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Erster Aufzug

Erster Auftritt

Gartenplatz, mit Hermen der epischen Dichter geziert.
Vorn an der Scene zur Rechten Virgil, zur Linken Ariost.

Prinzessinn. Leonore.

Prinzessinn.
Du siehst mich lächlend an, Eleonore,
Und siehst dich selber an und lächelst wieder.
Was hast du? Laß es eine Freundinn wissen!
Du scheinst bedenklich, doch du scheinst vergnügt.

Leonore.
Ja, meine Fürstinn, mit Vergnügen seh' ich
Uns beyde hier so ländlich ausgeschmückt.
Wir scheinen recht beglückte Schäferinnen
Und sind auch wie die Glücklichen beschäftigt.
Wir winden Kränze. Dieser, bunt von Blumen,
Schwillt immer mehr und mehr in meiner Hand,
Du hast mit höherm Sinn und größerm Herzen
Den zarten schlanken Lorber dir gewählt.

Prinzessinn.
Die Zweige, die ich in Gedanken flocht,
Sie haben gleich ein würdig Haupt gefunden,
Ich setze sie Virgilen dankbar auf,

Sie kränzt die Herme Virgils.

Leonore.
So drück' ich meinen vollen frohen Kranz
Dem Meister Ludwig auf die hohe Stirne –

Sie kränzt Ariostens Herme.

Er, dessen Scherze nie verblühen, habe
Gleich von dem neuen Frühling seinen Theil.

Prinzessinn.
Mein Bruder ist gefällig daß er uns
In diesen Tagen schon auf's Land gebracht,
Wir können unser seyn und stundenlang
Uns in die goldne Zeit der Dichter träumen.
Ich liebe Belriguardo, denn ich habe
Hier manchen Tag der Jugend froh durchlebt,
Und dieses neue Grün und diese Sonne
Bringt das Gefühl mir jener Zeit zurück.

Leonore.
Ja es umgibt uns eine neue Welt!
Der Schatten dieser immer grünen Bäume
Wird schon erfreulich. Schon erquickt uns wieder
Das Rauschen dieser Brunnen, schwankend wiegen
Im Morgenwinde sich die jungen Zweige.
Die Blumen von den Beeten schauen uns
Mit ihren Kinderaugen freundlich an.
Der Gärtner deckt getrost das Winterhaus
Schon der Citronen und Orangen ab,
Der blaue Himmel ruhet über uns
Und an dem Horizonte lös't der Schnee
Der fernen Berge sich in leisen Duft.

Prinzessinn.
Es wäre mir der Frühling sehr willkommen,
Wenn er nicht meine Freundinn mir entführte.

Leonore.
Erinnre mich in diesen holden Stunden,
O Fürstinn, nicht wie bald ich scheiden soll.

Prinzessinn.
Was du verlassen magst, das findest du
In jener großen Stadt gedoppelt wieder.

Leonore.
Es ruft die Pflicht, es ruft die Liebe mich
Zu dem Gemahl der mich so lang' entbehrt.
Ich bring' ihm seinen Sohn, der dieses Jahr
So schnell gewachsen, schnell sich ausgebildet,
Und theile seine väterliche Freude.
Groß ist Florenz und herrlich, doch der Werth
Von allen seinen aufgehäuften Schätzen
Reicht an Ferrara's Edelsteine nicht.
Das Volk hat jene Stadt zur Stadt gemacht,
Ferrara ward durch seine Fürsten groß.

Prinzessinn.
Mehr durch die guten Menschen, die sich hier
Durch Zufall trafen und zum Glück verbanden.

Leonore.
Sehr leicht zerstreut der Zufall was er sammelt.
Ein edler Mensch zieht edle Menschen an
Und weiß sie fest zu halten, wie ihr thut.
Um deinen Bruder und um dich verbinden
Gemüther sich, die eurer würdig sind,
Und ihr seyd eurer großen Väter werth.
Hier zündete sich froh das schöne Licht
Der Wissenschaft, des freyen Denkens an,
Als noch die Barbarey mit schwerer Dämmrung
Die Welt umher verbarg. Mir klang als Kind
Der Name Hercules von Este schon,
Schon Hyppolit von Este voll in's Ohr.
Ferrara ward mit Rom und mit Florenz
Von meinem Vater viel gepriesen! Oft
Hab' ich mich hingesehnt; nun bin ich da.
Hier ward Petrarch bewirthet, hier gepflegt,
Und Ariost fand seine Muster hier.
Italien nennt keinen großen Namen,
Den dieses Haus nicht seinen Gast genannt.
Und es ist vortheilhaft den Genius
Bewirthen: gibst du ihm ein Gastgeschenk,
So läßt er dir ein schöneres zurück.
Die Stätte, die ein guter Mensch betrat,
Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt
Sein Wort und seine That dem Enkel wieder.

Prinzessinn.
Dem Enkel, wenn er lebhaft fühlt wie du.
Gar oft beneid' ich dich um dieses Glück.

Leonore.
Das du, wie wenig andre, still und rein
Genießest. Drängt mich doch das volle Herz
Sogleich zu sagen was ich lebhaft fühle,
Du fühlst es besser, fühlst es tief und – schweigst.
Dich blendet nicht der Schein des Augenblicks,
Der Witz besticht dich nicht, die Schmeicheley
Schmiegt sich vergebens künstlich an dein Ohr:
Fest bleibt dein Sinn und richtig dein Geschmack,
Dein Urtheil g'rad, stets ist dein Antheil groß
Am Großen, das du wie dich selbst erkennst.

Prinzessinn.
Du solltest dieser höchsten Schmeicheley
Nicht das Gewand vertrauter Freundschaft leihen.

Leonore.
Die Freundschaft ist gerecht, sie kann allein
Den ganzen Umfang deines Werths erkennen.
Und laß mich der Gelegenheit, dem Glück
Auch seinen Theil an deiner Bildung geben,
Du hast sie doch, und bist's am Ende doch,
Und dich mit deiner Schwester ehrt die Welt
Vor allen großen Frauen eurer Zeit.

Prinzessinn.
Mich kann das, Leonore, wenig rühren,
Wenn ich bedenke wie man wenig ist,
Und was man ist, das blieb man andern schuldig.
Die Kenntniß alter Sprachen und des Besten,
Was uns die Vorwelt ließ, dank' ich der Mutter;
Doch war an Wissenschaft, an rechtem Sinn
Ihr keine beyder Töchter jemals gleich;
Und soll sich eine ja mit ihr vergleichen,
So hat Lucretia gewiß das Recht.
Auch kann ich dir versichern hab' ich nie
Als Rang und als Besitz betrachtet, was
Mir die Natur, was mir das Glück verlieh.
Ich freue mich, wenn kluge Männer sprechen,
Daß ich verstehen kann wie sie es meinen.
Es sey ein Urtheil über einen Mann
Der alten Zeit und seiner Thaten werth;
Es sey von einer Wissenschaft die Rede,
Die, durch Erfahrung weiter ausgebreitet,
Dem Menschen nutzt indem sie ihn erhebt,
Wohin sich das Gespräch der Edlen lenkt
Ich folge gern, denn mir wird leicht zu folgen.
Ich höre gern dem Streit der Klugen zu,
Wenn um die Kräfte, die des Menschen Brust
So freundlich und so fürchterlich bewegen,
Mit Grazie die Rednerlippe spielt;
Gern, wenn die fürstliche Begier des Ruhms,
Des ausgebreiteten Besitzes Stoff
Dem Denker wird, und wenn die feine Klugheit,
Von einem klugen Manne zart entwickelt,
Statt uns zu hintergehen uns belehrt.

Leonore.
Und dann nach dieser ernsten Unterhaltung
Ruht unser Ohr und unser innrer Sinn
Gar freundlich auf des Dichters Reimen aus,
Der uns die letzten lieblichsten Gefühle
Mit holden Tönen in die Seele flößt.
Dein hoher Geist umfaßt ein weites Reich,
Ich halte mich am liebsten auf der Insel
Der Poesie in Lorberhainen auf

Prinzessinn.
In diesem schönen Lande, hat man mir
Versichern wollen, wächst vor andern Bäumen
Die Myrte gern. Und wenn der Musen gleich
Gar viele sind, so sucht man unter ihnen
Sich seltner eine Freundinn und Gespielinn,
Als man dem Dichter gern begegnen mag,
Der uns zu meiden, ja zu fliehen scheint,
Etwas zu suchen scheint das wir nicht kennen,
Und er vielleicht am Ende selbst nicht kennt.
Da wär' es denn ganz artig, wenn er uns
Zur guten Stunde träfe, schnell entzückt
Uns für den Schatz erkennte, den er lang'
Vergebens in der weiten Welt gesucht.

Leonore.
Ich muß mir deinen Scherz gefallen lassen,
Er trifft mich zwar, doch trifft er mich nicht tief
Ich ehre jeden Mann und sein Verdienst
Und ich bin gegen Tasso nur gerecht.
Sein Auge weilt auf dieser Erde kaum;
Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur;
Was die Geschichte reicht, das Leben gibt,
Sein Busen nimmt es gleich und willig auf
Das weit zerstreute sammelt sein Gemüth,
Und sein Gefühl belebt das Unbelebte.
Oft adelt er was uns gemein erschien,
Und das Geschätzte wird vor ihm zu nichts.
In diesem eignen Zauberkreise wandelt
Der wunderbare Mann und zieht uns an
Mit ihm zu wandeln, Theil an ihm zu nehmen:
Er scheint sich uns zu nahn, und bleibt uns fern;
Er scheint uns anzusehn, und Geister mögen
An unsrer Stelle seltsam ihm erscheinen.

Prinzessinn.
Du hast den Dichter fein und zart geschildert,
Der in den Reichen süßer Träume schwebt.
Allein mir scheint auch ihn das Wirkliche
Gewaltsam anzuziehn und fest zu halten.
Die schönen Lieder, die an unsern Bäumen
Wir hin und wieder angeheftet finden,
Die, goldnen Äpfeln gleich, ein neu Hesperien
Uns duftend bilden. Erkennst du sie nicht alle
Für holde Früchte einer wahren Liebe?

Leonore.
Ich freue mich der schönen Blätter auch.
Mit mannigfalt'gem Geist verherrlicht er
Ein einzig Bild in allen seinen Reimen.
Bald hebt er es in lichter Glorie
Zum Sternenhimmel auf, beugt sich verehrend
Wie Engel über Wolken vor dem Bilde;
Dann schleicht er ihm durch stille Fluren nach
Und jede Blume windet er zum Kranz.
Entfernt sich die Verehrte, heiligt er
Den Pfad, den leis' ihr schöner Fuß betrat.
Versteckt im Busche, gleich der Nachtigall,
Füllt er aus einem liebekranken Busen
Mit seiner Klagen Wohllaut Hain und Luft:
Sein reitzend Leid, die sel'ge Schwermuth lockt
Ein jedes Ohr und jedes Herz muß nach –

Prinzessinn.
Und wenn er seinen Gegenstand benennt,
So gibt er ihm den Namen Leonore.

Leonore.
Es ist dein Name wie es meiner ist.
Ich nähm' es übel wenn's ein andrer wäre.
Mich freut es daß er sein Gefühl für dich
In diesem Doppelsinn verbergen kann.
Ich bin zufrieden daß er meiner auch
Bey dieses Namens holdem Klang gedenkt.
Hier ist die Frage nicht von einer Liebe,
Die sich des Gegenstands bemeistern will,
Ausschließend ihn besitzen, eifersüchtig
Den Anblick jedem andern wehren möchte.
Wenn er in seliger Betrachtung sich
Mit deinem Werth beschäftigt, mag er auch
An meinem leichtern Wesen sich erfreun.
Uns liebt er nicht, – verzeih daß ich es sage! –
Aus allen Sphären trägt er was er liebt
Auf einen Namen nieder den wir führen,
Und sein Gefühl theilt er uns mit; wir scheinen
Den Mann zu lieben, und wir lieben nur
Mit ihm das höchste was wir lieben können.

Prinzessinn.
Du hast dich sehr in diese Wissenschaft
Vertieft, Eleonore, sagst mir Dinge,
Die mir beynahe nur das Ohr berühren
Und in die Seele kaum noch übergehn.

Leonore.
Du? Schülerinn des Plato! nicht begreifen?
Was dir ein Neuling vorzuschwatzen wagt.
Es müßte seyn daß ich zu sehr mich irrte,
Doch irr' ich auch nicht ganz, ich weiß es wohl.
Die Liebe zeigt in dieser holden Schule
Sich nicht, wie sonst, als ein verwöhntes Kind:
Es ist der Jüngling der mit Psychen sich
Vermählte, der im Rath der Götter Sitz
Und Stimme hat. Er tobt nicht frevelhaft
Von einer Brust zur andern hin und her;
Er heftet sich an Schönheit und Gestalt
Nicht gleich mit süßem Irrthum fest, und büßet
Nicht schnellen Rausch mit Ekel und Verdruß.

Prinzessinn.
Da kommt mein Bruder, laß uns nicht verrathen
Wohin sich wieder das Gespräch gelenkt,
Wir würden seinen Scherz zu tragen haben,
Wie unsre Kleidung seinen Spott erfuhr.

Zweyter Auftritt

Die Vorigen. Alphons.

Alphons.
Ich suche Tasso, den ich nirgends finde,
Und treff' ihn – hier sogar bey euch nicht an.
Könnt ihr von ihm mir keine Nachricht geben?

Prinzessinn.
Ich sah' ihn gestern wenig, heute nicht.

Alphons.
Es ist ein alter Fehler, daß er mehr
Die Einsamkeit als die Gesellschaft sucht.
Verzeih' ich ihm, wenn er den bunten Schwarm
Der Menschen flieht, und lieber frey im Stillen
Mit seinem Geist sich unterhalten mag,
So kann ich doch nicht loben daß er selbst
Den Kreis vermeidet den die Freunde schließen.

Leonore.
Irr' ich mich nicht, so wirst du bald, o Fürst,
Den Tadel in ein frohes Lob verwandeln.
Ich sah' ihn heut' von fern; er hielt ein Buch
Und eine Tafel, schrieb und ging und schrieb.
Ein flüchtig Wort das er mir gestern sagte
Schien mir sein Werk vollendet anzukünden.
Er sorgt nur kleine Züge zu verbessern,
Um deiner Huld, die ihm so viel gewährt,
Ein würdig Opfer endlich darzubringen.

Alphons.
Er soll willkommen seyn wenn er es bringt
Und losgesprochen seyn auf lange Zeit.
So sehr ich Theil an seiner Arbeit nehme,
So sehr in manchem Sinn das große Werk
Mich freut und freuen muß, so sehr vermehrt
Sich auch zuletzt die Ungeduld in mir.
Er kann nicht enden, kann nicht fertig werden,
Er ändert stets, ruckt langsam weiter vor,
Steht wieder still, er hintergeht die Hoffnung;
Unwillig sieht man den Genuß entfernt
In späte Zeit, den man so nah' geglaubt.

Prinzessinn.
Ich lobe die Bescheidenheit, die Sorge,
Womit er Schritt vor Schritt zum Ziele geht.
Nur durch die Gunst der Musen schließen sich
So viele Reime fest in eins zusammen;
Und seine Seele hegt nur diesen Trieb
Es soll sich sein Gedicht zum Ganzen ründen.
Er will nicht Mährchen über Mährchen häufen,
Die reitzend unterhalten und zuletzt
Wie lose Worte nur verklingend täuschen.
Laß ihn, mein Bruder! denn es ist die Zeit
Von einem guten Werke nicht das Maß;
Und wenn die Nachwelt mit genießen soll,
So muß des Künstlers Mitwelt sich vergessen.

Alphons.
Laß uns zusammen, liebe Schwester, wirken,
Wie wir zu beyder Vortheil oft gethan!
Wenn ich zu eifrig bin, so lindre du:
Und bist du zu gelind, so will ich treiben.
Wir sehen dann auf einmal ihn vielleicht
Am Ziel, wo wir ihn lang' gewünscht zu sehn.
Dann soll das Vaterland, es soll die Welt
Erstaunen, welch ein Werk vollendet worden.
Ich nehme meinen Theil des Ruhms davon,
Und er wird in das Leben eingeführt.
Ein edler Mensch kann einem engen Kreise
Nicht seine Bildung danken. Vaterland
Und Welt muß auf ihn wirken. Ruhm und Tadel
Muß er ertragen lernen. Sich und andre
Wird er gezwungen recht zu kennen. Ihn
Wiegt nicht die Einsamkeit mehr schmeichelnd ein.
Es will der Feind – es darf der Freund nicht schonen:
Dann übt der Jüngling streitend seine Kräfte,
Fühlt was er ist und fühlt sich bald ein Mann.

Leonore.
So wirst du, Herr, für ihn noch alles thun,
Wie du bisher für ihn schon viel gethan.
Es bildet ein Talent sich in der Stille,
Sich ein Charakter in dem Strom der Welt.
O daß er sein Gemüth wie seine Kunst
An deinen Lehren bilde! Daß er nicht
Die Menschen länger meide, daß sein Argwohn
Sich nicht zuletzt in Furcht und Haß verwandle!

Alphons.
Die Menschen fürchtet nur wer sie nicht kennt,
Und wer sie meidet wird sie bald verkennen.
Das ist sein Fall, und so wird nach und nach
Ein frey Gemüth verworren und gefesselt.
So ist er oft um meine Gunst besorgt
Weit mehr als es ihm ziemte; gegen viele
Hegt er ein Mißtraun, die, ich weiß es sicher,
Nicht seine Feinde sind. Begegnet ja
Daß sich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter
Aus seinem Dienst in einen andern geht,
Daß ein Papier aus seinen Händen kommt,
Gleich sieht er Absicht, sieht Verrätherey
Und Tücke die sein Schicksal untergräbt.

Prinzessinn.
Laß uns, geliebter Bruder, nicht vergessen
Daß von sich selbst der Mensch nicht scheiden kann.
Und wenn ein Freund, der mit uns wandeln sollte,
Sich einen Fuß beschädigte, wir würden
Doch lieber langsam gehn und unsre Hand
Ihm gern und willig leihen?

Alphons.                                       Besser wär's,
Wenn wir ihn heilen könnten, lieber gleich
Auf treuen Rath des Arztes eine Cur
Versuchten, dann mit dem Geheilten froh
Den neuen Weg des frischen Lebens gingen.
Doch hoff' ich, meine Lieben, daß ich nie
Die Schuld des rauhen Arztes auf mich lade.
Ich thue was ich kann um Sicherheit
Und Zutraun seinem Busen einzuprägen.
Ich geb' ihm oft in Gegenwart von Vielen
Entschiedne Zeichen meiner Gunst. Beklagt
Er sich bey mir, so laß' ich's untersuchen;
Wie ich es that, als er sein Zimmer neulich
Erbrochen glaubte. Läßt sich nichts entdecken,
So zeig' ich ihm gelassen, wie ich's sehe;
Und da man alles üben muß, so üb' ich,
Weil er's verdient, an Tasso die Geduld:
Und ihr, ich weiß es, steht mir willig bey.
Ich hab' euch nun auf's Land gebracht und gehe
Heut' Abend nach der Stadt zurück. Ihr werdet
Auf einen Augenblick Antonio sehen,
Er kommt von Rom und hohlt mich ab. Wir haben
Viel auszureden, abzuthun. Entschlüsse
Sind nun zu fassen, Briefe viel zu schreiben,
Das alles nöthigt mich zur Stadt zurück.

Prinzessinn.
Erlaubst du uns daß wir dich hinbegleiten?

Alphons.
Bleibt nur in Belriguardo, geht zusammen
Hinüber nach Consandoli! Genießt
Der schönen Tage ganz nach freyer Lust.

Prinzessinn.
Du kannst nicht bey uns bleiben? die Geschäfte
Nicht hier so gut als in der Stadt verrichten?

Leonore.
Du führst uns gleich Antonio hinweg,
Der uns von Rom so viel erzählen sollte?

Alphons.
Es geht nicht an, ihr Kinder; doch ich komme
Mit ihm so bald als möglich ist, zurück:
Dann soll er euch erzählen und ihr sollt
Mir ihn belohnen helfen, der so viel
In meinem Dienst aufs neue sich bemüht.
Und haben wir uns wieder ausgesprochen,
So mag der Schwarm dann kommen, daß es lustig
In unsern Gärten werde, daß auch mir,
Wie billig, eine Schönheit in dem Kühlen
Wenn ich sie suche gern begegnen mag.

Leonore.
Wir wollen freundlich durch die Finger sehen.

Alphons.
Dagegen wißt ihr daß ich schonen kann.

Prinzessinn nach der Scene gekehrt.
Schon lange seh' ich Tasso kommen. Langsam
Bewegt er seine Schritte, steht bisweilen
Auf einmal still, wie unentschlossen, geht
Dann wieder schneller auf uns los, und weilt
Schon wieder.

Alphons.                 Stört ihn, wenn er denkt und dichtet,
In seinen Träumen nicht, und laßt ihn wandeln.

Leonore.
Nein, er hat uns gesehn, er kommt hierher.

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Tasso.

Tasso mit einem Buche in Pergament geheftet.
Ich komme langsam dir ein Werk zu bringen,
Und zaudre noch es dir zu überreichen.
Ich weiß zu wohl, noch bleibt es unvollendet,
Wenn es auch gleich geendigt scheinen möchte.
Allein, war ich besorgt es unvollkommen
Dir hinzugeben, so bezwingt mich nun
Die neue Sorge: Mocht' ich doch nicht gern
Zu ängstlich, möcht' ich nicht undankbar scheinen.
Und wie der Mensch nur sagen kann: Hier bin ich!
Daß Freunde seiner schonend sich erfreuen:
So kann ich auch nur sagen: Nimm es hin!

Er übergibt den Band.

Alphons.
Du überraschest mich mit deiner Gabe
Und machst mir diesen schönen Tag zum Fest.
So halt' ich's endlich denn in meinen Händen,
Und nenn' es in gewissem Sinne mein!
Lang' wünscht' ich schon, du möchtest dich entschließen
Und endlich sagen: Hier! es ist genug.

Tasso.
Wenn Ihr zufrieden seyd, so ist's vollkommen;
Denn euch gehört es zu in jedem Sinn.
Betrachtet' ich den Fleiß den ich verwendet,
Sah' ich die Züge meiner Feder an;
So konnt' ich sagen: dieses Werk ist mein.
Doch seh' ich näher an, was dieser Dichtung
Den innren Werth und ihre Würde gibt,
Erkenn' ich wohl, ich hab' es nur von euch.
Wenn die Natur der Dichtung holde Gabe
Aus reicher Willkür freundlich mir geschenkt,
So hatte mich das eigensinn'ge Glück
Mit grimmiger Gewalt von sich gestoßen:
Und zog die schöne Welt den Blick des Knaben
Mit ihrer ganzen Fülle herrlich an,
So trübte bald den jugendlichen Sinn
Der theuren Eltern unverdiente Noth.
Eröffnete die Lippe sich zu singen,
So floß ein traurig Lied von ihr herab,
Und ich begleitete mit leisen Tönen
Des Vaters Schmerzen und der Mutter Qual.
Du warst allein der aus dem engen Leben
Zu einer schönen Freyheit mich erhob;
Der jede Sorge mir vom Haupte nahm,
Mir Freyheit gab, daß meine Seele sich
Zu muthigem Gesang entfalten konnte;
Und welchen Preis nun auch mein Werk erhält,
Euch dank' ich ihn, denn Euch gehört es zu.

Alphons.
Zum zweytenmal verdienst du jedes Lob
Und ehrst bescheiden dich und uns zugleich.

Tasso.
O könnt' ich sagen wie ich lebhaft fühle
Daß ich von Euch nur habe was ich bringe!
Der thatenlose Jüngling – nahm er wohl
Die Dichtung aus sich selbst? Die kluge Leitung
Des raschen Krieges – hat er die ersonnen?
Die Kunst der Waffen, die ein jeder Held
An dem beschiednen Tage kräftig zeigt,
Des Feldherrn Klugheit und der Ritter Muth
Und wie sich List und Wachsamkeit bekämpft,
Hast du mir nicht, o kluger tapfrer Fürst,
Das alles eingeflößt als wärest du
Mein Genius, der eine Freude fände
Sein hohes, unerreichbar hohes Wesen
Durch einen Sterblichen zu offenbaren?

Prinzessinn.
Genieße nun des Werks das uns erfreut!

Alphons.
Erfreue dich des Beyfalls jedes Guten.

Leonore.
Des allgemeinen Ruhms erfreue dich.

Tasso.
Mir ist an diesem Augenblick genug.
An euch nur dacht' ich wenn ich sann und schrieb,
Euch zu gefallen war mein höchster Wunsch,
Euch zu ergetzen war mein letzter Zweck.
Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht
Verdient nicht daß die Welt von ihm erfahre.
Hier ist mein Vaterland, hier ist der Kreis
In dem sich meine Seele gern verweilt.
Hier horch' ich auf, hier acht' ich jeden Wink.
Hier spricht Erfahrung, Wissenschaft, Geschmack;
Ja, Welt und Nachwelt seh' ich vor mir stehn.
Die Menge macht den Künstler irr' und scheu:
Nur wer Euch ähnlich ist, versteht und fühlt,
Nur der allein soll richten und belohnen!

Alphons.
Und stellen wir denn Welt und Nachwelt vor,
So ziemt es nicht nur müßig zu empfangen.
Das schöne Zeichen, das den Dichter ehrt,
Das selbst der Held, der seiner stets bedarf,
Ihm ohne Neid um's Haupt gewunden sieht,
Erblick' ich hier auf deines Anherrn Stirne.

Auf die Herme Virgils deutend.

Hat es der Zufall, hat's ein Genius
Geflochten und gebracht? Es zeigt sich hier
Uns nicht umsonst. Virgilen hör' ich sagen:
Was ehret ihr die Todten? Hatten die
Doch ihren Lohn und Freude da sie lebten;
Und wenn ihr uns bewundert und verehrt,
So gebt auch den Lebendigen ihr Theil.
Mein Marmorbild ist schon bekränzt genug,
Der grüne Zweig gehört dem Leben an.

Alphons winkt seiner Schwester; sie nimmt den Kranz von der Büste Virgils und nähert sich Tasso. Er tritt zurück.

Leonore.
Du weigerst dich? Sieh welche Hand den Kranz,
Den schönen unverwelklichen, dir bietet!

Tasso.
O laßt mich zögern, seh' ich doch nicht ein
Wie ich nach dieser Stunde leben soll.

Alphons.
In dem Genuß des herrlichen Besitzes,
Der dich im ersten Augenblick erschreckt.

Prinzessinn indem sie den Kranz in die Höhe hält.
Du gönnest mir die seltne Freude, Tasso,
Dir ohne Wort zu sagen wie ich denke.

Tasso.
Die schöne Last aus deinen theuren Händen
Empfang' ich knieend auf mein schwaches Haupt.

Er kniet nieder, die Prinzessinn setzt ihm den Kranz auf.

Leonore applaudirend.
Es lebe der zum erstenmal bekränzte!
Wie zieret den bescheidnen Mann der Kranz!

Tasso steht auf.

Alphons.
Es ist ein Vorbild nur von jener Krone,
Die auf dem Capitol dich zieren soll.

Prinzessinn.
Dort werden lautere Stimmen dich begrüßen,
Mit leiser Lippe lohnt die Freundschaft hier.

Tasso.
O nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder,
Nehmt ihn hinweg! Er sengt mir meine Locken!
Und wie ein Strahl der Sonne, der zu heiß
Das Haupt mir träfe, brennt er mir die Kraft
Des Denkens aus der Stirne. Fieberhitze
Bewegt mein Blut. Verzeiht! Es ist zu viel!

Leonore.
Es schützet dieser Zweig vielmehr das Haupt
Des Manns, der in den heißen Regionen
Des Ruhms zu wandeln hat, und kühlt die Stirne.

Tasso.
Ich bin nicht werth die Kühlung zu empfinden,
Die nur um Heldenstirnen wehen soll.
O hebt ihn auf, ihr Götter, und verklärt
Ihn zwischen Wolken, daß er hoch und höher
Und unerreichbar schwebe! Daß mein Leben
Nach diesem Ziel ein ewig Wandeln sey!

Alphons.
Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Werth
Der holden Güter dieses Lebens schätzen;
Wer früh genießt, entbehrt in seinem Leben
Mit Willen nicht was er einmal besaß;
Und wer besitzt, der, muß gerüstet seyn.

Tasso.
Und wer sich rüsten will, muß eine Kraft
Im Busen fühlen die ihm nie versagt.
Ach! sie versagt mir eben jetzt! Im Glück
Verläßt sie mich, die angeborne Kraft,
Die standhaft mich dem Unglück, stolz dem Unrecht
Begegnen lehrte. Hat die Freude mir,
Hat das Entzücken dieses Augenblicks
Das Mark in meinen Gliedern aufgelös't?
Es sinken meine Kniee! Noch einmal
Siehst du, o Fürstinn, mich gebeugt vor dir!
Erhöre meine Bitte; nimm ihn weg!
Daß wie aus einem schönen Traum erwacht
Ich ein erquicktes neues Leben fühle.

Prinzessinn.
Wenn du bescheiden ruhig das Talent,
Das dir die Götter gaben, tragen kannst,
So lern' auch diese Zweige tragen, die
Das schönste sind was wir dir geben können.
Wem einmal, würdig, sie das Haupt berührt,
Dem schweben sie auf ewig um die Stirne.

Tasso.
So laßt mich denn beschämt von hinnen gehn!
Laßt mich mein Glück im tiefen Hain verbergen,
Wie ich sonst meine Schmerzen dort verbarg.
Dort will ich einsam wandeln, dort erinnert
Kein Auge mich an's unverdiente Glück.
Und zeigt mir ungefähr ein klarer Brunnen
In seinem reinen Spiegel einen Mann,
Der wunderbar bekränzt im Wiederschein
Des Himmels zwischen Bäumen, zwischen Felsen
Nachdenkend ruht: so scheint es mir, ich sehe
Elysium auf dieser Zauberfläche
Gebildet. Still bedenk' ich mich und frage,
Wer mag der Abgeschiedne seyn? Der Jüngling
Aus der vergangnen Zeit? So schön bekränzt?
Wer sagt mir seinen Nahmen? Sein Verdienst?
Ich warte lang' und denke: käme doch
Ein andrer und noch einer, sich zu ihm
In freundlichem Gespräche zu gesellen!
O säh' ich die Heroen, die Poeten
Der alten Zeit um diesen Quell versammelt!
O säh' ich hier sie immer unzertrennlich,
Wie sie im Leben fest verbunden waren!
So bindet der Magnet durch seine Kraft
Das Eisen mit dem Eisen fest zusammen,
Wie gleiches Streben Held und Dichter bindet.
Homer vergaß sich selbst, sein ganzes Leben
War der Betrachtung zweyer Männer heilig,
Und Alexander in Elysium
Eilt den Achill und den Homer zu suchen.
O daß ich gegenwärtig wäre, sie
Die größten Seelen nun vereint zu sehen!

Leonore.
Erwach! Erwache! Laß uns nicht empfinden
Daß du das Gegenwärtge ganz verkennst.

Tasso.
Es ist die Gegenwart die mich erhöht,
Abwesend schein' ich nur, ich bin entzückt.

Prinzessinn.
Ich freue mich, wenn du mit Geistern redest,
Daß du so menschlich sprichst und hör' es gern.

Ein Page tritt zu dem Fürsten und richtet leise etwas aus.

Alphons.
Er ist gekommen! recht zur guten Stunde.
Antonio! – Bring ihn her – Da kommt er schon!

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Antonio.

Alphons.
Willkommen! der du uns zugleich dich selbst
Und gute Bothschaft bringst.

Prinzessinn.
Sey uns gegrüßt!

Antonio.
Kaum wag' ich es zu sagen welch Vergnügen
In eurer Gegenwart mich neu belebt.
Vor euren Augen find' ich alles wieder
Was ich so lang' entbehrt. Ihr scheint zufrieden
Mit dem was ich gethan, was ich vollbracht,
Und so bin ich belohnt für jede Sorge,
Für manchen bald mit Ungeduld durchharrten,
Bald absichtsvoll verlornen Tag. Wir haben
Nun was wir wünschen, und kein Streit ist mehr.

Leonore.
Auch ich begrüße dich, wenn ich schon zürne.
Du kommst nur eben da ich reisen muß.

Antonio.
Damit mein Glück nicht ganz vollkommen werde,
Nimmst du mir gleich den schönen Theil hinweg.

Tasso.
Auch meinen Gruß! Ich hoffe mich der Nähe
Des vielerfahrnen Mannes auch zu freun.

Antonio.
Du wirst mich wahrhaft finden, wenn du je
Aus deiner Welt in meine schauen magst.

Alphons.
Wenn du mir gleich in Briefen schon gemeldet
Was du gethan und wie es dir ergangen;
So hab' ich doch noch manches auszufragen
Durch welche Mittel das Geschäft gelang?
Auf jenem wunderbaren Boden will der Schritt
Wohl abgemessen seyn, wenn er zuletzt
An deinen eignen Zweck dich führen soll.
Wer seines Herren Vortheil rein bedenkt,
Der hat in Rom gar einen schweren Stand:
Denn Rom will Alles nehmen, geben Nichts;
Und kommt man hin um etwas zu erhalten,
Erhält man nichts, man bringe denn was hin,
Und glücklich, wenn man da noch 'was erhält.

Antonio.
Es ist nicht mein Betragen, meine Kunst,
Durch die ich deinen Willen, Herr, vollbracht.
Denn welcher Kluge fänd' im Vatican
Nicht seinen Meister? Vieles traf zusammen
Das ich zu unserm Vortheil nutzen konnte.
Dich ehrt Gregor und grüßt und segnet dich.
Der Greis, der würdigste dem eine Krone
Das Haupt belastet, denkt der Zeit mit Freuden,
Da er in seinen Arm dich schloß. Der Mann
Der Männer unterscheidet, kennt und rühmt
Dich hoch! Um deinetwillen that er viel.

Alphons.
Ich freue seiner guten Meinung mich,
So fern sie redlich ist. Doch weißt du wohl,
Vom Vatican herab sieht man die Reiche
Schon klein genug zu seinen Füßen liegen,
Geschweige denn die Fürsten und die Menschen.
Gestehe nur was dir am meisten half!

Antonio.
Gut! wenn du willst: der hohe Sinn des Pabsts.
Er sieht das Kleine klein, das Große groß.
Damit er einer Welt gebiete, gibt
Er seinen Nachbarn gern und freundlich nach.
Das Streifchen Land, das er dir überläßt,
Weiß er, wie deine Freundschaft, wohl zu schätzen.
Italien soll ruhig seyn, er will
In seiner Nähe Freunde sehen, Friede
Bey seinen Gränzen halten, daß die Macht
Der Christenheit, die er gewaltig lenkt,
Die Türken da, die Ketzer dort vertilge.

Prinzessinn.
Weiß man die Männer, die er mehr als andre
Begünstigt, die sich ihm vertraulich nahn?

Antonio.
Nur der erfahrne Mann besitzt sein Ohr,
Der thätige sein Zutraun, seine Gunst.
Er, der von Jugend auf dem Staat gedient,
Beherrscht ihn jetzt und wirkt auf jene Höfe,
Die er vor Jahren als Gesandter schon
Gesehen und gekannt und oft gelenkt.
Es liegt die Welt so klar vor seinem Blick
Als wie der Vortheil seines eignen Staats.
Wenn man ihn handeln sieht, so lobt man ihn
Und freut sich, wenn die Zeit entdeckt was er
Im Stillen lang bereitet und vollbracht.
Es ist kein schönrer Anblick in der Welt
Als einen Fürsten sehn der klug regiert;
Das Reich zu sehn, wo jeder stolz gehorcht,
Wo jeder sich nur selbst zu dienen glaubt
Weil ihm das Rechte nur befohlen wird.

Leonore.
Wie sehnlich wünscht' ich jene Welt einmal
Recht nah zu sehn!

Alphons.                       Doch wohl um mit zu wirken
Denn bloß beschaun wird Leonore nie.
Es wäre doch recht artig, meine Freundinn,
Wenn in das große Spiel wir auch zuweilen
Die zarten Hände mischen könnten – Nicht?

Leonore zu Alphons.
Du willst mich reitzen, es gelingt dir nicht.

Alphons.
Ich bin dir viel von andern Tagen schuldig.

Leonore.
Nun gut, so bleib' ich heut in deiner Schuld!
Verzeih' und störe meine Fragen nicht.

Zu Antonio.

Hat er für die Nipoten viel gethan?

Antonio.
Nicht weniger noch mehr als billig ist.
Ein Mächtiger, der für die Seinen nicht
Zu sorgen weiß, wird von dem Volke selbst
Getadelt. Still und mäßig weiß Gregor
Den Seinigen zu nutzen, die dem Staat
Als wackre Männer dienen, und erfüllt
Mit Einer Sorge zwey verwandte Pflichten.

Tasso.
Erfreut die Wissenschaft, erfreut die Kunst
Sich seines Schutzes auch? und eifert er
Den großen Fürsten alter Zeiten nach?

Antonio.
Er ehrt die Wissenschaft, so fern sie nutzt,
Den Staat regieren, Völker kennen lehrt;
Er schätzt die Kunst, so fern sie ziert, sein Rom
Verherrlicht, und Pallast und Tempel
Zu Wunderwerken dieser Erde macht.
In seiner Nähe darf nichts müßig seyn!
Was gelten soll, muß wirken und muß dienen.

Alphons.
Und glaubst du, daß wir das Geschäfte bald
Vollenden können? daß sie nicht zuletzt
Noch hie und da uns Hindernisse streuen?

Antonio.
Ich müßte sehr mich irren, wenn nicht gleich
Durch deinen Nahmenszug, durch wenig Briefe
Auf immer dieser Zwist gehoben wäre.

Alphons.
So lob' ich diese Tage meines Lebens
Als eine Zeit des Glückes und Gewinns.
Erweitert seh' ich meine Gränze, weiß
Sie für die Zukunft sicher. Ohne Schwertschlag
Hast du's geleistet, eine Bürgerkrone
Dir wohl verdient. Es sollen unsre Frauen
Vom ersten Eichenlaub am schönsten Morgen
Geflochten dir sie um die Stirne legen.
Indessen hat mich Tasso auch bereichert;
Er hat Jerusalem für uns erobert,
Und so die neue Christenheit beschämt;
Ein weit entferntes, hoch gestecktes Ziel
Mit frohem Muth und strengem Fleiß erreicht.
Für seine Mühe siehst du ihn gekrönt.

Antonio.
Du lösest mir ein Räthsel. Zwey Bekränzte
Erblickt' ich mit Verwundrung da ich kam.

Tasso.
Wenn du mein Glück vor deinen Augen siehst;
So wünscht' ich, daß du mein beschämt Gemüth
Mit eben diesem Blicke schauen könntest.

Antonio.
Mir war es lang' bekannt, daß im Belohnen
Alphons unmäßig ist, und du erfährst
Was jeder von den Seinen schon erfuhr.

Prinzessinn.
Wenn du erst siehst was er geleistet hat,
So wirst du uns gerecht und mäßig finden.
Wir sind nur hier die ersten stillen Zeugen
Des Beyfalls, den die Welt ihm nicht versagt,
Und den ihm zehnfach künft'ge Jahre gönnen.

Antonio.
Er ist durch euch schon seines Ruhms gewiß.
Wer dürfte zweifeln, wo Ihr preisen könnt?
Doch sage mir, wer druckte diesen Kranz
Auf Ariostens Stirne?

Leonore.                             Diese Hand.

Antonio.
Und sie hat wohl gethan! Er ziert ihn schön,
Als ihn der Lorber selbst nicht zieren würde.
Wie die Natur die innig reiche Brust
Mit einem grünen, bunten Kleide deckt,
So hüllt er alles was den Menschen nur
Ehrwürdig, liebenswürdig machen kann,
In's blühende Gewand der Fabel ein.
Zufriedenheit, Erfahrung und Verstand
Und Geisteskraft, Geschmack und reiner Sinn
Für's wahre Gute, geistig scheinen sie
In seinen Liedern und persönlich doch
Wie unter Blüthen-Bäumen auszuruhn,
Bedeckt vom Schnee der leicht getragnen Blüthen,
Umkränzt von Rosen, wunderlich umgaukelt
Vom losen Zauberspiel der Amoretten.
Der Quell des Ueberflusses rauscht darneben,
Und läßt uns bunte Wunderfische sehn.
Von seltenem Geflügel ist die Luft,
Von fremden Herden Wies' und Busch erfüllt,
Die Schalkheit lauscht im Grünen halb versteckt,
Die Weisheit läßt von einer goldnen Wolke
Von Zeit zu Zeit erhabne Sprüche tönen,
Indeß auf wohl gestimmter Laute wild
Der Wahnsinn hin und her zu wühlen scheint
Und doch im schönsten Tact sich mäßig hält.
Wer neben diesem Mann sich wagen darf,
Verdient für seine Kühnheit schon den Kranz.
Vergebt, wenn ich mich selbst begeistert fühle,
Wie ein Verzückter weder Zeit noch Ort,
Noch was ich sage wohl bedenken kann;
Denn alle diese Dichter, diese Kränze,
Das seltne festliche Gewand der Schönen
Versetzt mich aus mir selbst in fremdes Land.

Prinzessinn.
Wer Ein Verdienst so wohl zu schätzen weiß,
Der wird das andre nicht verkennen. Du
Sollst uns dereinst in Tasso's Liedern zeigen
Was wir gefühlt und was nur du erkennst.

Alphons.
Komm mit, Antonio! manches hab' ich noch,
Worauf ich sehr begierig bin, zu fragen.
Dann sollst du bis zum Untergang der Sonne
Den Frauen angehören. Komm! Lebt wohl.

Dem Fürsten folgt Antonio, den Damen Tasso.


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