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Auf Rosebabisegg war ein grosses, schönes Heimwesen, ein guter Bauer, viel Arbeit, viele Kinder, darunter mehrere Töchter, welche gerne zu Bäuerinnen geraten wären, begreiflich. Dass eine Bäuerin eine ganz andere Kreatur ist, als nur so eine Base oder Gotte, ist schon vorher bemerkt worden. Die Mädchen waren auch wie zu Bäuerinnen express gemacht, gesund, arbeitsam, gescheit in ihrem Bereich, braven Leibes, etwas braun von Angesicht, deswegen böse Zungen sie «Rosebabis Bränten» nannten. Daneben waren sie seltsamer Art, welche Art man da findet, wo die Berührung mit Menschen selten, fast nur zufällig ist. Sie waren scheu und wild wie Rehe und konnten hinwiederum derb und rücksichtslos handeln wie Mannevolk; sie waren misstrauisch, schienen zuweilen fast einfältig und konnten offen sein, dann merkwürdig schlau dem Teufel eben, fast wie gebildet. Es waren gute Naturen, die aber den Schliff der Welt noch nicht hatten, ihr Betragen war eben kein gleichförmiges. Ihre Aussichten waren nicht glänzend; unter ihrem Stande hätten sie Männer genug gefunden, an jedem Finger einen, aber standesgemäss, selb hatte eine Nase. Im Emmental erbt der jüngste Sohn den Hof, die andern erhalten, was Gottes Wille ist; indessen hat es jetzt darin bedeutend gebessert. Zudem war's zweifelhaft, ob ein Tochtersmann den Erbfall erlebe vor dem jüngsten Tage. Die Eltern waren im besten Alter, und die Grosseltern lebten noch. Das sind so Dinge, von denen man um so weniger spricht, je mehr man sie berücksichtigt; denn es ist richtig, wie der Guggisberger sagte: «Ihr Herre, das sy wüest Sache, m'r wei lieber schwyge d'rvo.»

An einem schönen Herbstsonntage hatten sie auf Rosebabisegg viel Besuch gehabt. Verwandte, Gespielen, hatten brav Kaffee getrunken, brav Küchli gegessen und geschwatzt am allerbrävsten. Natürlich war bei allem Geschwätz der Michel obenauf geschwommen wie eine Fliege auf der Milch. Die letzte Huttwyler Bataille wurde erzählt auf so viele Weisen, als Personen da waren, und jede war immer gräulicher als die andere; es fehlte nicht viel daran, dass das endliche Resultat das gewesen, dass der Hund sieben Personen gefressen und Michel die andern. Dann erzählte man auch von den übrigen Geschichten, was man wusste, war darin einig, dass da ein Spiel getrieben werde; aber darüber stritt man sich, ob Michel bloss alle zum besten halten wolle und express den Narren mache, oder ob er ernstlich heiraten wolle, aber von Natur so tun müsse, dass es allen graue vor ihm und keine ihn möge, oder ob da sonst noch was im Spiel sei. Die Mehrzahl ward einig, er sei halt ein Fülli und tue kalberochtig, dass es kei Gattig heig und man bei ihm des Lebens nicht sicher sei. Da sei es kein Wunder, dass kein Meitschi ihn möge, gäb wie reich er sei; was nütze einem der Reichtum, wenn man e Hung vo Ma heig, der eim z'Tod quäle? Andere meinten, sövli e Grüsel glaubten sie nit, dass er syg, aber e Wunderliche und Misstreue, er well nume probiere, was eini erlyde mög, und wenn eine den rechten Verstand habe, so könne sie mit dem fahren wie Schnupf. So ward diskutiert, bis man auseinanderging und zwar in allem Frieden.

Den Gesprächen hatte eine von den «Rosebabis Bränten» mit besonderer Aufmerksamkeit zugehört. Es war Mädi, die älteste und bedeutendste der Schwestern. Gross, schlank, mit wilden kühnen Augen, welche ein milder und schalkhafter Mund gutmachte, sonst hätte man sich fast fürchten müssen. Es dünkte Mädi, es wäre Zeit, den andern Platz zu machen; je mehr jüngere nachwüchsen, desto böseres Spiel hätten die ältern. Als Mädi abends mit einer Schwester in ihrem Gaden allein war, sagte Mädi zu derselben: «Wenn ich nur mit dem zusammenkommen könnte, den wollte ich bekommen und Knubelbäuerin werden, so gewiss als heute Sonntag ist!»

«Bist e Narr!» sagte Rösi, die Schwester. «Du wirst doch nicht dran sinnen; ehe ich den möchte, wollte ich lieber mit dem Säckli dem heiligen Almosen nach oder Kapuziner werden zu Solothurn im Kloster. Das war doch noch was anderes, als bei dem Utüfel lebig vom Hung g'fresse z'werde oder müesse z'v'rhungere, wie sie säge, dass er ihnen es gemacht; aufstellen lassen was auf den Tisch mochte, und er und der Hung alles alleine gefressen und den Meitschene nichts gegeben. Ich stünde das auch nicht aus, wenn es mir einer so machte; entweder finge ich an zu plären oder der Zorn käme über mich und weiss Gott, was ich täte!»

Mädi lachte und sagte: «D'Sach ist nicht halb so bös, als man meint; ich glaub', ich sei ihm über d'List gekommen, und wollte ihm zeigen, wer schlauer sei, ich oder er. Und wenn ich ihn hätte, wollte ich ihn schon dressieren; es ist schon manches strübere Kalb, als er ist, gelecket worden.»

«Pfi Tüfel, wer möchte e seilige Uflat lecke?» sprach Rösi.

«He», sagte Mädi, «das ist nit halb so eine wüste Sache; mir wär's die rechte, wenn ich es dazu brächte, ich begehrte nichts Besseres. Er ist ein hübscher Bursche, von den brävsten einer, und wenn der eine rechte Frau bekommt, so gibt das einen rechten Mann ab, einen Chorrichter oder gar einen Weibel, zähl darauf!»

«Wie kannst das sagen? So einer mit Haar wie Besestiele, Auge wie Pflugsrädli, e Nase wie eine Leberwurst, es Mul wie ein Schüttstein, e Hals wie e Muni und e Gring wie ein Kohlhaufe, es selligs Unghür ume az'luege, muss man ja in einen Grusen kommen!»

Da lachte Mädi und sagte, es hätte ihn gesehen und gar keinen Gruse empfunden, sondern gedacht, wenn es den kriegen könnte, den möchte es, an dem könnte man tapfer hobeln und bliebe doch immer noch ein braver Rest. Es hätte ihns bloss bös gemacht, dass er nichts von ihm gewollt; gedacht habe es: «Wart du nur, es müsste nicht zu machen sein, sonst treibe ich es dir ein!» Nachdem Mädi dem verwunderten Rösi kundgetan, wie und wo es den Michel gesehen, und wie er einer sei, begann Rösi Mädi zu fassen, und sie verweiseten scharf, wie es wohl anzukehren sei, dass Mädi einberufen werde zu einer Zusammenkunft. Rösi meinte erst, d's Best wäre, Mädi käme einmal wie von ungefähr auf den Knubelhof, entweder als verirrt oder nach etwas fragend, nach Ferkeln zum Beispiel oder nach einer Magd, die hier sein solle, mit einem wunderlichen Namen, wie er weder im Himmel noch auf Erden zu finden sei, oder solle geradezu z'Dorf gehen und kramen; mit einem Zuckerstöcklein und einem halben Pfund Kaffee habe man schon grosse Dinge gezwängt. Aber das wollte Mädi nicht. So z'Haus und z'Heim laufen tue es keinem, es möchte sich nicht so grob abfertigen lassen wie ein Taunermeitli. Z'mache, was man könne, sei erlaubt, nur müsse man machen, dass es niemand merke; z'nötli tue komme niemals gut. Es war also die Frage die, wie man es andrehen könne, dass Michel selbst Bescheid mache und eine Zusammenkunft anstelle. Die Hauptsache war also die, eine vertraute Mittelsperson zu finden, welche Michels Aufmerksamkeit auf die «Rosebabis Bränten» lenke. Das war schwer; die gemeinschaftlichen Bekanntschaften mussten selten sein, da der Knubel und Rosebabisegg ziemlich weit auseinanderlagen, und nicht einer jeden konnte man sich anvertrauen, das begreift sich leicht.

Damals lebte eine Frau ihre schöne Zeit, wenn sie auch nichts weniger als schön war. Es war eine hagere, rührige, aber von je etwas seltsame Frau, die offenbar in ihrer Jugend in der Fremde gewesen war und jetzt in dem seltsamen Rufe stand, mit Napoleon in näherer Verbindung zu stehen und von ihm als Hauptspion gebraucht zu werden. Sie verschwand wirklich zuweilen, und namentlich zu Kriegszeiten, auf längere Dauer; ward nirgends mehr gesehen. Dann erschien sie plötzlich wieder und hausierte mit wohlriechenden Seifen und Wassern und möglicherweise auch mit verbotenen Heilmitteln und andern Dingen. Auskunft, wo sie gewesen, erhielt man keine von ihr, sie redete seltsame Dinge, wodurch sie aber eben den Anstrich einer, geheimnisvollen Person erhielt, welcher bei dem Volke allezeit ein gewisses Ansehen sichert. Sie war auch lieber bei Gastfreunden als in Gasthäusern übernacht, bat auch in ihren schönen Zeiten sicher nie vergeblich um ein Nachtlager. Sie war eine schlaue Person und schon gar mancher Bäuerin mit gutem Rate wohlgekommen. Sie hatte sich lange nicht mehr gezeigt, man dachte kaum mehr an sie; plötzlich erschien sie eines Abends auf Rosebabisegg.

Die Ueberraschung war gross, und Mädi konnte sich nicht enthalten, es als eine Fügung der Vorsehung zu betrachten, dass diese Frau gerade jetzt wieder erscheinen müsse, wo guter Rat ihm so nötig war. Es besann sich also nicht lange, sie zur Vertrauten zu machen. Sobald sie im Bette war, schlich es zu ihr und eröffnete ihr, wie es ihm darum zu tun wäre, Knubelbäuerin zu werden, und wie es dies nicht anzustellen wüsste. Wenn es aber zu einer Zusammenkunft es bringen könnte, wäre es seiner Sache gewiss. Dem wollte es es schon treffen, dass er überzeugt würde, es sei die Rechte. Es wollte ihm alles abgucken und immer tun, wie er tue, er möge so ungattlich sein, wie er wolle; da könnte es ihm nicht fehlen.

Die Frau nahm Interesse an der Sache; das war nicht so ein gewöhnlicher Handel, sondern ein verwickelter, wo es sich schon lohnte, nachzudenken und Versuche anzustellen. «Bin auf dem Knubel auch schon gewesen», sagte sie; «sind nicht böse Leute, soviel ich weiss. Nicht ganz wie andere Leute; aber weiss man solchen einmal den Trapp, so fährt man gerade mit solchen am besten, sie schenken einem unbedingtes Zutrauen, man kann mit ihnen machen, was man will. Zähl auf mich, Meitschi; was ich machen kann, tue ich, mehr kann ich dir nicht sagen. Aber dann vergissest du mich auch nicht! Jetz geh' ins Bett; gute Nacht, Knubelbäuerin!»

Nicht lange darauf erschien die Frau, welche auf dem Wege sich über Michel und seine Vorgänge so gut als möglich ins klare gesetzt, auf dem Knubel. Anni war sehr traurig, die Geschichten alle hatten es angegriffen; die Frau kannte es kaum mehr. «Ach, was soll ich mit Schmöckwasser?» sagte Anni. «Ich habe die letzte Zeit zu schmöcken gehabt, mehr als mir lieb ist; ich habe die Nase voll, ich brauche nicht express noch Schmöckwasser!» Als die Frau teilnehmend nach der Ursache von Annis Missmut fragte, sagte Anni: «He, stell' du dich nicht, als wenn du nicht wüsstest, in was für einem Verdruss wir sind; sie werden dir schon in allen Häusern davon brichtet haben, machen sie nicht das Land auf, das Land ab einen Lärm vom Tüfel! Es ist, als wenn sie von niemanden mehr zu brichten wüssten, als von meinem Michel; es ist, als ob noch nie ein Mensch auf d'Wybig gegangen sei. So übel ergangen, selb ist wahr, ist es my Seel noch keinem!» Nun erzählte es doch der Frau trotz der Voraussetzung, dass sie alles wüsste, alles wieder, jammerte dann bitterlich, wie es jetzt mit Michel zweg sei; der wolle für d's Tüfels Gewalt kein Bein mehr machen und um eine aus; er habe genug den Narren gemacht, und er sehe schon, wie es mit dem Weibervolk sei. Er sage, es sei freilich über verschiedene Leisten gemacht, grösser und kleiner, aber doch alles vom gleichen Leder, wo o nit e Tüfel wert syg; er möge gar nichts mehr von dem Zeug wissen, er wollte, sie müssten es haben wie die Käfer und zwei Jahre im Boden sein, und nur im dritten könnten sie einige Wochen fliegen zwischen Tag und Nacht. «Siehe, so redet er, es drückt mir fast das Herz ab, ich weiss meines Lebens gar nichts mehr anzufangen; das Beste wird sein, ich lasse ihn d'Sach vertublen; ist's so lang däweg gange, so cha's no es Wyltschi so laufe, es chunt de öppe vo selber zum Guete!»

«D'Sach ist lätz», sagte die Frau; «we's wittere will, gah d'Vögel z'Schärme; d'Mönsche sötte es Byspiel näh. Du weisst, ich komme weit herum und weiss manches, was nicht alle wissen: es gibt einen grausamen Krieg, wie noch keiner war auf Gottes Erdboden; alles, was ledig ist, muss auf die Beine. Drinnen in Frankreich ist der Jammer schrecklich, d'Hürate sind verböte; da haue Vater und Mutter den Buben Arme und Beine ab, dass sie können daheimbleiben, weil sie nicht mehr marschieren können; bis z'hinderst in der Welt soll alles sein werden. Da wär's doch gut, Michel nähmte eine Frau schleunig, sonst muss er mit, es wäscht ihm's d'r Rhin nit ab; es heisst, der Befehl, die Leute aufzubieten, sei schon auf dem «Wege, die nächsten Tage werde ihn der Landammann in Bern bekommen.»

Da schlug Anni die Hände über dem Kopfe zusammen, und hoch über die Hände ging noch sein Jammer. Jetzt, was machen! Was Michel einmal im Kopfe habe, habe er nicht in den Füssen, das habe es mehr als hundertmal erfahren, sagte Anni, und er habe sich verredet und verschworen, er lasse kein Mädchen mehr irgendwohin kommen; man habe ihn nur zum besten, und im Sack wolle er die Katze auch nicht kaufen. Da wisse es sich nicht zu helfen.

«Hat er sich noch nie wahrsagen lassen?» fragte die Frau.

«Nein», sagte Anni, «warum fragst?»

«Ho», sagte die Frau, «da bekommt man oft die allerbeste Anweisung, ob man eine finde, und wo man zur Rechten komme.» Nun erzählte sie eine Menge Beispiele von Heiraten, welche durch die Wahrsagerei zustande gekommen und sämtlich auf das allermerkwürdigste und allerglücklichste.

«Dass mir das nicht in Sinn kam!» sagte Anni; «ich halte viel auf der Sache, aber hier in der Nähe kann es niemand recht. Es kamen mir einmal alle Hühner fort, da hätte ich wissen mögen, wer es getan; ich musste vier Stunden weit schicken zu einer, welche es konnte. Die konnte punktum sagen, wie es der Schelm gemacht oder die Schelme, denn es seien zwei gewesen, einer habe gezündet, der andere die Hühner genommen; konnte sagen, wo sie verkauft wurden, und dass der Hauptschelm eine weisse Kappe auf dem Kopfe gehabt und kurze Hosen, akkurat wie ein Hühnerträger, dem alles wohl bekannt war. Wenn Michel wollte, mir wäre es das Rechte, so hätte doch einmal das Gestürm ein Ende, und man käme endlich aus der Leute Mäuler.»

«Da lass mich nur machen», sagte die Frau, «dem will ich Beine machen, dass er den Tag nicht erwarten mag, bis er gehen kann.»

Richtig, sie verstand's; als das Abendessen alle vereinigte und nach demselben gerüstet wurde, was den folgenden Tag gekocht werden sollte, da erzählte die Frau, wie das Kriegen gehe. Sie schilderte, wie in den Schlachten die abgeschossenen Köpfe umherflögen wie bei uns im Winter die Schneeflocken, wie zuweilen halbe Regimenter ineinandergepresst ohne Kopf noch eine halbe Stunde stehen blieben, bis endlich einer hier ausfalle, der andere dort aus, wie ganze Reihen dalägen ohne Beine, alle noch lebten und nicht sterben könnten, wie aus aufgerissenen Bäuchen die Rosse den Hafer frässen alswie aus Krippen. Was das für ein Geschrei und ein Geheul sei auf einem Schlachtfelde, wenn die Schlacht vorüber, weit schrecklicher als der Kanonendonner und das andere Gerassel, denn da sei ein Elend; wer es einmal gesehen, der vergesse es sein Lebtag nicht wieder, alle Nächte komme es ihm im Traume vor. Doch solange noch Leben da sei, sei es nichts; aber wenn einmal alles tot und verscharret sei, da erst werde es lebendig auf einem Schlachtfelde; da stiegen nachts die Krieger aus der Erde und suchten ihre verlorenen Glieder, ihre Köpfe, Beine, Arme, Augen, ihr Gekrös und anderes Eingeweide; wo sie Knochen und anderes fänden, da haschten sie darnach und manchmal zwei und drei und mehr nach einem Bein oder Schädel und stritten sich darum, und wer das Bein hätte, schlüge damit drein; so sehe man eine neue grausige Schlacht, bis gegen Morgen, dass der Hahn krähe.

Das fuhr den Leuten, welche Aepfel und Bohnen rüsteten, kalt den Rücken auf; sie meinten, das sei doch das Schrecklichste von allem, wenn man nicht einmal Ruhe im Grabe hätte, sondern allnächtlich noch um sein verlorenes Gebein kriegen müsste. Dann erzählte die Frau weiter, wie das alles noch gar nichts sei gegen die Beschwerden eines Marsches ohne Brot, ohne Wasser in einer Hitze, wo in den Uniformen die Knöpfe schmelzen, wo man bei lebendigem Leibe langsam austrockne, bis kein Tröpflein Blut mehr in den Adern sei und man ganz brandschwarz am Wege liegen bleibe, als wäre man in der Hölle selbst gesotten und gebraten worden. «Wer das übersteht und nach Spanien kommt lebendig, der kann sich in acht nehmen, nicht der hundertste kommt davon; in Wein und Brot ist Gift; wer davon bekommt, den wirft es zu Boden, dreht ihn um und um, sprengt ihn hoch vom Boden auf, schlägt ihn nieder, bis es ihn endlich versprengt, manchmal mit einem Knall wie aus einer Kanone. Und wer nachts sich niederlegt, um zu schlafen, unter dem senkt sich der Boden, denn es ist dort fast alles unterhöhlt, und er fällt in die unterirdischen Gewölbe, wo er entweder zu kleinen Stücken langsam zerhackt wird oder aber den Hungertod sterben muss. Ja, so ist's zweg», fuhr sie fort, «wer in den Krieg kommt, und das wird noch mancher erfahren; Napoleon will erst jetzt recht anfangen und zeigen, wer Meister ist. Alles, was ledig ist, muss marschieren, da ist nicht Gnad', nicht Pardon, und dann kann einer sehen, ob er wieder zurückkommt!»

Nun, man wird gestehen müssen, das war ganz artig eingeheizt und vollkommen hinreichend, die Wärme, welche zum Heiraten notwendig ist, hervorzubringen. Michel wurde ganz tiefsinnig, und Sami sagte, das Ding gruse ihm, er werde auch dran hin müssen und eine suchen; es sei ihm zwar zuwider; komme der Meister zu keiner Rechten, wie solle dann der Knecht eine finden? Aber gehe es, wie es wolle, so zerhacke ihn doch keine zu kleinen Stücken, dazu wollte er doch auch noch ein Wort sagen, und keine schiesse ihm den Kopf ab.

Als am Morgen die Frau fort wollte, gab ihr Anni ein schönes Trinkgeld und sagte: «D'Sach ist guet; Michel hat diesen Morgen schon gesagt, z'letzt frag' er allem nichts nach und nehme die erste beste von der Gass. Selb habe ich ihm ausgeredet und vom Wahrsagen gesagt; es ist ihm ganz recht, er hält etwas darauf wie wohl jeder, der noch was glaubt. Wo könnte er hin, da die Sache recht verrichtet würde?» Darauf gab die Frau einen im Fluhgraben an; das sei der Meister, sagte sie, er könne es beidweg, er sehe d'Sach im Wasser und in den Karten.

Michel liess den Handel nicht an die Pfanne backen; er hatte keine Nacht Ruhe, bald fühlte er seinen Kopf fortfliegen, bald lag er schwarz wie der Teufel an der Strasse, und seine Uniformknöpfe brannten lichterloh. Er machte sich auf nach dem Fluhgraben und Sami mit. Es nehme ihn auch wunder, sagte der, ob nicht in irgendeiner Ecke eine für ihn gewachsen sei, öppe kei Uflat und nit ganz e Blutti.

Der Mann, welcher die Kunst verstand, war ziemlich alt, hatte eine spitze Nase, auf welcher eine Brille sass. «Was willst?» fragte er Michel, der sich vorangestellt. «Wahrsagen lassen», sagte Michel; «du sollst bös (gross) drin sein.»

«Was willst wissen?» fragte der Mann.

«He, lue, das werde ich dir nicht zu sagen brauchen», anwortete Michel.

«Jaso», sagte der Mann, der nun schon wusste, woran er war; «bist du deren einer?» Mit einigen Zeremonien stellte er eine weisse Flasche mit Wasser vor sich, sah hinein und sagte endlich: «Möchtest weiben, und bist noch nicht an die Rechte gekommen; ein paar haben es dir wüst gemacht, hättest bald einen Schuh voll herausgenommen; jetzt weisst nicht, woran du bist, und es sollte doch eine sein, es wäre dir drum.»

«Aber», fragte Michel ganz erstaunt, «woher weisst du das?»

«He, da im Wasser ist's ganz deutlich», antwortete der Mann.

«Aber ich sehe ja gar nichts», sagte Michel; «es wird in der Brille sein?»

«Probier!» sagte der Alte. Mit grosser Mühe klemmte sie Michel auf seine breite Nase und guckte mit offenem Munde in die Flasche; aber Wasser blieb Wasser, und weiter sah er nichts. Da kriegte er Respekt und sein Glaube ward gross. «Ja, du hast recht», sagte er; «es ist mir bös ergangen und d'Sach erleidet, und doch sött eini sy. Aber es ist m'r erleidet, deretwege e Tritt z'versetze; es ist immer alles unter den Leuten und d's Gspött hat man bar.»

«Du musst doch!» fuhr der Mann in seiner Beschauung des Wassers fort; «aber ich glaube, es komme dann gut; doch tu', was du willst! Sieh, da ist ein Weg, der Weg führt gegen Sonnenmittag, er ist lang, geht durch Berg und Tal an eine Bergseite; hoch oben in einem Boden, da sehe ich ein Bädli. Allem an ist's d's Kuttlebad, du weisst es ist es berühmtes Ort; da sehe ich Meitli, zwei, sie kommen aus dem Bad. Die Leute sind gsunndiget, es wird Sonntag sein; es düecht mich, es kommen noch andere Leute, aber erkennen mag ich es nicht recht. Da geht ein Weg wieder fort fast gegen Sonnenaufgang; auf dem gehen die Meitli fort und zwei bei ihnen, es wird kaum fehlen, ihr seid's.»

«Die eine wird für mich sein?» fragte Sami vorlaut.

«Nit fast, Bürschli», sagte der Mann, «du brauchst nicht vors Dach hinaus, um eine zu finden!» Da taten beide die Augen weit auf; der Mann hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, denn Sami war von der Meisterjungfrau eingesponnen, nur wollte er es noch nicht glauben.

«So», sagte Michel, «im Kuttlebädli; das war noch zu erlaufen, wenn man wüsste, wann und wer es eigentlich wäre?»

«Das macht sich alles!» sagte der Mann. «Wir wollen aber auch sehen, was die Karten sagen.» Die Karten waren ungefähr gleicher Meinung: sie redeten auch von einem weiten Weg, der in kurzem zu machen sei; dann kamen zwei zusammen, und die blieben beisammen, gab wie der Alte die Karten mischte und legte. Endlich sagte er, das sei eine ausgemachte Sache, es wolle es nicht anders anziehen, das gebe eine Hochzeit und eine glückliche; es sei alles rot darum herum, und die Bösen und Widersacher seien alle zu äusserst in den Ecken und könnten nichts daran machen. Er solle nur Mut fassen, die Sache komme gut.

Michel wollte nun wissen, woher die Mädchen seien, an welchem Tage sie kommen, woran er sie erkenne usw. Darauf sagte der Mann: «Das kann ich dir nicht sagen, woher sie kommen; es zeigt bloss gegen Sonnenmittag und in kurzem, also am nächsten Sonntag. Und wegem Kennen häb nit Kummer; es werden im Kuttlebädli nit viel deren Meitscheni sy, wo du denken könntest, sie wären für dich. Und wären es auch viele, so würde es dich doch zur Rechten ziehen, von wegen, was geordnet ist, das ist geordnet, und was einem werden soll, zu dem kommt man, man mag wollen oder nicht.» Michel hatte grossen Respekt vor dem Manne bekommen; so einen hätte er noch nie angetroffen, sagte er, und statt der üblichen sechs Kreuzer gab er ihm drei Batzen. Auf dem ganzen Heimwege brach Michel in einzelne bewundernde Ausrufungen aus, dass einer im Wasser sehe, was andere nicht, dass er sehe, wer am künftigen Sonntag im Kuttlebädli sei, und wie er sonst alles wisse. Sami war sehr schweigsam, warf hie und da einen Zweifel ein; ungefähr treffe auch, sagte er, und ob alles wahr werde, wisse man auch nicht. Offenbar tat sich bei ihm das letzte Sträuben gegen der Meisterjungfrau Bestrebungen kund, während er im Herzen wohl fühlte, dass er bald unter ihre Errungenschaften werde zu zählen sein.

Anni hörte mit grossem Erstaunen die heimgebrachten Eröffnungen, mit schlechter Freude den Nachtrag von Sami, der indessen nur ihren Glauben an das übrige vermehrte. Es habe schon lange was gemerkt, sagte es, aber gedacht, Sami sei so dumm nicht; nun, wenn es sein solle, so werde man es müssen geschehen lassen, aber dann müssten beide aus dem Hause, neben einer solchen Tasche habe es nicht Platz. Es habe das Mensch erzogen und gemeint, wie treu es sei; wenn ihm der Bub gefallen, so hätte das Mensch es ihm sagen können und nicht hinter seinem Rücken nach dem Burschen fischen, selb sei schlecht; aus dieser Falschheit könne es entnehmen, wie gut das Mensch es mit ihm meine, und was es zu erwarten hätte, wenn dasselbe einmal den Fuss im Hafen hätte. Es möchte die Meisterfrau werden, und Anni könnte dem alten Haufen zu. Man sieht, es war lange, seit Anni jung gewesen; somit ist ihm zu verzeihen, dass ihm der Gang der Dinge nicht mehr so recht im Kopfe war.

Also am nächsten Sonntag wollte Michel den letzten Versuch wagen, wollte ins Kuttlebädli und sehen, wen die Vorsehung ihm zuführe. Der Ursprung dieses sonderbaren Namens ist in Dunkel gehüllt; ob man anfänglich in Kutteln badete oder das Wasser für schadhafte Kutteln sich besonders heilsam erwies, ist nicht ausgemittelt. Jedenfalls ist das Kuttlebädli äusserst reizend und ganz, als ob man noch im Paradies wäre und ganz allein vom Vertrauen auf Gott lebte. Der Bau ist ganz wunderbar, als ob man in den Lüften schwebte, die Lage kühn, die Aufwart patriarchalisch, die Heilkraft mythisch, der Ruf demjenigen eines ungeschliffenen Demanten ähnlich, die Effekte schlagend und bleibend; wer sie einmal erlebt, bedarf der Wiederholung zeitlebens nicht wieder. Humboldt in seinem «Kosmos» scheint diese merkwürdige Erdecke ganz übersehen zu haben.

Glücklicherweise war eben ein schönes Jahr, das Wetter machte an Sonntagen selten einen Strich durch die Rechnung. Man glaubt gar nicht, wie sehr solche Witterung der Liebe zuträglich ist und die Hochzeiten fördert. So war auch der Sonntag schön, an welchem Michel die Erscheinung seiner Zukünftigen im Kuttelnbad verheissen ward. Es ging gegen Herbst, doch war das Vieh noch auf den Alpen, nur waren die Alpfahrten der Menschen selten geworden. Knaben und Mädchen begannen am liebsten den Haselnüssen nachzugehen. Michel war noch nie im Kuttlenbad gewesen, er kannte daher den Weg dahin so wenig, als er wusste, wo seine eigenen Kutteln waren. Heerstrasse war dorthin nicht, Häuser und Leute spärlich anzutreffen, daher nicht zu verwundern, dass er sich auf den oft kaum unmerklich ausgetretenen Alppfaden verlief und, wie früh er auch aufgebrochen, erst gegen Mittag in genanntem Bädli eintraf.

Dort war es ganz einsam und kein Badegast zu sehen und zu hören. Die Badmutter hantierte in der Küche und fragte ihn, ob er zu baden begehre? Michel verneinte es und meinte, ein Schoppen täte ihm besser, er sei bereits nass genug; wenn sie gekocht habe, begehre er, was zu essen. Die Alte sagte, der Mann hole Wein, sie seien ausgekommen, unterdessen bringe sie ihm ein Glas «Enzene» (Enzianbranntwein), das sei bsunderbar gesund und mache wohl. Michel war es in allen Fingern, zu fragen, ob niemand da sei; aber weil er nicht den Anschein haben wollte, als habe er was Bestelltes, so tat er sich Zwang an und hielt das Maul. Da die Wirtin auch nichts sagte, es bald Mittag war, niemand sichtbar, so dachte er, der Alte habe ihn gesprengt, dem wollte er es aber zeigen, was es heisse, ihn, Michel, zum Narren halten. Sami und er versuchten das Enzenewasser, fanden es anfangs höllisch bitter, doch allgemach kam es ihnen vor als nicht der schlechteste Trost im Elend. Sie sahen sich fast die Augen aus nach Sonnenaufgang; endlich bewegte sich von dorther was im kurzen Tannenwald. Michels Herz gumpete fast vor Freude, und schrecklich wunder nahm es ihn, wie es eine sei. Näher kam es, aber es war ein wunderliches Wesen ohne Kopf. Als dasselbe aus dem Walde kam, sah man, dass es der Wirt war mit einem Räf auf dem Rücken, und auf dem Räf lag das Fässlein, welches dem Wirt über dem Kopf emporragte. Die Wirtin empfing den Mann nicht freundlich; er wisse, wie sie zweg sei ohne Wein, und wenn er Verstand hätte für einen alten Berner Kreuzer, so wäre er schon vor zwei Stunden zurückgewesen. Aber wenn er mal über die Schwelle schmöcke, so hätte man gute Augen, ehe man ihn vor der Abendröte wiedersehe. Die schlechteste Magd sei heilig gegen ihn, und die ärgste Klapperfrau täte ihm nicht die Schutzriemen auf; wenn sie es auch so machen wollte, sie hätten längst vor den Hag hinausgewurstet. Er wolle machen, dass er mit in Keller komme, und zwei Guttern füllen; es wisse kein Mensch, wie viel sie schon gebraucht hätte, wenn sie welchen gehabt. Unterdessen wolle sie anrichten, dann könne man essen, wie man es hier oben habe. Wem es nit gschmöck, chönn's la hocke. Man hätte hier kein Eingericht wie in den Gasthöfen; man gebe, was man habe, und wie man es verstehe, und wem es nicht gut genug sei, der könne einen Stecken dazu stecken und ungfresse weiter, bis er zu was Besserm komme; sie frage dem wenig nach. – Das war eine souveräne Sprache, indessen keine ungewöhnliche auf den Bergen.

Michel achtete sich dieser Rede nicht viel, er sah nur nach Sonnenaufgang, und wenn ein Tannengipfel sich rührte im Winde, meinte er, die Verheissene rücke an, und immer war es nichts und wieder nichts; die erwartete Sonne wollte ihm nicht aufgehen. Endlich rief die Wirtin: «Dihr cheut cho esse!» Michel wandte sich dem Klange zu. Einstweilen könne er nichts Besseres tun, dachte er; habe er gegessen, warte er nicht länger, sondern mache sich dem Fluhgraben zu, dort wolle er Flasche und Brille lieb haben und dafür sorgen, dass man weder Wege, noch Mannevolk, noch Weibervolk darin sehe. Er musste tief sich bücken, als er in den Speisesaal trat, der von einem Geissenstall sich nur dadurch unterschied, dass weder Geissen noch eine Krippe darin waren, sondern bloss Menschen und ein Tisch, dessen Beine aber das Podagra hatten und bei der kleinsten Berührung in die grösste Bewegung gerieten. Michel setzte sich ungeniert obenan und kam groblecht an ein Bein, dass es der Suppe auf dem Tische fast übel ward und sie auf die Seite sich legen wollte wie ein Schiff im Sturm.

«Du grosser Löhl, kannst nicht acht haben, wo du mit deinen Ankenkübeln hinfährst? Man hat hier nicht Tischbeine wie Türpfosten!» sagte die Wirtin. «Geh, sieh, wo die Blättere (faulen Weibsleute) bleiben!» herrschte sie dem Manne zu; «wenn sie was wollen, sollen sie kommen, sonst sollen sie es hocken lassen, es ist mir auch gleich!»

Michel achtete sich der Worte nicht, aber wie der Wirt aus der Türe wollte, ging dieselbe auf, und zwei Mädchen kamen herein, ein grosses und ein kleineres, das dem Herrn kaum entronnen (kaum konfirmiert) schien. Sie gehörten offenbar nicht ins Haus, waren nicht hoffärtig, aber solid und reinlich, so was man sagt, vornehm angezogen, das heisst, wie man es in einem Hause pflegt, wo man das Währschafte vermag und den wohlfeilen Flitter verschmäht. Michel vergass Maul und Nase offen: War's sie oder war's sie nicht?

«Habe bald geglaubt, ihr wollet im Wasser bleiben, bis ihr weiss geworden!» sagte die Wirtin spöttisch.

«Wir hätten es im Sinne gehabt», sagte das grössere Mädchen unbesinnt, «da kam der Wind, dass wir glaubten, er nehme uns samt der Hütte fort. So glaubten wir, es sei doch richtiger, wenn wir die Kleider am Leibe hätten, als wenn wir sie erst wieder in Tannen und Böden zusammenlesen müssten.»

«Das ist nicht halb so gefährlich», sagte die Wirtin, die gerne hieb, aber nicht gerne sich hauen liess, böse: «die Hütte hat's schon lange gehalten und wird noch lange stehen, wenn schon manche Gäxnase, welche sie ausgespottet, unter dem Boden ist. Aber komm jetzt und hock ane, so können wir essen, mit Dampen ist d'Sach nit gmacht!»

Die Mädchen setzten sich, das ältere zu oberst auf den Vorstuhl, während Michel obenan sass; zwischen ihnen in des Tisches Ecke sass der unvermeidliche Bäri, mit besonderer Sehnsucht in seinen schmachtenden Augen. Wirt und Wirtin sassen auf patriarchalische Weise mit am Tische; wo hätten sie sonst sitzen und essen sollen, da im niedlichsten aller Badeorte, im Kuttlebädli, eben nur ein Tisch war? In einem Napf war eine dicke Fleischsuppe, in welcher der Safran nicht gespart war; diese wurde mit den Löffeln aus dem Napf gegessen. Sie habe Suppenteller gehabt, sagte die Wirtin, aber sie seien zerbrochen, und sie hätte keine mehr angeschafft; sie habe gefunden, sie trügen nichts ab; es sei kommoder, wenn jedes aus der Kachel nehme, bis es genug habe. – Das Mädchen tat ganz unbefangen und schwatzte zwischen dem Suppenessen, was ihm gar wohl anstand, indem es sehr schöne Zähne hatte und überhaupt lieblichere Mienen, wenn es sprach, als wenn es schwieg. Es sei hungrig, sagte es; sie seien am Morgen in aller Frühe fort, und seither habe es nichts gehabt. Sie hätten zwei Gusti auf dem Fahrniesel, und gestern Abend hätten sie vom Hirten den Beseheid erhalten, das eine sei krank; der Vater habe heute weitermüssen, da habe er sie mit Zeug hinaufgeschickt. Als sie die Sache verrichtet, sei sie die Lust angekommen, zu baden; das hätte ihnen die Mühe ganz genommen. – Michel sass da ganz wie verstaunt. Das Mädchen gefiel ihm bsunderbar wohl, es dünkte ihn, er müsse es schon gesehen haben, doch konnte er nicht daran kommen, wo. Endlich kam ihm in Sinn, er sollte doch auch was sagen. Er fragte, was das Gusti gehabt und was für Zeug es gebracht. Das Mädchen gab ganz gründlichen Bescheid über beides, dass man wohl sah, es war in diesem Fache zu Hause, ganz wie es einer guten Bäuerin wohl ansteht.

Unterdessen war der Napf ausgelöffelt, die Wirtin teilte hölzerne Teller aus und brachte dann Speck, schön braungelben, gesalzenes Fleisch und Apfelschnitze. Sie gebe es, sagte sie, wie sie es habe und es verstehe; wem es nicht recht sei so, der könne es hocken lassen und ein andermal daheim bleiben.

«He», sagte das Mädchen, «es würde Euch doch nicht das Rechte sein, wenn niemand käme; Ihr wäret eine seltsame Wirtin.»

«Viel nach der Gastig frage ich nicht», sagte die Wirtin; «dann kommt's mir noch auf die Gastig an. Dem jungen Volk, wo nichts kann als ausführen und aufbegehren, selbem frage ich d's Tüfels nicht viel nach, selb muss ich sagen; das könnte meinethalben bleiben, wo es wollte. Still und ehrbar Lüt, die wären mir wohl recht, wider die habe ich nichts. – Seh, du Gstabi», kehrte sie sich zu ihrem Manne, «stellst Wein auf den Tisch und gibst keine Gläser dazu; aus dir gibt es dein Lebtag keinen Wirt und sonst nichts!»

«Du hast da einen bsunderbar schönen Hund», wandte das Mädchen sich zu Michel, «und gar gutmütig sieht er drein. Darf man ihn anrühren oder ist er bös?» Als Michel versicherte, er sei der beste Schiabi von der Welt, tue keinem Kinde etwas, sobald man ihm nichts tue, streichelte es ihm den Kopf, was Bäri mit grossem Behagen geschehen liess. Es habe die Hunde bsunderbar gerne, aber sie wüssten es auch und liebten ihns, fuhr das Mädchen fort. Ihr Rämi habe heute mit aller Gewalt sie begleiten wollen und schrecklich getan, als sie ihn nicht nachgelassen; aber sie wisse es wohl, wie man es mit Hunden auf den Bergen habe, dass man oft ihretwegen des Lebens nicht sicher sei. Die Kühe hassten nichts mehr als Metzger und ihre Hunde, sie schienen es alle zu wissen, dass die ihnen die Kälber entführten und töteten. «Schnellt er mich, wenn ich ihm was gebe?» fragte das Meitschi und hielt Bäri vorsichtig ein Stück Brot dar, und Bäri nahm es mit Anstand und Vorsicht ab und liess es sich behagen. Als nun Fleisch und Speck umgingen, jedes sich eine Portion abschnitt, den Rest weiter gab, versah das Meitschi sich reichlich, dass der Wirtin eine Bemerkung zuvorderst in den Hals kam. «Liebst Speck?» fragte das Meitschi Bäri und hielt ihm ein schön Stück dar. Bäri fasste es mit glänzenden Augen und schmatzte dran in süssem Behagen. Sami blickte Michel bedeutsam an und stiess ihn überdies noch mit dem Fusse, und zwar so stark, dass es dem Tisch fast übel ward.

Bäri war es sehr wohl bei der Sache, er stiess nun statt den Michel das Meitschi mit der Nase an den Ellbogen, wenn sein Herz etwas begehrte, und das Meitschi ward nicht ungeduldig, sondern sagte immer freundlich: «Ja, du gutes Tier, musst was haben, wirst hungrig sein, haben dich vielleicht diesen Morgen vergessen.» Das Fleisch war wahrscheinlich von der Kuh, welche Noah in seinem Kasten gehabt; es war ein gräulich Beissen, welches begreiflich Bäri am wenigsten Mühe machte. Er war mit drei Bissen fertig, ehe die andern an einem nur recht angefangen. Das Mädchen musste List und Vorsicht brauchen, dem Bäri zu genügen und nicht unverschämt gegen die andern zu sein. Es brauchte gute Redensarten gegen Menschen und Hund, war besonders manierlich gegen Sami, sagte, er solle nehmen, es begehre ihn nicht zu verkürzen, es sei billig, dass jedes zu seiner Sache komme; aber der Hund wolle einmal auch, bis er satt sei, und dagegen könne ihm niemand was haben. Es wollte sich selbst lieber am Maul abbrechen, als dass es ein arm Tier möchte hungern lassen ...

«Es ist mir gut gegangen, dass ich diesen Morgen ein frisch geschliffen Messer gehabt, als ich Fleisch und Speck abhieb, und es tief hineinging; hätte ich gekocht wie sonst, so täten du und der Hund es alleine fressen und die andern hätten das Nachsehen!» brach die Wirtin endlich los. «Es ist sonst der Brauch, erst die Menschen und dann das Vieh!»

«Es geht beidweg», sagte das Mädchen, «besonders auf den Bergen, wie man sagt. Du bist nur böse, dass dir nichts übrigbleibt für das Kuchischäftli. Ich habe nicht Kummer, dass du dir nicht zu helfen weisst; und, was man braucht, das zahlt man auch, dafür sei nicht in Kummer! Seh, wo hast dein Glas? Nun, Wirt, ist das Manier, der Frau kein Glas zu geben!» so sprach das Mädchen, griff auf die zweite Mass, da Michel die obere handhabte, schenkte der Wirtin trotz ihrem Protestieren, sie liebe den Wein nicht, ein und auch dem Wirt, dann den andern mit dem Bemerken, es hätte von Michels Wein getrunken, er solle nun von seinem auch probieren, es liebe das Schmarotzen nicht.

Während es auf diese Weise freigebig tat mit Speise und Trank, brauchte es von beidem für sich sehr massig. Da war nichts zu sehen von dem Lauern, ob noch genug übrig bleibe, die andern zu viel nähmen, kein Kummer sichtlich, dass es übervorteilt werden möchte. Michel schmolz fast vor Bewunderung, und Sami ward gar nicht fertig mit Blicken und Stupfen. Die Wirtin sagte mehr als einmal: «Nu, du Gast, hest Wespi i de Hose, dass de dyni Scheyche (Beine) nicht still haben kannst unterm Tisch? Das stüpft und müpft si nüt; we d'r d'Sach nit recht ist, so lass sie sein und packe dich! Vo so einem Gränni la-n i mi nadisch nit usfüehre!»

Endlich war das sündflutliche Fleisch verwerchet, der scharfe Speck zum guten Teil gebraucht, den Schnitzen den Garaus gemacht, und Michel befahl die dritte Mass. Er sei durstig wie eine Kuh, welche verbranntes Emd gefressen, er wisse nicht, wie das gehen solle diesen Nachmittag. Das Meitschi machte Umstände mit dem Trinken; der Durst plage ihns auch, sagte es, aber mit Wein löschen sei gefährlich. «Rösi», sagte es zu seiner Schwester, «hol doch Wasser, das löscht besser.»

«Es würde einer meinen, ihr hättet noch nie Fleisch gefressen, dass ihr so tut wegem Durst», redete die Wirtin. «Salzet man das Fleisch nicht, so stinkt's im Sommer; salzt man recht, so kann man es behalten bis man's braucht. Daneben, wenn alle Sonntag hungerig Hüng kämen, ja freilich, dann könnte man Salz sparen! Verdursten werdet ihr nicht, es ist Wasser und Wein genug, bis ihr daheim seid. Reut dich das Geld, oder hast du keins, so hänge das Maul an jede Brunnröhre, der Durst wird dir schon vergehen! Oder das Meitschi soll dir Wein zahlen, es tut's gern mit Schein!»

«Selb, Wirtin, weisst noch nicht», sagte das Mädchen. «Ich habe schon mancher bösen, wüsten Frau flattiert, dass sie mich ruhig lasse, deswegen aber ist es nicht gesagt, dass ich allen flattiere, Jungen und Alten.» Der Wirt lachte und zog sich damit das Wetter auf den Hals. Das Meitschi vernahm bloss: «Du hast ein Maul wie eine Schlange, hänge dich jung, sonst schlägt man dich tot, ehe du alt wirst!» Darauf forderte das Mädchen die Uerti und duldete es nicht, dass Michel ihm einen Kreuzer für seinen Wein bezahlte. Er wolle auch fort, sagte Michel, aber er möchte wissen, wo er durchmüsse, er sei verirrt und sei ganz nebenaus verschlagen worden.

«Wo willst aus?» fragte der Wirt. Da sagte Michel, er wolle heim, durfte aber den Knubel nicht angeben als seinen Wohnort, sondern brauchte einen andern Namen. «So», sagte der Wirt, «hätte bald geglaubt, du seiest der Knubelbauer.»

«Kennst ihn?» fragte Michel.

«Nein, nicht von Angesicht, aber viel von ihm gehört habe ich, die Kirchen- und Märitleute reden ja von niemand anderem; das muss mir ein Kalb sein, wie man noch nie von einem solch grossen gehört!»

«Die Leute sagen manches», sagte Michel mürrisch, «es ist nichts wahr daran. Aber wo muss ich durch?»

«Gehe mit den Meitlene, sie kennen den Weg bis in den Graben und durch den Graben, bis er sich scheidet, dann hältst du links, und sie gehen rechts; weiter kannst fragen», berichtete der Wirt.

Das war Michel sehr recht, und sie marschierten miteinander ab ohne Komplimente. Michel kam es nicht einmal in den Sinn, zu fragen, ob er mit ihnen gehen dürfe? Hätte er gefragt, hätte er wahrscheinlich zur Antwort erhalten: hier habe man nichts zu erlauben, hier könnte ja jeder laufen, wo er wolle. Die Frau Wirtin sah ihnen mit verschränkten Armen nach und sagte: «Das nimmt mich jetzt verfluxt wunder, war das eine abgeredete Sache oder haben die einander hier von ungefähr gefunden? Aber sei das, wie es wolle, das Meitschi ist e verfluxti Tasche, und der muss es haben, er mag wollen oder nicht. So hab ich noch keine tun sehen, wenn sie einen verhexen wollte, wie die, und doch ist im Kuttlebädli schon manches gegangen, und ich habe mehr gesehen als mancher Pfau, dem man Frau Wirti sagt, die aufzieht wie der Ostermontagstier und meint, was sie sei.» Als sie das gesagt hatte, machte sie rechtsum und dirigierte ihren Mann beim Abwaschen.

Die viere aber pilgerten den Berg ab, wobei Bäri fast mehr hinter dem Meitschi war als hinter Michel, demselben sich gar holdselig erzeigte. Je weiter sie gingen, desto mehr kam Michel in Verlegenheit. «Was nun?» dachte er. «Sage ich, wer ich bin, so tut es wüst, sage ich es nicht, so ist d'Sach verspielt, oder ich muss wieder von vornen anfangen.» Er tat, als hätte er einen Stein im Schuh, sass ab, und Sami musste ihm den Schuh ausziehen; die Mädchen gingen weiter. «Und jetzt», fragte er Sami, «was machen?»

«Die lass nicht fahren!» sagte Sami; «frag', ob mit ihr heimdürfest und sag', wer du bist! Die fährt dir nicht aus der Haut, zähl' drauf!»

«Meinst?» sagte Michel und machte, dass er wieder in den Schuh kam. «Wenn es dich düecht, es sei nötig, so hilf mir mit Reden! Sie ist allweg von gutem Haus und nicht eine, die im Jahr nur einmal Fleisch und Wein sieht.»

«Frag sie», sagte Sami, «wo sie daheim sei; dann fragt sie dich auch, dann sag's! Und will sie davonspringen, will ich sie halten; aber ich glaub' nicht, dass sie es tue.» Michel machte sich nach; weit waren die Mädchen unter der Zeit auch nicht gekommen.

Nach einer langen Pause, denn die Mädchen waren eben auch nicht redselig, sagte Michel: «Um Vergebung z'frage, habt ihr weit heim?»

«Gut drei Stund», sagte das ältere Mädchen, «sie sind nicht breit, aber lang», dann schwieg es.

«Um Vergebung z'frage», fuhr Michel fort, «wie sagt man dem Ort?»

«Rosebabisegg», antwortete das Mädchen und schwieg.

«Ich habe von dem Ort auch schon gehört», sagte Michel; «ich glaube, ich täte am besten, ich käme mit euch bis dorthin; hier ist mir der Weg nicht bekannt, von dort könnte ich ihn schon finden, man ist doch dort wieder in der Welt, wo man einen Menschen antrifft, den man fragen kann. Unterwegs will ich gerne noch ein Mass zahlen von wegen dem Wegzeigen und wegen der Bekanntschaft.»

«Um Vergebung z'frage, wo kommst dann du her?» fragte das Mädchen.

Ja, Michel hatte einen weiten Hals, aber für die Antwort auf diese Frage war er doch fast zu enge. Er sagte sonst mit grossem Selbstbewusstsein: «Ich bin der Knubelbauer!» Aber die Zeiten können sich ändern.

«Du wirst doch an einem Ort daheim sein», sagte das Mädchen, «oder darfst es nicht sagen?»

Da ermannte sich Michel. «Ich wüsste nicht, warum ich es nicht sagen dürfte; ich komme vom Knubel, wenn du weisst, wo der ist, und bin der Bauer dort!»

«Saker!» sagte das Mädchen, «bist du der und hast mich noch nicht geprügelt und der Hund mich nicht gefressen? Da kann ich von Glück reden, dass ich so davongekommen bin. Aber jetzt wird es Zeit sein, dass wir auseinandergehen, während wir noch im Frieden sind und alle lebig. Dort bei jener Eiche gehst du rechts, und ich will links. Mein Weg ging eigentlich weiter vornen ab, aber wenn ich da die Halde aufgehe, und jetzt verderbt man nichts, so kürze ich ab.»

«Nein, das tust mir jetzt nicht!» sagte Michel. «Ich tat noch keinem Menschen was zuleide, und allweg hast du nichts von mir zu fürchten. Aber man muss nicht alles glauben, was die Leute brichten, d's hundertste ist nicht wahr. Geradeso machen es mir die Leute; ich weiss wohl warum.»

«Weiss nicht», sagte das Mädchen. «Es heisst im Sprichwort: ›Wo Rauch ist, ist immer auch Feuer.‹ Daneben geht's mich ja nichts an; ich habe mich des Brichtens der Leute nicht einmal geachtet.»

«Hast du was zu klagen über mich?» fragte Michel. «Tat ich wie ein Unmensch oder gar wie ein Utüfel?»

«Ich sah nichts Apartes», sagte das Mädchen, «ich habe nicht zu klagen, ich habe schon Uwatliger angetroffen. Daneben hast auch nicht Ursache gehabt, wüst zu tun. Es hat dir niemand was in den Weg gelegt, und für sein Geld soll man an allen Orten ruhig essen können.»

«Ja, und wenn es auch aus meinem Geld ging, konnte jede ruhig essen und genug, wenn sie nicht alles für sich alleine wollte und niemanden sonst was gönnte. Aber mit Schein weisst du mehr von der Sache?» fragte Michel.

«Hast nicht gehört, dass ich mich des Brichtens wenig achtete? Ich weiss bloss, dass du weihen wolltest, Meitschi bschicktest, mit ihnen wohl stark umgingest und gröbelig, dass ihnen die Lust verging, Knubelbäuerin zu werden. Weiter weiss ich nichts; und jetzt adie und lauf nit stark! Hier ist die Eiche und da mein Weg!»

«Ich komme mit», sagte Michel, «ich muss dir brichten, wie d'Sach ist; komme ich heim, wann ich wolle, es balget mich niemand.»

«Möglich», sagte das Mädchen, «aber vielleicht mich, und gleich ist Geschrei im Land. Daneben habe ich dir einstweilen den Weg nicht zu verbieten, so lange er nicht durch unser Land geht.»

«D'Sach ist die», sagte Michel, «sieh', wie ich dran bin, es ist bim Donner noch niemanden so gegangen wie mir. Es heisst im Lied: ›D's Anneli wott verfrüre a d'r Sunne‹, so cha i vor luter Meitleni nit zum Wybe cho, finde nieni die Rechti.» Nun erzählte er in seiner angestammten Gutmütigkeit, wie er zweg sei. Er habe mehr als genug Sachen, sei wohl daneben, aber des allgemeinen Gebrauchs wegen, und weil man daneben sonst nicht sicher sei, müsse er heiraten; aber es sei sein Begehren, dass wie bis dahin alles im lieben Frieden gehe, seine Leute die Sache recht hätten, seine Alte, verwandt sei sie ihm nicht, aber zu ihm und zu seiner Sache habe sie gesehen wie eine Mutter, recht respektiert werde. Die erste beste habe er nicht nehmen, die Katze nicht im Sacke kaufen wollen, und jede, mit welcher er es probiert, habe getan wie eine Katze am Hälslig. Aus der Nähe habe er keine mögen, er kenne sie zu gut und begehre nicht die ganze Verwandtschaft alle Tage vor der Tür. Die alle hätten ihm nun das Geschrei gemacht, und z'Huttwyl sei es besonders wüst gegangen, und dessen hätte er sich doch durchaus nichts vermögen. Das Meitschi habe getan wie ein wild Tier. «Du kannst doch selbst sagen», meinte er, «ob Bäri so bös ist, wenn man manierlich mit ihm umgeht; aber einen fremden Hund muss man niemals schlagen, selb weiss doch jeder, der Verstand hat.» Darüber habe man ihm einen Lärm gemacht, dass ihm das Leben fast erleidet sei und ihm lieber gewesen, er müsse nicht viel unter die Leute.

So schloss Michel sein Herz auf, und das Meitschi hörte ihm teilnehmend zu. Wenn es so sei, wie er sage, und es werde sein, sagte es, so müsse es Bedauern mit ihm haben, und man habe es ihm wüst gemacht; es werde aber vielleicht nur deretwegen sein, dass ihm keine anständig gewesen. Indessen wenn man die andern hörte, so würden sie auch etwas zu sagen wissen, dass man zuletzt doch nicht recht wisse, wer recht habe und wer nicht. Michel berief sich auf sein heutiges Benehmen, woraus es doch schliessen könne, dass er nicht ein solcher Uflat sei, wie man aus ihm machen wolle. Das Mädchen gab das zu, setzte indessen noch hinzu, ein Tag sei nicht alle Tage.

So waren sie eine weite Strecke gewandelt und kamen endlich zu einem Wirtshaus. Michel meinte, der alte Speck kratze ihn noch immer im Halse und das hundertjährige Fleisch. Mit Wasser habe er nichts daran machen können, er möchte es jetzt mit Wein probieren. Nach Landessitte wehrten sich die Mädchen und mussten mit Gewalt ins Haus gezerrt werden; das nennt man Schreiss haben. So geschieht es, dass ein Bursche rechts zerrt, ein anderer links, dass dem armen Meitschi das Schicksal des Kindes droht, welches die zwei Weiber nicht teilen konnten und Salomo zu halbieren drohte.

Im Wirtshause war es nicht geheuer: eine wilde Bande, welche den schönen Sonntag ebenfalls zu einer Bergfahrt benutzt hatte, war dort eingekehrt, Buben und Meitscheni. Es war übermütiges Volk, welches den Tag nicht würdiger beschliessen zu können glaubte als mit einer tapfern Schlägerei. Sie höhnten und neckten auf alle Weise, stiessen an Michels Tisch, müpften im Vorbeigehen Sami, der vornen am Tische sass; sie trieben es so, dass Bäri seinen Meister unverwandt ansah mit fragendem Blick: Willst du, oder soll ich? Die Mädchen waren der Bande bekannt, nicht so aber Michel; aber weil er einen Kameraden und einen grossen Hund bei sich hatte, wie der Knubelbauer auszuziehen pflegte, so fragten die andern, ob das etwa der Knubelbauer sei, den sie da aufgelesen? Die Meitscheni kämen manchmal zweg, dass einer herbei müsse und wär's d'r Tüfel oder selbst der Knubelbauer. Da müsse doch eine auch von einer tauben Kuh gefressen haben, wenn sie nur an den denken möchte, geschweige ihn nehmen. «Das schlechtest Jungfräuli, wo sieben Taler Lohn hat fürs ganze Jahr und eine Meistersfrau, welche dem Tüfel von seinem Karren gefallen, möchte ihn mit keinem Finger anrühren, und wer ihn auf hundert Schritte sieht, sagt: ‹Pfi Tüfel!› und macht, dass er abweg kommt» – so ward ganz fein gestichelt. Michel zitterte am ganzen Leibe vor Zorn, biss sich die bleichen Lippen blutig, war auf dem Sprunge, loszufahren und die Stube zu räumen von der ganzen Bande. Aber das Meitschi hielt ihn nieder, bat: «D'r tusig Gottswille nit, nit! Tu, als hörtest du es nicht, als ginge es dich nichts an! Was macht dir doch, was die Lümmel sagen; sei diesmal der Witzigere, trink, mach aus, wir wollen fort!» Es hielt Michel hart, der rücksichtslose Zorn wollte ihn fassen mit aller Macht; der Wunsch, es mit dem Meitschi richtig zu machen, gab ihm die Besonnenheit, einen blutigen Strich durch seine Rechnung zu vermeiden. Es war das erstemal, dass er einer solchen Versuchung widerstand und einen angebotenen Streit nicht aufnahm mit aller Kraft.

Michel zahlte, man brach auf. Die andern Burschen griffen nach den Mädchen, wollten sie auf ihre Bänke ziehen, aber diesen war es ernst, sich nicht schreissen zu lassen, sie rissen sich rasch los, machten sich zur Türe aus; langsamer ging Sami nach, zuletzt kam Michel ganz langsam, und einer der Burschen konnte sich nicht enthalten, ihm ein Bein vorzuhalten, und ein Glas surrete neben seinem Kopfe vorbei und zersplitterte an der Wand. Michel hatte das erwartet; mit einem kurzen, unmerklichen Schwung schlug er den, welcher ihm das Bein vorgehalten, über den Tisch hin zwischen Gläser und Flaschen mitten hinein, dass es einen Mordsspektakel gab, während er ganz gelassen zur Tür hinaus und den andern nachging. Begreiflich gab's Lärm drinnen, und wie aus einem Wespennest, in welches man mit einem Stocke geschlagen die Wespen, schossen aus der Türe des Hauses die Burschen. Draussen im Weg hatte sich Michel gestellt und rief, hätten sie Lust an ihn, so sollten sie nur kommen, aber er sage es zum voraus, was er machen könne, das mache er, sie sollten sich in acht nehmen; er sei auf offener Strasse und auf seinem Heimwege, habe das Recht, sich zu wehren. Die Feinde sprangen nicht eines Satzes an ihn hin; Michel und sein Hund, der lustig mit dem Schweife wedelte, als sei etwas für ihn im Anzuge, flössten Respekt ein. Sami brach einen Zaunstecken ab, die Mädchen riefen: «D'r tusig Gottswillen, chömmit doch, chömmit!» Steine, Stöcke flogen gegen Michel, der Feind drängte vorwärts; da sagte Michel: «Bäri fass!» Und Bäri schoss in langen Sätzen auf die Bande ein und hui, wie die auseinanderstob! Denn nicht bald macht etwas einen raschern Eindruck als so ein plötzlicher Hundsanfall. Den letzten sprang Bäri nieder mit einem Satze; Michel, zufrieden mit diesem Siege, rief Bäri ab, der langsam kam, und ging lachend und spottend den Mädchen nach. Sami mit dem Zaunstecken und Bäri mit seinen blanken Zähnen deckten den Rückzug, der nicht unangefochten blieb. Auf dem Wege und zu beiden Seiten den Zäunen nach wurden sie verfolgt eine gute Weile, indessen zum offenen Angriff kam es nicht mehr, und am Ende ward auch die Verfolgung aufgegeben.

Als sie darauf zu einem Scheideweg kamen, stand das Mädchen still und sagte: «Sieh, hier geht dein nächster Weg, und bhüti Gott u zürn nüt!»

«Ja», sagte Michel, «so ist's nicht gemeint; ich lasse dich nicht alleine heimgehen, ich komme mit.»

Das Mädchen wehrte sich, sagte allerlei und namentlich, was Vater und Mutter sagen würden, wenn es mit einem fremden Burschen heimkäme, von dem sie nicht wüssten, wo es ihn aufgelesen. Aber Michel setzte nicht ab; er meinte, es hätte sich seiner nicht zu schämen, er sei nicht von der Gasse, und wenn es ihn nachelay, so werde es sich gewiss nicht reuig.

Endlich ward eine Konvention abgeschlossen folgenden Inhalts: dass er mitkommen dürfe bis zum Hause, aber nicht ins Haus; im Walde, welcher daran stosse, solle er warten, bis es mit Vater und Mutter geredet. Hätten sie nichts dawider, so wolle es ihn rufen; sei es ihnen aber nicht recht, so müsse er weiter. Michel liess sich das gefallen; er sagte, er habe nichts Böses im Sinn und Vater und Mutter scheue er gar nicht, d's Gunträri. «Ich will es dir geradezu sagen: ich muss eine Frau haben und du gefällst mir; auf Reichtum habe ich nicht zu sehen, ich habe Sachen genug einstweilen, es manierlichs und gutmeinendes Weibervölkli, selb ist d'Hauptsache. So eins scheinst mir, und, je eher wir die Sache richtig machen, desto lieber wär's mir; es ist mir erleidet, alles Wüste ausstehen zu müssen. Oder was meinst, hättest du was dawider?»

«Du bist pressiert», sagte das Meitschi, «das geht nicht halb so geschwind, als du meinst; ich habe daheim zu essen und zu arbeiten, ich bin ihnen nicht erleidet und sie mir nicht. Ich weiss ja nicht einmal recht, wer du bist, ob wirklich der, für den du dich ausgibst; und dann sollte man doch auch nachfragen, was eigentlich mit dem Knubelbauer sei, ob er verrückt im Hirni sei oder ob erlogen, was man brichtet? Daneben will ich nicht sagen, dass ich nicht mannen wolle; für was ist man sonst da? Wenn man es gut machen kann, so wär's ja dumm, wenn man es nicht machte. Wir sind unserer viele, da muss ein jedes mehr oder weniger zu sich selbsten sehen, und wenn eins mannet, haben die andern nur desto besser Platz. Aber verbösern will ich es nicht; will ich ändern, so will ich's verbessern. Es ist nicht, dass einer angeschmiert wäre mit mir und, wenn er meinte, er habe eine Bäuerin ins Haus gestellt, er nur einen Tätsch hat, ein faules Pflaster, das nichts versteht und nicht mag! Eine Haushaltung führen macht mir keinen Kummer. Die Mutter mag nicht mehr recht nach, sie hat gar viele Kinder gehabt und es sonst bös, von wegen der Vater ist z'Zyte e Handliche, da habe ich schon manches Jahr das meiste gemacht, küchlet (gekocht) und d'Säu g'fueret und pflanzet; nicht manches hätte es ausgestanden, aber mir hat es nichts getan, ich bin Gottlob gesunder Natur, ich habe in meinem Leben noch keine ungesunde Stunde gehabt.»

«Gerade so eine möchte ich», sagte Michel, «von wegen ich habe es auch so, war auch niemals krank, da schickten wir uns gut zusammen. Bös haben bei mir solltest du es nicht, und was du nicht machen möchtest, das machen andere. Wegem Werchen mangle ich keine Frau, sondern nur um zur Sache zu sehen und z'luegen, dass es läuft. Ich meinte nicht, dass meine Frau es böser haben sollte als eine Taunersfrau (Taglöhnerin), wie es manche Bäuerin hat. Wenn du ausfahren willst, brauchst nur zu befehlen, dass man anspanne; ich habe ein bsunderbar schönes Rytwägeli; und übers Geld söttist könne so gut als ich, und nehmen unbsinnt, was d'mangelst, von wegen es mag es erleiden.»

«Das wäre guter Bescheid», sagte das Meitschi, «so könnte man dabei sein, wenn man den Frieden könnte behalten; der ist die Hauptsache; wo der nicht ist, da hat alles gefehlt. Ich weiss nicht, wie es mit dem wäre bei dir; ich zweifle, dass man ihn behalten könnte!»

«Wie meinst?» sagte Michel, «ich verstehe dich nicht; ist ja nirgends grösserer Friede als bei uns auf dem Knubel!»

«Ja, jetzt», antwortete das Meitschi, «aber wenn eine Frau käme, würde das schon anders werden.»

«Warum?» fragte Michel.

«He», lautete die Antwort, «es soll da eine wüste Alte sein, welche jetzt regiert und keine Frau dulden will, weil sie dann nicht mehr einsacken und meistern könnte, wie sie will; bei dieser könnte es keine aushalten, heisst es. Häb's nit für ungut, aber so reden die Leute.»

«Die Donnere!» sagte Michel; «wart, wenn ich wüsste, wer das ersinnet hätte, den schlüge ich stötzlige dür e Bode ab, dass er ungsumt auf der andern Seite rausführe! Das ist die beste Alte, wo es gibt; nit dass es einem in einem Auge wehetäte, hat diese veruntreut, d's Gunträri, die gäbte eher aus ihrem Sack. Die möchte, dass ich heiratete, und eine Frau hätte bei ihr die besten Händel, sie würde ihr die Hände unter die Füsse legen, wenn sie darnach täte, nicht eines Tags alles neu machen wollte oder niemandem was gönnte oder mich plagen und nicht zu mir sehen würde!»

«Was mangelst du, dass man zu dir sieht, bist nit selbst gross genug, oder musst noch gwieglet sein und sust gratsamet?» fragte das Mädchen lachend.

«He, sieh», sagte Michel ehrlich, «sie hat mich seit der Mutter selig für ihr Kind gehabt und jetzt noch. Sie legt mir d'Kleider zweg und d's Halstuch um, mit selbem weiss i neue nüt z'mache; sie luegt, wenn ich fortgehe, dass ich alles habe, und wenn ich heimkomme, dass ich was Warmes finde. Und d'Sach hat sie mir gegönnt; was ich gerne ass, das fehlte mir nie, und mein apartiger Napf mit guter Milch oder Nidle fehlte mir nie über Tisch, und sie hatte es recht ungern, wenn ich von der andern Milch nahm, wenn ich durstig war. Wenn eine Frau das leiden mag und alt Brüüch nit abschaffet und öppe fragt jeweilen: ›Anni, bricht mi, wie hescht's im Bruuch?‹ und ›Anni, wie meinst?‹ und: ›Anni, was liebt Michel?‹, so hat sie die besten Händel. Und warum wollte eine das nicht tun? es ist ja nichts leichter.»

«Schwerer, als du meinst», dachte das Meitschi, aber sagte es nicht. «Aber warum ist die dir dann vor allem Heiraten? Es heisst ja, die sei schuld daran, dass du noch keine hattest. Allemal, wenn du Meitschi bestellt, habe sie dich vorher so aufgewiesen, dass du so gröbelig getan, das Wüstest alles gemacht, dass keine sich habe trauen dürfen, sondern froh gewesen sei, darauszustellen so schnell als möglich, um nur mit dem Leben davonzukommen! Ist denn dies etwa auch nit wahr?»

«Nein, und das ist es nicht, und rede es, wer wolle; so ist's nicht! Höre, d'Sach ist die, ich darf sie dir jetzt wohl sagen! Es hat mir Kummer gemacht, bei der schlechten Welt ein Meitschi zu finden, das gutmeinend ist gegen Menschen und Vieh und nicht bloss meint, selber fresse mache feiss. Ich habe manchmal gesehen, wie die Meitschi getan in Wirtshäusern, über den Tisch weggesehen auf alle Teller und fast erworget sind vor Neid über jeden Bissen, der nicht zu ihrem Maul eingegangen ist, sondern zu einem andern. So eine möchte ich nicht, habe ich gedacht; da sind wir rätig geworden, jede zu proben wegen Neid und Missgunst, und wie sie es andern gönne, und wegem Gmüt, ob sie ein böses habe oder ein gutes. Ich habe allemal aufstellen lassen, was zu haben war; auf einen Gulden oder eine Krone kam es mir nicht an, aber ich meinte deretwegen nicht, dass sie alles alleine fressen sollten. Ich gab dem Hund auch davon und Sami und nahm selbst, was mich guet düechte; für sie blieb allweg genug übrig; aber das mochten sie nicht leiden. Du hättest sehen sollen, wie sie taten, viel ärger als Katzen, wenn e Hung von ihrem Teller will. So eine mochte ich nicht, und die sind es, die mich verbrüelet haben das Land auf, das Land ab. Jetzt möchte ich doch wissen, ob ich recht habe oder nicht! Du warst ja heute auch dabei für dein Geld, und ich möcht wissen, ob du dich zu beklagen hättest oder nicht; du gabst ja dem Bäri selbst, weil er dich erbarmete, und das gefiel mir bsunderbar wohl an dir, ich will es dir geradeaus sagen. Und ich hätte ihm nichts geben sollen von der Sache, welche ich bezahlte? Keiner Tasche kam es in Sinn, ihm ein Maul voll zu geben; nicht einmal Brot hielt ihm eine dar. So ist d'Sach, und Anni, die Alte, hat daran nichts gemacht. Sie hatte allemal den grössten Verdruss davon, wenn es abermals nichts daraus wurde, und strengte mich an, wieder neu zu probieren, wenn mir das Zeug erleiden wollte. So ist die Sache, und Anni hat die grösste Freude, wenn ich mal ein recht Mensch finde. Anni hast du nicht zu fürchten, wenn dir die Sache sonst anständig ist, und ich wollte dir angehalten haben. Es wäre mir verflucht zuwider, wenn ich noch einmal dran sollte, und es hat sich von ungefähr so gut troffen, dass es mir ist, als müsste die Sache sein, wie du wohl wissen wirst.»

«Ja, aber mit Unterschied», sagte das Mädchen; «deretwegen, weil ich dich da oben angetroffen, ist's noch nirgends geschrieben, dass ich dich haben müsse. Selb wäre eine strenge Sache, wenn man jeden nehmen müsste, den man irgendwo antrifft; da tät ja ein ledig Meitschi am besten, es bliebe zu Hause. Es könnte ihm ja von ungefähr ein Uflat anlaufen, den es mit keinem Stecken anrühren möchte, geschweige dann den Mann daraus machen!»

«Immer mit Unterschied!» sagte Michel, «es ist nicht alles von ungefähr, was den Schein hat.» (Hier soll das Meitschi rot geworden sein und nicht gefragt haben: «Wie meinst?») «Und dann», fuhr Michel fort, bin ich wahrhaftig kein Uflat, sondern der freinste Mensch von der Welt, wenn man mich nicht bös macht und es express an mich bringt. Tut man das, gschirre ich freilich aus; aber handkehrum bin ich wieder zufrieden, wenn man mich ruhig lässt. Es ist nicht, dass ich kupe und tuble und den Kolder mache ganz Wochen lang; Anni hat schon manchmal gesagt, ein Lamm könnte nicht freiner sein als ich, ich sei nur zu frein für diese Welt.»

Da lachte das Meitschi und sagte, es werde ihm nicht ernst sein, er habe Müsterlein vollbracht, wie man sie von einem Lamm nicht gewohnt sei; daneben, ja freilich, komme es viel darauf an, ob man böse sei oder freine, wer um eim sei, selb sei wahr. «Mein Vater ist ein hitziger Mann», sagte es, «aber meine Mutter weiss das und schüttet nicht mit unnützen Reden Oel ins Feuer. Mir würde es keinen Kummer machen, mit einem hitzigen Manne zu leben; ich will so einen viel lieber als einen, der den Kolder macht, dass man wochenlang nicht weiss, was er aufgelesen und hinter die Ohren gesteckt hat. Ich würde nicht widerreden, gute Worte geben oder schweigen, je nachdem, und nichts hinterrücks machen, was er nicht wissen sollte, und ihn nicht plage mit Chäre und Chifle (Zanken und Keifen), und auf den Frieden halten, wo ich könnte. Da nähmte es mich wunder, ob das nicht gut gehen müsste, wenn der Mann nicht gar zu ungeraten wäre.»

«Ja», sagte Michel, «du hast den rechten Verstand dazu, ich sehe das; wir schicken uns füreinander, wie wenn wir füreinander gemacht wären. Und dass wir einander angetroffen, ist nicht so von ungefähr, es hat so sollen sein, zähl darauf! Drum hilft Wehren nichts, du musst mich haben, magst wollen oder nicht.»

«Selb wär kurios», sagte das Meitschi, «bin noch frei, ledig und eigen, von Müssen wollen wir nicht reden. Daneben will ich nicht sagen, dass ich dich absolut nicht wolle, selb wär ja dumm; wenn du der bist, wo du sagst, und nicht der Utüfel, wo die Leute aus dir machen, so wärest du mir nicht der letzte, ich glaube, man könnte bei dir mit dem Leben davonkommen. Leibshalber bist brav genug, hast Sachen genug; aber man muss d'Sach doch erst recht ansehen, so z'sämmefüsslige springt man nicht hinein, wenn man ein Heim hat und auch nicht von der Gasse ist. Es kommt darauf an, was Vater und Mutter meinen, und was sie raten, und dann, wie du öppe noch tust. So will ich nicht sagen, dass es nichts aus der Sache gebe, aber zu gewiss nimm's nicht; du bist nicht der erste, den ich haben könnte, und wirst nicht der letzte sein, von wegen ein Meitschi wie ich, das alles versteht, was zu einem Bauernwesen gehört, und eine Bäuerin vorstellen kann trotz einer, braucht um einen Bauer nicht verlegen zu sein. Solche Meitscheni sind heutzutage zu rar, dass einer nicht die Finger bis an den Ellbogen schlecken sollte, wenn er eine bekommt, wie ich bin, wo er hinstellen kann, wo er will, dass sie immer am rechten Orte ist.»

Da schickten sie sich auch so recht zusammen, meinte Michel; auch er fürchte keinen Bauer in keiner Sache. Er meine nicht, dass er alles alleine arbeiten müsse, selb wäre ja dumm; aber wenn es recht angehe und er einmal dabei sei, so solle der noch kommen, der ihn durchtue mit Mähen, Pflughalten, Garbenladen, Säen usw. Und im Handel fürchte er auch keinen; nicht dass er nicht zuweilen eine Dublone und mehr zu viel für eine Sache gebe, wenn sie ihm so recht gefalle und er sie haben wolle; aber er wisse, was er mache; übernehmen werde ihn kaum je einer. Er habe aber auch die schönst besetzten Ställe, und wenn er es nötig hätte und darauf halten wollte, er wollte mehr aus denselben ziehen als mancher Bauer aus seinem ganzen Hof.

«Ja», sagte das Meitschi, «wenn man es recht anfängt, ist viel zu machen. Ich und die Mutter haben es manchmal zueinander gesagt: wenn es allenthalben ging wie bei uns, es würde noch an vielen Orten besser gehen; die Zinse könnte man ausrichten und auch die Schulden zahlen. Aber was ich und die Mutter machen mit dem Gespinnst, mit Anken und Eiern und dürrem Zeug, zieht man an vielen Orten aus dem Korn nicht. Aber wir halten uns dann auch zum Spinnen, du glaubst es nicht; neben der Haushaltung spinne ich alle Tage Zweitausend wenigstens, Hunderttausende sind gesponnen, man weiss nicht, wie. Wir hätten längs Stücks einen Baucher fast für uns alleine nötig. Und dann ist's nicht etwa, dass wir hündligürten (knausern) und es den Leuten nicht gönnen, wenn wir schon alles zu Ehren ziehen; die Leute arbeiten gerne bei uns, Taglöhner können wir haben, so viel wir wollen, und die Handwerksleute sagen, sie kämen immer am liebsten zu uns, sie bekämen weit umher das Essen nirgends so sauber und gut gekocht. Da brauchen wir nicht das ganze Jahr z'springe und Schneider und Schuhmacher siebenmal kommen heissen, ehe sie sich zeigen; wenn man winkt von weitem, sind sie da; du glaubst gar nicht, was das für ein Vorteil ist. Aber ungewohnt würde es sie dünken, wenn ich nicht mehr da wäre; ich weiss nicht, wie das gehen sollte; die Mutter hat es selbst manchmal gesagt, sie wisse es auch nicht. Das wird noch harzen, ehe sie mich gehen lassen; die Mutter wird tun, ich darf nicht daran denken. Daneben werden sie mir nicht vor dem Glücke sein, wenn sie glauben, ich mache es gut. Sieh, dort ist unser Haus; jetzt gehst du dem Weg nach, und dort in jener Waldecke kannst warten, bis Bescheid kommt! Ich will dem Fussweg nach, es ist mir lieber, man sehe uns nicht vom Hause weg beieinander; das Gsind würde öppe e Freud ha und e Lärme mache.»

Wie gesagt, so getan. Es kam dem Meitschi – Mädi wollen wir es wieder nennen – gar sonderbar in die Beine: je näher es dem Hause kam, desto schneller lief es, ja, es hatte die grösste Mühe, nicht zu springen, so stark es mochte. Als es zum Hause kam, war die Mutter allein in der Küche. «Mutter, Mutter! d'r Gottswille, was soll ich machen? Er ist hinter dem Haus im Walde!» rief es zur Küchentür hinein.

«Was, wo?» sagte die Mutter. «Er will mich», sagte Mädi, «hat grusam ag'setzt, dass ich es gleich mit ihm richtig mache; aber ich habe euch vorbehalten. Wo ist der Vater?»

«Hinter dem Haus», sagte die Mutter, «will ihn rufen.» Nun ward Konferenz gehalten im Stübli, sie dauerte aber nicht lange. Dem Vater, der ins Geheimnis nicht eingeweiht war, ward flüchtig erzählt, wie Mädi den Knubelbauer angetroffen, wie der mit ihm angebunden, es zur Frau begehre und dort im Walde wartend stehe. Der Vater, der anfangs das Haupt schüttelte, ward gestimmt, dass er wie von ungefähr dem Walde zutrappe und den Michel ins Haus bugsiere, wo man das weitere bereden könnte.

«Lue nur, wie es einer ist!» sagte Mädi zu dem den Kopf schüttelnden Vater. «Er gefällt dir gewiss, er ist ganz ein anderer, als die Leute sagen. Du wirst mir nicht vor meinem Glücke sein wollen; wenn ich schon fortgehe, es bleiben immer noch genug daheim, es wird gehen ohne mich.»

«Selb ist richtig, dafür habe ich nicht Kummer», sagte der Vater, «aber es ist mir wegen dir. Absagen will ich's nicht, aber allweg erst sehen, ob der Bursche Hörner hat oder nicht. Es hat manche reich geheiratet und ist d'r ärmst Hung gsy u blibe uf Gottes Erdbode.» – Er ging dem Walde zu, doch auf einem Umweg, so dass er Michel, der immer auf das Haus visierte und, weil er niemanden kommen sah, ungeduldig werden wollte, unerwartet in den Rücken fiel und erst von ihm bemerkt wurde, als Bäri anschlug. Sami schlief am Boden. «Lussest (lauerst) auf d'Füchs oder uf d'Hase?» fragte der Bauer.

«Auf keins von beiden», sagte Michel. «Bist du etwa der Bauer dort aus jenem Hause?» fragte er.

«Und wenn ne wär, was wettsch mit ihm?» fragte der Mann.

«Möchte gerne mit ihm reden», sagte Michel, «hätt etwas Wichtiges.»

«So», sagte der Mann, «willst zum Hause kommen?»

«Mir recht», sagte Michel; «will nur dem (auf Sami deutend) was sagen.» Er sandte Sami heim mit Bericht an Anni, damit man über sein Ausbleiben nicht etwa in Kummer sei.

Der Bauer führte Michel den geraden Weg zum Hause und sprach Gleichgültiges: vom Wetter, vom Säen und Samen, vom Kauf und Lauf und so weiter. Solche Gespräche sind die natürlichen Examen, wo einem auf den Zahn gefühlt wird, man merkt es nicht. Auf diese Weise wird gar mancher Pfarrer von seinen Bauern examiniert und mancher Schulmeister von seinen Schulkindern. Die Resultate solcher Examen sind nicht unbedeutend, von ihnen hängt der Grad der Achtung ab, von ihnen hängt das Urteil ab, ob es einer sei, den man zum besten halten, ihm eine Nase drehen könne, oder ob man sich vor ihm in acht zu nehmen habe und die Hörner einziehen müsse. Der Bauer auf Rosebabisegg war mit dem Examen nicht übel zufrieden, doch blieb er kaltblütig, schritt über die Schwelle voran, öffnete die Stüblistür, ging voraus und liess gelassen den Michel folgen. Anders die Frau, die eben aus der Türe wollte; die wischte rasch die Hände an der Schürze ab, hiess ihn Gottwillche und fragte ihn: «Was bringt dich Guts so weit nebenaus, wo Fuchs und Hase einander gute Nacht sagen?» Doch fand Michel zur Antwort nicht Zeit, der Alte sagte: «Chumm, hock ab! Bin müd, war um ein Ross aus, konnte keins antreffen, wie ich eins möchte.» Der Bauer gab Aufschluss, wie er eins haben wolle. Gerade so eins hätte er, sagte Michel, er hätte es übrig und teuer gebe er es nicht. – Sie waren noch bei ihrem Rosshandel, als die Mutter aufzutragen begann: Kaffee und das weitere, was zu einem ordentlichen Abendessen gehört. Seinetwegen sollten sie nicht Umstände machen, er möchte sie nicht in Kosten bringen, sagte Michel. «Meinst etwa, das bringe uns über Ort?» fragte die Frau. «Dann ist's nicht wege dyne, aber der Vater hat noch nichts gehabt, und da geht's ja in einem zu.»

Nach üblicher Sitte zeigte sich niemand im Stübli, nicht einmal Mädi, und Michel durfte nicht nach demselben fragen, sondern fuhr im Rosshandel fort, und der Bauer trat kaltblütig ein. Das machte die Frau ungeduldig; sie fuhr endlich mittendrein und sagte: «Du hast die Meitscheni angetroffen im Kuttlebädli, hast ihnen das Geleit gegeben und noch Wein gezahlt im Schnausacker! Ich habe ihnen gesagt, wie unverschämt es sei von ihnen, dich in Kosten und Unmuss zu bringen. Du musst es nicht für ungut haben, es ist wilde Zug, und so an einem Nebenausort lernt man nicht zimpfer und gattlich tun, da macht jedes, wie es ihns ankommt.»

Nun, die Einleitung war so übel nicht, sie bewährte sich, sie brach endlich Michel das Maul auf. He, sagte er, wenn sie nicht mehr über ihn zu klagen hätten, als er über sie, so sei d'Sach recht. Es wäre wohl gut, es wären alle Meitschi so. Er wollte es geradeaus sagen: er begehrte die grössere, Mädi heisse sie, glaube er, zur Frau, wenn sie nichts dawider hätten; er habe es schon dem Meitschi gesagt, und er glaube nicht, dass es demselben sövli zwider war.

«Sie haben gesagt, du seiest der Knubelbauer – ist's?» fragte der Mann. Nun begann Michel wieder ein langes Kapitel von Erläuterungen und Entschuldigungen, welches er mit einer Berufung auf die beiden Mädchen schloss; die könnten reden, sagte er, ob er ein solcher Ausbund von Uflat sei, wie die Leute aus ihm machen möchten. Er habe sich betragen, dass er es versprechen dürfe, und dass sie mit ihm zufrieden zu sein Ursache hätten, und nachfragen könne man, ob er daheim seine Leute plage. Es sei mancher brävere Mensch gewesen als er sei, dem man einen noch viel wüsteren Lärm gemacht als ihm und ganz z'leerem (zu Unrecht). Die Meitschi sollten kommen und reden und Mädi könne dann auch sagen, was es ihm für Bescheid gegeben, sagte der Vater.

Die Mutter ging hinaus und kam endlich mit dem Bescheid wieder, sie bringe die Meitscheni nicht herein; sie hätten nichts zu klagen, sei ihre Aussage, und Mädi habe gesagt, es hoffe nicht, dass es uns erleidet sei; daneben könnten wir machen, was wir wollten, wir verstünden es besser, und wenn wir meinten, es sei sein Glück, dann wolle es sich drein schicken.

Das sei guter Bescheid, sagte Michel; er hoffe, die Sache sei jetzt richtig.

«Ohä, Bürschli», sagte der Bauer, «so geschwind ist das nicht gemacht! Ich werfe meine Meitschi nicht dem ersten besten eis Gurts an Hals, wie ein Jude seine Ware auf das erste Gebot; d'Sach muss doch zuerst überschlagen, untersucht und gluegt sy, wie me d'Sach mach.»

«Du wirst meinen, du hockest am Gericht», sagte die Mutter, «und es müess e Acker gfergget sy und kein Pünktli vergessen. Daneben mach, was du willst; es geht keinem Menschen so übel wie mir, wenn Mädi fortgeht – das ist eins! Aber eben deswegen gönne ich ihm sein Glück, wie bös es mir auch geht!» Sie fing an zu schluchzen, nahm die Schürze vor das Gesicht und ging ab.

Es ist sonderbar mit den Weibern: kaum streckt ihnen ein Töchterlein das Näschen in die Welt, gehen sie auf den Estrich, überschauen Land und Leute, Berge und Täler und überschlagen, wo wohl das passendste Männchen für ihr Töchterlein bereits geboren sei. Auf das Männchen, dessen Persönlichkeit aber gewöhnlich wechselt im Lauf der Jahre, ist fortdauernd ihr Augenmerk gerichtet, und erscheint endlich wirklich einer und will d's Meitschi, so hüpfet wohl innerlich ihr Herz vor Freude, aber äusserlich tun sie doch, als ob sie wieder ins Kindbett kämen. Es wird halt so der Brauch sein.

«Sag dem Meitschi, es solle kommen, es kann seine Sache selbst dazu sagen!» rief der Bauer seiner Alten nach, und Mädi kam endlich. Der Alte sagte: «Du musst dein Wort auch dazu geben, ob es dir anständig ist oder nicht, ehe man die Sache weitertreibt, damit, es mag gehen, wie es will, es nachher nicht heisst, wir seien schuld, wir hätten es erzwungen.» Da fing auch Mädi an zu gruchsen und sagte, es sei ihm hier noch nicht erleidet, es hoffe, es sei ihnen auch nicht erleidet. Man wisse gar nicht, was man habe und wie wohl es einem sei, wenn man ledig sei; daneben werde es einmal sein müssen; was einem geordnet sei, dem entrinne man nicht, da wolle es nichts dawiderhaben. Wenn sie glaubten, es sei sein Glück und es mache es gut, so wolle es sich in Gottes Namen darein schicken. Dazu flattierte es dem Bäri, krauete ihm am Kopf, den derselbe auf seinen Schoss gelegt hatte, dass Michel immer denken musste, er wollte, er wäre der Bäri; selb düechte ihm auch angenehm, wenn eine ihm am Kopfe krauete.

Man sieht, die Unterhandlungen waren im besten Gange und endigten damit, dass Michel da über Nacht blieb und die Verabredung getroffen ward, dass am Dienstag oder Mittwoch der Bauer mit dem Meitschi auf Gschaui kommen solle, unter dem Vorwand wegen dem dreijährigen Rosse, um das sie ebenfalls auf Gschaui hin gehandelt hatten. Am folgenden Morgen nahm Michel Abschied, aber schon ganz heimelig. Es war, als wenn über Nacht die zukünftige Verwandtschaft schon in ein bedeutendes Wachstum gekommen wäre und der Handel gar nicht zweifelhaft sei. So kühn und stolz, wir möchten sagen, so ganz von Glück gesättigt, war Michel noch nie durch die Welt marschiert. Jetzt hätte er, was ihm einzig gefehlt auf der Welt und eine, wie es auf der Welt keine mehr gebe, so kam's ihm vor. Die Küherstochter sei wohl die mächtigere gewesen und die gefärbtere im Gesicht, sei aber eine gewesen fast wie ein Mannevolk von grobem Schlag innen und aussen. Dagegen sei Mädi eben recht, nit z'grob und nit z'bring, gerade wie es einem Weibervolk gut anstehe, klug und witzig, und habe ein Herz wie eine Ankeballe im Mai so lind, und süss wie Honig. Was Anni luegen werde und eine Freude haben! Er hätte für sein Leben gern was angefangen, eine tüchtige Prügelei zum Beispiel, so eine rechte Bürgerlust, aber es war Werktag und daher keine Gelegenheit dazu; die Menschen waren an der Arbeit, die Wirtshäuser leer. Er kam nahe bei dem Wahrsager vorbei, das fiel ihm plötzlich ein; er lenkte gegen ihn ein, wollte ihn auf die Probe stellen, ob er wisse, was gegangen, wollte den fernern Verlauf vernehmen.

Das Männchen konnte Michel zu seiner grossen Verwunderung punktum sagen, was gegangen war. Ferner sah dasselbe in seiner Flasche eine grosse Hochzeit und schliesslich eine Menge Kinder. Michel war ganz erstaunt und so freudig, dass er diesmal nicht bloss drei Batzen, sondern einen ganzen Zehnbätzler schwitzte, eine Freigebigkeit, welche dem Mannli noch nie vorgekommen war. Es sagte daher zu Michel: «Wenn ich dir was dienen kann, sei es Tag oder Nacht, wenn dir was gestohlen worden, oder sonst was hast, das du gerne wissen möchtest, so sprich zu; wenn es zu machen ist, ich will dir helfen. Von wegen ich will dir sagen, dass es mit dem Wahrsagen noch eine wunderliche Sache ist und viel auf die Person ankommt: bei lautern, gutmeinenden Leuten, wo andern auch was gönnen und nicht so Kreuzerklemmer sind, da wird die Sache viel lauterer im Wasser und es zeigt sich alles viel deutlicher an. Hingegen bei bösen, wüsten Leuten wird es ganz trüb; es ist mir schon begegnet, dass das Wasser worden ist wie ein Erbsmus, dass ich gar nichts machen konnte. Von solchen Leuten machte ich, dass ich wegkam, je eher und je weiter, je lieber, man weiss nie, was mit solchen Leuten gehen kann, von wegen der Teufel ist ein Schelm.»

Anni hatte nach Samis Bericht keine Ruhe mehr gehabt. Sami hatte viel Phantasie, machte alleweil Dichtung und Wahrheit untereinander, ohne es selbst zu wissen, aber diesmal machte er eine Beschreibung von der Person, wie das eine sei, und von ihrem Hofe, was das für einer sei, dass Anni ein Mal über das andere ausrief: «Sami, du lügst! Bub, schäm dich, d'Mutter so az'lüge!» Die offenbaren Uebertreibungen von Sami machten, dass Anni das Gegenteil für wahr hielt und meinte, Michel habe endlich eine, aber eine, welche des Lügens nötig hätte, um ihre Mängel zu bedecken, eine leide, schlechte Person und vielleicht gar von der Gasse. Endlich, am Nachmittag erst, kam Michel daher, rauchte ordentlich vor Glück. Das machte Anni nicht besser. «Es ist», sagte es, «Gott verzeih mir meine Sünd, ein Löhl wie der andere. Die hat es euch angetan, das muss ja eine verflümerte Täsche sein, wo euch so ag'hexet hat; das ist nicht mit rechten Dingen zugegangen, das wird eine saubere Lebtig geben bei solch einer Täsche, wo hexen kann!» Was Michel sagen mochte, Anni liess sich nicht begütigen. Sein Lebtag habe es nie gehört, sagte es, dass man so gleichsam nur im Vorbeigang hätte den Narren fressen können so an einem jungen, dummen Meitschi. Als Anni hörte, dass sie die nächsten Tage, vielleicht schon morgen, kommen werde, da war ihm erst nicht zu helfen. Es wolle brav beten, sagte es, das werde wohl das Beste sein, dass die ihm nichts antun könne, es nicht auch verblende und verhexe wie die jungen Löhlen da. – Der erste Tag verstrich voll bangen Wartens, aber es erschien niemand. Am folgenden Morgen sagte Michel, wenn sie heute nicht kämen, schicke er den Sami aus, zu vernehmen, was es gegeben, ob etwas Unguts dazwischengekommen. Das war nicht nötig: am zweiten Tage kamen sie wirklich dahergefahren, der Bauer und seine Tochter.

Dass das in der ganzen Umgegend ein grosses Aufsehen gab, dass ein solches Wägeli nach dem Knubel fuhr, kann man sich denken. Zu allen Fenstern aus kamen lange Hälse und reckten und dehnten sich, als wollten sie dem Wägelein nachfahren, und als sie nicht weiter konnten als vor's Haus auf dem Knubel, sollen die langen Hälse in lauter lange Nasen sich verwandelt haben. Auf dem Knubel aber war grosse Verlegenheit: Michel war verlegen, Anni war verlegen, Mädi war verlegen, am wenigsten der Bauer. Anni wusste lange nicht, sollte es sich zeigen oder nicht; Michel fühlte, er sollte höflich sein, und wusste nicht, wie machen; Mädi wusste nicht, welchen Ton anschlagen, dass er der rechte sei, und blickte zwischen seinen langen, schwarzen Wimpern durch, als suche es einen Weg zum entspringen. Michel wusste nicht, sollte er erst mit dem Vater in den Stall oder mit der Tochter in die Stube. Endlich zog er das letztere vor; da musste Anni doch sich zeigen und das Meitschi hineinkommen heissen. Drinnen machte Mädi sein Säcklein auf, holte eine kleine Zupfe und ein Fürtuch hervor und sagte zu Anni: «Ich habe dir da was gekramet, es ist eine Kleinigkeit, nur um den guten Willen zu zeigen.» Anni zog die Hände hinter dem Rücken zusammen und sagte: «Das hätt sie nit brucht, mynetwäge hättisch nit sölle Köste ha; leg nume ab, leg nume ab!» Für alles Geld in der Welt hätte es einstweilen nichts davon angerührt, aus Furcht, das Hexenwerk könnte in Fürtuch oder Zupfe stecken. Es gab gar langsam ein Wort das andere, vom Wetter erst und dann, wann sie aus Rosebabisegg fortgefahren und wo allenthalben sie sich aufgehalten. Fluss kam in die Rede nicht. Anni dachte, wenn man es nicht wüsste, man täte es ihm gar nicht ansehen. Mädi dachte: «Das ist eine Wunderliche; allweg sieht die eine Frau nicht gern, aber vielleicht ist da doch noch was zu machen.»

Als Michel und der Bauer endlich das Ross versorgt hatten und flüchtig die andern Rosse übersehen, kamen sie auch in die Stube. Ein kleiner Imbiss ward aufgestellt nebst vielen Entschuldigungen, man gebe, wie man es verstehe, an viel Aufwartung sei man nicht gewöhnt; eine junge Frau könne es dann einmal besser machen, setzte Anni hinzu, nicht bös gemeint, aber doch konnte man es nehmen, wie man wollte. Michel schlug vor, als niemand mehr was essen wollte, ob sie kommen wollten, zu sehen, wo er daheim sei, unterdessen könnte Anni etwas z'essen zwegmachen.

Sie wollten doch nicht Umstände machen, sie hätten ja erst gegessen, und das Weitere sei überflüssig, sagte Mädi.

He, sagte Anni, es wolle einmal was machen, so gut es es verstehe, es könne dann davon nehmen, wer möge. Als sie draussen waren, sagte Anni zu sich selbst: «Dass es eine Hexe ist, glaube ich doch nicht; Hunde und Rosse merken es sonst, und Bäri nahm ihm Käs ab und hat ihm flattiert; es müsste es dem auch haben antun können.»

Als Michel seinen Besuch auf seinem Lande herumführte, verlor sich seine Verlegenheit, sie machte dem Selbstbewusstsein des reichen Besitzers Platz, denn einen schöneren Hof sah man wirklich selten. Es fehlte auch am gehörigen Lobe nicht. «Ja», sagte der Bauer, «wo man Geld genug hat, ist gut bauern. Es versteht es noch mancher, aber er vermag's nicht; ein guter Hof sollte immer einen reichen Bauern haben.» Darauf führte Michel sie noch in den Speicher, das Herz oder die Schatzkammer eines Hofes, und ob dem Reichtum darin erstaunten sie. Es ward Mädi ganz eng im Hals; es konnte kaum schnaufen, wenn es dachte, es sei möglich, dass es den Schlüssel zu all diesen Herrlichkeiten in die Hände bekomme und Herrin darüber würde. Es schwindelte ihm vor den Augen, es fand die Treppe kaum, die aus diesem Himmel wieder hinunter zur Erde führte. Es dachte, es sei gut, dass die andern alle nie auf den Knubel gekommen, sie hätten kaum so wüst getan, sondern begriffen, dass sie und der Hund hier zu fressen hätten, ohne dass es eins dem andern zu missgönnen brauche.

Das Essen war zweg, und man ass, trotzdem dass man sagte, man möge nichts. Anni hatte aber eine Zauberformel, mit welcher es zu essen zwang. Es habe es gemacht, so gut es gekonnt; es wäre ihm leid, wenn es ihnen es nicht hätte treffen können; es werde sie grusen, zu essen, was so eine Alte gekocht, aber es sei doch wahrhaftig sauber. Es hätte allem aufgeboten, die Sache recht zu machen, dass sie nicht einen Ekel darob zu haben brauchten.

«Aber warum hockist du nicht herzu und issest mit? Du musst das gute Beispiel geben!» sagte der Bauer.

«Das würde sich doch übel schicken», sagte Anni, «wenn ich da anehocke wett, als war ich d'Büri; bin ich doch nur eine Magd und eine alte krächelige, es ist nichts mehr mit mir.»

«Es wäre gut, es war mit keiner jungen minder», sagte der Bauer, «man wäre besser zweg als man ist mit den Mägden, und manche Bäuerin könnte bei dir ein Exempel nehmen. Es ist alles so sauber und aufgeputzt, als ob es Sonntag wäre; da sieht man nirgends eine Spur, dass so lange keine Frau gewesen; du hieltest das Heft gut in der Hand, es tut's dir keine Junge nach.» Das waren Klänge, welche anklangen in Annis altem Herzen; es machte ein Gesicht wie ein sechzehnjähriges Mädchen, wenn man ihm sagt, wie wunderschöne Augen es doch habe. Es liess sich doch endlich herbei, sass so halbers an den Tisch, weil es fand, das sei ein bsunderbar weiser Mann, es sei eine Freude, dem zuzuhören. Mädi hatte in Vaters Rede die Tonart alsbald gemerkt, welche es anzuschlagen hatte, und brauchte sie in rechtem Masse, dass Anni dachte, wegem Hexen habe es dem Meitschi unrecht getan; es begriff, wie es den beiden Jungen so habe gehen können; es habe von weitem etwas Wilds und bei nahem doch etwas Liebliches, geradeso, wie es die einen am meisten liebten.

Als Anni wieder fortpressiert, unter dem Vorwand, es müsse mit der Haushaltung machen und sehen, dass die Schweine ihre Sachen bekämen, ging Mädi mit. Bei den Schweinställen gewann Mädi Annis Herz vollständig. Es rühmte ihm nicht bloss die Schweine, sondern trug ihm auch einige Fälle vor, fragte ihns um Rat, was es für das Beste hielte, und schien bsunderbar zufrieden mit den erhaltenen Aufschlüssen. Es hätte ihm noch niemand so deutlich die Sache zerlegen und Aufklärung darüber geben können, sagte es.

Drinnen ging das Ding auch wichtig zu und zu gegenseitiger Zufriedenheit. «Und wie gefällt es dir bei mir, was düecht dich?» fragte Michel.

«Ich will es dir gerade heraussagen», antwortete der Bauer auf Rosebabisegg, «ich habe es nicht so erwartet; du bist zweg, wie ich es nicht bald gesehen. Ich hätte nie gedacht, dass eines von meinen Meitschi an einen solchen Ort käme; von wegen du musst wissen, ich habe meine Sache auch, aber reich bin ich nicht, muss Zins haben und dafür sorgen, dass einer meiner Buben wieder vermöge, Bauer auf meinem Höflein zu werden. Es käme mir jetzt ungeschickt, wenn ich eine Ehesteuer geben müsste; einen Trossel, wie üblich und bräuchlich, selb wohl, selb muss es haben und einen braven. Es wäre mir leid, wenn es deswegen nichts aus der Sache geben sollte, von wegen es gefällt mir hier, und eine Frau hat es nicht bös. Deine Leute haben es gut, Tauben, Hühner, kurz alles Vieh ist zahm und hat keine Furcht, das ist immer ein gutes Zeichen, dass man vernünftig ist und jeder Kreatur das Ihre gönnt.»

«Da lass dir keinen Kummer kommen! Ich begehrte nicht einmal einen Trossel, wenn es nicht wegen der Leute wäre, und von Ehesteuer ist gar keine Rede; und wenn du Geld nötig haben solltest, tausend Gulden oder mehr, so sag es nur, ich habe es beisammen; wenn es dir dienet ist, kannst es heute mitnehmen, wenn du mir die Tochter geben willst», sagte Michel rasch. Wo die Dinge also stehen, muss d'Sach richtig werden.

Einigen Anstand gab es wegem Pressieren von Michel, der alsbald verkünden lassen wollte. Mädi hatte Ausreden; der Bauer meinte, allweg brauche es Zeit, man müsse Schneider, Näherin, Schuhmacher auf die Stör (ins Haus) nehmen, und ob diese alsbald, zu haben seien, wisse man nicht. Aber Michel setzte nicht ab, und Anni, das ganz verhexet war und doch weder Zupfe noch Fürtuch angerührt hatte, unterstützte ihn kräftigst: man kenne die Leute und wisse, wie sie es machten; es sei ja, als ob der Teufel sie stüpfe, dass, wenn zwei zusammenwollten, sie zwischeneinstünden und alles versuchten, sie wieder auseinanderzubringen. Sei ihnen dies d'rwert bei den ärmsten Leuten, was würden sie erst tun, wenn es ruchbar würde, der Knübelbauer hätte eine und noch dazu eine Fremde? Da fahre gewiss der Teufel Hunderten in die Beine, dass sie herumführen mit Lügen und Verleumdungen, bis sie ein Feuer angeblasen. Bei der Wahrheit hätten sie nichts zu fürchten, aber wie die Leute ersinnen und lügen könnten, hätten sie erfahren. Sachen hätten sie zweggekorbet, an denen kein wahrer Buchstabe gewesen, wo man gar nicht hätte begreifen können, dass ein vernünftiger Mensch ein Wörtlein davon geglaubt, und doch sei es geschehen. Die Leute hätten gemeint, etwas Wahres müsse allweg an der Sache sein, und selb sei eben nicht, das sei eben das Verfluchtest.

Diese Gründe zogen besonders bei Mädi. Es begriff das Interesse, welches die Leute haben mussten, Unkraut zu säen; es lief bei dieser Saat die grösste Gefahr. Man wurde also rätig, alsbald zuzufahren, und was vor der Hochzeit nicht fertig sei, könne man nachher machen. Michel meinte, von seiner Mutter selig sei noch so viel da, dass eine Frau ihr Lebtag mehr als genug an Kleidern hätte, eine Ansicht, welche Mädi nicht besonders einleuchtete, doch bestritt es sie einstweilen nicht.

Das Ross war gekauft worden, ward hinten ans Wägeli gebunden, und gäb wie Michel protestierte, hatte der Schwiegervater es bar bezahlt. Wenn er seinen Meitlene schon nicht viel mitgebe, so wolle er doch auch nicht seine Tochtermänner ausnutzen, sövli bös dran sei er doch nicht, sagte er. Das Ross sollte das eigentliche Geschäft verdecken und die Leute meinen machen, es habe sich nur um das gehandelt. Aber es ist schwer, der Welt in solchen Dingen Sand in die Augen zu streuen; wie schlau man es auch anfängt, es gelingt selten.

Auf der Heimfahrt sagte der Vater zu der Tochter: «Du bist ein Glückstüpfi, du wirst reich, du weisst nicht, wie, und Michel gefällt mir. Tut eine Frau gut, macht nicht den bösen Kopf, sondern achtet sich ein wenig auf jedermanns Trapp, so hat sie die besten Händel. Mich nimmt nur wunder, wie das gegangen, dass du mit ihm im Kuttlebädli zusammengetroffen? Da ist mir etwas noch nicht lauter, Meitschi, gib Bricht!» Da war's als sei Mädi ein Besenstiel in den Hals gefahren, es hustete und bystete und konnte lange kein ordentlich Wort zutage bringen. Endlich munkelte es etwas wie: das hätte sich so getroffen, es werde haben sein sollen. Doch der Alte war so leicht nicht abzufertigen. Mädi musste endlich gestehen, dass das alte Kreuzertrini im Spiel gewesen, dass es Michel gesagt worden, er werde die Rechte antreffen im Kuttlebädli, und dass Mädi gedacht, das werde keine Sünde sein, wenn es hingehe und den Burschen sehe. Gebe es was draus, wohl und gut, gebe es nichts draus, so sei es doch um einen Tag nicht gefochten.

Der Alte vernahm soviel, dass er so ziemlich klar sah, wie tief Mädi die Finger im Teige gehabt. Nun stiess er sich so sehr nicht daran, wie mancher Papa aus der Stadt sich gestossen hätte, weil Mädi gegen Landessitte so gröblich nicht gefehlt, sondern bloss dem Glücke etwas nachgeholfen, was Hunderte vor ihm getan und Hunderte nach ihm noch tun werden. Aber er fand doch eine scharfe Mahnung nicht ab Ort. «Sieh», sagte er, «d'Sach ist dir geraten; aber wenn es dir auskommt, machen sie ein Lied auf dich, und dein Lebtag musst es hören. Und lue, Meitschi, dass du jetzt solche Streiche ein für allemal bleiben lässest! Das unter dem Hüetli spielen kommt in der Ehe niemals gut. Es ist jetzt an dir, alles aufzubieten, dass es gut geht; du hast die Sache wollen, und geht es nicht gut, so hast du allein alles auf dem Gewissen und mit Klagen komme nicht zu mir! Wie ich die Sache kenne, ist es nicht schwer, gut zu fahren. Musst nur nicht deinen Kopf machen, nicht meinen, es solle alles nach deiner Geige tanzen. Du kommst mit leeren Händen, meine nicht, du wollest dagegen mit neuen Bräuchen kommen! Du findest Geld und Gut, darum musst du auch die Hausart und Haussitte mitnehmen, sie ist gut, es ist Ordnung da und Verstand. Glaub', bei grossem Unglück in der Ehe fehlt es gewöhnlich an einem kleinen Ort, und wenn die Leute sich nicht steiften im Eigensinn, so wäre leicht zu helfen, aber da sieht jedes den Splitter in des Nächsten Auge, den Balken im eigenen nicht. Die Alte trage auf den Händen, sie verdient's, dann wird sie dir tun, was sie dir an den Augen absieht; unter Tausenden hätte keine gehandelt wie sie. Nimm es vor dich, dein Glück sei unverdient, wollest es erst jetzt verdienen als eine rechte gute Frau, so kann's gut kommen. Kommt's nit gut, denk' daran, so hast du die Schuld, du hast's in deiner Hand. Bist listig genug gewesen, die Sache bis dahin zu bringen, so brauch jetzt den Verstand und bringe sie zu einem guten Ende! Denk', was die Leute für Freude daran hätten, und wie sie es dir gönnen möchten, wenn es recht bös ginge!» – Dieser Zuspruch fand guten Boden, und der letzte Grund zog nicht am wenigsten.

Als sie heimkamen und von den beaugenscheinigten Herrlichkeiten berichteten, verspritzte die Mutter fast vor Neugierde. Es liess sie gar nicht leben, bis auch sie das gelobte Land, das neue Kanaan erblickt; sie fand dazu keine Gelegenheit, daher machte sie eine: sie legte es Michel auf die Zunge, bis er es begriff und es ihr anerbot, einmal mit Ross und Wägeli zu kommen und sie zu holen. Die hatte aber einen andern Geist als Mädi. Als sie wieder fort war, sagte Anni, es sei ihm lieber, es sehe die nicht alle Tage. Da könnte man ein Beispiel nehmen, wie es ginge, wenn die Schwieger vor der Haustür wohnte.

Es ist wirklich kurios, wie eine grosse Menge von Schwiegermüttern das Vermögen oder das Hauswesen, welches ihre Töchter ermannen, als eine Erbschaft betrachten, welche neu in ihre Familie gekommen, welche sie nun zu verwalten, ihm das Glück ihrer Bewirtschaftung zukommen zu lassen hätten, indem es bis dahin vernachlässigt und grundschlecht besorgt gewesen. Nun solle es anders werden und ganz auf ihre Mode eingerichtet, dann komme es gut, meinen sie; können sie es nicht geradezu selbst machen, so machen sie ihren Töchtern katzangst, himmelangst, todesangst: wenn nicht bis übermorgen alles nach ihrem Kopf eingerichtet sei, gingen sie zugrunde, selb fehle nicht.

So ungefähr tat auch die Rosebabiseggbäuerin auf dem Knubel. Sie sagte den ganzen Tag wenig anders als: «Hör, das kommt dir nicht gut, das musst so und so machen, es kommt dir ganz anders, Mädi wird dich schon brichten; das habe ich dressiert, das kennt d'Sach, das lass dann nur machen, d'Sach wird bald eine andere Nase haben!» Es machte Anni angst. Wenn die Tochter auf die Mutter höre, so habe die Sache gefehlt; die sei ein sturmer Zwänggring, wie ihm noch keiner vorgekommen, sagte es. Doch Michel brachte Trost: d's Meitschi habe gesagt, sie sollten nicht Kummer haben, dass es der Mutter nachfahre und d'Sach alle nach seinem Gring haben wolle; wie es d'Sach finde, sei sie ihm recht. Es wisse wohl, dass man die Sache auf mehr als einem Weg gut machen könne, und es meine nicht, dass es nicht noch viel lernen könne. – Das sei bsungerbar weislich g'redt für es Wybervölkli und noch dazu für ein junges, urteilte Anni.

Als die Ehe zum erstenmal verkündet wurde, so ziemlich unerwartet, gab es grossen Lärm im Land und grossen Zorn. Es war fast, als ob der ganzen mannsfähigen Weiberschaft und sämtlichen Müttern ein grosses Unrecht angetan worden sei, das gar nicht anzunehmen, nicht geduldet werden könne. Wie es manchmal Frösche regnet und manchmal von Kröten wimmelt, als ob es lebendig geworden im ganzen Erdboden, so wimmelte und gramselte es zwischen dem Knubel und Rosebabisegg und noch weit darum herum von Füssen und Beinen, welche Weibern gehörten, die schrecklich taten über das unerhörte Verbrechen, dass zwei einander heiraten wollten; die sagten, es sei vor Gott und Menschen nicht recht, es so zu machen, und wenn es z'machen sei, so müsse die Sache versprengt sein, es könnte ja sonst ein Unglück geben, dann hätte man es auf dem Gewissen, wenn man es hätte wehren können und es nicht gewehrt.

Da stoben Gerüchte dicht durchs Land, wie es stäubt in einer Mühle oder einer Tenne, wenn brandig oder grau Korn gedroschen oder gemahlen wird. Diese Gerüchte wurden aufgefangen und unter dem Scheine des zärtlichsten Wohlmeinens, je nachdem sie lauteten, entweder auf den Knubel oder auf Rosebabisegg getragen. Wenn alle diese Gerüchte wahr gewesen wären, so wären Michel und Mädi jedenfalls zusammengekommen, aber nicht in der Kirche, sondern am Galgen. Wir wollen die Schandtaten alle, welche beiden nachgeredet wurden, nicht aufzählen, bloss bemerken, dass eine der geringsten von Mädi war, dass es Kinder vertragen, von Michel, dass er der Obrigkeit den Strick verzinse. Man setzte gewöhnlich hinzu, man wolle nicht sagen, es sei, beweisen könne man es nicht; aber es werde sein, es gebe Leute, welche sagten, es sei gewiss, und wenn sie reden wollten, sie wüssten noch ganz andere Dinge und ebenfalls gewiss.

Es ist merkwürdig: man erwartete, dass es so kommen werde, und als es wirklich so kam, war man doch nicht gehörig gefasst, das heisst man konnte sich eines gewissen Eindrucks nicht erwehren; jedes vernommene Gerücht hinterliess Stacheln, und wenn man sie sich ausriss, das heisst sich einredete, man glaube sie nicht, so blieb doch immer etwas stecken. Das ist eben das Verfluchte an solchen Gerüchten und das Schlechte an unserer Natur, dass sie meist etwas zurücklassen, wie widersinnig sie sein mögen, wie der Teufel, wenn er auch verschwindet, immer etwas hinterlassen soll, einen verfluchten Gestank nämlich.

Doch ging das diesmal so übel nicht und zwar darum: Einmal traf Michel Mädi mit verweinten Augen an und in einer Stimmung, dass es ihn kaum mit dem Rücken ansehen mochte, kein Wort konnte er aus ihm herausbringen. Mädi hatte vernommen, Michel habe eine im Haus, von welcher er bereits ein ganzes Regiment unehelicher Kinder habe; von der werde es etwas schmöcken. Das sagte der Vater dem Michel. Darauf packte Michel auch aus, was er vernommen, unter welchem das Aussetzen von Kindern, das Liefern ins Findelhaus nach Mailand von wenigstens sieben an der Zahl bei weitem nicht das Aergste war. Das fuhr Mädi schrecklich ins Gemüt, aber kurierte es, das heisst so weit, dass es sagte, es hätte nicht geglaubt, dass die Leute so tüfelsüchtig lügen könnten; wenn sie es ihm so machten, so werde es wohl sein, dass auch nicht alles wahr sei, was sie über Michel sagten; vielleicht sei alles erlogen, das werde sich dann bald zeigen. Man wurde rätig, jede oder jeden, welche ein solches Gerücht auspacken wollten, mit dem Stock vom Hause wegzujagen; das half gegen das Gesindel.

Dann kamen Verwandte angestiegen, Götti und Gotte, wimmerten und taten kläglich, man sollte doch recht noch besser sehen und sich wohl besinnen, ehe man den Fuss recht im Lätsch hätte. Sie wüssten wohl, sie kämen mit solchem Rate nicht wohl an, aber hintendrein habe schon mancher eingesehen, wer es wohl mit ihm gemeint und wer nicht. Die weiblichen Ratsherren gebrauchten gewöhnlich sogar das Schnupftuch, schnupften erst brav, wischten sich dann die Augen mit Macht. Gegen diese mit dem Stocke zu agieren, schickte sich nicht wohl; man suchte sie zu verbrauchen, so gut man konnte, und wehrte sich gegen böse Eindrücke nach Vermögen. So schlug man sich glücklich durch bis zum Hochzeitstage.

Am Abend vorher ward von den Freunden Michels tapfer geschossen: man kannte Michels offene Hand. Aber ins fröhliche Schiessen klangen von ferne her die wüsten Töne aus grossen Kuhhörnern zu Spott und Hohn. Man will behaupten, diese wüsten Musikanten seien besonders von weiblichen Mächten bestellt, instruiert und dirigiert worden.

Trotz allem richtete Michel eine stattliche Hochzeit aus. Mit mehr als zwanzig Wagen fuhr er zur Trauung, und wie manche Pistole knallte, wissen wir nicht. Ein Wunder war's, dass nicht grosses Unglück geschah; die jungen, ungewohnten Pferde wurden scheu, zerschlugen die Gabeln, Räder fuhren ineinander, Pistolen sprangen, und doch wurde niemand beschädigt, dass es der Rede wert war. Das nahm man für eine gute Vorbedeutung und mit Recht, denn gut ging es. Michel wurde nie reuig und seine Frau noch viel weniger: es gab ein sehr glückliches Ehepaar. Michel gab aber auch einen Mann ab, als die Frau ihn nach und nach von den Kinderschuhen entwöhnte; es blieb ihm nur das einfache, treuherzige Wesen, welches jedem Manne wohl anstände, wenn er es hätte. Aber nie getraute sich seine Frau, ihm das Geheimnis vom Kuttlebädli zu enthüllen. Sie dachte, es trage nichts ab; besser begehre sie es nicht, aber es zu verbösern, begehre sie auch nicht. Anni hatte grosse Freude, als es wieder wirkliche Kindermutter werden konnte, und hätte sich dieses Amt um kein Geld der Welt abkaufen lassen. Dass ein Kind nach dem andern kam, machte ihm aber angst: wenn schon so viel Sachen da seien, so gebe es zuletzt doch gar zu kleine Häufchen, und wer dann Bauer sein wolle auf dem Knubel, jammerte es. Das letzte der Kinder erlebte es nicht, und alle erhielten trotz Annis Angst ihren schönen Teil, denn bei allem war Gottes Segen, und auf dem Knubel wird ein Bauer bleiben, solange Gottes Segen droben bleibt, solange fromme Eltern sorgen und hausen, dass sie den Segen hinterlassen können, der den Kindern Häuser baut.


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