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Dritter Aufzug.

Zimmer des ersten Aktes.


Erster Auftritt.

Anna Andrejewna und Marja Antonowna (stehen in derselben Haltung, wie am Schluß des ersten Aufzuges, am Fenster.)

Anna Andrejewna.

Da warten wir nun schon eine volle Stunde – und daran ist deine alberne Ziererei schuld: die Toilette war fix und fertig, aber da mußte natürlich noch nach Schleifen und Bändern gekramt werden! Daß ich dich auch hören mußte! Krank ärgern kann ich mich! Und keine Menschenseele zeigt sich auf der Straße! Als ob die ganze Stadt ausgestorben wäre!

Marja Antonowna.

Aber Mama, wirklich, in zwei Minuten werden wir alles wissen! Awdotja muß ja gleich zurück sein. (Späht aus dem Fenster und stößt einen leisen Schrei aus.) Mama, Mama, da kommt jemand! Sehen Sie? Dort am Ende der Straße!

Anna Andrejewna.

Wo? Wer? Was phantasierst du? ... In der That, da kommt jemand ... Wer mag das sein? ... Ein kleiner Mann im Frack ... Wer ist denn das? .... Ach, ist das ein ärgerliche Geschichte! Wer mag das nur sein?

Marja Antonowna.

Dobtschinskij, Mama.

Anna Andrejewna.

Dobtschinskij? Was fällt dir ein? Phantasierst du schon wieder? Dobtschinskij! (Weht mit dem Tuch.) He, Sie! Kommen Sie mal her! Geschwind!

Marja Antonowna.

Wirklich, Mama, es ist Dobtschinskij.

Anna Andrejewna.

Du widersprichst nur, um zu streiten! Es ist nicht Dobtschinskij, sag' ich dir!

Marja Antonowna.

Nun? Nun? Sehen Sie, Mama? Es ist Dobtschinskij!

Anna Andrejewna.

Nun ja, jetzt sehe ich es selbst, daß es Dobtschinskij ist, – was hast du also zu widersprechen? (Schreit zum Fenster hinaus.) Schnell, schnell!... So gehen Sie doch nicht so langsam! ... Nun, wo sind Sie? Aber so sprechen Sie doch von dort aus: ich höre hier sehr gut! .... Ist er sehr streng? ... Wie? Und mein Mann, mein Mann? (Sich ärgerlich vom Fenster abkehrend.) Ist das ein dummer Mensch: bevor er nicht ins Zimmer getreten ist, erfahren wir nichts!


Zweiter Auftritt.

Die vorigen und Dobtschinskij.

Anna Andrejewna.

Sagen Sie mal: schämen Sie sich denn wirklich gar nicht? Nur auf Sie, als auf einen anständigen Menschen, hatte ich mich verlassen; aber als alle davonstürmten, rannten Sie hinterdrein, und so habe ich bis jetzt von niemand etwas Vernünftiges erfahren können! Schämen sollten Sie sich! Ich habe Ihren Wanitschka und Ihre Lisanka aus der Taufe gehoben, und Sie behandeln mich auf eine solche Weise ....

Dobtschinskij.

Bei Gott, Frau Gevatterin, ich eilte so sehr, Ihnen meine Hochachtung zu beweisen, daß ich noch jetzt mit Mühe nach Luft schnappe! .... Ihr Diener, Marja Antonowna.

Marja Antonowna.

Guten Tag, Pjotr Iwanytsch.

Anna Andrejewna.

Aber nun erzählen Sie endlich. Wie war's? Wie ging's?

Dobtschinskij.

Hier schickt Ihnen Anton Antonowitsch ein Billet.

Anna Andrejewna.

Was ist er? General?

Dobtschinskij.

Das zwar nicht, – giebt aber einem General nichts nach. Diese Bildung, dieses würdevolle Wesen!

Anna Andrejewna.

Ah! Also ist's derselbe Beamte, von dem man meinem Manne geschrieben?

Dobtschinskij.

Genau derselbe! Und diese Entdeckung haben zu allererst ich und Bobtschinskij gemacht!

Anna Andrejewna.

Nun, erzählen Sie! Wie ging's?

Dobtschinskij.

Ganz gut, Gott sei gelobt. Anfangs begegnete er Anton Antonowitsch ein wenig strenge .... Ja, er fuhr auf und sagte, die Behandlung im Wirtshause sei eine schlechte und er werde nicht zu ihm fahren und wollte auch nicht für ihn im Gefängnisse brummen. Doch als er sich von Anton Antonowitschs Unschuld überzeugt und mit ihm ein eingehendes Gespräch angeknüpft hatte, kam er sogleich auf andere Gedanken und alles ging, Gott sei Dank, gut. Jetzt inspizieren sie das Hospital .... Ich muß gestehen, Anton Antonowitsch befürchtete eine geheime Denunziation. Auch ich bekam ordentlich Angst.

Anna Andrejewna.

Was hätten Sie denn zu fürchten? Sie sind ja kein Beamter.

Dobtschinskij.

Ja .... aber wissen Sie .... Höre ich einen Würdenträger reden, wird mir immer angst und bange.

Anna Andrejewna.

Nun .... das ist ja alles ein Unsinn! Sagen Sie mir lieber, wie er aussieht. Ist er alt oder jung?

Dobtschinskij.

Jung, ganz jung ... so etwa dreiundzwanzig ... spricht aber ganz wie ein alter Mann. »Meinetwegen, – sagte er – ich werde dorthin gehen und dahin ....« (Gestikuliert.) Und so wohlgesetzt spricht er. »Ich – sagte er – liebe zu lesen und zu schreiben, aber was mich in diesem Zimmer geniert, ist, – sagte er – daß es ein wenig dunkel ist.«

Anna Andrejewna.

Aber wie sieht er aus? Ist er brünett oder blond?

Dobtschinskij.

Eher schatänk. Und Augen hat er wie ein Wiesel: bald blickt er hierher, bald dorthin, man wird ordentlich verwirrt, wenn er einen fixiert!

Anna Andrejewna.

Nun, was schreibt mir denn mein Mann? (Liest.) »Ich eile, dich zu benachrichtigen, mein Herz, daß meine Lage anfangs eine recht mißliche war; doch mein Gottvertrauen, zwei gesalzene Gurken extra und eine halbe Portion Kaviar – ein Rubel fünfundzwanzig Kopeken« ... (innehaltend.) Was heißt das? Was meint er mit den Gurken und dem Kaviar?

Dobtschinskij.

Ach, Anton Antonowitsch hat in der Eile kein Briefpapier finden können und schrieb drum auf einer Wirtshausrechnung.

Anna Andrejewna.

Ja, ja, so ist's. (Weiter lesend.) »Doch mein Gottvertrauen läßt mich der Hoffnung leben, daß alles ein gutes Ende nehmen wird. Für den hohen Gast halte das Zimmer mit den gelben Tapeten bereit; um das Mittagsessen mache dir keine Sorgen: wir essen bei Artemij Filippowitsch im Hospital. Indes darf es an Wein nicht fehlen; sage dem Kaufmann Abdulin, daß er vom besten schicke, sonst wühl' ich ihm seinen ganzen Keller auseinander! Ich küsse, mein Herz, deine Hand und verbleibe dein Anton Skwosnik-Dmuchanowskij.« .... Gott, da muß ich mich ja beeilen! He, ist jemand da? Mischka!

Dobtschinskij (eilt zur Thür und ruft heraus).

Mischka! Mischka! Mischka! (Mischka kommt.)

Anna Andrejewna.

Höre: lauf zum Kaufmann Abdulin .... warte, ich werde dir ein Billet mitgeben. (Setzt sich an den Tisch und spricht während des Schreibens.) Dieses Billet giebst du dem Kutscher Isidor und sagst ihm, daß er es schleunigst zum Kaufmann Abdulin befördere und Wein hole. Du selbst bringst mir dies Zimmer hier für unseren hohen Gast in Ordnung: stellst ein Bett hin, ein Waschbecken und so weiter.

Dobtschinskij.

Nun, Anna Andrejewna, ich eile jetzt fort, um zu sehen, wie er inspiziert.

Anna Andrejewna.

Ja, ja, gehen Sie nur, ich will Sie nicht halten.


Dritter Auftritt.

Anna Andrejewna und Marja Antonowna.

Anna Andrejewna.

Nun, Maschenka, müssen wir uns mit der Toilettenfrage beschäftigen. Er ist ein feiner Herr, kommt aus der Residenz: verhüte es Gott, daß ihm etwas an uns auffällt! Das passendste Kleid für dich wäre das blaue mit den kleinen Falbeln.

Marja Antonowna.

Pfui, Mama, das blaue! Das gefällt mir gar nicht: Ljapkin-Tjapkins Frau geht in Blau und Semljanikas Tochter auch. Nein, lieber zieh' ich das geblümte an.

Anna Andrejewna.

Das geblümte!... Wirklich, du sprichst nur, um zu widersprechen! Das blaue kleidet dich weit mehr, um so mehr als ich das strohgelbe anziehen will; Strohgelb ist meine liebste Farbe.

Marja Antonowna.

Ach, Mama, Gelb kleidet Sie gar nicht!

Anna Andrejewna.

Wie, Gelb sollte mir nicht zu Gesicht stehen?

Marja Antonowna.

Nein, durchaus nicht, ganz und gar nicht! Dazu muß man ganz dunkle Augen haben!

Anna Andrejewna.

Das ist stark! Ich sollte keine dunklen Augen haben? Die allerdunkelsten hab' ich! Unsinn schwätzest du! Freilich habe ich dunkle Augen: stell' ich doch Treff-Dame vor, wenn ich mir die Karten lege!

Marja Antonowna.

Ach, Mama, Sie sind eher Herz-Dame!

Anna Andrejewna.

Was das für Albernheiten sind! Nie bin ich Herz-Dame gewesen! (Geht schnell ab mit Marja Antonowna und spricht hinter der Scene:) Was dir einfällt! Herz-Dame! Gott mag wissen, wie du darauf kommst! (Sobald beide sich entfernt, öffnet sich die Thür und Mischka fegt Kehricht auf die Bühne. Durch eine andere Thür erscheint Ossip, einen Koffer auf dem Kopfe.) S. Nachtrag.


Vierter Auftritt.

Mischka und Ossip.

Ossip.

Wohin damit?

Mischka.

Hierher, Onkelchen, hierher!

Ossip.

Wart, laß mich verschnaufen. Ist das ein elendes Dasein! Ja, einem leeren Magen dünkt jede Last zu schwer.

Mischka.

Onkelchen, wird der General bald ankommen?

Ossip.

Was für ein General?

Mischka.

Nun, Euer Herr.

Ossip.

Mein Herr? Ist denn der ein General?

Mischka.

Wie, er ist kein General?

Ossip.

Freilich ist er ein General, doch von der Kehrseite!

Mischka.

Ist das mehr oder weniger als ein echter General?

Ossip.

Mehr!

Mischka.

So so! Drum also das Hallo im Hause!

Ossip.

Hör mal, Lieber, ich sehe, du bist ein flinker Bursche: besorge mir mal was zu essen!

Mischka.

Für Euch, Onkelchen, ist noch nichts fertig, und gewöhnliche Speisen werdet Ihr wohl nicht essen. Aber sobald sich Euer Herr zu Tisch gesetzt hat, wird man Euch von seiner Tafel was vorsetzen.

Ossip.

Und was habt ihr an gewöhnlichen Speisen vorrätig?

Mischka.

Kohlsuppe, Grütze und Pasteten.

Ossip.

Na, denn her mit Kohlsuppe, Grütze und Pasteten: ich esse alles! .... Aber erst hilf mir den Koffer fortschaffen! Giebt's da noch eine Ausgangsthür?

Mischka.

Freilich. (Beide tragen den Koffer in ein Seitenzimmer.)


Fünfter Auftritt.

Polizeidiener öffnen die Flügelthür. Chlestakow tritt auf, gefolgt vom Stadthauptmann; dann der Kurator, der Schulrektor, Dobtschinskij und Bobtschinskij – letzterer mit einem Pflaster auf der Nase. Der Stadthauptmann macht die Polizeidiener auf ein Stückchen Papier auf der Diele aufmerksam, – sie stürzen hin und heben es auf, wobei sie einander anrempeln.

Chlestakow.

Die Anstalt ist ausgezeichnet! Überhaupt gefällt es mir außerordentlich, daß hier den Reisenden alle Sehenswürdigkeiten der Stadt gezeigt werden; in den anderen Städten wurde mir nichts gezeigt

Stadthauptmann.

In den anderen Städten – erlaube ich mir die Bemerkung – sorgen die Beamten vom ersten bis zum letzten nur für den eigenen Vorteil. Hier jedoch der Wahrheit die Ehre! – hegt man nur den einen Wunsch: sich durch Eifer und Wachsamkeit des Wohlwollens der Regierung verdient zu machen.

Chlestakow.

Das Frühstück war sehr gut; ich habe mich wahrhaft überessen! Wird hier täglich so gespeist?

Stadthauptmann.

Lediglich aus Hochachtung vor dem werten Gaste ....

Chlestakow.

Ich liebe eine reichbesetzte Tafel. Lebt man doch nur, um die Blume des Vergnügens zu pflücken! Wie heißt jener Fisch?

Kurator (vorspringend.)

Laberdan!

Chlestakow.

Ein sehr wohlschmeckender Fisch! Wo haben wir gefrühstückt? War's nicht im Krankenhause?

Kurator.

Ganz recht: im Hospital.

Chlestakow.

Ja, ja, ich entsinne mich: es standen da mehrere Betten. Die Patienten sind wohl als gesund entlassen? Ich glaubte ihrer nämlich nicht viele bemerkt zu haben.

Kurator.

Es waren ihrer zehn Mann da, nicht mehr; die übrigen sind alle gesund geworden. Das ist nun mal so Gesetz und Ordnung bei uns! Seit dem Tage, da ich die Anstalt unter meine Aufsicht genommen – die Thatsache mag Ihnen unglaublich scheinen – gesunden die Patienten wie die Fliegen! Kaum hat der Kranke das Lazarett betreten, ist ist er bereits geheilt; und zwar weniger den Medikamenten zu Dank, sondern vielmehr infolge der Gewissenhaftigkeit und Ordnung, die in meiner Anstalt herrschen.

Stadthauptmann.

Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, so sind auch die Pflichten eines Stadthauptmanns eine kopfzerbrechende Arbeit. Welche Unmasse von Geschäften liegen ihm auf dem Halse! Er muß für die Sauberkeit der Straßen Sorge tragen, auf die Instandhaltung der Wege acht geben, auf die Reparatur der Gebäude bedacht sein, kurz – der klügste Mensch würde sich nicht zu raten wissen, bei mir jedoch geht alles, Gott sei gelobt, aufs beste! Ein anderer Stadthauptmann an meiner Stelle würde freilich nur auf seinen eigenen Vorteil denken; ich jedoch – glauben Sie mir! – schlafe sogar mit dem Gedanken ein: »Herr, mein Gott, richte es so ein, daß die hohe Obrigkeit meinen Eifer sehe und mit mir zufrieden sei!« .... Ob sie mich belohnt oder nicht, hängt freilich von ihrem Ermessen ab; jedenfalls ist mir mein ruhiges Gewissen ein grosser Trost. Wenn überall in der Stadt Ordnung herrscht, die Straßen rein gefegt sind, die Arrestanten gut gehalten werden, sich nicht viel Betrunkene sehen lassen – was brauch' ich mehr? Dann kann ich jede Auszeichnung missen! Freilich ist eine Auszeichnung ein gar verlockendes Ding, doch der Tugend gegenüber ist alles nur eitel Staub!

Kurator (beiseite).

Wie der Schelm sich aufs Flunkern versteht! Das ist ja die reine Gottesgabe!

Chlestakow.

Sie haben recht. Ich muß gestehen, auch ich lieb' es zuweilen, mich in Illusionen zu ergehen: bald in Prosa und bald in Versen.

Bobtschinskij (zu Dobtschinskij.)

Pjotr Iwanytsch, wie schön, wie richtig das gesagt war! Eine solche Bemerkung .... o, man muß große Studien gemacht haben!

Chlestakow.

Sagen Sie bitte: giebt's hier vielleicht lustige Gesellschaften, wo man, zum Beispiel, etwas Karten spielen könnte?

Stadthauptmann (beiseite.)

Hehe, Freundchen, wir kennen das: auf den Sack schlägt man und den Esel meint man! (Laut.) Gott bewahre! Davon hat unsere Stadt keine Ahnung! Ich habe noch mit keinem Finger eine Karte berührt und verstehe kein einziges Kartenspiel. Ich kann sie nicht gleichgiltig ansehen, und erblicke ich zufällig z. B. einen Carreau-König, so überkommt mich ein solcher Ekel, daß ich, mit Verlaub, ausspucken muß. Einst amüsierte ich die Kinder, indem ich ihnen ein Kartenhaus baute, und – die ganze Nacht drauf träumte mir nur von diesen verfluchten Bildern! Gott mit ihnen! Wie kann man seine kostbare Zeit mit einer solchen Beschäftigung tot schlagen!

Schulrektor (beiseite).

Der Halunke. Hat mir erst gestern hundert Rubel aus der Tasche pointiert!

Stadthauptmann.

Lieber werde ich doch meine Zeit dem Wohle des Staates widmen.

Chlestakow.

Nein, wissen Sie .... es hängt doch alles davon ab, von welchem Gesichtspunkt aus man eine Sache betrachtet .... Wenn man, zum Beispiel, paßt, wo man dreimal biegen sollte, ja, dann freilich ..... Nein, sagen Sie nicht: manchmal hat so ein Spiel seinen besonderen Reiz ....


Sechster Auftritt.

Die vorigen, Anna Andrejewna und Marja Antonowna.

Stadthauptmann.

Darf ich mir erlauben, Ihnen meine Familie vorzustellen? Meine Frau, meine Tochter.

Chlestakow (verneigt sich).

Wie bin ich glücklich, gnädige Frau, daß ich das besondere Vergnügen habe, Sie zu sehen.

Anna Andrejewna.

Uns ist es noch angenehmer, einer so hochgestellten Persönlichkeit gegenüber zu stehen.

Chlestakow (sich zierend).

Aber ich bitte Sie, gnädige Frau, im Gegenteil: mir ist es weit angenehmer.

Anna Andrejewna.

O, das ist ja unmöglich! Sie sind so gütig, Komplimente zu sagen! Bitte ergebenst, Platz zu nehmen.

Chlestakow.

Es ist schon ein großes Glück, neben Ihnen stehen zu dürfen! Übrigens, wenn Sie es durchaus wünschen, kann ich mich ja setzen. Wie glücklich bin ich, endlich neben Ihnen zu sitzen!

Anna Andrejewna.

O, ich wage es gar nicht, diese Liebenswürdigkeit auf mich zu beziehen!... Ich kann mir vorstellen, wie unangenehm nach dem Leben in der Residenz so ein Voyagieren sein muß.

Chlestakow.

Höchst unangenehm! Wenn man daran gewöhnt ist, comprenez-vous, in der großen Welt zu leben und sieht sich plötzlich in die Lage eines Reisenden versetzt .... nichts als schmutzige Wirtshäuser, rings nachtet Unbildung und Roheit! .... Ich muß gestehen, wenn nicht der Zufall dazwischen gekommen wäre (wirft Anna Andrejewna kokette Blicke zu), der mich für alle Plage so überaus belohnt ....

Anna Andrejewna.

In der That, es muß höchst unangenehm sein –

Chlestakow.

In diesem Augenblick jedoch, gnädige Frau, finde ich's höchst angenehm ....

Anna Andrejewna.

O, bitte! Sie erweisen mir zu viel Ehre, die ich gar nicht verdiene.

Chlestakow.

Sie verdienen sie durchaus und vollauf!

Anna Andrejewna.

Ich lebe ja in einem Dorfe ....

Chlestakow.

Allerdings, doch auch das Dorf hat seine Hügel, seine Bächlein ... Freilich, mit Petersburg hält es den Vergleich nicht aus! O Petersburg! O du Wonneleben!.... Sie glauben vielleicht, daß ich nur Abschriften mache, daß ich nur Kopist sei? Da sind Sie im Irrtum: mit dem Sektionschef steh' ich auf vertrautem Fuße. Er klopft mir auf die Schulter und sagt: »Freund, komm zu mir zum Diner!« .... Ins Departement geh' ich nur für ein paar Augenblicke, um anzuordnen, wie dies und jenes gemacht werde. Dort erwartet mich bereits ein besonderer Schriftbeamter, so eine Tintenratte .... krkrkr – da geht das Geschreibsel los! ... Man wollte mich sogar zum Kollegien-Assessor machen, aber ich dachte: wozu?!... Der Bureaudiener läuft mir auf der Treppe mit der Bürste nach: »Gestatten Sie, Iwan Alexandrowitsch – sagt er, daß ich Ihnen die Stiefel reinige!« .... Aber, meine Herren, warum stehen Sie denn? Bitte, setzen Sie sich!

Stadthauptmann.

Unser Rang ist von der Art, daß wir auch stehen können.

Kurator (gleichzeitig).

Wir werden stehen!

Schulrektor (gleichzeitig).

Beunruhigen Sie sich nicht!

Chlestakow.

Ohne Formalitäten! Bitte, setzen Sie sich! (Alle nehmen Platz.) Ich liebe die Ceremonien nicht. Im Gegenteil: Ich bemühe mich sogar, überall unbemerkt durchzuschlüpfen. Doch umsonst: immer werd' ich bemerkt und erkannt! Ich brauche mich nur auf der Straße zu zeigen, so heißt's gleich: »Seht, da geht Iwan Alexandrowitsch!« Einmal hat man mich sogar für den Oberkommandierenden angesehen: die Soldaten stürzten aus der Hauptwache und präsentierten das Gewehr. Später sagte mir der Offizier – er ist ein sehr guter Bekannter von mir: – »Na, Freund, wir haben dich wahrhaftig für den Oberkommandierenden gehalten!«

Anna Andrejewna.

Was Sie sagen!

Chlestakow.

Auch mit hübschen Schauspielerinnen unterhalt' ich Bekanntschaft, – habe ich doch selbst verschiedene Vaudevilles verfaßt! Auch in Schriftstellerkreisen beweg' ich mich. Mit Puschkin steh' ich auf freundschaftlichem Fuß. »Nun, wie geht's, Freund Puschkin?« frag' ich – »Wie soll's gehen, Freund?« antwortet er: »Soso – lala« .... Ein großes Original, dieser Puschkin!

Anna Andrejewna.

Sie dichten also auch? Wie angenehm muß das Dichten sein! Und Sie veröffentlichen Ihre Sachen gewiß auch in den Zeitschriften?

Chlestakow.

Ja, auch in den Zeitschriften. Ich habe übrigens schon eine Masse gedichtet, z. B. »Figaros Hochzeit«, »Robert der Teufel«, »Norma«, sodaß ich mich gar nicht mal auf alle Titel besinnen kann! Und alles machte sich von selbst: ich wollte nicht schreiben, aber die Theaterdirektion bittet: »Thu' uns den Gefallen, Freund, schreibe etwas,« und da dachte ich: na, meinetwegen, es sei! Und in einem einzigen Abend ist das Stück fix und fertig, zum höchsten Erstaunen aller. Ich denke nämlich mit ungewöhnlicher Leichtigkeit. Und alles, was Baron Brambeus, »Fregatte Hoffnung« und »der Moskauer Telegraph« ist, – hat mich zum Verfasser.

Anna Andrejewna.

Was Sie sagen! Sie also sind Brambeus?

Chlestakow.

Freilich! Und allen korrigiere ich ihre Arbeiten: Smirdin allein zahlt mir dafür vierzigtausend Rubel.

Anna Andrejewna.

Dann sind Sie vermutlich auch der Verfasser des Romans »Jurij Miloslawskij«?

Chlestakow.

Ja, ich bin der Verfasser.

Anna Andrejewna.

Das hab' ich mir wohl gedacht!

Marja Antonowna.

Ach, Mama, auf dem Titelblatt steht »von Sagoskin«.

Anna Andrejewna.

So! Ich wußte wohl, daß du auch hier widersprechen würdest!

Chlestakow.

Es ist allerdings wahr: der Roman ist von Sagoskin; aber es giebt noch einen anderen »Jurij Miloslawskij« – und der ist von mir.

Anna Andrejewna.

Nun, dann werd' ich sicher den Ihrigen gelesen haben! Wie schön er geschrieben ist!

Chlestakow.

Ich muß gestehen: ich lebe nur von der Litteratur. Mein Haus ist das erste in Petersburg und jedes Kind kennt es als das Haus Iwan Alexandrowitschs. (Wendet sich an alle.) Thun Sie mir den Gefallen, meine Herren: wenn Sie mal in Petersburg sind, so besuchen Sie mich, bitte! Ich gebe auch Bälle.

Anna Andrejewna.

Ich kann mir vorstellen, mit wie viel Geschmack und Pracht dort die Bälle gegeben werden!

Chlestakow.

Ganz recht, man findet keine Worte! Auf den Tisch, z. B. kommt eine Wassermelone – die ... siebenhundert Rubel kostet! Die Suppe in der Suppenschüssel wird direkt aus Paris per Dampfschiff gebracht; öffnet man den Deckel, so steigt einem ein Duft entgegen, wie man ihn köstlicher in der ganzen Natur nicht findet! Täglich bin ich auf Bällen. Die Whistpartie besteht stets aus den Partnern: dem Minister des Äußeren, dem französischen Gesandten, dem deutschen Gesandten und – mir. Ach, manchmal spielt man sich halbtot vor Müdigkeit! Und hat man sich glücklich bis zu seiner Wohnung im vierten Stock hinaufgeschleppt, kann man nur keuchend der Köchin zurufen: »Mawruschka, nimm den Mantel!« .... Doch was sprech' ich da? Ich wohne ja Beletage! Die Treppe allein kostet, na!.... Und ein interessantes Bild bietet mein Vorzimmer, wenn ich noch schlafe: da drängen sich Grafen und Fürsten und summen wie die Hummeln – schschschschsch .... Mitunter kommt auch ein Minister (der Stadthauptmann und die übrigen Beamten erheben sich bei diesem Wort ehrfurchtsvoll von ihren Stühlen) .... Selbst auf Briefen schreibt man mir nur: »Sr. Excellenz.« Einmal habe ich sogar die Leitung des Departements übernehmen müssen. Denken Sie sich: der Direktor war verreist – wohin, wußte niemand. Natürlich wurde hin und her geredet: wie nun, wer wird seine Stelle einnehmen? Es fanden sich viele Liebhaber, und zwar Generäle; aber kaum hatten sie die Sache angefaßt, verbrannten sie sich die Finger. Auf den ersten Blick scheint's so leicht zu sein, aber näher betrachtet ist's verteufelt schwer! Was blieb ihnen anders übrig, als sich an mich zu wenden? Und sofort jagten durch die Straßen Kuriere, Kuriere, Kuriere – fünfunddreißigtausend Kuriere! Können Sie sich das vorstellen? Was sagen Sie zu der Situation? »Iwan Alexandrowitsch, übernehmen Sie die Leitung des Departements!« Offen gestanden: ich geriet etwas aus der Fassung, erschien im Schlafrock vor der Deputation und wollte schon eine abschlägige Antwort geben. Aber dann überlegte ich: es wird dem Kaiser zu Ohren kommen und in meiner Dienstliste vermerkt werden. .... »Gut, meine Herren, ich übernehme das Amt, ich übernehm' es« sag ich, »meinetwegen, es sei,« sag' ich, »aber bei mir heißt's: die Ohren gespitzt, aufgepaßt!« .... Ich durchschreite das Departement – alles ist in Aufregung wie bei einem Erdbeben, alle beben und zittern wie Espenlaub! (Der Stadthauptmann und die übrigen Beamten zittern vor Furcht; Chlestakow fährt noch feuriger fort.) O, ich verstehe keinen Spaß, ich habe sie alle ins Bockshorn gejagt! Selbst der Reichsrat fürchtet mich! Und warum auch nicht? Ich bin nun mal so! Auf niemand nehm' ich Rücksicht, allen sag' ich: »Ich kenne mich, ich kenne mich!« Überall bin ich, überall! Täglich fahr' ich ins Winterpalais. Schon morgen befördert man mich zum Feldmarsch .... (Stolpert und stürzt beinahe, wird jedoch von den Beamten ehrfurchtsvoll gestützt.)

Stadthauptmann (nähert sich, bebt am ganzen Leibe und bemüht sich zu sprechen).

Eu ... Euer Ex .... Ex ... Ex ... Ex ....

Chlestakow (schnell und barsch).

Was giebt's?

Stadthauptmann.

Ex ... Ex ... Ex .... Ex ....

Chlestakow (ebenso).

Verstehe nichts! Alles Unsinn!

Stadthauptmann.

Euer Ex ... Excellenz geruhen vielleicht ..... etwas ausruhen zu wollen .... hier ist ein Zimmer ... mit allem nötigen Zubehör.

Chlestakow.

Ausruhen? Dummheiten! Gut, ich werde ausruhen .... Ihr Frühstück, meine Herren, war sehr gut .... Ich bin zufrieden, höchst zufrieden! (Deklamierend.) O Laberdan, Laberdan! (Geht ins Nebenzimmer, der Stadthauptmann folgt ihm.)


Siebenter Auftritt.

Die vorigen, ohne Chlestakow und den Stadthauptmann.

Bobtschinskij.

Das ist ein Mann, Pjotr Iwanytsch! Das nenn' ich mir einen Mann! In meinem ganzen Leben war ich noch nicht in der Nähe einer so hochgestellten Persönlichkeit; ich war dem Tode nahe vor Angst ... Was meinen Sie, Pjotr Iwanytsch, was ist er in Hinsicht seines Ranges?

Dobtschinskij.

Ich denke, gar General.

Bobtschinskij.

Und ich denke, ein General ist nicht wert, ihm die Schuhriemen zu lösen! Und sollte er nur General sein, so ist er Generalissimus! Haben Sie gehört, wie er den Reichsrat im Zaume hielt? Erzählen wir das schnell Ammos Fjodorowitsch Korobkin! Gehen wir! Leben Sie wohl, Anna Andrejewna!

Dobtschinskij.

Leben Sie wohl, Gevatterin! (Beide ab.)

Kurator (zum Schulrektor).

Es ist schrecklich, um so mehr als man nicht weiß, wo's einschlägt. Und wir haben uns nicht mal in Uniform geworfen! Wie, wenn er erwacht, und uns nach Petersburg denunziert? (Entfernt sich gedankenvoll mit dem Schulrektor; im Abgehen zu den Damen.) Leben Sie wohl!


Achter Auftritt.

Anna Andrejewna und Marja Antonowna.

Anna Andrejewna.

Ach, er ist reizend!

Marja Antonowna.

Ach, er ist entzückend!

Anna Andrejewna.

Und was für feine Manieren! Man merkt sofort den Großstädter! Sein Benehmen, sein ganzes Wesen .... ach, er ist reizend! Ich liebe furchtbar solche junge Leute, mir wird ganz wirbelig in ihrer Nähe! Und auch ich habe ihm sehr gefallen: beständig hat er mich angesehen.

Marja Antonowna.

Ach, Mama, mich, nicht Sie, hat er angesehen!

Anna Andrejewna.

Bitte, deine Firlefanzereien sind durchaus unpassend!

Marja Antonowna.

Aber Mama! Wirklich, mich hat er –

Anna Andrejewna.

Natürlich! Widersprochen muß werden um jeden Preis! Dich hätte er angesehen? Was brauchte er dich anzusehen?

Marja Antonowna.

Wirklich, Mama, er hat mich angesehen: zuerst als er von der Litteratur zu sprechen begann und darauf, als er erzählte, wie er mit den Gesandten Whist spielte.

Anna Andrejewna.

Nun ja, es ist ja möglich, daß es einmal der Fall gewesen ... so ... aus Höflichkeit. »Wollen wir auch die mal anschauen!« wird er gedacht haben.


Neunter Auftritt.

Die vorigen und der Stadthauptmann.

Stadthauptmann (auf den Zehenspitzen eintretend).

Schsch! ... Schsch!

Anna Andrejewna.

Nun?

Stadthauptmann.

Es thut mir leid, daß ich ihn so viel zum Trinken genötigt habe. Wie, wenn nur die Hälfte von dem, was er gesagt hat, wahr ist? (Nachdenklich.) Und warum sollte es nicht wahr sein? Ein Betrunkener giebt sich so wie er ist: seine Zunge redet, was sein Herz empfindet. Freilich hat er ein wenig geflunkert: aber ohne Lügen ist ja überhaupt kein Gespräch möglich! ... Mit Ministern spielt er Karten .... Fährt ins Winterpalais ... Wirklich, je mehr ich darüber nachdenke, desto wirrer – hol's der Teufel – wird's mir im Schädel! Mir ist, als schaute ich von einem hohen Glockenturme nieder, oder als sollte ich – gehängt werden!

Anna Andrejewna.

Und ich habe nicht die geringste Schüchternheit verspürt. Für mich ist er lediglich ein hochgebildeter Mann von den feinsten nobelsten Manieren; sein hoher Rang kümmert mich herzlich wenig.

Stadthauptmann.

Ja, ihr seid eben Weiber! Damit ist alles gesagt! Euch ist alles Larifari! Ihr fallt mit der Thür ins Haus und platzt manchmal mit einem Wörtchen los, das .... Ihr werdet durchgepeitscht, und die Sache ist abgemacht, uns Männern aber geht's an den Kragen! .... Du bist, mein Herz, so mit ihm umgesprungen, als ob du einen Dobtschinskij vor dir gehabt hättest.

Anna Andrejewna.

In diesem Punkte sei, bitte, unbesorgt! Wir sind nicht kurzsichtig und merken manches .... (sieht die Tochter vielsagend an.)

Stadthauptmann.

Mit euch reden heißt, tauben Ohren predigen!... In der That, das ist ein ganz besonderer Fall, und ich bin noch immer ganz betäubt vor Schreck und Furcht. (Öffnet die Thür und spricht hinaus.) Mischka, rufe die Quartalsaufseher Swistunow und Dershimorda: Sie müssen hier unweit vor dem Thor stehen. (Nach einigem Schweigen.) Es geht heutzutage wunderlich in der Welt zu: wenn so ein Mann wenigstens stattlich und ansehnlich wäre und nicht so mager und hager! Wer merkt's ihm an, was er ist? Bei den Militärpersonen weiß man wenigstens, wen man vor sich hat; wenn sie jedoch einen Frack anziehen, sehen sie aus wie Fliegen mit gestutzten Flügeln ... Und wie lange er sich im Wirtshaus gesperrt hat! Diese Allegorien und Äquivoken, mit denen er mir blauen Dunst vormachen wollte – es war rein zum Verzweifeln! Aber schließlich hat er doch den kürzeren gezogen und sogar mehr als nötig aus der Schule geplaudert! Ja ja, man sieht's gleich, daß er noch sehr jung ist!


Zehnter Auftritt.

Die vorigen und Ossip. Alle eilen ihm entgegen und machen ihm Zeichen mit den Fingern.

Anna Andrejewna.

Komm nur näher, mein Freund!

Stadthauptmann.

Schsch!.... Nun, was, schläft er?

Ossip.

Nein, er reckt sich noch.

Anna Andrejewna.

Hör mal, Freund, wie heißt du eigentlich?

Ossip.

Ossip, gnädige Frau.

Stadthauptmann (zu Frau und Tochter).

Genug, hört auf! (Zu Ossip.) Nun, Freund, war das Essen auch gut, das man dir vorgesetzt hat?

Ossip.

Das Essen war sehr gut; ergebensten Dank, sehr gut war das Essen.

Anna Andrejewna.

Sag' mal, dein Herr bekommt wohl oft Besuch von Grafen und Fürsten?

Ossip (beiseite).

Was antwort' ich ? Wenn sie mich schon jetzt so gut füttern, so werden sie mich sicher hernach noch besser füttern! (Laut.) Ja, auch von Grafen.

Marja Antonowna.

Ach, Herzens-Ossip, wie wunderhübsch ist dein Herr!

Anna Andrejewna.

Sag' doch, Ossip, was macht er ....

Stadthauptmann.

Hört auf, bitt' ich euch! Ihr stört mich nur mit eurem Geschwätz! Nun, Freund, also ....

Anna Andrejewna.

Und welchen Rang bekleidet dein Herr?

Ossip.

Welchen Rang? ... Nun, ... den gewöhnlichen Rang.

Stadthauptmann.

Gott, bleibt mir fort mit euren dummen Fragen, wenn ich was Wichtiges vor habe!... Nun, Freund, wie ist eigentlich dein Herr? Ist er streng? Liebt er's, einem tüchtig den Kopf zu waschen?

Ossip.

Ja, er liebt Ordnung und hält sehr auf Genauigkeit und Pünktlichkeit.

Stadthauptmann.

Freund, dein Gesicht gefällt mir ungemein; du mußt ein sehr guter Mensch sein. Nun ....

Anna Andrejewna.

Höre, Ossip, geht dein Herr in Petersburg immer in Uniform?

Stadthauptmann.

Wollt ihr aufhören, ihr Schnattergänse?! Eine so hoch hochwichtige Sache, bei der es sich um ein Menschenleben handelt, und ihr .... (Zu Ossip.) Wirklich, Freund, du gefällst mir außerordentlich! Auf der weiten Reise kann so ein Glas Thee gar nicht schaden, um so mehr als es jetzt ziemlich kalt ist; hier hast du zwei Rubel zu Thee.

Ossip (das Geld nehmend).

Ergebensten Dank, gnädiger Herr! Gott belohne Sie mit Gesundheit: Sie haben einem armen Menschen geholfen!

Stadthauptmann.

Schon gut, schon gut, mir selbst macht es Vergnügen ... Aber jetzt sage mal, Freund ....

Anna Andrejewna.

Höre, Ossip: was für Augen gefallen deinem Herrn am meisten?

Marja Antonowna.

Herzens-Ossip! Was für ein allerliebstes Näschen dein Herr hat!

Stadthauptmann.

So laßt mich doch! .... (Zu Ossip.) Sag' mal, Freund: worauf giebt dein Herr am meisten acht, das heißt, was liebt er besonders, wenn er reist?

Ossip.

Was er liebt? Nun, das hängt von den Umständen ab .... bald dies und bald das. Namentlich liebt er's, wenn man ihn gut aufnimmt und trefflich bewirtet.

Stadthauptmann.

Trefflich bewirtet?

Ossip.

Ja, trefflich. Ich bin nur ein Leibeigner, und doch sorgt er dafür, daß ich's auch gut habe: bei Gott! Jedesmal, wenn wir irgendwo abstiegen, fragte er: »Nun, Ossip, hat man dich gut bewirtet?« – »Schlecht, Euer Hochwohlgeboren!« sag' ich – »So?« sagt er. »Der Wirt ist also ein schlechter Mensch! Erinnere mich daran,« sagt er, »sobald wir zu Hause sind!« Ich aber denke bei mir (eine Handbewegung machend) »Gott mit ihm! Ich bin ein schlichter Mann, wozu? ....

Stadthauptmann.

Du urteilst sehr gut, sehr richtig ... Ich gab dir eben zu Thee ... hier hast du noch, kaufe dir Kringel.

Ossip.

O, gnädiger Herr, Sie sind zu gütig! (Das Geld einsteckend.) Ich werde eins auf Ihr Wohl trinken.

Anna Andrejewna.

Komm später zu mir, Ossip, auch von mir sollst du was haben.

Marja Antonowna.

Herzens-Ossip, küsse deinen Herrn! (Man hört im Nebenzimmer Chlestakow hüsteln.)

Stadthauptmann.

Schschsch! (Geht auf den Zehenspitzen; das Folgende wird im Flüsterton gesprochen.) Gott gnade euch, wenn ihr Lärm macht! Geht, es ist genug!

Anna Andrejewna.

Komm, Maschenka, ich werde dir sagen, was ich an unserem Gast bemerkt habe. Etwas, wovon wir nur unter vier Augen reden können .... (Beide ab.)

Stadthauptmann.

Das wird was Schönes sein! Wenn man euch belauscht, muß mam sich die Ohren zuhalten! (Zu Ossip.) Nun Freund ....


Elfter Auftritt.

Stadthauptmann, Dershimorda und Swistunow.

Stadthauptmann.

Schschsch! Was stampft ihr mit euren Stiefeln wie krummbeinige Bären? Das stürzt herein, wie wenn vierzig Pud vom Wagen geworfen würden! Wo stecktet ihr so lange, zum Teufel?

Dershimorda.

Ich war laut Befehl ....

Stadthauptmann.

Schschsch! (Hält ihm den Mund zu.) Krächzt wie ein Rabe! (Ihn nachäffend.) »Ich war laut Befehl« .... So brüllt ein Ochs aus einer leeren Tonne! (Zu Ossip.) Nun, mein Freund, jetzt kannst du gehen; bereite alles Nötige für deinen Herrn vor, alles im Hause steht zu deiner Verfügung. (Ossip ab.) Und ihr stellt euch im Flur vor der Thür auf und rührt euch nicht von der Stelle. Kein Fremder darf mir ins Haus, namentlich kein Kaufmann! Wenn ihr mir nur einen einzigen hereinlaßt, so .... ihr kennt mich! ... Sobald ihr merkt, daß jemand mit einer Klageschrift kommt ... oder er mag gar kein Papier in der Hand haben, sieht aber doch so aus, als könnte er mit einer Klageschrift kommen ... einen Genickstoß ihm! .... So! .... Tüchtig! (Macht, als gäbe er jemand einen Fußtritt.) Habt ihr gehört? .... Schschsch! .... Schschsch! .... (Folgt den Quartalaufsehern auf den Zehenspitzen.)



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