Johann Wolfgang von Goethe
Aus einer Reise in die Schweiz über Frankfurt, Heidelberg, Stuttgart und Tübingen im Jahre 1797
Johann Wolfgang von Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

 

Von Schaffhausen nach Stäfa

Den 19 September 1797.

Früh 6½ Uhr fuhren wir aus Schaffhausen. Berg und Täler waren klar, der Morgenhimmel leicht gewölkt, im Abend zeigten sich dichtere Wolken.

Wir fuhren einen Teil des gestrigen Wegs. Ein Apfelbaum mit Efeu umwunden, gab Anlaß zur Elegie Amyntas.

Man sah die ganze Bergreihe der Schweiz mit ihren Schneegebirgen, schönes Fruchtfeld, bewachsene Berge rechts und links.

Jestetten mit fruchtbarer Umgebung. Hanf, Klee und Weinbau machten das Feld noch lebendig. Nach verschiedenen Hügeln und Tälern kam man auf eine schöne fruchtbare Fläche gegen den Rhein zu, hinten mit herrlichen Vorbergen.

In Rafz ward den Pferden Brot gegeben, und wir fuhren hinab nach Eglisau über die zierliche Brücke, die sehr reinlich gehalten war. Ein paar Mädchen von zwölf bis vierzehn Jahren saßen am Zoll in einem artigen Kabinette und nahmen das Weggeld ein. Die jüngere nahm das Geld und überreichte den Zettel, indes die andere Buch hielt. Schöne fruchtbare Fläche zwischen waldbewachsenen Bergen. Vorwärts Plaine und ein Eichenwald, durch welchen die gerade Straße hindurchging.

Zeichnung: Goethe

Johann Wolfgang Goethe
Voralpenlandschaft (?)
Bleistift, Feder mit Tinte, um 1797

Um 11 Uhr kamen wir nach Bulach, wo wir während der warmen Tageszeit ein paar Stunden verweilten. Ich hatte die Freude wieder gemalte Fenster zu treffen, wo ich das Ausschleifen auch bei andern Farben als der Purpurfarbe angewendet fand. Ich sah eine sehr lichte eigentliche Purpurfarbe, die ins Violettliche fällt. Auch fand ich auf die farbige Scheibe hinten eine andere Farbe zur Mischung gebracht, als Gelb und Blau, wodurch ein Grün entsteht; besonders nimmt sich das Gelbe auf dem erstgedachten lichten Purpur sehr schön aus. Übrigens sind die Scheiben oft auf eine sehr wunderbare und unnötig scheinende Weise zusammengesetzt; doch findet man bei näherer Betrachtung die Ursache. Auch sind sie oft und schlimm genug repariert. Sie sind sämtlich von 1570, aber an der starken Stellung der gerüsteten Männer, an der Gewalt der heraldischen Tiere, an den tüchtigen Körpern der Zierraten, an der Lebhaftigkeit der Farben, sieht man den Kerngeist der Zeit, wie wacker jene Künstler waren, und wie derbständig und bürgerlich vornehm sie sich ihre Zeitgenossen und die Welt dachten. Eine Scheibe mit dem doppelten Wappen der Stadt Schaffhausen, über dem der kaiserliche Adler in einem Schilde steht, ist vortrefflich gemacht und an der Krone ist der herrlichen Zierraten kein Ende.

Von Bulach, wo es kühl und anmutig gewesen, fuhren wir um halb zwei Uhr weiter.

Betrachtung: daß der Mensch die Rede eigentlich für die höchste Handlung hält, so wie man vieles tun darf, was man nicht sagen soll.

Die Gegend hat im Ganzen nichts sonderlich Charakteristisches, links fruchtbare Plaine, vorwärts die Gebirge; der Boden ist fruchtbar und gut gearbeitet, an verschiedenen Orten sehr kiesig und mit unzähligen Geschieben übersäet.

Gegen 6 Uhr kamen wir nach Zürich bei sehr schönem Wetter, und kehrten ein bei Herrn Ott im Schwert. Einen Brief an Meyer schickte ich ab zu Frau Schultheß. Abends an der Table d'hote mit Herrn Landvogt Imthurn von Schaffhausen, der vom Syndikate aus Lavis zurückkehrte, und einem andern Züricher Herrn, der gleichfalls aus Italien kam. Beide erzählten wenig Gutes von den jetzigen Umständen daselbst.

 

Den 20 September.

Früh bei schönem Wetter oberhalb der Stadt an den See gegangen. Auf dem Rückweg sah ich die Geistlichen zu und von einem Verbrecher hinüber und herüber fahren. Dann brachte ich den Morgen unter den hohen Linden auf dem ehemaligen Burgplatze zu.

Wenn nach gehaltenem Blutgerichte die gewöhnliche Eilf-Uhr-Glocke geläutet wird, so ist es ein Zeichen, daß der Verbrecher begnadigt worden; hält aber die Glocke inne, so ist das Todesurteil gesprochen, und sie gibt um halb 12 Uhr das Zeichen zu seiner Hinausführung. Diesmal ward er begnadigt. Der Verbrecher war ein falscher Münzer, der schon vorher wegen Diebstähle war gebrandmarkt worden.

Mittags bei Tische lernte ich Herrn Hauptmann Bürkli kennen. Das Wetter war sehr trüb, dessen ungeachtet ging ich nach Tisch ein wenig über die neuen Anlagen nach dem Schonehof spazieren.

Gegen 4 Uhr kam Meyer; es fiel ein starker Regen. Abends bei Tische fand ich Herrn Hofrat Müller von Wien.

 

Den 21 September.

Wir fuhren zu Schiffe gegen 8 Uhr ab und bei heiterm Wetter den See hinaufwärts. Zu Mittag wurden wir von Herrn Escher auf seinem Gute bei Herliberg am See freundlich bewirtet, und gelangten Abends nach Stäfa.

 

Stäfa, den 22 September.

Einen trüben Tag brachten wir mit Betrachtung der von Meyer verfertigten und angeschafften Kunstwerke zu, so wie wir auch einander verschiedene Ideen und Aufsätze mitteilten. Abends machten wir noch einen großen Spaziergang den Ort hinaufwärts, welcher von der schönsten und höchsten Kultur einen reizenden und idealen Begriff gibt. Die Gebäude stehen weit auseinander, Weinberge, Felder, Gärten, Obstanlagen breiten sich zwischen ihnen aus, und so erstreckt sich der Ort wohl eine Stunde am See hin, und eine halbe bis nach dem Hügel ostwärts, dessen ganze Seite die Kultur auch schon erobert hat.

 

Stäfa, Sonnabend, den 23 September.

Früh Meyers mitgebrachte Arbeiten nochmals durchgesehen. Bekanntschaft mit Maler Diogg und mit Bannerherr Zwicki von Glarus. Abends auf den Berg zu dem sogenannten Philosophen, die Anlagen seiner Kultivation zu sehen.

 

Stäfa, Sonntags, den 24 September.

Gespräch mit Meyer über die vorhabende rhetorische Reisebeschreibung. Wechselseitige Teilnahme. Über die Notwendigkeit: die Terminologie zuerst festzusetzen, wornach man Kunstwerke beschreiben und beurteilen will. Zu Mittag kamen Herr Homer und Escher der Sohn von Zürich. Abends fuhren wir auf die kleine Insel Ufnau und kamen mit einbrechender Nacht zurück.

 

Montag, den 25 September.

Früh Briefe nach Hause.

 

An Herrn Geheime-Rat Voigt

Stäfa, den 25 September 1797.

Sie erhalten hiebei, wertester Freund, eine kurze Nachricht, wie es mir seit Tübingen ergangen, welche ich dem Herzog mitzuteilen und mich auf das beste dabei zu empfehlen bitte.

Etwa übermorgen denke ich mit Professor Meyer eine kleine Gebirgsreise anzutreten. Man kann sich nicht verwehren, wenn man so nahe ist, sich auch wieder unter diese ungeheuern Naturphänomene zu begeben. Die mineralogische und geognostische Liebhaberei ist auch erleichtert, seitdem so manche Schweizer sich mit diesem Studium abgegeben und durch ihre Reisen, die sie so leicht wiederholen können, den Fremden den Vorteil verschafft haben, sich leichter zu orientieren. Die Aufsätze eines Herrn Escher von Zürich haben mir eine geschwinde Übersicht gegeben, dessen was ich auf meiner kleinen vorgenommenen Tour zu erwarten habe. Das Neueste in diesem Fache ist ein biegsamer Stein, nach der Beschreibung jenem Danzischen ähnlich, wovon ich etwas mitzubringen hoffe.

Die öffentlichen Angelegenheiten sehen in diesem Lande wunderlich aus. Da ein Teil der ganzen Masse schon völlig demokratisch regiert wird, so haben die Untertanen der mehr oder weniger aristokratischen Kantone, an ihren Nachbarn schon ein Beispiel dessen, was jetzt der allgemeine Wunsch des Volks ist; an vielen Orten herrscht Unzufriedenheit, die sich hie und da in kleinen Unruhen zeigt. Über alles dies kommt in dem gegenwärtigen Augenblicke noch eine Sorge und Furcht vor den Franzosen. Man will behaupten, daß mehrere Schweizer bei der letzten Unternehmung gegen die Republik Partei gemacht, und sich mit der sogenannten Verschwörung befunden haben, und man erwartet nunmehr, daß die Franzosen sich deshalb an die Einzelnen, vielleicht gar ans Ganze halten möchten. Die Lage ist äußerst gefährlich und es übersieht niemand was daraus entstehen kann.

Bei diesen selbst für die ruhige Schweiz so wunderbaren Aussichten, werde ich um desto eher meinen Rückweg bald möglichst antreten, und geschwinder, als ich hergegangen bin, wieder in jene Gegenden zurückkehren, wo ich mir eine ruhigere Zeit unter geprüften Freunden versprechen kann.

 

Später.

So eben erhalte ich Ihr wertes Schreiben vom 11 September und werde Ihnen dadurch abermals, so wie in der Gegenwart, auch in der Abwesenheit unendlich viel schuldig. Daß ich meinen August wieder gesund und froh bei Ihnen denken kann, wie Sie die Güte haben seine Reise-Erinnerungen rege zu machen und ihm so zu einer weitern Ausbildung zu verhelfen, ist mir unschätzbar und diese Vorstellung wird mich auf meiner kleinen Reise in die rauhen Gebirge begleiten.

Schon in Frankfurt schrieb ich auf einen erhaltenen Brief von Böckmann ein Blatt, wodurch ich Sie bat, das bewußte Kästchen der Überbringerin, welches Fräulein Staff sein würde, zu übergeben, und wodurch ich sogleich jenen bei mir zu Hause aufgehobenen Archivschein amortisiere, und vergaß, so oft ich an Sie schrieb, davon den schuldigen Avis zu geben. Ich denke, daß Sie mir ein Wort davon sagen; wahrscheinlich ist dieses Depositum nun schon in Karlsruhe glücklich angelangt. Dem Herzog bezeigen Sie mein Beileid und zugleich meinen Glückwunsch daß der Unfall noch in Grenzen geblieben. Viel Glück zu allen Unternehmungen und Geduld mit dem Bergbau, als dem ungezogensten Kinde in der Geschäftsfamilie!

 

                                  Amyntas
                                    Elegie

Nikias, trefflicher Mann, du Arzt des Leibs und der Seele!
    Krank! ich bin es fürwahr; aber dein Mittel ist hart.
Ach die Kraft schon schwand mir dahin dem Rate zu folgen,
    Ja, und es scheinet der Freund schon mir ein Gegner zu sein.
Widerlegen kann ich dich nicht, ich sage mir alles,
    Sage das härtere Wort, das du verschweigest, mir auch.
Aber, ach! das Wasser entstürzt der Steile des Felsens
    Rasch, und die Welle des Bachs halten Gesänge nicht auf.
Rast nicht unaufhaltsam der Sturm? und wälzet die Sonne
    Sich, von dem Gipfel des Tags, nicht in die Wellen hinab?
Und so spricht mir rings die Natur: auch du bist, Amyntas,
    Unter das strenge Gesetz ehrner Gewalten gebeugt.
Runzle die Stirne nicht tiefer, mein Freund! und höre gefällig,
    Was mich gestern ein Baum, dort an dem Bache, gelehrt.
Wenig Äpfel trägt er mir nur, der sonst so beladne;
    Sieh, der Efeu ist Schuld, der ihn gewaltig umgibt.
Und ich faßte das Messer, das krummgebogene, scharfe,
    Trennte schneidend und riß Ranke nach Ranken herab;
Aber ich schauderte gleich, als, tief erseufzend und kläglich
    Aus den Wipfeln zu mir, lispelnd, die Klage sich goß:
O! verletze mich nicht den treuen Gartengenossen!
    Dem du als Knabe schon früh manche Genüsse verdankt.
O, verletze mich nicht! du reißest mit diesem Geflechte,
    Das du gewaltig zerstörst, grausam das Leben mir aus:
Hab' ich nicht selbst sie genährt und sanft sie herauf mir erzogen?
    Ist, wie mein eigenes Laub, mir nicht das ihre verwandt?
Soll ich nicht lieben die Pflanze? die, meiner einzig bedürftig,
    Still, mit begieriger Kraft, mir um die Seite sich schlingt?
Tausend Ranken wurzelten an, mit tausend und tausend
    Fasern, senket sie, fest, mir in das Leben sich ein.
Nahrung nimmt sie von mir, was ich bedürfte, genießt sie,
    Und so saugt sie das Mark, sauget die Seele mir aus.
Nur vergebens nähr' ich mich noch; die gewaltige Wurzel
    Sendet lebendigen Saft, ach! nur zur Hälfte hinauf.
Denn der gefährliche Gast, der geliebte, maßet behende,
    Unterweges die Kraft herbstlicher Früchte sich an.
Nichts gelangt zur Krone hinauf; die äußersten Wipfel
    Dorren, es dorret der Ast über dem Bache schon hin.
Ja, die Verräterin ist's! sie schmeichelt mir Leben und Güter,
    Schmeichelt die strebende Kraft, schmeichelt die Hoffnung mir ab.
Sie nur fühl' ich, nur sie, die umschlingende, freue der Fesseln,
    Freue des tötenden Schmucks fremder Umlaubung mich nur.
Halte das Messer zurück! o Nikias! schone den Armen,
    Der sich in liebender Lust willig gezwungen verzehrt!
Süß ist jede Verschwendung; o laß mich der schönsten genießen!
    Wer sich der Liebe vertraut, hält er sein Leben zu Rat?

 

An Schiller

Stäfa, den 25 Septbr. 1797.

Ihren erfreulichen Brief vom 7 September habe ich vorgestern hier erhalten. Da er länger ausblieb als ich hoffte, so mußte ich befürchten, daß Ihr Übel sich vermehrt habe, wie ich denn nun auch aus Ihrem Briefe leider erfahre. Möchten Sie doch in Ihrer Stille einer so guten Gesundheit genießen als ich bei meiner Bewegung! Ein Blatt das beiliegt sagt Ihnen, wie es mir seit Tübingen ergangen ist. Meyer, den ich nun zu unserer wechselseitigen Freude wiedergefunden habe, befindet sich so wohl als jemals, und wir haben schon was Ehrliches zusammen durchgeschwätzt; er kommt mit trefflichen Kunstschätzen und mit Schätzen einer sehr genauen Beobachtung wieder zurück. Wir wollen nun überlegen, in was für Formen wir einen Teil brauchen und zu welchen Absichten wir den andern aufheben wollen.

Nun soll es in einigen Tagen nach dem Vierwaldstätter See gehen. Die großen Naturszenen die ihn umgeben muß ich mir, da wir so nahe sind, wieder zum Anschauen bringen, denn die Rubrik dieser ungeheuern Felsen darf mir unter meinen Reisekapiteln nicht fehlen. Ich habe schon ein Paar tüchtige Aktenfaszikel gesammelt, in die alles was ich erfahren habe, oder was mir sonst vorgekommen ist, sich eingeschrieben und eingeheftet befindet, bis jetzt noch der bunteste Stoff von der Welt, aus dem ich auch nicht einmal, wie ich früher hoffte, etwas für die Horen herausheben könnte.

Ich hoffe diese Reisesammlung noch um vieles zu vermehren und kann mich dabei an so mancherlei Gegenständen prüfen. Man genießt doch zuletzt, wenn man fühlt daß man so manches subsumieren kann, die Früchte der großen und anfangs unfruchtbar scheinenden Arbeiten, mit denen man sich in seinem Leben geplagt hat.

Da Italien durch seine früheren Unruhen, und Frankreich durch seine neusten, den Fremden mehr oder weniger versperrt ist, so werden wir wohl vom Gipfel der Alpen wieder zurück dem Falle des Wassers folgen und den Rhein hinab uns wieder gegen Norden bewegen, ehe die schlimme Witterung einfällt. Wahrscheinlich werden wir diesen Winter am Fuße des Fuchsturms vergnügt zusammen wohnen; ja ich vermute sogar, daß Humboldt uns Gesellschaft leisten wird. Die sämtliche Caravane hat, wie mir sein Brief sagt, den ich in Zürich fand, die Reise nach Italien gleichfalls aufgegeben; sie werden sämtlich nach der Schweiz kommen. Der jüngere hat die Absicht sich in diesem, für ihn in mehreren Rücksichten so interessanten Lande umzusehen, und der ältere wird wahrscheinlich eine Reise nach Frankreich, die er projektiert hatte, unter den jetzigen Umständen aufgeben müssen. Sie gehen den 1 Oktober von Wien ab; vielleicht erwarte ich sie noch in diesen Gegenden.

Aus meinen frühern Briefen werden Sie gesehen haben, daß es mir in Stuttgart ganz wohl und behaglich war. Ihrer ist viel und von Vielen und immer aufs beste gedacht worden. Für uns beide, glaub' ich, war es ein Vorteil, daß wir später und gebildeter zusammentrafen.

Sagen Sie mir doch in dem nächsten Briefe wie Sie sich auf künftigen Winter einzurichten gedenken? Ob Ihr Plan auf den Garten, das Griesbachische Haus, oder Weimar gerichtet ist. Ich wünsche Ihnen die behaglichste Stelle, damit Sie nicht bei Ihren andern Übeln auch noch mit der Witterung zu kämpfen haben.

Wenn Sie mir nach Empfang dieses Briefes sogleich schreiben, so haben Sie die Güte den Brief unmittelbar nach Zürich mit dem bloßen Beisatz bei Herrn Rittmeister Ott zum Schwert zu adressieren. Ich kann rechnen, daß gegenwärtiges acht Tage läuft, daß eine Antwort ungefähr eben so lange gehen kann, und ich werde ungefähr in der Hälfte Oktobers von meiner Bergreise in Zürich anlangen.

Für die Nachricht, daß mein Kleiner wieder hergestellt ist, danke ich Ihnen um so mehr, als ich keine direkte Nachricht schon seit einiger Zeit erhalten hatte und die Briefe aus meinem Hause irgend wo stocken müssen. Diese Sorge allein hat mir manchmal einen trüben Augenblick gemacht, indem sich sonst alles gut und glücklich schickte. Leben Sie recht wohl! grüßen Sie Ihre liebe Frau und erfreuen Sie sich der letzten schönen Herbsttage mit den Ihrigen, indeß ich meine Wanderung in die hohen Gebirge anstelle; meine Korrespondenz wird nun eine kleine Pause machen, bis ich wieder hier angelangt sein werde.

Bald hätte ich vergessen Ihnen zu sagen, daß der Vers: »Es wallet und siedet, und brauset und zischt etc.« sich bei dem Rheinfall trefflich legitimiert hat. Es war mir sehr merkwürdig wie er die Hauptmomente dieser ungeheuren Erscheinung in sich begreift. Ich habe auf der Stelle das Phänomen in seinen Teilen und im Ganzen, wie es sich darstellt, zu fassen gesucht, und die Betrachtungen, die man dabei macht, so wie die Ideen die es erregt, abgesondert bemerkt. Sie werden dereinst sehen, wie sich jene wenigen dichterischen Zeilen gleichsam wie ein Faden durch dieses Labyrinth durchschlingen.

So eben erhalte ich auch die Bogen J und K des Almanachs durch Cotta und hoffe nun auf meiner Rückkunft aus den Bergen und Seen wieder Briefe von Ihnen zu finden. Meyer wird selbst ein paar Worte schreiben; ich habe die größte Freude daß er so wohl und heiter ist; möge ich doch auch dasselbe von Ihnen erfahren!

Herrliche Stoffe zu Idyllen und Elegien, und wie die verwandten Dichtarten alle heißen mögen, habe ich schon wieder aufgefunden, auch einiges schon wirklich gemacht; so wie ich überhaupt noch niemals mit solcher Bequemlichkeit die fremden Gegenstände aufgefaßt und zugleich wieder etwas produziert habe. Leben Sie recht wohl und lassen Sie uns theoretisch und praktisch immer so fortfahren.

Der Junggesell und der Mühlbach

Gesell
Wo willst du klares Bächlein hin,
So munter?
Du eilst mit frohem leichtem Sinn
Hinunter;
Was suchst du eilig in dem Tal?
So höre doch und sprich einmal!

Bach
Ich war ein Bächlein, Junggesell,
Sie haben
Mich so gefaßt, damit ich schnell
Im Graben
Zur Mühle dort hinunter soll,
Und immer bin ich rasch und voll.

Gesell
Du eilest mit gelass'nem Mut
Zur Mühle,
Und weißt nicht was ich junges Blut
Hier fühle.
Es blickt die schöne Müllerin
Wohl freundlich manchmal nach dir hin?

Bach
Sie öffnet früh beim Morgenlicht
Den Laden,
Und kommt ihr liebes Angesicht
Zu baden;
Ihr Busen ist so voll und weiß,
Es wird mir gleich zum Dampfen heiß.

Gesell
Kann sie im Wasser Liebesglut
Entzünden;
Wie soll man Ruh mit Fleisch und Blut
Wohl finden?
Wenn man sie einmal nur gesehn,
Ach immer muß man nach ihr gehn.

Bach
Dann stürz' ich auf die Räder mich
Mit Brausen,
Und alle Schaufeln drehen sich
Im Sausen.
Seitdem das schöne Mädchen schafft,
Hat auch das Wasser bess're Kraft.

Gesell
Du Armer, fühlst du nicht den Schmerz
Wie andre?
Sie lacht dich an und sagt im Scherz:
Nun wandre!
Sie hielte dich wohl selbst zurück
Mit einem süßen Liebesblick.

Bach
Mir wird so schwer, so schwer vom Ort
Zu fließen;
Ich krümme mich nur sachte fort
Durch Wiesen;
Und käm' es erst auf mich nur an,
Der Weg wär' bald zurück getan.

Gesell
Geselle meiner Liebesqual,
Ich scheide;
Du murmelst mir vielleicht einmal
Zur Freude.
Geh', sag' ihr gleich, und sag' ihr oft,
Was still der Knabe wünscht und hofft.


 << zurück weiter >>