Mittagsschläfchen bis 3 Uhr nachmittags im Schatten des Heckenrosenstrauchs wundergut tun – ihnen. Für Willy sei das nichts; bei seiner Neigung zur Fettleibigkeit könnte ihm das vielleicht sogar schaden. Es wäre also eigentlich nur in seinem Interesse, wenn er sich nun unverzüglich aufmachte und davonritte nach Mattsee, um ihnen dort alles vorzubereiten, was auch rauhen Kriegsmännern zu einem menschenwürdigen Dasein wünschenswert und eigentlich unerläßlich sei.

Nach Mattsee! Willy hatte nicht gewußt, daß dorthin marschiert werden solle. Er war dieses Mal noch bereitwilliger als sonst. Eine freundliche Vision stieg auf in 5seinem Geiste und er lächelte still vor sich hin. Seine Freunde hatten gar nicht geahnt, wie angenehm ihm die Mission sei, die sie ihm dieses Mal aufgehalst hatten. In Mattsee hatte ja sein Onkel seinen Sommersitz aufgeschlagen und dieser Onkel hatte verschiedene, ganz bedeutende Vorzüge aufzuweisen, von welchen wir nur zwei hervorheben wollen: erstlich einmal war er vor wenigen Wochen zum Kriegsminister ernannt worden und zweitens hatte er eine Tochter. Er hatte eine Tochter, wir sagen nichts mehr; Willy war aber im Tiefsten überzeugt, daß sie mehr wert sei, als das ganze Kriegsministerium.

Von alledem hatten seine zwei Freunde nichts gewußt. Es war nicht Stil unter den dreien, sich über Familienverhältnisse zu unterhalten; sie hatten genug anderes und wichtigeres zu reden. Oberleutnant Scholz hatten einen Dackel, der jeden Tag etwas Neues anstellte und der somit unerschöpflichen Stoff zu tiefsinnigen Betrachtungen lieferte. Oberleutnant von Stift hielt sich einige Vollblutpferde, für welche er die große Passion hatte und die ihm genug Anlaß zum Reden boten, und dann – die Liebe! Ist denn die Liebe gar nichts?!! Wie hätten sie da noch dazu kommen sollen, auch noch den Familientratsch zu pflegen?!

Willy verriet auch jetzt nichts von dem Onkel mit den zwei besonderen Vorzügen, das hätte ja auch den sittlichen Wert des übernommenen Freundschaftsdienstes nur herabgedrückt; er bestieg wohlgemut sein Rößlein und ritt vergnügt gen Mattsee. Dort machte er aber vor allen Dingen Quartier, indem er für sich und seine Freunde in einem stattlichen Bauernhause zwei geräumige Stuben mit reinlichen Betten sicherte. Dann machte er Besuch bei Kriegsministers – es war ihm natürlich nur um den Kriegsminister zu tun – und um sechs Uhr, als sein Regiment einreiten sollte, stand er schon wieder auf der sonnigen Landstraße an der Gemeindegrenze, um seine Kameraden zu erwarten. Als sie dann endlich mit einer kleinen Verspätung 6anlangten, staubbedeckt und sonnverbrannt, da zog er mit dem Troß auf den großen Platz vor der Kirche, wo Halt gemacht und dann durch ein Kommando die militärische Zucht und Ordnung gelöst wurde.

Nun wurde es lebendig in Mattsee, wie in einem Bienenkorb. Die Leute schwatzten und sangen; sie machten sich's bequem und in aufgelösten, regellosen Scharen strömten sie den ihnen bestimmten Quartieren zu.

Willy berichtete von dem Erfolge seiner Bemühungen, und seine zwei Freunde klopften ihm befriedigt auf die Schulter.

»Hast deine Sache gut gemacht, Willy,« bemerkte von Stift wohlwollend. »Scheint ein ganz netter, züchtiger Ort zu sein, dieses Mattsee, nur die Berge sind 'n bißchen schäbig.«

»Sie sind allerdings nicht sehr hoch,« entschuldigte sich Willy, »aber auch das hat sein Gutes.«

»Woso?« fragte von Stift.

»Wir werden sie ja doch nicht besteigen,« fügte Scholz hinzu.

»Ruhig, Schulze!« befahl von Stift ernst; Scholz wurde nämlich, ›der Kürze halber,‹ immer nur Schulze genannt. »Verwirre mir den Knaben nicht! Worin steckt da das Gute?«

»Das ist sehr einfach,« erläuterte Willy. »Wenn ein See von hohen Bergen umsäumt ist, dann bleibt das Wasser gewöhnlich scheußlich kalt. Der viele Schatten, das Gletscherwasser, das in ihn rinnt –«

»Gletscherhaft ist die Situation allerdings nicht. Du glaubst also, der See wird uns ein ganz gutes Fußbad abgeben?«

»Ein brillantes Bad! Und was mich betrifft, so werde ich mich kopfüber hineinstürzen.«

»Du, Schulze, der Mann hat Ideen!«

Sie beschlossen also, zunächst im See zu baden. von Stift, der erklärte, einen Wolfshunger zu haben, wollte erst 7eine kleine Stärkung beim Seewirt zu sich nehmen, aber Willy hielt ihn ab. Das sei erstens nicht gesund und zweitens wäre es schade um den schönen Durst. Er habe ein ganz famoses kleines Wirtshaus entdeckt, wo sie dann ihr Abendbrot einnehmen könnten. Sie sollten nur den andern nichts davon verraten. Denn, wenn da zu viele hinkämen, dann bliebe nichts Vernünftiges für sie. Das war nun wieder eine Idee. Sie gingen ins Bad und ließen sich durch ihre Burschen ihre Kofferchen in die Kabine bringen. Sie wollten sich nach dem Bade schön machen.

»Man kann doch nicht wissen!« meinte von Stift. »In solchen Nestern gibt es doch immer auch Sommergäste und Sommergäste haben häufig auch Töchter und gewissenhafte Forscher wissen auch von Frauen zu erzählen, die – man kann doch nicht wissen!«

von Stift war von Haus aus ein Berliner Kind. Er war schon fünfzehn Jahre alt, als seine Eltern, wohlhabende Leute, auf einer Reise in Wien hängen blieben. Es gefiel ihnen so gut, daß sie überhaupt nicht mehr fort wollten. Papa Stift erwarb die österreichische Staatsbürgerschaft, und als der einzige Sohn das erforderliche Alter dazu hatte, tat er ihn zum Militär. Der junge Krieger wurde bald beliebt unter seinen Kameraden. Er gab sich redlich Mühe, sich das Wienerische anzugewöhnen, das ihm ungemein gut gefiel, aber er hatte kein rechtes Glück damit. Er wurde den unglaublich festsitzenden Berliner Dialekt nicht nur nicht los, sondern er steckte damit noch förmlich das ganze Regiment an, und so verdreht wurde nun in keinem Regiment der österreichischen Armee gesprochen, wie in dem, dem er anzugehören die Ehre hatte. Das war ungefähr so, wie mit dem kleinen Judenjungen, den man auf ein Dorf gegeben hatte, damit er dort das Mauscheln verlerne. Als man dann nach einem halben Jahr nach dem Ergebnis forschte, da stellte es sich heraus, daß der Zweck zwar nicht erreicht war, daß aber nun glücklich das ganze Dorf mauschelte.

8Viel hielt er auf seinen Adel und das »von« war unzertrennlich von seinem Namen, wenn er sich vorstellte und er korrigierte unverbrüchlich, wenn es in der Anrede wegblieb. Das war noch preußischer Rest und eigentlich gegen die österreichische Sitte. Nicht daß es in diesem Punkte viel besser wäre in Österreich, es ist nur anders. Da macht man ja aus jedem Bürgerlichen einen »Herrn von« und aus jedem »Herrn von« einen Baron. Der aber, der ein »Herr von« und nicht mehr ist, macht selber gewöhnlich nicht viel Aufhebens davon. Er stellt sich in der Regel selbst nicht als »von« vor, und gerade ihm geschieht es dann am häufigsten, daß in der Anrede seinem Namen nur ein »Herr« vorgesetzt wird, nur »Herr« und sonst nichts. So etwas ist doch schrecklich. Bei von Stift war das anders. Durch die Konsequenz, mit welcher er daran festhielt, sich allemal und überall als »von Stift« vorzustellen, machte er die Wiener ein wenig konfus und es widerfuhr ihm häufig, daß er nun als »Herr von Vonstift« angeredet wurde.

Der dritte im Bunde, Oberleutnant Scholz, war ein stiller Kumpan, von dem die Sage ging, daß er heimlich dichte. Seine Freunde trugen ihm das nicht nach, jedenfalls ließen sie ihn es nicht empfinden und taten immer so, als habe er sich ihrer uneingeschränkten Hochachtung zu erfreuen.

Nachdem sich die drei Freunde in ihren Schwimm-, Spring- und Tauchübungen genug getan hatten, putzten sie sich so fein heraus, als es unter den gegebenen Umständen überhaupt möglich war und fühlten sich nun vollkommen gerüstet, ihr Jahrhundert in die Schranken zu fordern. von Stift besah sich im kleinen Spiegel der Badekabine und fand, sich den kleinen, blonden Schnurrbart zwirbelnd, daß ihm zum Urbild edelster, männlicher Schönheit nun eigentlich doch gar nichts mehr fehle und die beiden Kameraden stimmten ihm willig zu. Er verwies sie im besonderen auf die gute »Fechsung,« deren er sich zu erfreuen hatte. Darunter war das erfreuliche Resultat des Sonnenbrandes zu 9verstehen, das sich bei ihm, scharf abgegrenzt von der weißen Stirne, die durch die Kappe gedeckt war, bis zum Halse, wo der Schutz durch den Kragen begann, feststellen ließ.

»Nu man los!« kommandierte dann von Stift, als alles »ready« war.

Es bestand der Plan, zunächst sich ordentlich satt zu essen und dann in abendlicher Bummelei eine Entdeckungsreise durch den züchtigen Ort vorzunehmen. Sie hatten ja schon Erfahrungen auf derlei Manöverstationen. Da sitzen immer eine Menge Sommergäste herum, die sich schandbar langweilen, und die dann froh sind und gerne ein Übriges tun, wenn ein Rudel Offiziere in den stillen Frieden bricht. Es pflegt dann abends immer etwas los zu sein, Musik im Gemeindewirtshaus, wo die Mamas mit ihren Töchtern in gewählter Toilette erscheinen, Coriandoliwerfen, ein Festzug mit farbigen Lampions, Blumenkorso mit Booten auf dem See, Seebeleuchtung und schließlich ein Tänzchen. Auch der Fremdenzuzug war diesmal ein starker. Am nächsten Tage sollte der Erzherzog von Schloß Klesheim herüberkommen – kurz, die Sache konnte sich machen und von Stift blieb dabei: man kann gar nichts wissen!

Wenn man Pech hat! Willy hatte nach dem Bade kaum die Führung übernommen, als ihn nach wenigen Schritten schon sein Hauptmann stellte und ihm den Befehl intimierte, für den Abend die Inspektion zu übernehmen. Da war nun nichts zu machen. Er ging noch einige Schritte mit seinen Freunden und zeigte ihnen von weitem den beleuchteten Wirtshausgarten, wo er das Abendessen für sie bestellt hatte, und dann schwenkte er heroisch ab und trat seinen Dienst an.

Auf die kurze Dämmerung war rasch völlige Dunkelheit gefolgt. von Stift und Scholz gingen die schlechtbeleuchtete Dorfstraße entlang und bogen dann in einen Seitenweg ein, immer dem Lichte nachstrebend, das ihnen Willy bezeichnet hatte. Ehe sie den Garten betraten, warfen sie erst 10einen prüfenden Blick hinein. Da war es in der Tat gut sein. Ein wohlgepflegter Garten, alles blitzblank und spiegelrein. Fünf, sechs weißgedeckte Tische mit Windlichtern, außerdem elektrische Glühlichtlampen in genügender Menge, um eine angenehme Helle zu verbreiten.

An der Pforte empfing sie der Wirt, ein freundlicher, wohlbeleibter Herr, der mit breitem Lächeln zum Willkomm sein Hauskäppchen lüftete.

»Sagen Sie mal, geschätzter Landbewohner,« begann darauf von Stift, »Sie sind wohl der Herr Wirt persönlich?«

»Zu dienen, Herr Oberleutnant.«

»Na, dann ist's ja gut. Es ward uns mitgeteilt, daß hier für uns das Mahl gerüstet sei.«

»Der Herr, der die Bestellung machte, sagte, daß drei Herren kommen würden.«

»Allerdings, er selber ist aber dienstlich abgehalten. Beruhigen Sie sich übrigens, bewegt Gemüt, Sie sollen deshalb nicht zu Schaden kommen. Wir zwei gedenken nämlich reichlich für drei zu essen.«

Der Wirt führte die Herren in eine hellerleuchtete Laube, in welcher ein sorgsam gedeckter runder Tisch stand. Der süße Duft der späten Akazienblüte und der des Jasmins vermischten sich und ließen sich von den abendlichen Luftwellen tragen, die ihnen kühlend um die Schläfen strichen. Scholz fühlte sich ungemein poetisch angeregt und von Stift verlangte die Speisekarte.

»Eine Speisekarte haben wir nicht,« erklärte bedauernd und entschuldigend der Wirt, und dabei strich er sich das breite ausrasierte Kinn, das von einem dunkeln Barte umgeben war, und seine kleinen Augen erglänzten in sichtlicher Verlegenheit.

»Auf die Karte kommt es uns auch nicht so sehr an,« fuhr von Stift fort. »Fragen Sie mich also gefälligst, was ich wünsche.«

11»Ja, das geht auch nicht so, meine Herren. In einem Dorfwirtshaus müssen die Herren fürlieb nehmen mit dem, was gerade da ist.«

»Wir werden also fürlieb nehmen, aber nehmen möchten wir endlich. Einen ordentlichen Rostbraten werden Sie doch hoffentlich haben?«

»Einen Rostbraten? Da müßte ich doch erst nachsehen.«

»Sehen Sie nicht lange nach, edler Nährvater, sondern bringen Sie, was Sie haben!«

»Wir können also beginnen?«

»Aber natürlich, und etwas – plötzlich, wenn ich bitten darf.«

Der Wirt verschwand und erschien nach einer Minute mit zwei Glas Pilsner Bier. Er hatte gleich auf die Gläser gewartet, um sie wieder mitzunehmen. Denn sie wurden natürlich sofort wieder leer. Beide Freunde waren darin einig, daß ihnen in ihrem ganzen Leben noch kein Trunk besser gemundet habe. Dem Wirte auf dem Fuße war eine Kellnerin gefolgt, die ihnen zwei Tassen Bouillon hinsetzte. Als sie wieder abgegangen war, stieß von Stift seinen Freund an.

»Hast du gesehen, Schulze?«

»Ich habe gesehen!« seufzte dieser. »Augen wie ein Reh!«

»Noch schöner, beinahe so schön wie dein Dackel!«

Trotz der tiefen Liebe zu seinem Dackel, war Scholz entrüstet über den Vergleich, so lyrisch hatte ihn das Mädel gestimmt. Nein, dieses Mädel, hatte das ein süßes Gesicht! Ein dunkles, enganliegendes und die schlanke, anmutige Gestalt vorteilhaft hervorhebendes Kleid, ein blütenweißes Latzschürzchen, eine mächtige Elsässer Schleife, die das braune Haar krönte – das Ganze immerhin ein Anblick nach dem Herzen zweier junger Offiziere.

»Die Bulljong ist vorzühchlich!« meinte Scholz sinnend.

»Bollgong heißt es,« verbesserte von Stift. Sie kamen nicht dazu, den Streit auszutragen. Denn nun brachte die 12Kleine einen prachtvollen Hummer, und mit ihr kam ein Kellner, der ihnen je ein Gläschen Sherry einschenkte..

»Du, Schulze,« begann von Stift, als die Bedienungsmannschaft wieder abgetreten war, »sieh mal an, frischer Hummer, nicht aus der Dose!«

Scholz antwortete nicht gleich, sondern machte Ernst; frischer Hummer war immer seine Schwäche gewesen.

»'s ist phänomenibel!« meinte er dann doch, als er sich zum zweitenmal einige Scheiben von anständiger Mächtigkeit herauslangte.

»Ja, es ist recht eleogantiv!« bestätigte von Stift. Die Herren hatten es von jeher geliebt, ihre Sprache nach Tunlichkeit zu vereinfachen.

Nach dem Hummer kam ein Hühner-Ragout und der Mensch, der jetzt immer hinter der Kleinen herlief, schenkte Bordeaux ein. Die beiden Freunde machten sich gegenseitig darauf aufmerksam, was in dem Ragout alles drin sei. Da gesellten sich in holder Harmonie zu dem zarten weißen Fleisch der jungen Hühnchen die Kämme stattlicher Hähne, zierliche Krönchen des Karfiols, süße Zuckererbsen, diskrete Schnittchen von Kalbfleisch und Ochsenzunge, Krebsschwänzen, dazu Champignons und Trüffeln, und das Ganze verklärt durch die alles versöhnende und alles mit gleicher Liebe umfassende Sauce, in welcher alle einzelnen Teile wie in einem Meer von Wonne schwammen.

»Nu wird's doll!« rief von Stift, als dann die erstaunlich großen Forellen kamen, und der Mensch, der hinter ihnen herlief, den kühlen Rüdesheimer einzuschenken begann, daß das grüne Glas der einladenden Römer davon gleich nur so anlief. Die Forellen waren blau abgesotten und die roten Tüpfelchen, die sie aufwiesen, waren einfach entzückend.

Scholz wurde immer lyrischer, nichtsdestoweniger warf er, als sie wieder allein waren, einen verstohlenen und einigermaßen besorgten Blick in seine Börse.

13»Es ist heute der Achtundzwanzigste,« gab er zu bedenken, »und ich weiß nicht –«

»Eigentlich weiß auch ich nicht,« erwiderte von Stift, seine Barschaft nachzählend und keineswegs befriedigt von dem Resultat seiner finanziellen Untersuchungen.

»Die Sache nimmt beunruhigende Dimensionen an,« versicherte Scholz.

»Man muß es tragen!« meinte von Stift resigniert.

»Ich hätte übrigens eine Idee, Bruderherz!«

»Dieselbe Idee habe ich auch, alter Schulze! Wie kommen denn wir dazu, uns am Achtundzwanzigsten in ein solches Gedrängel einzulassen? Willy hat uns das eingebrockt, er soll es auch bezahlen. Nichts kann einfacher sein.«

Über diesen Punkt hatte man sich sehr rasch geeinigt und man war sogar edelherzig genug, ein leises Bedauern nicht ganz zu unterdrücken, daß der arme Willy für sein Geld nicht wenigstens auch dabei sein konnte.

Die Stimmung war also wieder eine ganz ungetrübte und vollständige Beruhigung war eingetreten, als darauf der Wirt persönlich das Filet auftrug, ein Filet mit Hindernissen, so reich garniert, daß einem die Wahl über den zahlreichen, lockenden Begleitumständen Verlegenheiten hätte bereiten können, wenn man nicht, wie unsere zwei Freunde, von vornherein entschlossen gewesen wäre, von allem zu nehmen.

Scholz deklamierte:

»Genieße, was dir Gott beschieden,
Entbehre gern, was du nicht hast.«

»Sehen Sie, alter Freund,« apostrophierte nun von Stift den Wirt, »so sind wir! Wir entbehren still, was wir nicht haben. Übrigens – Ehre, dem Ehre gebührt. Sie haben Ihre Sache ganz famos gemacht. Wie heißen Sie denn eigentlich, alter Knabe? Wir werden Sie natürlich weiterempfehlen.«

14»Wenn Sie die Gnade haben wollten! Ich heiße Lehmann.«

»Was? Lehmann – ooch Lehmann?! Machen Sie sich nichts draus; wir nehmen Ihnen das weiter nicht übel; steht Ihnen sogar ganz gut. Also nur weiter, oller ehrlicher Lehmann!«

Und es ging weiter. Es kam ein steirischer Kapaun, der ohne weiteres als Krone der Schöpfung bezeichnet wurde. Die verschiedenen Kompote und Salate bildeten nur die wirksame Folie dazu. Der Kellner ließ einen Champagnerpfropfen knallen und schenkte ihnen das erste Glas ein – es war Heidsieck, also eine ganz annehmbare Marke – dann senkte er die Flasche in den Eiskübel und stellte ihnen diesen bequem zur Hand. Dann zog er ab, die Kellnerin aber, die ihm folgen wollte, hielt von Stift an der Schürze fest.

»Einen Augenblick, Fräulein Klara!«

Die Kleine lachte.

»Ich heiße gar nicht Klara.«

»Nicht? Wie man sich irren kann, es ist unglaublich!«

»Ich heiße Paula.«

»Paula – 's ist kolossal! Ja, woher hätten wir das aber auch wissen sollen? Sie werden zugeben, daß wir das unmöglich wissen konnten. Also hören Sie, Fräulein Paula, wir hätten eine recht schöne Bitte an Sie.«

»Bitte, nur zu befehlen!«

»Sehen Sie, wir sind Gemütsmenschen. Wenn wir gut essen und gut trinken, wie es ja jetzt, dem grundgütigen Himmel sei es gedankt, der Fall ist, dann wollen wir auch nur Schönes und Herzerhebendes um uns sehen.«

»Nun – und?«

»Nun – und da haben wir uns denn gedacht, Sie sollten den Bengel, der immer hinter Ihnen herläuft, eigentlich abschaffen, wenigstens für heute abend.«

»Johann hilft mir.«

»Johann soll bleiben, wo er ist. Wir möchten nur von 15Ihnen bedient sein; dann schmeckt alles gleich tausendmal besser. Wir haben uns dahin geeinigt, Paula, daß Sie ein kolossal patentes Frauenzimmer sind und da will man sich den holden Eindruck doch nicht alle Augenblicke stören lassen.«

»Weil Sie Gemütsmenschen sind?«

»Eben darum. Sehen Sie, wir haben sogar schon überlegt, ob wir nicht auch den ollen, ehrlichen Lehmann 'rausschmeißen könnten, aber es geht doch wohl nicht.«

»Herr Lehmann ist mein Vater.«

»Ach sooo! Na, das entschuldigt ihn einigermaßen, aber es ging auch sonst nicht recht. Er hat so väterlich für uns gesorgt – es wäre doch nicht ganz anständig, aber der Mensch, dieser Johann, ist nun wirklich ganz überflüssig geworden. Jetzt muß ja auch bald das ewige Gerennsel mit den Schüsseln aufhören, dann setzen wir uns fest zu einem Gläschen und dann müssen Sie mithalten.«

»Aber –«

»Und der Herr Papa natürlich auch!«

»Darf ich mir jetzt schon die Ehre geben,« mengte sich hier Scholz ein, »Ihnen ein Glas anzubieten, Fräulein Paula?«

Paula nippte, nickte ihnen freundlich zu und die beiden Freunde seufzten. – Ach ja!

Es kam nun nicht mehr viel; eine kunstvolle Eiscreme, das übliche Dessert und dann wurden auch schon die verschiedenen Schnäpse und der schwarze Kaffee angefahren. Der olle ehrliche Lehmann gab die nötigen Erläuterungen: »Wir haben Chartreuse, gelb und grün, Benediktiner, Kognak, Klostergeist und Altvater – womit darf ich dienen?«

»Die Sache ist sehr einfach,« erwiderte von Stift, »wir probieren erst mal alles durch und dann bleiben wir bei einer Sorte.«

Fräulein Paula machte ein erschrockenes Gesicht, aber Papa Lehmann ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Er reichte erst einmal Cigarren und Cigaretten, die Cigarren 16trugen durchwegs ehrfurchtgebietende Bauchbinden, und die Cigaretten wiesen den ägyptischen Stempel auf, dann ließ er sich wie folgt vernehmen: »Waren die Herrschaften bisher zufrieden?«

»Oller Lehmann, ehrwürdiger Vater einer solchen Tochter,« entgegnete von Stift begeistert, »Sie haben sich auch mit dem Festmahl ausgezeichnet!«

Scholz begnügte sich damit, die Rechte wie zur feierlichen Beteuerung seiner Gefühle aufs Herz zu legen.

»Dann müssen Sie mir schon erlauben,« fuhr Lehmann fort, »die Leitung auch weiterhin zu behalten. Ich denke, wir machen mit dem schwarzen Kaffee Schluß.«

»Unsinn, Lehmann, daraus wird nichts!«

»Ich meine ja nur Schluß des Abendbrots.«

»Abendbrot ist günstig; es war, Gottlob, eine recht solide, kräftige Hausmannskost!«

»Das ist die Hauptsache. Der erste Sturm wäre also abgeschlagen. Das war das Notwendige.«

»War äußerst notwendig.«

»Jetzt könnte eine kleine Annehmlichkeit folgen. Wie wäre es denn jetzt mit einer unschuldigen Bowle?«

von Stift erhob sich.

»Herr Lehmann! Ich wünsche auszusprechen, daß ich Sie für einen Ehrenmann halte. Wollen Sie mir gestatten, Sie an meine rauhe Kriegerbrust zu drücken?«

Herr Lehmann gestattete.

Auch Scholz erhob sich nun und umarmte Herrn Lehmann sehr feierlich. von Stift wandte sich darauf an Fräulein Paula und sagte, auf die ergreifende Gruppe weisend, sehr ernst: »Sie sehen, liebes Kind, wie bei uns gute Ideen belohnt werden. Hätten Sie nicht vielleicht auch eine Idee –?«

Paula versicherte, daß sie keine Idee hätte und lief davon, die Bowle zu rüsten.

»Sie hat keine Idee!« sagte von Stift tonlos und ließ sich auf seinen Sessel sinken.

17»Sie hat keine Idee!« wimmerte Scholz am Busen des ollen ehrlichen Lehmann. »Keine Idee, wie sie reizend ist!«

Herr Lehmann entwickelte nun sein Rezept für die Bowle: eine Flasche Heidsieck, eine Flasche Rauentaler Berg, eine Flasche Moselblümchen, eine halbe Flasche Villányer Roten aus dem Esterházykeller und dann – wie es den Herren genehm wäre – Ananas, Pfirsiche oder –

»Haltet ein, wackerer Lehmann!« unterbrach ihn von Stift. »Ein Mensch, der die Möglichkeit hat, Ananasbowle zu kriegen und wählt etwas anderes, der hat keine Ehre im Leibe!«

»Das muß überhaupt,« bestätigte Scholz, »ein erblich belasteter Verbrecher sein.«

Nach wenigen Minuten waren alle Ingredienzien zur Stelle. von Stift stieß Scholz heimlich an: »Du eine frische Ananas, nicht aus der Dose!«

»Und wie prachtvoll! Es ist kolossabel – armer Willy!«

Papa Lehmann machte sich daran, die Ananasscheiben zu schneiden, aber von Stift fiel ihm in den Arm: »Nein, lieber Mann, Sie mögen ja Ihre Sache ausgezeichnet verstehen, aber wenn man eine solche Tochter hat –«

Paula mußte schneiden und die beiden Freunde sahen ihr begeistert zu.

»Das ist doch etwas anderes,« rief von Stift von Seligkeit erfüllt, »da kommt noch Poesie in die Bowle!«

Als alles fertig war, wollten sich Papa Lehmann und sein Töchterlein bescheiden zurückziehen, da begehrten aber die beiden andern schön auf.

»Ach, das gibt es nicht!« riefen sie durcheinander. Wenn der olle, ehrliche Lehmann durchaus schon schlafen gehen wolle – na, schön wär's gerade nicht, aber es ließe sich darüber reden – aber die Kleine, die bleibt da! Man werde doch des Kaisers Offiziere nicht geradezu mißhandeln wollen! Sie mutterseelenallein da sitzen zu lassen, das wäre doch 18wahrhaftig nicht schön. Dann wollten sie lieber gleich auch selber gehen und mit der Bowle erst gar nicht anfangen!

Lehmann und Tochter blieben also und setzten sich zu den Gästen. Nun wurde es erst gemütlich. Scholz schmachtete die Kleine an und von Stift kam mit dem Alten ins Reden. In gehobener Stimmung klopfte er ihn ein über das andere Mal auf den Bauch und wurde nicht müde zu versichern, daß er ein ganz, aber schon ein ganz famoser Kerl sei.

»Habe ich nicht recht, Schulze?«

»Du hast recht, Stift meiner Seele. Lassen Sie mich eins sagen, Herr Lehmann: es gibt noch Männer in Österreich!«

»Ja, es gibt noch Männer,« gab von Stift in tiefer Rührung zu. »Lehmann, oller, ehrlicher Lehmann, wäre es nun nicht eine Affenschande, wenn ehrliche Männer untereinander – die Hauptsache ist ja doch der Charakter! Habe ich nicht recht?« Und dazu schlug er mit der Faust auf den Tisch und blickte wild um sich.

Niemand widersprach ihm.

»Nun also! Wenn dem so ist, warum sollten zwei Männer, wie der alte Lehmann und ich, sich ewig fremd gegenüberstehen? Lehmann, du bist ein Ehrenmann und ich sehe nicht ein, wer oder was mich hindern soll, mit dir den Bruderkuß zu tauschen. Oller Lehmann, ich begrüße Ihnen auf dem Herzlichsten und trage Sie das brüderliche Du an. Lehmann, erheben Sie gefälligst sich und Ihr Glas!«

Lehmann erhob sich; sie tranken mit verschränkten Armen ex, dann umarmten sie sich und küßten sich dreimal. von Stift leistete einen feierlichen Schwur, daß seine Freundschaft ewig währen solle und daß er seinen ollen ehrlichen Lehmann in keiner Lage des Lebens je verlassen werde. So tat auch Scholz, der gleich darauf die Zeremonie mit Lehmann wiederholte.

»Ich kann mir nicht helfen,« bemerkte darauf von Stift zu Fräulein Paula, »ich finde die Sache ungeheuer feierlich.«

19»Ja, ich finde sie auch so.«

»Aber passen Sie nur auf, die Hauptsache kommt noch. Höre mal, alter Lehmann, wir sind nun deine Brüder, nicht wahr?«

»So ist es.«

»Dann sind wir doch auch die Onkels von der Kleenen und sie ist unsere liebe Nichte, nicht wahr?«

»Nun, so gewissermaßen und eigentlich –«

»Keine faulen Ausreden, alter Junge! Und zu so 'ner kleenen Nichte werden wir doch nicht Sie sagen!«

»Das wäre ganz unmenschlich!« versicherte Scholz.

»Also komm nun mal 'ran, Kleine, und gib deinem braven, alten Onkel schön einen Kuß!«

Paula versicherte, daß sie das nicht tun werde.

»Was ist das nun für 'ne Wirtschaft!« fuhr von Stift, die Weigerung mißbilligend, fort. »Nur keinen Familienzwist! Alter Freund Lehmann, mache deine Autorität geltend. Einen braven, alten Onkel muß man doch respektieren!«

»Ja, da kann ich nichts machen – wenn sie nicht will –«

Er zuckte bedauernd die Achsel, Paula aber schien sich anders besonnen zu haben. Denn nun sagte sie plötzlich: »Gut, wir werden auch Brüderschaft trinken – unter einer Bedingung!«

»Angenommen!« riefen die beiden Freunde gleichzeitig.

Paula ergriff von Stifts Säbel, der an der Laube angelehnt stand, und zog durch den feinen Kies auf dem Gartenwege mit der Scheide einen langen geraden Strich.

»Es wird sich sofort entscheiden,« sagte sie. »Wer auf dieser Linie von Anfang bis zu Ende gehen kann, ohne im geringsten von ihr abzuweichen, mit dem werde ich Brüderschaft trinken.«

Erst allgemeines Schweigen und tiefes Nachsinnen, dann erhoben sich die beiden Freunde gleichzeitig, bereit, den Versuch tapfer zu wagen. Immerhin dauerte es noch eine Weile, 20ehe es dazu kam. Sie bekomplimentierten sich in der verbindlichsten Art, um sich gegenseitig den Vortritt einzuräumen.

»Schulze, du hast ein besseres Herz; fange du an.«

»Nein, Hahnemann, geh' du voran, du hast die großen Stiebel an!«

von Stift gab sich einen Ruck und stellte sich an den Start. Er zog den Waffenrock zurecht, dann griff er mit beiden Händen in den Halskragen, um auch dort die volle Ordnung herzustellen, und als er sich so körperlich und geistig versammelt hatte, richtete er noch kalt lächelnd einen dämonischen Blick auf Paula und ging dann, ohne auch nur im mindesten zu wanken, schnurgerade über die vorgezeichnete Linie.

»Um den Preis,« sagte er mit großartiger Grandezza, »hätte ich auch einen Rundritt auf der Mauer einer Burg vollführt!«

Nun kam Scholz an die Reihe. Man sah es ihm an, daß er sich kolossal zusammennahm, aber das Unternehmen glückte auch ihm.

»Und ich,« sagte er, »wäre auf einem Drahtseil über den Niagarafall gegangen – übrigens auch ein schöner Fall!«

»Papa, sie haben es beide fertig gebracht!« rief Paula entsetzt.

»Sie haben es fertig gebracht,« bestätigte Papa Lehmann nachdenklich.

»Wir haben es fertig gebracht,« wiederholten die beiden Freunde einstimmig und wischten sich den Mund.

»Ja, was soll nun aber geschehen?« fragte ängstlich Paula.

»Das ist ungeheuer einfach,« versicherte Scholz, und von Stift fügte hinzu, daß an dem, was nun geschehen werde, noch niemand gestorben sei.

»Bedenke, Kind,« tröstete Papa Lehmann, »daß es für die Armee geschieht!«

21»Jawohl,« stimmten die beiden Freunde zu, »man muß etwas tun für des Kaisers Armee!«

Und dann tranken sie alle Brüderschaft. –

So ward es mit der Zeit recht, recht spät, und so wurde denn endlich der offizielle Schluß gemacht: jedem noch ein frisches Glas Pilsener Bier und, weil sich doch schon wieder der Appetit geregt hatte, auch noch für jeden ein Paar heiße Würstel mit Krenn.

Als sie endlich aufbrachen, warf von Stift mit großer Vornehmheit hin: »Was die Rechnung betrifft –«

Papa Lehmann ließ ihn aber nicht aussprechen, erklärte vielmehr, ihn unterbrechend, daß die Rechnung schon im vorhinein vom Oberleutnant Willy beglichen worden sei. Darüber war insbesondere Scholz außerordentlich gerührt. Er umarmte und küßte den ollen ehrlichen Lehmann und stellte ihm das Zeugnis aus, daß alles vorzühchlich und der ganze Abend überhaupt ein sehr vergnühchter gewesen sei,

* * *

Am nächsten Morgen gab es Feldmesse und große Revue auf der weitgedehnten, stark geneigten Wiesenfläche vor dem Zellhofer Wald. Es war ein prachtvolles militärisches Schauspiel. Die Truppenkörper standen auf dem weiten Felde wie geometrisch abgezirkelt, und alle blanken Teile blitzten im herrlichen Morgensonnenschein. Auf der Höhe des Hügels, mit dem Wald als Hintergrund, allen sichtbar, war der Altar aufgerichtet. Dem Feldkaplan assistierten militärische Ministranten. Als bei der Wandlung das feine Glöcklein ertönte, da war es so still, daß es bis in die fernsten Reihen gehört wurde, und in weitem Umkreis neigte alles das Haupt. Und dann dröhnten die Salven, und es donnerten die Geschütze, und dann kam Leben in die verstreuten Glieder, die sich zu dem großen Zuge zusammenschlossen. Auf der Straße am Rande des Waldes in der Höhe des Altars stand die Hofequipage. Der Erzherzog saß in ihr, neben ihm eine junge Dame mit 22weißem Sonnenschirm und in einem weißen Spitzenkleid, und ihm gegenüber ein älterer, wohlbeleibter Herr. von Stift wollte sich die Augen aus dem Kopfe sehen, als sie den Hügel hinaufritten und dem Wagen immer näher kamen. Er fragte im Reiten seinen Hauptmann, wer denn der Herr im Wagen des Erzherzogs eigentlich sei. Der Hauptmann lachte.

»Das wissen die meisten unserer Herren noch nicht, aber eine Schande ist's doch. Das ist der neue Kriegsminister Exzellenz Leopold Reichsfreiherr von Lehmann.«

»Lehmann? So so!!«

Dann wandte sich von Stift zu seinem Freunde Scholz, der zwar nichts sagte, aber ein äußerst verdutztes Gesicht machte. Dann aber hieß es, stramm vorbeidefilieren, und nur wie durch einen Nebelschleier sahen sie die vergnügten Mienen der Herrschaften, und die kaiserliche Hoheit geruhten sogar recht herzlich zu lachen.

Als sie vorbei waren, sagte von Stift: »Du, Schulze! Da sind nur zwei Fälle möglich: entweder sieht der neue Kriegsminister unserem braven Wirt sehr ähnlich – –«

»Oder?«

»Oder der olle, ehrliche Lehmann sieht dem Kriegsminister furchtbar ähnlich!«

»Und das weiße Spitzengedicht?«

»Die Tochter?«

»Ach ja, die Tochter!«

»Die hat auch ein sehr ähnliches Gesicht.«

Und dann wurde flott weitermarschiert, direkt ins Oberösterreichische hinüber, ins neue Quartier. 23

 


 


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