Franz Grillparzer
Weh dem, der lügt!
Franz Grillparzer

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Verwandlung

Kurzes Zimmer, an der Rückwand eine große bogenförmige Öffnung, daneben links eine kleinere. Beide durch Vorhänge geschlossen. Hart an der letztern eine Seitentüre.

Nach einer Pause guckt Leon durch den Vorhang des kleinen türförmigen Ausschnittes.

Leon (gedämpft).
Hier ist das Zimmer, hab ich recht bemerkt,
Und dort der Raum, wo unser Werwolf ruht.
Schläft er?

(Er setzt einen Fuß ins Zimmer und tritt damit etwas stärker auf, wonach er sich sogleich wieder zurückzieht und verschwindet. Nach einer Weile wieder erscheinend.)

     Er schläft. – Insoweit wär' es gut!
Obgleich mit alledem noch nicht am besten.
Der Schlüssel hängt zu Häupten seines Betts.
Und liegt er gleich in Wein und Schlaf begraben,
So hat das Raubtier doch gar leisen Schlaf,
Wenn's selber wird beraubt. – Jetzt oder nie!
Ein rascher Griff, und alles ist getan.
Erwacht er auch, so hilft ein Lügenkniff.
Doch halt! das hat der alte Herr verboten,
Ob's töricht gleich, höchst albern, lächerlich!
Wie soll man mit den Teufeln fertig werden,
Hilft nicht ein Fund? – Wie immer! sei's gewagt!
(Er hat sich dem Vorhange genähert.)
Wer nur den Schlüssel fänd' beim ersten Griff –
(Horchend.)
Ich hör ihn atmen. Schnarchen, deucht' mich, heißt's.
Ist er so grob, was bin ich denn so sittig?
(Er geht hinter den Vorhang.)

(Edrita erscheint am Eingange der Mittelwand, den Finger auf dem Munde. Sie tritt horchend einige Schritte vorwärts.)

Kattwalds Stimme (hinter dem Vorhange).
Holla. Hallo! Den Schlüssel da –

Leon (ebendort).
     So hört!

Kattwald.
Den Schlüssel, sag ich, gib! Wo ist mein Schwert?
Ich haue dich in hunderttausend Stücke.

Leon.
Hört nur!

Kattwald.
     Du höre, spricht mein Schwert.

(Edrita hat gleich bei den ersten Worten sich nach der Seitentüre links gewendet und in hastiger Eile den Schlüssel aus dem Schlosse gezogen. Jetzt tritt sie damit hinter den Vorhäng der Eingangstüre zurück.)

Leon (hervorkommend).
Nun stehe Gott uns bei! Fort den Verräter!
(Er schleudert den Schlüssel von sich nach der Gegend des Eingangs.)

Kattwald (mit bloßem Schwert ihm folgend).
Heraus mein Schwert! Wo ist der freche Dieb?

Leon (dem Schlüssel nachblickend).
Vielleicht kann ich ihn noch beim Gehn erhaschen.

Kattwald.
Wo ist der Schlüssel, wo?

Leon.
     Ich hab ihn nicht.

Kattwald.
Du nahmst ihn.

Leon.
     Ja, ich nahm ihn.

Kattwald.
          Nun, und wo?

Leon.
Ich warf ihn, Herr, von mir.

Kattwald (zum Stoß ausholend).
     So schaff ihn wieder.

Leon.
Man muß ihn eben suchen.
(Sucht auf der entgegengesetzten Seite.)

Kattwald.
     Such!

Leon (am Boden suchend).
          Hier ist er nicht.

Kattwald.
Ich aber will nicht wissen, wo er nicht,
Ich frage, wo er ist!

Leon (aufgerichtet).
     Das frag ich auch.

Kattwald.
Such! sag ich.

Leon (wieder gebückt).
     Wohl, ich suche.

Kattwald.
          Frecher Bursch!
War das der kecke Spaß, die tolle Kühnheit,
Mit der du dich ins Haus –?

Leon.
     Herr, hebt den Fuß!

Kattwald.
Wozu?

Leon (ihm einen Fuß emporhebend).
     Hier! – ist er auch nicht.

Kattwald.
          Donner!
So machst du dich noch lustig über mich?

Leon.
Man muß doch üb'rall suchen.

(Edrita ist während des Vorigen leise eingetreten, hat den Schlüssel vom Boden aufgenommen, den andern an dessen Stelle gelegt und sich leise wieder entfernt.)

Kattwald.
     Nun wohlan!
Ich zähle: Eins, zwei, drei; und ist beim dritten
Der Diebesschlüssel nicht in meiner Hand,
Fährt dir mein Schwert in deine feisten Rippen.
Eins!

Leon.
     Hört doch!

Kattwald.
          Zwei!

Leon.
               Ihr wollt doch nicht –?

Kattwald (zum Hieb ausholend).
                    Und –

Leon (schreiend).
                         Possen!
(Kaltblütig nach der entgegengesetzten Seite zeigend.)
Wir haben ja dort drüben nicht gesucht.
(Den Schlüssel aufhebend.)
Hier ist das Kleinod ja. Da liegt's am Boden.

Kattwald.
Es war die höchste Zeit. Dir ging's schon nah.

Leon.
Doch ist der Schlüssel leichter, oder wahrlich,
Mir zittert noch die Hand.

Kattwald.
     Dort häng ihn hin.

Leon.
Es ist derselbe Schlüssel nicht.

Kattwald.
     Dort, sag ich!

(Er hat den Vorhang nach einer Seite zurückgeschlagen. Man sieht ein Bette, daneben einen Schemel.)

Leon (zum Boden gebückt).
Man muß den andern suchen.

Kattwald.
     Tausend Donner!
So narrst du mich von neuem? Dort der Platz!

Leon.
Doch wenn's der rechte nicht?

Kattwald.
     Es ist der rechte,
Weil du's bezweifelst grad!

Leon.
     Fast glaub ich's auch.
Liegt doch kein andrer rings herum am Boden.
(Zur Schlafstelle gehend.)
Hier häng ich ihn denn auf.
(Er tut's.)

Kattwald .
     Wo? Zeig die Hände.

Leon.
Hier beide, sie sind leer.

(Der Alte befühlt die Hände.)

Kattwald.
     Wohl.

Leon.
          Dort der Schlüssel.

Kattwald (in die Höhe fühlend, wobei er aufs Bett zu sitzen kommt).
Auch gut.

Leon.
     Nun liegt und schlaft nur aus den Rausch.

Kattwald.
Wie wäre das?

Leon.
     Betrunken seid Ihr, ja!

Kattwald.
Heut schon ich dich.

Leon.
     Weil Ihr mich morgen braucht.
Doch werf ich Gift in alle Eure Brühen.

Kattwald.
Du sollst von allen essen mir zuerst.

Leon.
So eß ich alle auf mit meinem Freund,
Der viel ein größrer Herr in unserm Land
Als Eure rost'gen Gäst' und Sippen alle.

Kattwald (will aufstehen, Leon stößt schnell den Schemel vor seine Füße, so daß er wieder hinsinkt).
Verdammt.

Leon.
     Geduld! Da braucht es schnellre Beine.
Und morgen denkt nur, Herr, Ihr habt geträumt,
Und alles das war nicht. Nun, gute Nacht!
(Zur Türe hinaus.)

Kattwald (sitzend).
Im Grund kann man dem Burschen gram nicht sein.
Er sagt grad alles 'raus und ist gar lustig.
Wär' ich an seiner Statt, ich macht's nicht anders.
Der Schlüssel wieder da und –
(Sein Kopf sinkt herab, auffahrend.)
     Holla, Bursch!
Ja, er ist fort. Ich will von neuem schlafen.
Der Wein ist wirklich etwas schwer im Kopf.

(Er macht halbliegend mit der Schwertspitze den Vorhang los. Dieser fällt zu und bedeckt die Schlafstelle.)


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