Franz Grillparzer
Die Ahnfrau
Franz Grillparzer

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Zweiter Aufzug

Halle wie im vorigen Aufzuge. Dichtes Dunkel.

Jaromir (stürzt herein).
Ist die Hölle losgelassen
Und knüpft sich an meine Fersen?
Grinsende Gespenster seh ich
Vor mir, an mir, neben mir,
Und die Angst mit Vampirrüssel
Saugt das Blut aus meinen Adern,
Aus dem Kopfe das Gehirn!
Daß ich dieses Haus betreten!
Engel sah ich an der Schwelle
Und die Hölle
Hauset drin! –
Doch wo bin ich hingeraten
Von der innern Angst getrieben?
Ist dies nicht die würd'ge Halle,
Die den Kommenden empfing?
Still! Die Schläfer nicht zu stören!
Stille! Wenn sie würden innen
Hier mein seltsames Beginnen!

(An des Grafen Gemach horchend.)

Alles stille.

(An der Türe zur linken Seite des Hintergrundes.)

Welche Laute!
Süße Laute, die ich kenne,
Die ich einzuschlürfen brenne!
Horch! – ha! – Worte! – Ach sie betet!
Betet! – Betet wohl für mich!
Habe Dank du reine Seele! (Horchend.)
»Heil'ger Engel steh uns bei!«
Steh mir bei du heil'ger Engel!
»Und beschütz uns!« – O beschütz uns!
Ja beschütz mich vor mir selber!
O du süßes, reines Wesen!
Nein, ich kann mich nicht mehr halten,
Ich muß hin, ich muß zu ihr.
Will vor ihr mich niederstürzen
Und an ihrer reinen Seite
Ruh' und Frieden mir erflehn!
Ja sie möge über mir
Wie ob einem Leichnam beten,
Und in ihres Atems Wehn
Will ich heilig auferstehn!

(Er nähert sich der Türe; sie geht auf und die Ahnfrau tritt heraus, mit beiden Händen ernst ihn fortwinkend.)

Jaromir.
Ach, da bist du ja du Holde!
Ich bin's Teure, zürne nicht!
Wink mich nicht so kalt von dir,
Gönne dem gepreßten Herzen
Die so lang entbehrte Lust,
An der engelreinen Brust,
Aus den himmelklaren Augen
Trost und Ruhe einzusaugen!

(Die Gestalt tritt aus der Türe, die sich hinter ihr schließt, und winkt noch einmal mit beiden Händen ihm Entfernung zu.)

Jaromir.
Ich soll fort? Ich kann nicht, kann nicht!
Wie ich dich so schön, so reizend
Vor den trunknen Augen sehe
Reißt es mich in deine Nähe!
Ha ich fühle, es wird Tag
In der Brust geheimsten Tiefen
Und Gefühle, die noch schliefen,
Schütteln sich und werden wach. –
Kannst du mich so leiden sehn?
Soll ich hier vor dir vergehn?
Laß dich rühren meinen Jammer,
Laß mich ein in deine Kammer!
Hat die Liebe je verwehrt
Was die Liebe heiß begehrt?

(Auf sie zueilend.)

Berta! Meine Berta!

(Wie er sich ihr nähert, hält die Gestalt den rechten Arm mit dem ausgestreckten Zeigefinger ihm entgegen.)

Jaromir (stürzt schreiend zurück).
Ha!

Berta (von innen).
Hör ich dich nicht Jaromir?

(Beim ersten Laut vom Bertas Stimme seufzt die Gestalt und bewegt sich langsam in die Szene. Ehe sie diese noch ganz erreicht hat, tritt Berta aus der Türe, ohne aber die Gestalt zu sehen, da sie nach dem in der entgegengesetzten Ecke stehenden Jaromir blickt.)

Berta (mit einem Lichte kommend).
Jaromir du hier?

Jaromir (die abgehende Gestalt mit den Augen und dem ausgestreckten Finger verfolgend).
Da! Da! Da! Da!

Berta.
Was ist dir begegnet, Lieber?
Warum starrst du also wild
Hin nach jenem düstern Winkel?

Jaromir.
Hier und dort, und dort und hier!
Üb'rall sie und nirgends sie!

Berta.
Himmel, was ist hier geschehn?

Jaromir.
Ei bei Gott, ich bin ein Mann!
Ich vermag was einer kann.
Stellt den Teufel mir entgegen
Und zählt an der Pulse Schlägen
Ob die Furcht mein Herz bewegt!
Doch allein soll er mir kommen.
Grad als grader Feind. Er werbe
Nicht in meiner Phantasie,
Nicht in meinem heißen Hirn
Helfershelfer wider mich!
Komm' er dann als mächt'ger Riese,
Stahl vom Haupte bis zum Fuß,
Mit der Finsternis Gewalt,
Von der Hölle Glut umstrahlt;
Ich will lachen seinem Wüten
Und ihm kühn die Stirne bieten.
Oder komm' als grimmer Leu
Will ihm stehen ohne Scheu,
Auge ihm ins Auge tauchen,
Zähne gegen Zähne brauchen,
Gleich auf gleich. Allein er übe
Nicht die feinste Kunst der Hölle,
Schlau und tückevoll, und stelle
Nicht mich selber gegen mich!

Berta (auf ihn zueilend).
Jaromir, mein Jaromir!

Jaromir (zurücktretend).
O ich kenn dich, schönes Bild!
Nah ich mich wirst du vergehn
Und mein Hauch wird dich verwehn!

Berta (ihn umfassend).
Kann ein Wahnbild so umarmen?
Und blickt also ein Phantom?
Fühle, fühle ich bin's selber
Die in deinen Armen liegt!

Jaromir.
Ja, du bist's! Ich fühle freudig
Deine warmen Pulse klopfen,
Deinen lauen Atem wehn.
Ja, das sind die klaren Augen,
Ja, das ist der liebe Mund,
Ja, das ist die süße Stimme,
Deren wohlbekannter Laut
Frieden auf mich niedertaut.
Ja, du bist's, du bist's, Geliebte!

Berta.
Wohl bin ich's, o wärst du's auch!
Wie du zitterst!

Jaromir.
Zittern! zittern!
Wer sieht das und zittert nicht?
Bin ich doch nur Fleisch und Blut,
Hat doch keine wilde Bärin
Mich im rauhen Forst geboren
Und mit Tigermark genährt,
Steht auf meiner offnen Stirne
Doch der heitre Name: Mensch!
Und der Mensch hat seine Grenzen!
Grenzen, über die hinaus
Sich sein Mut im Staube windet,
Seiner Klugheit Aug' erblindet,
Seine Kraft wie Binsen bricht
Und sein Innres zagend spricht:
Bis hierher und weiter nicht!

Berta.
Du bist krank, ach geh zurück,
Geh zurück nach deiner Kammer.

Jaromir.
Eher in die heiße Hölle
Als noch einmal auf die Stelle!
Ehrt Ihr so die Pflicht des Hauses
Und des Gastes heilig Recht?
Arglos und vertrauensvoll
Folgt' ich meinem Führer nach
In das weite Prunkgemach.
Müde, ruhelechzend steig ich
Schnell das hohe Bett hinan
Und das Licht ist ausgetan.
Wehend fühl ich schon den Schlummer,
Mild wie eine Friedenstaube
Mit dem Ölzweig in dem Munde,
Über meinem Haupte schweben,
Und in immer engern Kreisen
Sich auf mich herniederlassen.
Jetzo, jetzo senkt sie sich,
Süße Ruhe fesselt mich.
Da durchzuckt es meine Glieder,
Ich erwache, horch und lausche.
Laut wird's in dem öden Zimmer,
Rauschend wogt es um mich her
Wie ein wehend Ährenmeer,
Seltsam fremde Töne wimmern,
Zuckend fahle Lichter schimmern,
Es gewinnt die Nacht Bewegung
Und der Staub gewinnt Gestalt.
Schleppende Gewänder rauschen
Durch das Zimmer auf und nieder,
Hör es weinen, hör es klagen
Und zuletzt in meiner Nähe
Wimmert es ein dreifach Wehe!
Da reiß ich des Bettes Vorhang
Auf in ungestümer Hast;
Und mit tausend Flammenaugen
Starrt die Nacht mich glotzend an.
Lichter seh ich schwindelnd drehen
Und mit tausend fahlen Ringen
Schnell sich ineinander schlingen,
Und nach mir streckt's hundert Hände,
Kriecht an mich mit hundert Füßen,
Fletscht auf mich aus hundert Fratzen.
Und an meines Bettes Füßen
Dämmert es wie Mondenlicht,
Und ein Antlitz tauchet auf
Mit geschloßnen Leichenaugen,
Mit bekannten, holden Zügen,
Ja, mit deinen, deinen Zügen.
Jetzt reißt es die Augen auf,
Starrt nach mir hin, und Entsetzen
Zuckt mir reißend durchs Gehirn.
Auf spring ich vom Flammenlager,
Und durchs flirrende Gemach
Stürz ich fort, der Spuk mir nach.
Wie von Furien gepeitscht
Lang ich an hier in der Halle.
Da hört' ich dich Holde beten,
Will zu dir ins Zimmer treten,
Da verstellt mir – Siehst du? Siehst du?

Berta.
Was Geliebter?

Jaromir.
Siehst du nicht?
Dort im Winkel, wie sich's regt,
Wie's gestaltlos sich bewegt!

Berta.
Es ist nichts Geliebter, nichts,
Als die wilde Ausgeburt
Der erhitzten Phantasie.
Du bist müde, ruh ein wenig,
Setz dich hier in diesen Stuhl.
Ich will schützend bei dir stehn,
Labekühlung zu dir wehn.

Jaromir (sitzend, an ihre Brust gelehnt).
Habe Dank, du treue Seele!
Süßes Wesen, habe Dank!
Schling um mich her deine Arme,
Daß der Hölle Nachtgespenster,
Scheu vor dem geweihten Kreise,
Nicht in meine Nähe treten.
Lieg ich so in deinen Armen,
Angeweht von deinem Atem,
Über mir dein holdes Auge;
Dünkt es mich auf Rosenbetten
In des Frühlings Hauch zu schlummern,
Klar den Himmel über mir.

(Der Graf kömmt.)

Graf.
Wer ist hier noch in der Halle?
Berta, du? Und ihr?

Berta.
Mein Vater! –

Jaromir.
Weiß ich doch kaum was ich sagen,
Weiß kaum wie ich's sagen soll.
Töricht werdet Ihr mich nennen,
Und fast möcht' ich's selber tun,
Fühlt' ich nicht im tiefsten Innern
Jede meiner Fibern beben,
Beben, ja; und Ihr mögt glauben,
Es gibt Menschen, welche leichter
Zu erschüttern sind als ich.

Graf.
Wie versteh ich? –

Berta.
Ach, so hört nur,
Oben in der Erkerstube
Hatte man ihn hingewiesen.
Schon senkt schlummernd sich sein Auge,
Da erhebt sich plötzlich –

Graf.
Ah!
Zählt man dich schon zu den Meinen?
Ist's in jenen dunkeln Orten
Also auch schon kundgeworden
Sohn, daß du mir teuer bist.
Warum kamst du auch hierher!
Glaubtest du, getäuschter Jüngling,
Wir hier feiern Freudenfeste?
Sieh uns nur einmal beisammen
In der weiten, öden Halle,
An dem freudelosen Tische;
Wie sich da die Stunden dehnen,
Das Gespräch in Pausen stockt,
Bei dem leisesten Geräusche
Jedes rasch zusammenfährt,
Und der Vater seiner Tochter
Nur mit Angst und innerm Grauen
Wagt ins Angesicht zu schauen,
Ungewiß, ob es sein Kind,
Ob's ein höllisch Nachtgesicht
Das mit ihm zur Stunde spricht.
Sieh, mein Sohn, so leben die,
Die das Unglück hat gezeichnet!
Und du willst den mut'gen Sinn,
Willst die rasche Lebenslust
Und den Frieden deiner Brust,
Köstlich hohe Güter, werfen
Rasch in unsers Hauses Brand?
O mein Kind, du wirst nicht löschen,
Wirst mit uns nur untergehn.
Flieh, mein Sohn, weil es noch Zeit ist:
Nur ein Tor baut seine Hütte
Hin auf jenes Platzes Mitte,
Den der Blitz getroffen hat.

Jaromir.
Möge was da will geschehn,
Ich will Euch zur Seite stehn,
Muß es, mit Euch untergehn!

Graf.
Nun wohlan, ist das dein Glaube,
So komm her an meine Brust
So, und dieser Vaterkuß
Schließt dich ein in unsre Leiden,
Schließt dich ein in unsre Freuden.
Ja in unsre Freuden, Sohn,
Ist kein Dorn doch also schneidend,
Daß er nicht auch Rosen trägt.

(Der Alte setzt sich, von Jaromir und Berta unterstützt, in den Stuhl. Die beiden stehen Hand in Hand vor ihm.)

So, habt Dank, habt Dank, ihr Lieben! –
Seh ich euch so vor mir stehen,
Mit dem freudetrunknen Auge,
Mit dem lebensmut'gen Blick,
Will die Hoffnung neu sich regen,
Und erloschne, dunkle Bilder
Aus entschwundnen, schönern Tagen
Dämmern auf in meiner Brust.
Seid willkommen Duftgestalten,
Froh und schmerzlich mir willkommen!

(Er versinkt in Nachdenken.)

Jaromir.
Berta, sieh doch nur, dein Vater!

Berta (mit ihm etwas zurücktretend).
Laß ihn nur, er pflegt so öfter
Und sieht ungern sich gestört.
Aber, Lieber, sei vergnügt!
Sieh, mein Vater weiß schon alles.

Jaromir (rasch).
Alles?

Berta.
Ja, und scheint's zu bill'gen!
Heute nur – er war so gut,
Ach so gut, so mild und sanft.
Sanfter, gütiger als du,
Der du kalt und trocken stehst,
Während ich nicht Worte finde,
Für mein Fühlen, für mein Glück.

Jaromir.
Glaube mir –

Berta.
Ei, glauben, glauben!
Besser stünd' es dem zu schweigen,
Der nicht weiß wie Liebe spricht:
Kann der Blick nicht überzeugen,
Überred't die Lippe nicht.
Sieh, man hat mir wohl erzählet,
Daß es leichte Menschen gebe,
Deren Liebe nicht bloß brennt
Auch verbrennt, und dann erlischt:
Menschen, die die Liebe lieben,
Aber nicht den Gegenstand;
Schmetterlinge, bunte Gaukler,
Die die keusche Rose küssen,
Aber nicht weil sie die Rose,
Weil sie eine Blume ist.
Bist du auch so, Stummer, Böser?

(Vom Nährahmen eine Schärpe nehmend.)

Ich will dir die Flügel binden,
Binden – binden Trotz'ger – binden
Daß kein Gott sie lösen soll!

Jaromir.
Süßes Wesen! –

(Sie bindet ihm die Schärpe um.)

Graf (hinüberblickend).
Wie sie glüht!
Wie es sie hinüberzieht!
Aller Widerstand genommen
Und im Strudel fortgeschwommen.
Nun Wohlan, es sei! Der Himmel
Scheint mir selbst den Weg zu zeigen,
Den ich wandeln soll und muß.
Stemmt gleich manches sich entgegen,
Glimmt gleich in der tiefsten Brust
Noch verborgen mancher Funke
Von der einst so mächt'gen Glut.
Töricht Treiben! Eitles Trachten!
Der Palast ist eingesunken,
Kaum noch geben seine Trümmer
Eine Hütte für mein Kind.
Wohl es sei! Ach wie so schwer
Lösen sich die Hoffnungen,
In der Jugend Lenz empfangen,
Holde Zeichen, eingegraben
In des Bäumchens frische Rinde,
Aus des Alters morscher Brust.
Als sie mir geboren ward
Und vor mir lag in der Wiege
Freundlich lächelnd, schön und hold,
Wie durchlief ich im Gedanken
Die Geschlechter unsers Landes,
Sorgsam wählend, kindisch suchend
Nach dem künftigen Gemahl.
Fand den Höchsten noch zu niedrig,
Kaum den Besten gut genug:
Damit ist's nun wohl vorbei!
Ach, ich fühl es wohl, wir scheiden
Kaum so schwer von wahren Freuden,
Als von einem schönen Traum!

Berta (an der Schärpe musternd).
Halt mir still, du Ungeduld'ger!

Graf.
Und ziemt mir so ekles Wählen?
Wenn es wahr was er gesprochen,
Was im Nebel der Erinnrung
Aus der fernen Jugendzeit
Unbestimmt, in sich verfließend
Meine Stirn vorüberschwebt;
Wenn sie wahr die alte Sage,
Daß der Name, den ich trage,
Der mein Stolz war und mein Schmuck,
Nur durch tief geheime Sünden –
Fort Gedanke! – Ha, und doch, und doch!

Berta (ihr Werk betrachtend).
So nun steht es schön und gut.
Aber nun sei mir auch freundlich,
Daß mich nicht die Arbeit reue!

Graf.
Jaromir!

Jaromir (aufgeschreckt).
Was! – Ihr Herr Graf!

Graf.
Noch bist du uns Kunde schuldig
Von den Deinen, deiner Abkunft.
Jaromir von Eschen heißt du,
Fern am Rhein wardst du geboren,
Dienste suchst du hier im Heer,
So erzählte mir mein Mädchen,
Aber weiter weiß ich nichts.

Jaromir.
Ist doch weiter auch nichts übrig.
Mächtig waren meine Ahnen,
Reich und mächtig. Arm bin ich.
Arm, so arm, daß wenn dies Herz,
Ein entschloßner kräft'ger Sinn
Und ein schwergeprüfter, doch vielleicht
Grade darum festrer Wille
Nicht für etwas gelten können,
Ich nichts habe und nichts bin.

Graf.
Du sagst viel mit wenig Worten.
Also recht! Du bist mein Mann!
Sieh, mein Sohn, ich bin ein Greis.
Die Natur winkt mir zu Grabe,
Und ein dunkel, dumpf Gefühl
Nennt mir nah des Lebens Ziel.
Nie hab ich dem Tod gezittert,
Und auch jetzt schreckt er mich nicht.
Doch dies Mädchen, sie mein Kind.
Könntest du in meinen Tränen,
Hier in meinem Herzen lesen
Was sie alles mir gewesen,
Du verstündest meinen Schmerz.
Daß ich sie allein muß lassen
In der unbekannten Welt,
Macht dem Tode mich erblassen,
Das ist's was so tief mich quält.
Sohn, auf dich ist ihrer Neigung
Schlaferwachtes Aug' gefallen;
Du weißt ihren Wert zu schätzen,
Weißt zu schützen was dir wert;
Du gabst einmal schon dein Leben
Und wirst's freudig wieder geben,
Wenn das Schicksal winkt, für sie.
Dir vertrau ich dieses Kleinod,
Sohn du liebst sie?

Jaromir.
Wie mein Leben!

Graf.
Und du ihn?

Berta.
Mehr als mich selbst.

Graf.
Mög' denn Gottes Finger walten!
Nimm sie hin, die du erhalten!

(Schläge ans Haustor.)

Graf.
Was ist das? – Wer naht so spät
Noch sich dieses Schlosses Toren!

Berta.
Gott, wenn etwa –

Graf.
Sei nicht kindisch.
Glaubst du wohl, verdächtig Volk
Wage sich an feste Schlösser,
Wohlverwahrt und wohlbemannt.

Günther (kömmt).
Herr, ein königlicher Hauptmann
An der Spitze seines Haufens
Bittet Einlaß an der Pforte.

Graf.
Wie? Soldaten?

Günther.
Ja, Herr Graf.

Graf.
Weiß ich gleich nicht was sie suchen,
Öffne ihnen schnell die Pforten,
Stets willkommen sind sie mir.

(Günther geht.)

Graf.
Was führt den hierher zu uns?
Und in dieser Stunde? Gleichviel.
Wird doch seine Gegenwart
Wohl die Stunden uns beflügeln
Dieser peinlich langen Nacht.

Berta.
Jaromir, geh doch zu Bette.
O du bist noch gar nicht wohl!
Sieh, ich fühl's an diesem Zucken,
An dem Stürmen deiner Pulse,
Daß du krank, bedenklich krank!

Jaromir.
Krank? ich krank? Was fällt dir ein!
Stürmen gleich die raschen Pulse,
Grad im Sturme ist mir wohl!

(Günther öffnet die Türe. Der Hauptmann tritt ein.)


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