Johann Wolfgang Goethe
Sonette
Johann Wolfgang Goethe

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Die Zweifelnden

              Ihr liebt und schreibt Sonette! Weh der Grille!
Die Kraft des Herzens, sich zu offenbaren,
Soll Reime suchen, sie zusammenpaaren –
Ihr Kinder, glaubt, ohnmächtig bleibt der Wille.

Ganz ungebunden spricht des Herzens Fülle
Sich kaum noch aus: sie mag sich gern bewahren;
Dann Stürmen gleich durch alle Saiten fahren;
Dann wieder senken sich zu Nacht und Stille.

Was quält ihr euch und uns, auf jähem Stege
Nur Schritt vor Schritt den lästgen Stein zu wälzen,
Der rückwärts lastet, immer neu zu mühen?

Die Liebenden
Im Gegenteil, wir sind auf rechtem Wege!
Das Allerstarrste freudig aufzuschmelzen
Muß Liebesfeuer allgewaltig glühen.

Mädchen

          Ich zweifle doch am Ernst verschränkter Zeilen!
Zwar lausch ich gern bei deinen Silbespielen,
Allein mir scheint: was Herzen redlich fühlen,
Mein süßer Freund, das soll man nicht befeilen.

Der Dichter pflegt, um nicht zu langeweilen,
Sein Innerstes von Grund aus umzuwühlen;
Doch seine Wunden weiß er auszukühlen,
Mit Zauberwort die tiefsten auszuheilen.

Dichter
Schau, Liebchen, hin! Wie gehts dem Feuerwerker?
Drauf ausgelernt, wie man nach Maßen wettert,
Irrgänglich klug miniert er seine Grüfte;

Allein die Macht des Elements ist stärker,
Und eh er sichs versieht, geht er zerschmettert
Mit allen seinen Künsten in die Lüfte.


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