Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Verkehrte Welt
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Also dieser so fort reden wolte / wurde in einen huy ein grosser Schal vieler Trompeten / Heerbaucken / Tromeln und Pfeiffen hinter mir gehöret / so aber gar nicht so lustig lautet wie im Krieg / davon einen das Hertz im Leib aufhupffet / sondern es thönet wie ein fortrefflichs Wolffs-Geheul / daß einem wehe in den Ohren thun möchte / derowegen liese ich den Stummen stehen / dessen Worte ich ohne das vor obiger schrecklichen Musick nicht mehr hören konte / und sahe mich nach dieser umb / die Tampours schlugen vergalterung / und kriegten darauff / wie allweg zubeschehen pflegt / in geschwinder Eil einen grossen Umstand von allerley müssigen und neu Zeitungen zuhören begierigem Volck / massen ich mich selbsten auch ins Geträng schraubte / zuvernehmen was es da abgeben würde / wie nun Trompeten und Trommeln still wurden / erhuben etliche Kerl ihre Stimmen so erschrecklich / das ihnen Feuer und Flammen zum Halß heraus schlug; Der Jnhalt ihres Geschreys war ongeferlich dieser / also ihr rechtschaffene Brüder / wer Lust und Lieb hat / unter den Allergroßmächtigsten und erschrecklichen Herrn / Herrn Pyrrho Könige in Epirus vor einen Soldaten zu Roß oder zu Fuß zudienen / das ist / unter seinem Commando andern Leuten das ihrige zunehmen / die grosse Städte ihrer Hab und Freyheit zuberauben / die Länder verwüsten / die Flecken und Dörffer verbrennen / dero Jnwohner verjagen / andere / die er nicht kennet / noch die ihn jemahlen beleidigt / todt schiesen und nidermachen / und in Summa alles Unrecht verüben / und alles Ubel und Unglück stifften zuhelffen; Der komme in die Herberg zum grossen Ellend genant / zwischen den Schmalhansen und den armen Teuffel / gerad vor der Hungergaß / da wird er vor sein Leib und Leben kaum den zehenden Theil so viel Geld auf die Hand bekommen / als die Holländer ihren Soldaten vor das geringste an der lincken Hand verlorne Glid bezahlen; Da wird man ihn mit Jammer träncken / daß er erschwartzen möchte / ihn lernen Hunger leiden / daß Rücken und Bauch eins thuns seyn / und so nahe zusammen kommen wird wie zwey Bretter / ihn auch lernen Arbeiten daß ihm die Schwarte kracht / biß er endlich (GOtt wolle ihn dann sonderlich bewahren) vor der Zeit entweder gantz ausgemergelt durch Hunger und Kranckheit oder durch gewaltsame Waffen / oder villeicht auch nur durch einen hänffenen Halskragen seiner zeitlichen Trübsal ein Ende und der Ewigen ein Anfang macht; Hieran hörete ich gleich daß dieses in ihren Lebzeiten so genante Werber gewesen / welche durch Aufschneiderey und Versprechung vorgelegenen güldenen Berge andere Tropffen in Krieg persuadirt / weßwegen sie dann nicht allein solch Geschrey zur Straffe führen musten / sondern auch nach dessen Endigung von dem Umstand / welcher in solchen Kerlen bestunde / die durch sie verführet und in Krieg zuziehen beredet worden waren / nidergemacht und so klein zerhauen wurden / als die Prœsilien Spähne immer sein mögen / nach dieser Hinmetzelung wurde die gantze Armada gemustert / die Jenige so auff Erden einige ohne erheischente Nothdurfft nur aus blosem Muthwillen umzubringen gewohnt gewesen / also daß sie langsam oder wohl gar nicht ihres lebens Leben bittenden Mit-Christens verschonet / noch dem Jenigen Quartir geben / vor welchen doch Christus gestorben / damit er ewig leben solte; Wurden ausgeschossen und denen übergeben / welchen sie hiebevor obiger Gestalt das zeitliche Leben genommen / und sie weil sie eben damahls in Todtsünden gesteckt / also zur Verdamnus befürdert hatten; Diese verübten nun an ihren Mördern eine grausamme Rachgierige Straff / in dem sie dieselbige an eben den jenigen Orten mit gantzglüenden Waffen peinigten / alwo sie an ihren Leibern hiebevor beschädigt / und dardurch zugleich um ihr zeitliche Leben und ihre Seeligkeit gebracht worden waren / es ist weder auszusprechen noch zuglauben / wie verbittert sie ihme marterten / dann in dem sie den Verlust und Schaden vor Augen hatten / darinn sie selbige gestürtzt / war ihre Wuth und Rach gegen sie desto schrecklicher; Es sahe und kante mich einer von meinen Alten Cammerrathen / welcher sie bey einem noch müssig stehenden Häuflein aufhielte / der tratte zu mir und fragte ob ich auch da sey? Jch antwortet / wie magstu fragen / so du mich selbsten sihest? Wie komts aber / daß du und deine Gesellen mit euren Waffen nit mit machen? Ach! antwortet er / die jenige so uns ohne Noth um das zeitliche Leben gebracht haben / seind noch in jener Welt / und werden biß zu ihrem Abdruck und Zeit dieser erbärmlichen Execution darinn wir um billiche Rach schreyen nur von ihrem Gewissen gepeinigt; Entrinnet nun einer durch ein würdige Buß vor seinem Absterben unseren höllischen auff sie bereiten Waffen / so haben wir dessen auch ewiglich zugeniesen / die weil wir als dann um die Zeit dieser Rach um unserer Mörder Seeligkeit willen der höllischen Pein so lang entübrigt sein / biß wir an andern Orthen unserer Sünden halber billiche Straff ausstehen müssen; Wofern aber eines jeden Mörder in seinen Sünden stirbt / so wird er alsdann / wie ich vor Augen sehe von dem Ermorden / dergestalt widerum bezahlt; Jch fragte weiters wie es komme / daß ich auch Teuffel unter dem Hauffen sehe / die solche Execution / und zwar viel schrecklicher als andere verrichteten? Er antwortet / das macht / daß dern jetzo leidenten Mörder umgebrachte in einen solchen Stand unschuldig gestorben / darinnen sie von der Göttlichen Barmhertzigkeit die ewige Seeligkeit erlanget; Derowegen exequiren diejenige böse Geister diese strafbare Rach / die etwan des Ermordens nunmehr seligen mit allerhand nachstel und bösen Reitzungen in ihrem zeitlichen Leben zugesetzt / sie aber zur Verdamnus zubringen nicht vermögt haben; Noch ferners fragte ich / warumb er seinen Kopff in der einen und einen Sebel in der andern Hand trüge? er antwortet / das thue ich wegen meines Todtfalls / aber nicht länger als in Zeit dieser Rach / und zwar auch nur so lang / als der / so mich umgebracht / noch auf Erden lebt; Wann aber derselbe nach seinem zeitlichen Todt hieher kombt / so setz ich meinem Kopff auf und haue ihm den seinigen so offt herunder / als die Göttliche Gerechtigkeit meiner Rachgier (die jetziger Zeit mein gröste Pein ist) bestimmt und zugibt; Dann höre / als ich von den Weymarischen den Käyserlichen abgefangen worden / und Nachts-Zeit neben andern Gefangnen mehr um ein Feuer sasse / an nichts wenigers als an GOtt an meine Bekehrung und meinen Todt gedachte / sondern mit der Taback-Pfeiff in der Hand allerley unnütze schwenck Reden halff und bey mir selber nachsonne / wie ich mich nach meiner Erledigung wider Mondiren wolte; Da kam mein Lebens-Berauber wohl bezecht vom Marquetener mit einem Sebel zu uns in die Scheuer / darin wir das Feuer hatten / und liese seinen Freveln Sinn durch zusprechung seines bösen Geistes / der noch heutigs Tags ihme ohne zweiffel nichts bessers eingeben wird / den Gelust ankommen / seinen Sebel (den er erst den selben Tag nicht vom Türcken / auch nicht von Croaten seinen damahligen Feind bekommen / sondern einen Metzger abgeraubet hatte) irgents zuprobiren; Jndessen wurde er meines nackenden langen Halses gewar / und traff in seiner Unsinnigkeit / nach etwas herum fochtelung / denselben so gewiß / daß mir der Kopff ins Feuer / und der Leib darneben fiele; Jhm wurde zwar von allen anwesenden schändlich zugered; Aber weil er ein guter Soldat geachtet war / man auch den folgenden Tag marchirte / und sich niemand fande / der ihn umb meines / als eines armen verlassenen Gefangnen todts wegen rechtlich beklagt hätte / so entgieng er leichtlich damahls der gebührlichen zeitlichen Straffe / ich aber nichts desto weniger meiner überhäufften Sünden und Unbußfertigkeit wegen der ewigen nicht / sondern wurde ohnangesehen meines unversehenen und menschlichen Urtheil nach / gantz unschuldigen Todts (welchen ich aber auß gerechterem Urtheil Gottes anderwerts verdienet) hieher verdamt.

Jndessen nun dieser obigs so erzehlte / wurden die Ermordete mit ihren Mördern fertig / welcher geblüth wie ein glühentes Ertz von ihnen flosse / woraus ich leicht abnehmen konte / wie groß und unermesslich ihre Pein sein müste / der so in dieser Welt nicht nur bekant gewesen und bisher mit mir geredet / muste seinen Kopff auffsetzen und sich zu denen Gotteslästerern und Fluchern begeben / welche dorten in einem feurigen Pful / der dem Ansehen nach von lauter Schweffel und stinckendem Bech brante / ihre Straf ausstunden / die nach gestaltsame der Flüch / Wünsch / Schwür und Gotteslästerungen gar unterschiedlich waren / denen / so die allerheiligste Gliedmassen Christi mit schwören Eitel zu nenen gewohnt gewesen / wurten eben diejenige Glieder welche sie an Christo auf Frantzösische Mode verunehret / von den Teuffeln selbsten dermassen zerschlagen und gequetscht daß die feurige Funcken viel schrecklicher darvon stoben / als von einem höchstglühenden Eysen / das zwischen dem Hammer und Amboß getrieben oder gearbeitet wird; Denen aber / so den allerköstlichsten Schatz / das teure und allerheiligste Blut des liebreichsten Erlösers (an stat daß sie sich dasselbe zu Nutz machen können und sollen) in ihrem zeitlichen Leben Gottslästerlicher und Unchristlicher Weisse immer im Mund geführt / Wurden von den bösen Geistern die Mäuler auf gerissen und so viel stinckender unflädiger gantz glühender Materia (dergleichen abscheulichen Dings ich bishero in der gantzen Höll noch nicht gesehen) hinein geseicht / daß sie darvon mit höchster Qual zerbersten musten / und wie in der Höll der Gebrauch ist / doch nicht darvor ersterben könden; Sehin / sagten alsdan die höllischen Geister zu diesen armen Verdambten / diesen Trunck an stat dessen / daran wir kein Theil haben mögen / und dessen du dich nicht theilhafftig hast machen wollen / nicht besser giengs denen Sacramentirern / welche in ihrem Leben auch gar nichtiger Dinge halber bey den H. Sacramenten geschworen / oder mit 7.Sibenhunderten / Sibenhundert tausenten / ja Galleonen / Rennschifflein und Stadtgräben voll gantz Gottslästerlicher Weiß umb sich geworffen / solche gleichsam so viel an ihnen gewessen / geschänt / und andern gewünscht / daß sie so viel H.Sacramenta schenden sollen / dann ihnen wurden nach grösse und Grausamkeit ihrer Schwür und Flüche auch die Mäuler grausam auff gerissen / und zwar theilen so erschrecklich groß und weith / als groß und erschrecklich ihre Schwür und Flüche hiebefor gewesen / so! daß etlichen 100000.Tonnen voll asa fœtida und Benzuin auf einmal nemlich so viel als sie Sacramenta zuschweren gewohnt gewesen / gantz brennent von einem bösen Geist hoffirt und hinein gethan wurde / davon sie viel greulicher aussahen / als unsere Mahler den Cerberum oder höllischen Schlund selbsten immer abmahlen können / und die Verschluckung solcher abscheulichen Bissen bekahm ihnen wie den wetterläunigen Hunden das Graß / als welches sie mit höchster Pein wider ausspeyen / und mit grösser Qual wider auf fressen müssen / so lang und viel / biß sie umb anderer ihrer Sünden willen auch anderwerts andere Pein ausstehen musten; Die aber so mit Donner / Hagel / Wetter / Plitz / höllischen Feuer / teuffelholen / bodenverschlucken und andern unzählig mehr dergleichen Flüchen umb sich geworffen / litten auch solche Straffen die ihrer Gottlosigkeit bequem war / die / so andern gewünscht / daß andern der Teuffel den Hals umtrehen solte / litten solchen Wunsch selbsten solcher erschrecklichen Gestalt / daß es sahe / als wann ihnen die böse Geister ihre Köpffe entweder erst ein oder gar heraus schrauben wolten; Und die sonst mit allerhand Ungewitter und unglückseeligen Verfluchungen umb sich gestralet hatten / wurden nunmehr mit erschrecklichen Hagel / Donner / Plitz und höllischen Flammen der Gestalt getroffen / daß sie gleichsam wie durchlöchert schienen / iedoch einer mehr als der ander / ja nach dem er solche freventliche Wünsche und Flüge gegen seinem Neben-Menschen von Hertzen gemeinet / und nach dem selbige erschrecklich oder andern zuhörenden ärgerlich gewesen; Alsofortan nun wurden andere Gottesläster und Flucher oder Schwür abgestrafft / sonderlich wurden die Jenige so sich mit dem alten Flüchen nicht mehr beholffen / sondern neue Alamode Gattungen ersonnen und aufgebracht / grausam hart hergenommen / dann dieselbe wurden über ihre ordinari Straff von ihren Discipulis die ihnen solche neue Manier abgelernet / geübet und mit abgebüset / an statt deß Lehrgelds beydes mit streichen und ewigen vermaledeyungen erschrecklich tractirt; das Donnern / Hageln / Plitzen und das Geschrey der Elenden Verdamten gab an diesen Ort ein solche erschreckliche Harmoniam / daß ein jeder so solches gehöret und gesehen / wann er nur albereit der höllischen Pein föhig gewest währe / davon nit nur taub / und von immerwerenden Plitzen blind werden / sonder im ersten Augenblick hätt sterben müssen / geschweige des jämmerlichen Spectaculs daß man an den elenden Verdamten selbst sahe / derowegen mochte ich nicht länger zusehen / sondern wande mich gegen einem Gebäu / (welches nicht wohl einem weiten Thurn / und auch nicht wohl einem ummaureten engen Ort zuvergleichen war) das zunechst an der Battalia der Kriegsvölcker stunde; Mein Vorwitz trieb mich hinein / zuerkundigen was diß vor ein Ort wehre / da sahe ich sonst nichts als eitel Teuffel darinnen / welche einander peinigten / ausser einem der den Eingang bewarte / und noch eine zimliche menschliche Gestalt an sich hatte; Zu demselben sagte ich: Wie komts doch / daß diese bösse Geister einander selbst so plagen? Haben sie nicht genug an ihrer Verdamnus / daß sie mitten in derselbigen einander so stossen / prüglen / tretten schlagen / abbläuen / unflätige Sachen eingiesen / däumlen / rütteln / knöblen / foltern / sengen / brennen und einander mit mehr dergleichen henckerischen Martern peinigen? Er antwortet mir / jehne so gequält werden / seind / wie du vermeinest / keine böse Geister / sondern Menschen / die in ihren Leben anderer Menschen Teuffel gewesen / und dieselbe / gleichwie ihnen jetzt hier widerfährt / grausammer barbarischer ja ohn Menschlicher Weyse so henckermässig gepeinigt / ja öffters gar ums Leben gebracht haben / Geld und anders aus ihnen zu pressen; Diese seinds die in Recht und Unrechtmässigen Kriegen / in billichen und ohnerlaubten Plünderungen / beydes gegen Freunds und Feinds Underthanen / nicht nur alle Christliche Lieb / sondern auch sonst alles was noch Menschlich an ihnen gewesen / allerdings abgeleget / sich gleichsam in fleischerne Teuffel verändert / und mit ihren mit-Christen und neben Menschen umgangen und gehauset haben / wie die Teuffel selbsten; Derowegen sie auch jetzunder billich in teufflicher Gestalt leyden müssen / ich fragte / wer dann er in jenen Leben gewesen were / daß er hier nur zusehe / und wie mich beduncke / so gar ohn Schmertzen oder leidente Pein da stunde? Ja wohl! ohne Pein / antwortet er: Meine Qual ist grösser als das sie mag ausgesprochen werden / wann du sie gleich nicht siehest / ich aber bin von Jugend auff ein Soldat / und zum allerersten im Krieg ein Rumormeister gewesen; dergestalt / daß ich Ambtshalber vor dergleichen unmenschlichen Verübungen hätte seyn sollen / welches ich aber offtermahl und zwar bisweilen aus Furcht unterlassen und durch die Finger gesehen; und weilen ich mich nicht beflissen / diese Unmenschen durch meine anbefohlene Abstraffung und Disciplin als Menschen zu sehen / sihe so muß ich sie jetzunder als Teuffel sehen peinigen; und wann sie diß Orts ihre Qual ausgestanden / so geben sie mir den Lohn meiner Saumsahl / bey welcher erschrecklichen Execution ich kaum dem hundertsten aus ihnen zu Theil werde; Jch bitte dich / sagte er ferner / unverhalte mir doch nicht / wie es jetzunder in der Welt stehet? Ob es seit dem Teutschen Friedenschluß auch wider Krieg gibt oder nicht? ob man auch noch so Rigerosè darinn verfährt oder nicht? ob man die Soldaten ausbezahlt und gute Kriegs Disciplin hält oder nicht? ob man auch noch Rumormeister / Provosen / Hencker und Steckenknecht braucht oder nicht? oder ob seit besagtem Friedenschluß alles in völligem Frieden blühet / oder ob alles drunter und drüber gehet? Jch antwortet / du kanst selber wohl ermessen / wann der Sancte befestigte Friedenschluß Christlicher Gebühr und aller Völcker Rechten nach auch Sanctè gehalten wird / daß man von keinem Krieg nichts weiß; aber gleichwohl ist man in der Christenwelt ohne gewaltige Armaturen nicht! Sie seynd aber darumb nicht darauff angesehen / daß ein Christlicher Potentat den andern: Ein Christlichs Reich das ander / wie etwan zu deiner Zeit geschehen seyn möchte unterdrucken / bezwacken / schwächen / berauben und einer des andern Vermögen gewaltiglich zu sich reissen wolte; sondern das gantze Christenthumb vor den ausländischen Barbarn / Tartarn / Türcken und dergleichen abgesagten Feinden der Christenheit zu beschirmen / die Länder / so etwan hiebevor den Christlichem Glauben bekennet / oder dem Heil. Röm. Reich unterworfen gewesen / sambt dem gelobten Land wider zum Schaafstall Christi zu bringen / und Summariter der gantzen Welt zu weisen / daß die Christliche Waffen (wie etwan die wenige Waffen Gedeonis) vermittelst der Treu / Lieb und Einigkeit genugsamb seyn / durch Gnad und Beystand ihres allerliebreichsten GOttes / der sie nimmermehr verlässt / vornemlich weil sie so frommiglich leben / die allerschrecklichste Macht ihrer Feinde zu überwinden / und die Ehr des Allerhöchsten Namens bey ihren Halsstarrigen Aberglaubigen Antipodibus auszubreiten; dann wer ein wenig Macht auff der zergänglichen Welt von GOtt zu Lehen bekommen hat / der hat auch den Glauben / daß er solche zu Ehren GOttes anlegen müste / wolle er anders nicht deßwegen künfftig ein schwere Verantwortung sich auffbürden; Jn solcher Meinung / in solchem Vorsatz / zu solchem Ende nun hat man zwar grosse Bereitschafften zum Krieg / und allerseits einen gewaltigen hauffen Völcker beisammen / welche aber also disciplinirt: oder besser zu sagen / aus täglich vor Augen schwebendem Exempel ihrer Feldherrn und Generaln / zur Gottseligkeit also angewöhnet: Ja aus solcher Gewohnheit gleichsamb Naturt seynd / daß du / wann du in ein Quartier oder Feld-Läger kommen soltest / nicht anders vermeinen würdest / als hättest du wo nicht lauter Religiosi, doch wenigst eitel Sancti Georgi und Gesellschafter aus des heiligen Mauritii Legion vor Augen; Jn Summa sie seynd nicht nur allein beschaffen / wie sie der heiligste Johannes Paptistæ zu seiner Zeit beschaffen zu seyn gewünscht und gern gesehen hätte / sondern sie haben auch drüberhin und zum Uberfluß eine solche Begierde in rechtmässigen Kriegen wider die Barbaros vor die Christenheit zu fechten / ihr Blut zu vergiessen / und / wann sie nur die Ehr haben könten / darvor zu sterben / als immermehr einer von den alten Heiligen eine Begierde zur Marter Cron bezeugt haben mag! und dannenhero sihet man unter ihnen keine Gottslästerer / Hurer / Baurenschinder / Spieler / Vollsauffer / Rauber / Frauen oder Jungfrauen-Schänder / sondern ein jeder vom Höchsten bis zum Nidrigsten gehet dem andern mit solchen aufferbaulichen Exempeln vor / daß einer unter ihnen beynahe nicht anderst als Gottselig leben kan; was sie auch vor Arbeiten in Hitz / Frost / Hunger und Durst ausstehen / geschiehet mehr mit einer hertzlichen und willfärigen Freud / als mit einer streittenden Gedult / sindemahl alle nichts anders wünschen / und vorlängst gewünscht haben / als vermittelst Rittermässiger Mühe und Helden-Arbeit etwas unter ihren Fahnen vor die Ehr Gottes zu leiden; massen sich auch keiner mehr / wie in der alten Welt / unter den Waffen wider seinen Mit-Christen / wann es gleich in einem rechtmässigen Krieg seyn solte / gebrauchen lässt; Dahero kommts / daß nur vornemblich die jenige denen das Heil ihrer Seligkeit am eiferigsten angelegen / sich in Kriegs-Dienste begeben / wie etwan vor diesem so gesinnete Leute Mönch und Einsidel zu werden gepflegt; so werden ohne daß nicht mehr wie vor diesem allerley liderliche Leute / als Landstreicher / Storcher / Landsverwiesene / böse Buben und solche die den Eltern und Obrigkeiten kein Gut mehr thun wollen / in Kriegsdienste angenommen / sondern nur solche / die ein Eifer haben vor die liebe Gerechtigkeit zu leiden und zu streitten.

Vermittelst nun dessen / was du von mir gehöret hast / ist die betrangte / vor diesem bey den Griechen und Lateinern so hoch berühmbte Jnsul Creta / jetzo Candia / durch die aller Christlichste Waffen wider den Türcken getreulich entsetzt / zumahlen auch Cyprus und Rhodos / weil es mit Candia so wohl von statten gieng / mit gesambter Europæischer Hand attaquirt und zum Christenthumb gebracht worden / nun wirds dem Hellesponto gelten / umb der Stadt Constantinopel selbst beyzukommen / so seynd auch bereits die Bischoffe von Antiochia / Ascalon / Tripolis / Sidonien / Gaza und andern Orten befelcht / sich zur Reise fertig zu halten / umb sie ehestens widerumb in ihre Bisthümer einzusetzen / wie man dann auch nichts gewissers erwartet / als die Zeitung ehistens zu vernehmen / was massen Franckreich / England und Holland / die Stätte Alexandriam / Smirnam / Damascum und Jerusalem selbst übermeistert und in ihrem gemeinschaftlichen Gewalt haben / anderswerts gegen Mitternacht gehen die Schweden / Polen / Dehnen und Moscowitter gegen die Tartarn deß Türcken Vormaur / seynd auch allbereit so weit kommen / daß sie deren Stärcke nidergerissen / und durch die Progressen ihrer Waffen / den Persianer in ihre Hülffe wider den Turcken bekommen haben / dardurch sie vermeinen gegen dem Frühling dessen Länder bis an das Ost-Jndianische Meer und des grossen Moguls Gebieder Schachmatt zu setzen / von dannenhero die Portugesen und Holländer mit Siegreichen vereinigten Waffen ihnen entgegen rucken / ja man macht allbereit Concepta / wie Japon und China zu Chor zu treiben seye? Und gleich wie alles durch solche Einigkeit und Christliche Treu von dem äussersten Mitternacht bis an die Chinesische Maur / das Caspische und Mittelländische Meer ja weit drüber hinüber wohl von statten gehet / also hatten sich nicht weniger mehr als Rittermässig die Spannier / Portugesen / Engel- und Holländer in Africa / West-Jndien und denen übrigen Ost-Jndianischen Jnsuln und Ländern / dann Candia / sonst Zeilon genant / haben die Portugesen und Holländer vermittelst ihrer Einigkeit überwunden und zum Christlichen Glauben gebracht / man sihet allerdings keinen mehr der sich vor einen Singalen bekennet / die Malobren / Peguaner / Calikeuther und noch wohl andere mehr uns bishieher unbekante Völcker / die bey nahe unter dem Polo Antartico wohnen / haben sich der Christen Einigkeit / ihrer Treu / ihres Gottseligen Seelen-Eifers / und in Summa einer so seltenen in der Welt niemahls erhörten Harmonia dergestalt zu erfreuen / daß die dero Löbl. Einstimmung beypflichten / und ich weiß nicht aus was vor einer verwunderlicher Erstaunung über der Europæer Glück sich ihren als rechtschaffenen alten Christen die GOtt liebt und als seine Außerwehlte Kinder so hoch beseligt / gleichförmig machen! So / daß viel daraus schliessen / weil den alten Propheceyungen nach ein Hirt und ein Schaafstall seyn werde / ehe der Jüngste Tag komme / so seye das End der Welt vorhanden! So hat es nun eine Beschaffenheit umb die heutige Krieg der Christen.

Der / mit dem ich redete / verwundert sich / und sagte / Europa müsse gewaltig an Gelt-mitteln erschöpfft worden seyn / bis man so grosse Armaturen zu Wasser und Land auffgebracht hätte / und weil deren Unterhaltung noch viel mehr koste / könte er nicht fassen / wie die Christliche in vorigen Kriegen erschöpffte Länder solches alles erschwingen könten? Jch antwortet / gleich wie Rom aus einem geringen Anfang durch Tapferkeit und Weisheit groß / und zu einem Haubt der gantzen Welt worden wäre / also hättens die Christen durch Eintracht / Treu / zusammentragende Liebe / vornemblich aber durch ihren Gottseligen Wandel gleich Anfangs so weit gebracht (sintemahlen unmüglich / daß bey einem solchen Christlichen Heer und dessen so heiligem Vorsatz etwas anders als Glück / Heil / Sieg und aller Göttlicher Segen seyn könte) daß sich nunmehr ihre Kriege wider die Unglaubige nicht allein selbst führten und ernährten / sondern auch Europam aus den ausländischen Schätzen von Gold und Silber dermassen bereicherten / als vor Jahren Salomon durch den Frieden und seine grosse Weisheit zu Jerusalem immer gethan / er / sagte ich weiter / hätte gefragt / ob man auch noch seines gleichen Rumormeister / item Profosen / Hencker und Steckenknecht brauche? Er könte aber aus voriger Erzehlung leicht abnehmen / daß man deren gar nicht vonnöhten; man hielte zwar dergleichen / aber nur pro forma, und damit die Regimenter ihre Glieder vollkommen hätten / sie bekämen aber wegen allermänniglichs Wohlverhalten so wenig zu thun / daß sie lauter Feyertäge genössen / und die Hencker / dafern anders noch ihr Orden nicht gar abgienge / ihre Kunst allerdings vergessen müsten.

Jch hatte noch lang mit diesem Kerl gespracht / aber er wurde gehling hinweg gerissen / die Qual außzustehen davon er mir zuvor gesagt; Derowegen gieng ich weiters / und kam vor einen gewölbten Pferdsstall / an welchem ich wegen seiner Länge kein End sehen kunde; Er stund zu beiden Seiten voller Klepper / so woll alte Schind-Merren / als den Ansehen nach feine Junge Stück aus allerhand Nationen; an Statt der Streu unter den Füssen und an statt des Heues in den Rauffen / sahe ich nichts als Feuer-Flammen / welche oben im Gewölbe wie in einem auffs höchst erhitzten Ofen zusammen schlugen; über das stunde hinder einem jeden solchen Roß einer mit einer glühenden Spiesgerten / das Pferd / wie die Pereiter auff Erden zu thun pflegen / zum springen ohne Unterlaß zu nötigen; dannenhero hielte ich diesen Ort gleich vor des Luciferis Marstall / wie ers dann auch eigentlich war; fragte derowegen einen von den abscheulichen Stallratzen die sich dort befanden / und jetzo die Pferde strigeln wolten / zu was End sein Herr so einen Hauffen Pferd hielte / da doch die höllische Geister deren / weil sie selbst geschwind genug währen / gantz nicht bedörfftig; er antwortet mir / diesse Rösser seind auff Erden Weibsbilder gewessen / welche sich durch Wollust und Kützel ihres Fleisches bethören und verführen lassen / das sie ihrer allerdings selbst vergessen und gleichsam wie die Roß und Maul-Thier / in welchen kein Verstand ist / der Unzucht nachgehengt / vornemblich aber denen welche dem höchsten GOtt stäte Keuschheit gelobt sich untergeben und gleichsam zu solchen Ende auff der Streu halten haben lassen; dannenhero werden sie von den unserigen / als hierzu sehr bequeme Rittling / an statt der Pferde gebraucht / wann sie etwann eine Sach auff Erden zu agiren haben / die entweder Prachts oder Betrugs halber fein scheinbarlich und zwar zu Roß zuverrichten vor notwendig geachtet werde; die Pickirer / sagte er ferners / so hinter ihnen stehen und sie mit ihren Spißruten trillen / seind eben die jenige welche diese Vetteln / nach den sie zuvor selbige verführet / in ihrem Leben Caressirt: Und mit ihnen in allem Wollust beydes ihre Gott verlobte Keuschheit Meinäydiger: Und ihr Theil am Himmel leichtfertiger Weiß verschertzet haben; ich fragte den Stallknecht / ob sie sonst auch noch grössere Pein als ihr feuerig Heu und Streu und ihrer bereiter Spießgerten ausstehen müssen? Freylich antwortet er / diß was du sihest / ist noch das Geringste / und zwar viel geringer / als die Qual daß sie nicht wie andere Verdammte in ihrer höchsten Pein eine Jammer-Klag oder ewigs Ach und Weh schreyen können / sintemahl ihnen solches als stummen Rossen nicht gegönnet sey / welches kläglich Geschrey gleichwohl den Verdammten gleich wie den Krancken das ächtzen / etwas Linderung der übergrösten Schmertzen / zubringen pflege / wo nicht in Werck selbsten / doch wenigst in der Einbildung.


 << zurück weiter >>