Johann Wolfgang von Goethe
Wilhelm Meisters theatralische Sendung
Johann Wolfgang von Goethe

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Fünftes Buch

1. Kapitel

Mit wie viel froherm Mute, mit wie viel leichterm Herzen beginn' ich dieses Buch als das vorige, wo ich nur Hindernisse, Sorgen, und Unlust meinem Freunde entgegen kommen sah! Wie wünsche ich mir und meinen Lesern Glück, daß er sich einer Laufbahn nähert, die er mit Freude und Ehre betreten wird!

Schon gegen Ende des vorigen Buches konnte man mutmaßen, er werde sich bereden lassen mit der übrigen Gesellschaft auf das gräfliche Schloß zu gehen; er werde der großen Welt, ihren reichen und vornehmen Bewohnern näher rücken. Welcher Vorteil für ihn, daß er alle Anlage hat, sich in diesem neuen Klima völlig aus zu bilden. Denn der Druck, die Beängstigung, Kurzsinnigkeit und Not, die bisher fast über ihn den Meister spielten, sollten von seinem Haupte von seiner Brust sich hinwegheben, wenn ihn ein guter Genius aus der Enge seines Zustandes heraus führet, wenn seine Begriffe sich erweitern, wenn er die Gegenstände kennen lernt, nach denen eine edle Seele sich sehnen an denen sie haften, die sie sich zueignen muß um ihrer Bestimmung genug zu tun, und sich glücklich zu fühlen. Es wird in den höhern Klassen nicht an Männern fehlen die ihn zurechte weisen, die es ihm klar machen, daß die Natur eines Menschen nicht schlimmer verschoben werden kann, als wenn er sich einer zufälligen Leidenschaft für niedrige Gegenstände überläßt; wenn er einer dunkeln Anhänglichkeit an eine Gesellschaft, deren Glieder nicht von der Art seines Wesens sind, nachgibt, und dadurch der Sklave eines Zustandes wird, in welchem die Treue, die schönste und menschlichste Eigenschaft, ihn nur zur Qual und zum Verderben feste hält.

Dreimal glücklich sind diejenigen zu preisen, die ihre Geburt sogleich über die untere Stufe der Menschheit hinaus hebt; die durch Verhältnisse in welchen sich manche gute Menschen die ganze Zeit ihres Lebens abängstigen, nicht durchzugehen, auch nicht einmal als Gäste darin zu verweilen brauchen! Allgemein und richtig muß ihr Blick auf die höheren Standpunkte werden, wie leicht ein jeder Schritt ihres Lebens! Sie sind von Geburt an gleichsam in ein Schiff gesetzt, um bei der Überfahrt die wir alle machen müssen sich des günstigen Windes zu bedienen, und den widrigen abzuwarten; anstatt daß andere nur vor ihre Person schwimmend sich abarbeiten, vom günstigen Winde wenig Vorteil genießen, und im Sturme mit bald erschöpften Kräften untergehen. Welche Bequemlichkeit, welche Leichtigkeit gibt ein angebornes Vermögen! und wie sicher blühet ein Handel der auf ein gutes Kapital gegründet ist, so daß nicht jeder mißlungene Versuch immer in Untätigkeit versetzt! Wer kann den Wert und Unwert irdischer Dinge besser kennen als wer sie zu genießen von Jugend auf im Falle war, und wer kann seinen Geist früher auf das Nützliche, das Notwendige, das Wahre leiten, als der sich von so vielen Irrtümern in einem Alter überzeugen muß, wo es ihm noch an Kräften nicht gebricht ein neues Leben anzufangen. Heil also den Großen dieser Erde! Heil allen die sich ihnen nähern, die aus der Quelle schöpfen, die an diesen Vorteilen Teil nehmen können! und nochmals Heil dem Genius unsers Freundes der ihn diesen glücklichen Stufen näher zu führen Anstalt macht!

 

2. Kapitel

Der Sekretär des Grafen kam oft herüber, um mit der Truppe alles in Richtigkeit zu bringen. Melina legte ihm ein ansehnliches Verzeichnis vor, was man ehemals gespielt haben wollte. Nur ward leider bei dem einen Stücke bemerkt, daß ein unentbehrlicher Akteur inzwischen weggegangen, bei dem andern, daß die Garderobe nicht völlig im Stande sei, ein drittes fiel durch irgend eine Ursache aus der Liste. Dabei klagte man sehr, daß die Schauspieler die man schon lange verschrieben, denen man Reisegeld geschickt, nicht ankommen wollten, und wahrscheinlich durch die Kriegsunruhen auf ihrem Wege gehindert worden. Der Sekretär der einen sehr starken Glauben hatte, ließe sich durch alles dieses nicht abschrecken, sondern hoffte vielmehr mit seinem kleinen Heere Wunder zu tun. Man suchte einige Stücke aus, er gab selbst von seinen Nachspielen her und so kam man von beiden Seiten in Ordnung, und die Zufriedenheit wuchs täglich. Mit welcher entzückten Vertraulichkeit saßen sie oft beisammen, wenn ihnen der Sekretär von der Gastfreiheit seines Herrn, von der Ordnung die in dem Hause herrsche, von der Sorgfalt für den geringsten seiner Gäste umständlich erzählte, und sie den Vorschmack glücklicher Tage kosten ließ. Außerdem war ein jeder von der Truppe sehr mit sich und den Direktoren zufrieden, indem er zu seinem Teile Rollen erhielt auf die er sonst nicht leicht hätte Anspruch machen können. Philine erhielte die zärtlichen und empfindungsvollen Liebhaberinnen die jugendlichen Hauptrollen; ob sie gleich sehr schlecht memorierte, und nur an das schnatternde Kammermädchen gewohnt war. Madam Melina, die sich in höchst gesegneten Umständen befand, mußte die ernsthafte Mütterrollen übernehmen, und ihr Mann, der zu jedem Handwerke eher als zum Akteur geboren war, ließ sich die Väter, Onkel, und dergleichen gefallen. Ein junger wohlgebildeter Mensch welchen man da die Truppe sich noch beisammen befand, als Knaben behandelt hatte, der schnell in die Höhe schoß, und sich nach und nach in dem Umgang, und an dem Beispiele Wilhelms bildete, übernahm die ersten Liebhaberrollen. Einige Mädchen und junge Frauen mit leidlichen Gesichtern und ungeschickten Figuren, in Gesellschaft ihrer völlig unbedeutenden Männer und Freunde teilten sich in die untergeordneten Gestalten. Nur Mignon, der man die Rolle der Kammermädchen auftragen wollte, schlug es rund ab, und beteuerte, sie werde nicht spielen.

Man schrieb nunmehr aus, lernte fleißig, man lebte voller Hoffnung, aß und trank auf Rechnung des Grafen, und genoß von dem Guten das man erst verdienen sollte, manches voraus.

Indessen hatte Wilhelm mit dem Sekretär auch schon Bekanntschaft gemacht. Dieser war entzückt über die vielen Kenntnisse unseres Freundes. Er bat ihn auf das dringendste, ja mit der Gesellschaft auf das Schloß zu kommen. – Unsere Herrschaften haben große Liebe für die Literatur, besonders für die deutsche, lassen ihr alle Gerechtigkeit widerfahren, und gewiß man wird Sie sehr wohl empfangen – Er lud ihn als er einsmalen wiederkehrte im Namen der Herrschaften selbst auf das dringendste ein, und konnte ihm die Ehre und das Glück das er genießen würde nicht lebhaft genug vorbilden. Dieser Reiz war für unsern Freund unwiderstehlich, ob ihm gleich der vertrauliche und nachlässige Ton nicht gefiel, womit der junge Mann von den Herrschaften sprach, und sie in der Erzählung behandelte, nicht als ob er ihres gleichen sei, sondern als ob sie seines gleichen wären. Nur da unser Wilhelm sich vorgenommen hatte mit der Truppe nicht weiter in Verbindung zu bleiben, bat er um die Erlaubnis auf seine eigene Hand dorthin zu folgen, und in dem Gasthofe des benachbarten Ortes abzutreten, welches ihm denn auch gern zugestanden ward.

Destomehr ärgerte er sich täglich über den Leichtsinn und Unverstand womit die Schauspieler einem so erhabnen Publico entgegen gingen. Kaum daß sie ihre Rollen recht lesen mochten, geschweige daß sie ordentliche Proben gehalten, und sich nach Schuldigkeit bemüht hätten. Sie glaubten nunmehr es würde sich das alles schon finden. Er unterließ nicht ihnen das Gewissen zu schärfen, ihnen bange zu machen, daß sie gar bald wieder entlassen werden könnten. Endlich bequemten sie sich einigermaßen, doch war es immer mehr anmutige Hoffnung des Beifalles, als Bemühung ihn zu verdienen, die sie beschäftigte.

Wilhelm ging ihnen von seiner Seite mit gutem Beispiele vor. Er nahm ihre Stücke durch, verbesserte bei Übersetzungen die Sprache, zog Szenen zusammen, richtete Rollen nach dem Geschicke der Akteurs mehr ein, verfertigte neue Übersetzungen einiger französischen kleinen Nachspiele, und war damit meistens vom frühen Morgen bis in die tiefe Nacht beschäftigt. Sein Eifer blieb dem Sekretär des Grafen nicht verborgen, und diesem war das Geschick, womit Wilhelm alles was er angriff, zurechte brachte, etwas ganz neues. Er war voller Verwunderung über die Lebhaftigkeit und Richtigkeit des Gefühles womit unser junge Dichter das Handelnde und Würkende vom Erzählenden und Lehrenden zu scheiden wußte, durch eine geringe Veränderung ganzen Szenen und Stücken eine andere Gestalt zu geben verstund, und mit einem glücklichen Humor das Wohlanständige und Schickliche nicht zu beleidigen sorgfältig war. Dadurch ward der Sekretär der eine außerordentlich gute Vorstellung von sich selbst hatte, bewogen, jenen doch auf alle Weise seiner Freundschaft wert zu achten. Er drang sich ihm von Tag zu Tage mehr auf, vertraute ihm seine Gedanken Anschläge, und Urteile, wobei unser Freund meistens mit einem unangenehmen Gefühl bemerkte, daß der gute Mann nur große Worte gebrauchte, die Ideen und Sachen aber sehr gering fügig waren.

Endlich kam die Zeit herbei da man sich zur Überfahrt schicken, die Kutschen und Wägen erwarten sollte, die unsere ganze Truppe nach dem Schlosse des Grafen hinüber zu führen bestellt waren. Es fielen schon zum voraus große Streitigkeiten vor, wer mit dem andern fahren, wie man sitzen sollte, und es ward endlich mit Mühe ausgemacht und festgesetzt, doch leider ohne Würkung. Zur bestimmten Stunde kamen weniger Wagen als man erwartet hatte, und man mußte sich anders einrichten. Der Sekretär der nicht lange hinterdrein folgte, gab zur Ursache an, daß im Schlosse alles in großer Bewegung sei, weil nicht allein der Fürst einige Tage früher eintreffen werde, als man geglaubt, sondern, weil auch unerwarteter Besuch schon gegenwärtig angelangt; der Platz gehe sehr zusammen, sie würden auch deswegen nicht so gut logieren, als man es ihnen vorher bestimmt, welches ihm außerordentlich leid tue.

Man teilte sich in die Wagen so gut es gehen wollte, und da es leidlich Wetter und der Weg nur einige Stunden war, machten sich die Lustigsten lieber zu Fuße auf den Weg als daß sie die Rückkehr der Kutschen hätten abwarten wollen. Die Karawane zog mit Freudengeschrei aus, zum ersten mal ohne Sorgen wie der Wirt zu bezahlen sei. Das Schloß des Grafen stand ihnen wie ein Feengebäude vor der Seele, sie waren die glücklichsten und fröhlichsten Menschen von der Welt und jeder knüpfte unterweges an diesen Tag nach seiner Art zu denken eine Reihe von Glück, Ehre, und Wohlstand.

Ein starker Regen der unterweges einfiel konnte sie nicht aus diesen angenehmen Empfindungen reißen; da er aber immer anhaltender und stärker wurde, spürten viele von ihnen eine ziemliche Unbequemlichkeit. Die Nacht kam herbei, und erwünschter konnte ihnen nichts erscheinen, als der, durch alle Stockwerke erleuchtete, Palast des Grafen, der ihnen von einem Hügel entgegen glänzte. Sie konnten die Fenster zählen. Als sie näher kamen fanden sie auch alle Fenster der Seitengebäude erhellet. Ein jeder urteilte heimlich für sich, welches wohl sein Zimmer werden möchte, und die meisten begnügten sich bescheiden mit einer Stube im Mansarde, oder in den Flügeln.

Als sie durch das Dorf, und am Wirtshause vorbei fuhren, ließ Wilhelm halten, um dort abzusteigen; allein der Wirt versicherte, daß er ihm nicht den geringsten Raum anweisen könne. Der Herr Graf habe, weil unvermutete Gäste gekommen, sogleich das ganze Wirtshaus besprochen, die Zimmer seien vom Kammerdiener gestern alle nummeriert, ein Verzeichnis darüber gefertiget, und angeschrieben worden wer darinne wohnen solle. Mit größtem Widerwillen mußte also unser Freund mit der übrigen Gesellschaft zum Schloßhofe hineinfahren.

Die Küchenfeuer in einem Seitengebäude, und die Geschäftigkeit der Köche, war der erste Gegenstand, der sie erquickte und entzückte. Es kamen Bediente mit Lichtern auf die Treppe gesprungen, und die Seele der guten Wanderer quoll über diesen Aussichten auf. Wie sehr verwunderten sie sich also, da sich dieser Empfang in ein entsetzliches Fluchen auflöste. Die Bedienten schimpften auf die Kutscher, daß sie hier herein gefahren! sie sollten umwenden und wieder hinaus, hinten nach dem alten Schlosse zu, hier sei kein Raum für diese Gäste. Einem so unfreundlichen und unerwarteten Bescheide fügten sie noch allerlei Spöttereien hinzu, und lachten sich unter einander aus, daß sie durch diesen Irrtum in den Regen gesprengt worden. Es goß noch immer, keine Sterne standen am Himmel, und nun wurde die Gesellschaft durch einen holprichten Weg zwischen zwei Mauern, in das alte innere Schloß gezogen, welches unbewohnt da stand seit der Vater des Grafen das vordere gebaut hatte. Teils im Hofe, teils unter einem langen gewölbten Torwege hielten die Wagen still, und die Fuhrleute welche Anspänner aus dem Dorfe waren spannten aus, und ritten ihrer Wege. Da niemand zum Empfange der Gesellschaft sich zeigte, stiegen sie aus, riefen, suchten vergebens! Es blieb alles finster und stille. Der Wind blies durch das hohle Tor, und grauerlich waren die alten Türme und Höfe, wovon sie kaum die Gestalten in der Finsternis unterschieden. Sie froren und schauerten, die Frauen fürchteten sich, die Kinder fingen an zu weinen, ihre Ungeduld vermehrte sich mit jedem Augenblicke, und ein so schneller Glückswechsel, auf den keines von der Gesellschaft vorbereitet war, brachte sie alle ganz und gar aus der Fassung.

 

3. Kapitel

Da sie jeden Augenblick erwarteten, daß jemand kommen, und ihnen aufschließen würde, da bald Regen, bald Sturm sie täuschte und sie mehr als einmal den Tritt des erwünschten Schloßvoigts zu hören glaubten, blieben sie eine lange Zeit unmutig, und untätig, es fiel keinem ein in das neue Schloß zu gehen und dort mitleidige Seelen um Hülfe anzurufen. Sie konnten nicht begreifen, wo ihr Freund der Sekretär geblieben sei. Sie waren in einer höchst beschwerlichen Lage. Endlich kamen wirklich Menschen, und man erkennte an ihren Stimmen, daß es jene Fußgänger seien, die auf dem Wege hinter den Fahrenden zurückgeblieben waren. Sie erzählten, daß der Sekretär mit dem Pferde gestürzt sei, sich am Fuße stark beschädigt habe, und daß man sie auch da sie im Schlosse nachgefragt mit Ungestüm hierher gewiesen.

Die ganze Gesellschaft war in der größten Verlegenheit, man ratschlagte was man tun sollte, und konnte keinen Entschluß fassen. Endlich sah man von weitem eine Laterne kommen, und holte frischen Atem; allein die Hoffnung einer baldigen Erlösung verschwand auch wieder, indem sich die Erscheinung näher entdeckte und aufklärte. Es war der Stallmeister des Grafen, dem ein Reitknecht vorleuchtete, und der sich, als er näher kam, sehr eifrig nach der Mademoiselle Philine erkundigte. Sie war kaum aus dem übrigen Haufen hervorgetreten, als er ihr sehr dringend anbot sie in das neue Schloß zu führen, wo ein Plätzchen für sie bei der Kammerjungfer der Gräfin bestimmt sei. Sie besann sich nicht lange das Anerbieten dankbar zu ergreifen, faßte ihn bei dem Arme und wollte, da sie den andern ihren Koffer empfohlen, mit ihm forteilen; allein man trat ihnen in den Weg, fragte, bat, beschwor den Stallmeister, daß er endlich um nur mit seiner Schönen los zu kommen, alles versprach, und versicherte, daß in kurzem das Schloß eröffnet, und sie auf das beste einquartiert werden sollten. Bald darauf sahen sie den Schein seiner Laterne verschwinden, und hofften lange vergebens auf das neue Licht, das ihnen endlich nach vielem Warten, Schelten, und Schmähen erschien, und sie mit einigem Troste und Hoffnung belebte. Ein alter Hausknecht eröffnete die Türe, in die sie mit Gewalt hineindrangen. Ein jeder sorgte nun für seine Sachen, sie abzupacken, sie herein zu schaffen. Das meiste war, wie die Personen selbst, tüchtig durchgeweicht. Bei dem Einen Lichte ging alles sehr langsam. Im Gebäude stieß man sich, stolperte, fiel. Man bat um mehr Lichter, man bat um Feuerung. Der einsylbigte Hausknecht ließ mit genauer Not seine Laterne da, ging und kam nicht wieder.

Nun fing man an das Haus zu durchsuchen, die Türen aller Zimmer waren offen, große Öfen, gewürkte Tapeten, verzierte Fußböden waren von seiner vorigen Pracht noch übrig, von anderm Hausgeräte nichts zu finden, kein Tisch, kein Stuhl, kein Spiegel, kaum einige ungeheure leere Bettgestelle, alles Schmuckes, und alles Notwendigen zur Ruhe beraubt. Die nasse[n] Koffer und Mantelsäcke waren zu Sitzen gewählt, ein Teil der müden Wanderer bequemte sich auf dem Fußboden, Wilhelm hatte sich auf ein paar Stufen gesetzt, Mignon lag auf seinen Knien, das Kind war unruhig, und auf seine Frage, was ihm fehlte, antwortete es: mich hungert! Er hatte nichts bei sich um das Verlangen des Kindes zu stillen, die übrige Gesellschaft war auch aufgezehrt, und er mußte die arme Kreatur ohne Erquickung lassen. Er blieb bei dem ganzen Vorfalle untätig, still in sich gekehrt; denn er war sehr verdrüßlich und grimmig daß er nicht auf seinem Sinne bestanden, und bei dem Wirtshause abgestiegen, wenn er auch auf dem obersten Boden hätte sein Lager nehmen sollen. Die übrigen gebärdeten sich jeder nach seiner Art. Einige hatten einen großen Haufen altes Gehölz in ein ungeheures Kamin des Saales geschafft und zündeten es an mit großem Jauchzen, da sie sich wenigstens würden trocknen können. Unglücklicher Weise war dieses Kamin nur zur Zierde, und von obenherein vermauert, der Dampf trat schnell zurücke, und erfüllete auf einmal die Zimmer, das dürre Holz schlug rasselnd in Flammen auf, allein auch die Flamme ward heraus getrieben, der Zug, der durch die zerbrochne Fensterscheiben kam, gab ihr eine unstäte Richtung, man fürchtete das Schloß anzuzünden mußte das Feuer aus einander ziehen, austreten, dämpfen, der Rauch vermehrte sich, der Zustand wurde unerträglicher, man kam der Verzweiflung nahe.

Wilhelm war vor dem Rauch in ein entferntes Zimmer gewichen, wohin ihm bald Mignon nachfolgte, und einen wohlbekleideten Bedienten, der eine hohe, hellbrennende, doppelt erleuchtete Laterne trug, hereinführte; dieser wendete sich an Wilhelmen, und indem er ihm auf einem schönen porzellanenen Teller Konfekt, und Früchte überreichte, sagte er: dies schickt Ihnen das junge Frauenzimmer von drüben, mit der Bitte hinüber zur Gesellschaft zu kommen, sie läßt sagen, setzte der Bediente hinzu, es gehe ihr sehr wohl, und sie wünsche ihre Zufriedenheit mit ihrem Freunde zu teilen. Wilhelm erwartete nichts weniger als diesen Antrag, denn seit geraumer Zeit hatte er Philinen mit entschiedener Verachtung begegnet, und sich ihrer kaum in ihren Rollen angenommen, er war auch so fest entschlossen keine Gemeinschaft mit ihr zu haben, daß er im Begriffe stund, die süße Gabe wieder zurück zu schicken, nur ein bittender Blick Mignons konnte ihn vermögen sie anzunehmen, und im Namen des Kindes dafür danken zu lassen; die Einladung schlug er ganz aus. Er bat den Bedienten einige Sorge für die angekommene Gesellschaft zu tragen, und erkundigte sich nach dem Sekretär. Dieser lag zu Bette, hatte aber schon, so viel der Bediente zu sagen wußte, einen andern Auftrag gegeben für die elend Beherbergten zu sorgen.

Der Bediente ging, und hinterließ Wilhelmen eins von seinen Lichtern, das er in Ermanglung eines Leuchters auf das Fenstergesims kleben mußte, und nun wenigstens bei seinen Betrachtungen die vier Wände des Zimmers erhellet sah. Denn es währte noch lange ehe die Anstalten rege wurden die unsere Gäste zur Ruhe bringen sollten. Nach und nach kamen Lichter, jedoch ohne Lichtputzen, dann einige Stühle, eine Stunde weiter Deckbetten, dann Kissen alles wohl durchnetzt, und es war schon weit über Mitternacht als endlich Strohsäcke, und Matratzen herbei geschafft wurden, die wenn man sie zuerst gehabt hätte, höchst willkommen gewesen sein würden –

In der Zwischenzeit war auch etwas von Essen und Trinken eingegangen, das ohne viele Kritik genossen wurde, ob es gleich einem sehr unordentlichen Abhub ähnlich sah, und von der Achtung, die man für die Gäste hatte, kein sonderliches Zeugnis ablegte.

 

4. Kapitel

Durch die Unart und den Übermut einiger leichtfertiger Gesellen vermehrte sich die Unruhe und das Übel der Nacht, indem sie sich einander neckten, aufweckten, und sich wechselsweise allerlei Streiche spielten. Der andere Morgen brach an unter lauten Klagen über ihren Freund, den Sekretär, daß er sie so getäuscht und ihnen ein ganz andres Bild von der Ordnung und Bequemlichkeit, in die sie kommen würden, gemacht habe. Doch zu ihrer großen Verwunderung und Troste hatten sie sich kaum zusammengerafft, als der Graf selbst mit einigen Bedienten erschien und sich nach ihren Umständen erkundigte. Er war sehr entrüstet als er hörte, wie übel es ihnen ergangen, und der Sekretär der geführt herbei hinkte, verklagte den Haushofmeister wie befehlswidrig er sich bei dieser Gelegenheit gezeigt, und glaubte ihm ein rechtes Bad angerichtet zu haben. Der Graf befahl sogleich, daß alles in seiner Gegenwart zur möglichsten Bequemlichkeit der Gäste geordnet werden sollte. Es kamen einige fremde Offiziere, die von den Aktrizen sogleich Kundschaft nahmen, und in ihrem Beisein ließ sich der Graf die ganze Gesellschaft vorstellen, redete einen jeden bei seinem Namen an, und mischte einige Scherze in die Unterredung, daß alle über einen so gnädigen Herrn ganz entzückt waren. Endlich mußte Wilhelm auch an die Reihe, an den sich Mignon anhing. Wilhelm entschuldigte sich so gut er konnte über seine Freiheit, der Graf hingegen schien es als ganz bekannt anzunehmen. Ein Herr der neben dem Grafen stund, den man für einen Offizier hielte ob er gleich keine Uniform an hatte, sprach besonders mit unserm Freunde, und zeichnete sich vor allen andern aus. Große helle blaue Augen leuchteten unter einer hohen Stirne hervor, nachlässig waren seine bräunlichen Haare aufgeschlagen, und seine mittlere Statur zeigte ein sehr wackres, festes, und bestimmtes Wesen. Seine Fragen waren sehr lebhaft, und er schien sich auf alles zu verstehen wornach er fragte.

Hinterdrein erkundigte sich Wilhelm nach diesem Manne bei dem Sekretär, dieser wußte nicht viel Gutes von ihm zu sagen. Er habe den Charakter als Major, sei eigentlich der Günstling des Prinzen, versehe dessen geheimste Geschäfte, und werde für dessen rechten Arm gehalten, ja man habe Ursache zu glauben er sei sein natürlicher Sohn. In Frankreich, England, Italien, sei er mit Gesandschaften gewesen, er werde überall sehr distinguiert, und das mache ihn einbildisch und unleidlich, er wähne die deutsche Literatur aus dem Grunde zu kennen, und erlaube sich allerlei schale Spöttereien gegen dieselbe. Er der Sekretär vermeide alle Unterredung mit ihm, und Wilhelm werde wohl tun darinne zu folgen. Man nenne den Fremden Jarno, wüßte aber nicht recht was man aus dem Namen machen sollte.

Wilhelm wußte darauf nichts zu sagen, denn er empfand gegen den Fremden, ob er gleich etwas kaltes und abstoßendes hatte, eine gewisse Neigung.

Die Gesellschaft wurde in dem Schlosse eingeteilt, und Melina befahl sehr strenge, sie sollten sich nunmehro ordentlich halten, ein jeder seine Rollen auf das beste lernen, die Frauen besonders wohnen. Er schlug Vorschriften und Lehren an alle Türen an, die aus vielen Punkten bestanden, und auch die Summe der Strafgelder enthielten, die ein jeder Übertreter in eine gemeine Büchse zu entrichten hatte. Diese Verordnungen wurden wenig geachtet. Es kam ein Schwarm junger Offiziere nach dem andern, die nicht eben auf das feinste mit den Aktricen spaßten, die Akteure zum Besten hatten, und die ganze kleine Polizeiordnung, noch ehe sie Wurzel gefaßt, zu Grunde richteten. Man jagte sich durch die Zimmer, verkleidete sich, versteckte sich, und es wurden gar bald Versuche gemacht paarweise in die Winkel zu kriechen. Melina der Anfangs einigen Ernst zeigen wollte ward mit allerlei Mutwillen auf das äußerste gebracht, und als ihn bald darauf der Graf holen ließ um den Platz zu sehen, wo das Theater aufgerichtet werden sollte, ward das Übel nur immer ärger. Die jungen Herrn ersannen sich allerlei platte Späße, durch Hülfe einiger Akteure wurden sie noch plumper und es schien als wenn das ganze alte Schloß vom wütenden Heere besessen sei, auch endigte es nicht eher als bis es zur Tafel gerufen ward.

Der Graf hatte Melina in einen großen Saal geführt, der noch zum alten Schlosse gehörte, und an das neue anstieß, und zu einem kleinen Theater vortrefflich zu gebrauchen war. Er hatte ihm daselbst gezeigt wie er es wollte eingerichtet haben. Melina gabe dem Grafen in allem Recht, teils aus Respekt, teils, weil er absolut nichts von der Sach verstund. Indessen kam er doch, Wilhelmen um Rat zu fragen, und ihn zu bitten, daß er ihm in dieser Angelegenheit beistehen möge. Es ward nun alles in großer Eile vorgenommen, das Theatergerüste aufgeschlagen, ausgezieret, was man von Dekorationen in dem Gepäcke hatte und brauchen konnte angewendet, und das Übrige mit Hülfe einiger geschickten Leute des Grafen verfertigt. Wilhelm griff selbst mit an, half die Perspektive bestimmen, die Umrisse abschnüren und war höchst beschäftigt, daß es nicht unschicklich werden sollte, als wenn es ganz seine eigne Sache wäre.

Der Graf der öfters dazu kam, war sehr zufrieden damit, zeigte, wie sie das was sie wirklich taten, machen sollten, und ließ dabei ungemeine Kenntnisse jeder Kunst sehen. Nun fing das Probieren recht ernstlich an, wozu sie auch Raum und Muse genug gehabt hätten, wenn sie nicht von den vielen anwesenden Fremden immer gestört worden wären. Denn es kamen täglich neue Gäste an, und ein jeder wollte die Gesellschaft in Augenschein nehmen. Der Sekretär hatte Wilhelmen einige Tage mit der Hoffnung hingehalten, daß er der Gräfin, welcher er durch ein Versehen mit der übrigen Gesellschaft präsentiert worden war, noch besonders vorgestellt werden sollte. – Ich habe, sagte er, dieser vortrefflichen Dame so viel von Ihnen, und Ihren geist[r]eichen und empfindungsvollen Stücken erzählt, daß sie nicht erwarten kann, Sie zu sprechen, und Sie ein und das andere vorlesen zu hören. Halten Sie sich ja gefaßt auf den ersten Wink hinüber zu kommen, denn bei dem nächsten ruhigen Morgen werden Sie gewiß gerufen werden. Er nannte ihm darauf einige von seinen Nachspielen, welche er zuerst vorlesen sollte, wodurch er sich ganz besonders empfehlen würde. Die Dame bedaure es gar sehr, daß er zu einer solchen unruhigen Zeit eingetroffen, und sich mit der übrigen Gesellschaft in dem alten Schlosse schlecht behelfen müsse – Mit großer Sorgfalt nahm darauf Wilhelm das Stück vor, womit er seinen Eintritt in die große Welt machen sollte . . . Du hast, sagte er, bisher im Stillen für dich gearbeitet und vielen Beifall von einem zahlreichen Publico für eins deiner Stücke erhalten, du mußt immer noch zweifelhaft sein ob du auf dem rechten Wege bist, und ob du so viel Talent als Neigung zum Theater hast; vor den Ohren solcher geübter Kenner, im Kabinette wo weiter keine Illusion dazu kommt, ist ein weit gefährlicherer Stand als anderwärts, und ich mögte doch auch nicht gerne zurück bleiben, diesen Genuß an meine vorigen Freuden knüpfen, und die Hoffnung auf die Zukunft erweitern. Er nahm daher einige Stücke durch, las sie mit der größten Aufmerksamkeit, korrigierte hier und da, rezitierte sie sich laut vor, um auch in Sprache, und durch Ausdruck recht gewandt zu sein, und steckte das welches er am meisten geübt, womit er die größte Ehre einzulegen glaubte, in die Tasche, als er an einem Morgen hinüber vor die Gräfin gefordert wurde.

Der Sekretär hatte ihn versichert sie würde allein mit einer guten Freundin sein. Als er in das Zimmer trat kam die Baronesse von C*** ihm mit vieler Freundlichkeit entgegen, freute sich seine Bekanntschaft zu machen, und präsentierte ihn der Gräfin, die sich eben frisieren ließ, und neben deren Stuhl er mit großer Verwunderung Philinen knien und allerlei Torheiten machen sah. – Das schöne Kind, sagte die Baroneß, hat uns allerlei vorgesungen. Endige Sie doch das angefangne Liedchen, damit wir nichts davon verlieren –

Wilhelm hörte das Stückgen mit großer Geduld an, indem er doch die Entfernung des Friseurs wünschte, eh' er seine Vorlesung anfangen wollte. Man bot ihm eine Tasse Schokolade an, wozu ihm die Baroneß selbst den Zwieback reichte. Es schmeckte ihm kaum, weil seine Gedanken ganz von dem Stücke das er vorlesen wollte erfüllt waren, und er die Gefühle seines Herzens den beiden Damen mitzuteilen sich sehnte. Philine war ihm auch im Wege, die ihm als Zuhörerin oft schon unbequem gewesen war. Er sah mit Schmerzen dem Friseur auf die Hände, und hoffte in jedem Augenblicke mehr auf die Vollendung des Baues. Indessen war der Graf herein getreten, und er erzählte von den heut zu erwartenden Gästen, von der Einteilung des Tages, und was sonst etwa Häusliches vorkommen mochte. Da er hinaus ging ließen einige Offiziere bei der Gräfin um die Erlaubnis bitten, ihr, weil sie noch vor Tafel wegreiten müßten, aufwarten zu dürfen. Der Kammerdiener war indessen fertig geworden, und sie ließ die Herrn herein kommen. Die Baronesse gab sich inzwischen Mühe unsern Freund zu unterhalten, und ihm viele Achtung zu bezeigen, die er mit Ehrfurcht obgleich etwas zerstreut aufnahm. Er fühlte manchmal nach dem Manuskripte in der Tasche, hoffte auf jeden Augenblick, und fast wollte seine Geduld reißen, als ein Galanteriehändler hereingelassen wurde, der seine Pappen Kasten, Schachteln unbarmherzig eine nach der andern eröffnete, und jede Sorte seiner Waren mit einer diesem Geschlechte eignen Zudringlichkeit vorwies. Die Gesellschaft vermehrte sich. Die Baroneß sah Wilhelmen an, und sprach der Gräfin in die Ohren, er bemerkte es ohne zu verstehen was es bedeuten sollte, bis es ihm endlich zu Hause klar wurde, als er sich nach einer ängstlich durchharrten Stunde weg begab. Er fand ein schönes englisches Portefeuille in seiner Rocktasche, die Baronesse hatte es ihm heimlich beizustecken gewußt, und gleich darauf folgte der Gräfin kleiner Mohr, der ihm eine artig gestickte Weste überbrachte, ohne recht deutlich zu sagen woher sie komme.

 

5. Kapitel

Das Gemisch von Verdruß und Dankbarkeit verdarb ihm den ganzen Rest des Tages, bis ihm gegen Abend Melina eröffnete, der Graf habe von einem Vorspiele gesprochen, das wenn der Prinz käme zum erstenmal gleich mit aufgeführt werden könnte. Es sollten darinne die Eigenschaften dieses großen Helden und Menschenfreundes personifiziert werden. Diese Tugenden sollten miteinander auf treten, sein Lob verkündigen, und zuletzt seine Büste mit Blumen und Lorbeerkränzen umwinden, wobei sein verzogner Name mit dem Fürstenhute durchscheinend glänzen sollte. Der Graf habe ihm aufgegeben für die Versifikation, und übrige Einrichtung dieses Stückes zu sorgen, und er hoffe, daß ihm Wilhelm, dem es etwas leichtes sei, hierin gerne beistehen werde. – Wie! rief dieser, mit einiger Ärgerlichkeit, sind wir hier in der Wachsleinwandfabrik, wo wir Porträte, verzogene Namen, und allegorische Figuren brauchen, um einen Fürsten zu ehren, der nach meiner Meinung ein ganz anderes Lob verdient. Wie kann es einem vernünftigen Manne schmeicheln sich in Effigié aufgestellt und seinen Namen auf ölgetränktem Papiere schimmern zu sehen. Ich fürchte sehr die Allegorien würden besonders bei unsrer Garderobe zu manchen Zweideutigkeiten und Späßen Anlaß geben. Wollen Sie es machen lassen, so kann ich nichts dawider haben nur bitte ich, daß ich damit verschont bleibe.

Melina entschuldigte sich, es sei nur die ohngefähre Angabe des Herrn Grafen, der ihnen übrigens ganz überlasse wie sie das Stück arrangieren wollten. Herzlich gerne, versetzte Wilhelm, trage ich etwas zum Vergnügen dieser vortrefflichen Herrschaft bei, und meine Muse hat noch kein so angenehmes Geschäfte gehabt als zum Lob eines Fürsten, der so viel Verehrung verdient, auch nur stammelnd sich hören zu lassen. Ich will der Sache nachdenken, vielleicht gelingt es mir unsere kleine Truppe so zu stellen, daß wir doch wenigstens einigen Effekt machen. – Von diesem Augenblicke an sann Wilhelm eifrig dem Auftrage nach. Ehe er einschlief hatte er alles schon ziemlich geordnet, und den andern Morgen, bei früher Zeit war der Plan fertig, die Szenen entworfen, ja schon einige der vornehmsten Stellen und Gesänge in Verse und zu Papiere gebracht.

Wilhelm eilte den Sekretär wegen gewisser Umstände zu sprechen, und legte ihm seinen Plan vor. Diesem gefiel er sehr wohl, doch bezeigte er seine Verwunderung, indem der Graf gestern Abend von einem ganz andern Stücke gesprochen, welches er bestellt, und welches wie er glaubte in Verse gebracht werden würde. – Es ist mir nicht wahrscheinlich, versetzte Wilhelm, daß es die Absicht des Herrn Grafen gewesen sei, gerade das Stück so wie er es Melinaen angegeben, fertigen zu lassen; wenn ich mich nicht irre, so wollte er bloß einen Fingerzeig geben, auf welchem Wege wir zu gehen hätten. Der Liebhaber und Kenner zeigt dem Künstler an was er wünscht, und überläßt ihm alsdann die Sorge das Werk hervorzubringen. – Mit nichten, versetzte der Sekretär, der Herr Graf verläßt sich drauf daß das Stück so, und nicht anders wie er es angegeben aufgeführt werde. Das Ihrige hat freilich eine entfernte Ähnlichkeit damit, und wenn wir es durchsetzen, und ihn von seiner ersten Idee abbringen wollen, so müßten wir es durch die Damen machen, besonders versteht die Baroneß sich meisterlich darauf, und es wird die Frage sein ob ihr der Plan gefällt, daß sie sich der Sache annimmt, so wird es gewiß gehen. – Wir brauchen ohne dies die Hülfe der Damen, sagte Wilhelm, denn es möchte unser Personale, und unsere Garderobe zu der Ausführung nicht hinreichen. Ich habe auf einige hübsche Kinder gerechnet, die im Hause hin und wider laufen, und dem Kammerdiener und Haushofmeister zugehören. Darauf ersuchte er den Sekretär die Damen mit seinem Plane bekannt zu machen, dieser kam bald zurücke und brachte die Nachricht sie wollten ihn selbst sprechen. Heute Abend wenn die Herren sich zum Spiele setzten, das ohne dies wegen der Ankunft eines gewissen Generales ernsthafter werden würde als gewöhnlich, wollten sie sich unter dem Vorwande einer Unpäßlichkeit in ihr Zimmer zurückziehen, er sollte durch eine geheime Treppe eingeführt werden, und er könne alsdann seine Sache auf das beste vortragen. Diese Art von Geheimnis gebe der Angelegenheit nunmehr einen doppelten Reiz, und die Baronesse besonders freue sich recht wie ein Kind auf diesen Rendevous, und darauf, daß etwas heimlich und geschickt gegen den Willen des Grafen unternommen werden sollte.

Gegen Abend um die bestimmte Zeit ward Wilhelm abgeholt und mit Vorsicht hinaufgeführt. Die Art mit der ihm die Baronesse in einem kleinen Kabinette entgegen kam, erinnerte ihn einen Augenblick voriger glücklicher Zeiten. Sie brachte ihn in das Zimmer der Gräfin, und nun ging es an ein Fragen, an ein Untersuchen. Er legte seinen Plan mit der möglichsten Wärme und Lebhaftigkeit vor, so daß die Damen dafür ganz eingenommen wurden, und unsere Leser werden erlauben daß wir sie auch in der Kürze damit bekannt machen.

 

6. Kapitel

In einer ländlichen Szene sollten Kinder das Stück mit einem Tanze eröffnen, der das Spiel vorstellte, wo eins herum gehen, und dem andern einen Platz abgewinnen muß. Darauf sollten sie mit andern Scherzen abwechseln, und zuletzt zu einem immer wieder kehrenden Reihentanze ein Lied singen, welches auf das Lob der Treue gerichtet war. Darauf sollte der alte Harfenist mit Mignon herbeikommen, und ihnen seinen Gesang zur Ergötzung anbieten. Es sollten sich mehrere Landleute versammeln, der Alte verschiedne Lieder zum Lobe des Friedens, der Ruhe, der Freude singen, und Mignon darauf den Eiertanz tanzen. In dieser unschuldigen Freude werden sie durch eine kriegerische Musik gestört, und die Gesellschaft von einem Trupp Soldaten überfallen. Die Mannspersonen setzen sich zur Wehre, und werden überwunden, die Mädchen fliehen, und werden eingeholt. Es scheint alles im Getümmel zu Grunde zu gehen, bis zuletzt eine Person über deren Bestimmung er noch ungewiß war, herbei kommt, und die Nachricht, daß der Heerführer nicht weit sei, alles zur Ruhe bringt. Hier wird der Charakter des Helden mit den schönsten Zügen geschildert, mitten unter den Waffen Sicherheit versprochen, und der Übermut und die Gewalttätigkeit in Schranken gebracht. Es wird ein allgemeines Fest zu Ehren des großmütigen Heerführers begangen.

Die Damen waren mit dem Plane sehr zufrieden; nur behaupteten sie, es müsse notwendig etwas allegorisches in dem Stücke sein, um es dem Herrn Grafen angenehm zu machen. Wilhelm tat den Vorschlag den Anführer der Soldaten als den Genius der Zwietracht und der Gewalttätigkeit zu bezeichnen, und zuletzt die Minerva herbei kommen zu lassen ihm Fesseln anzulegen, Nachricht von der Ankunft des Helden zu geben, und dessen Lob zu preisen. Dieser Vorschlag wurde mit beiden Händen angenommen und Wilhelm beredet das Stück ungesäumt zu schreiben, und in Verse zu bringen. Die Baronesse übernahm nachher, den Grafen zu überzeugen, daß es der von ihm angegebne Plan mit einiger Veränderung sei; nur bestand sie darauf, daß bei dem Feste, womit das Stück schließen sollte, notwendig die Büste und die verzogene[n] Namen erscheinen müßten, weil sie sonst alle Unterhandlung vergeblich hielte.

Wilhelm der sich schon im Geiste vorgestellt hatte, wie fein er seinen Helden aus dem Munde der Minerva preisen wollte, gab nur mit dem größten Widerwillen in diesem Punkte nach, überlegte sodann, wie etwa die Rollen könnten ausgeteilt und die nötigen Figuren herbeigeschafft werden, und empfahl sich ehrfurchtsvoll den Damen, die ihn mit vieler Freundlichkeit entließen. Die Baroneß die ihn versicherte daß er ein unvergleichlicher Mensch sei, begleitete ihn bis an die kleine Treppe, wo sie ihm mit einem Händedruck gute Nacht gab.

Befeu[e]rt durch ihre schönen Blicke, und den aufrichtigen Anteil, den sie an der Sache nahm, ward ihm der Plan, der durch die Erzählung schon wieder gegenwärtig geworden war, ganz lebendig. Er brachte den größten Teil der Nacht, und den andern Morgen damit zu, um den Dialog sowohl als die Lieder recht schön zu versifizieren. Er war so ziemlich fertig, als er in das neue Schloß gerufen wurde, wo er hörte, daß die Herrschaft, die eben frühstückte, ihn sprechen wollte. Er trat in den Saal, die Baroneß kam ihm wieder zuerst entgegen, und unter dem Vorwande als wenn sie ihm einen guten Morgen sagen wollte lispelte sie heimlich zu ihm: sagen Sie nichts von Ihrem Stücke als was Sie gefragt werden. – Ich höre, rief ihm der Graf zu, Sie sind recht fleißig, und arbeiten an dem Vorspiele, das wir zu Ehren des Prinzen geben wollen. Man sagt mir, Sie werden eine Minerva darinnen anbringen, und es wird nötig, daß wir uns beizeiten vorbereiten, wie die Göttin gekleidet werden soll, damit wir nicht gegen das Kostüme verstoßen. Ich lasse deswegen aus meiner Bibliothek alle Bücher herbeibringen, worin sich das Bild derselben befindet. – In eben dem Augenblick traten einige Bedienten, mit großen Körben voll Büchern allerlei Formates in den Saal. Montfaucon, die Sammlung antiker Statuen und Gemmen, mythologische Schriften wurden aufgeschlagen und die Figuren verglichen. Dies war nicht genug, des Grafen vortreffliches Gedächtnis erinnerte sich aller Minerven, die etwa noch auf Titelkupfern, Vignetten, Medaillen, oder sonst vorkommen. Der Sekretär mußte ein Buch nach dem andern aus der Bibliothek herbei schaffen, so, daß der Graf zuletzt in einem Haufen von Büchern saß. Endlich da ihm keine mehr einfiel, rief er mit Lachen aus: ich wollte wetten, daß nun keine Minerve mehr in der ganzen Bibliothek sei, und es mögte wohl das erstemal begegnen, daß eine Büchersammlung so ganz und gar des Bildes ihrer Schutzgöttin entbehren muß. Die ganze Gesellschaft freute sich über den Einfall, und besonders Jarno, der den Grafen immer mehr Bücher herbei zu schaffen gereizt hatte, lachte ganz unmäßig. Nunmehr, sagte der Graf, indem er sich zu Wilhelmen wendete, ist es eine Hauptsache, welche Göttin meinen Sie, Minverva, oder Pallas, die Göttin des Krieges oder der Künste? – Sollte es nicht am schicklichsten sein Ihro Exellenz, versetzte Wilhelm, wenn man es unbestimmt ließe und eben weil sie in der Mythologie eine doppelte Person spielt, auch hier auf eine doppelte Weise schicklich erschiene. Sie meldet einen Krieger an, aber nur um das Volk zu beruhigen, sie preist einen Helden indem sie seine Menschlichkeit erhebt, sie über windet die Gewalttätigkeit und stellt die Freude, und Ruhe unter dem Volke wieder her.

Die Baronesse der es bange wurde Wilhelm mögte sich verraten, schob geschwinde den Leibschneider der Gräfin dazwischen, der seine Meinung geben mußte, wie ein solcher antiker Rock auf das beste gefertigt werden könnte. Dieser Mann, in Masken Arbeiten erfahren, wußte die Sache sehr leicht zu machen, und da Madam Melina, ohnerachtet ihrer hohen Schwangerschaft, die Rolle der himmlischen Jungfrau übernommen hatte, so wurde er angewiesen ihr das Maß zu nehmen, und die Gräfin bezeichnete wie wohl mit einigem Unwillen ihrer Kammerjungfern, die Kleider aus der Garderobe welche dazu verschnitten werden sollten. Auf eine geschickte Weise wußte die Baroneß Wilhelmen wieder beiseite zu schaffen und ließ ihn bald darauf wissen, sie habe die übrigen Sachen auch besorgt. Sie schickte ihm sogleich den Musikum der des Grafen Hauskapelle dirigierte, daß dieser teils die notwendigen Stücke komponieren, oder schickliche Melodien aus dem Musik Vorrate aufsuchen sollte.

Nunmehr ging alles nach Wunsche, der Graf fragte dem Stücke nicht weiter nach, sondern war hauptsächlich mit der transparenten Dekoration beschäftigt, welche am Ende des Stückes die Zuschauer überraschen sollte. Seine Erfindung, und die Geschicklichkeit seines Konditors brachten zusammen wirklich eine recht angenehme Erleuchtung zuwege. Denn auf seinen Reisen hatte er die größten Feierlichkeiten dieser Art gesehen, viele Kupfer und Zeichnungen mitgebracht, und wußte was dazu gehörte mit vielem Geschmacke anzugeben. Unterdessen endigte Wilhelm sein Stück, gab einem jeden seine Rolle, und der Musikus der sich zugleich auf den Tanz verstund richtete das Ballet ein, und so ging alles zum besten.

Nur ein unerwartetes Hindernis legte sich in den Weg, das ihm eine böse Lücke zu machen drohte. Er hatte sich den größten Effekt von Mignons Eiertanze versprochen, und wie erstaunt war er daher, als das Kind ihm mit seiner gewöhnlichen Trockenheit, zu tanzen abschlug, versicherte, es sei nunmehr sein, und werde nicht mehr auf das Theater gehen. Er suchte es durch allerlei Zureden zu bewegen, und ließ nicht eher ab, als bis es bitterlich zu weinen anfing, da er denn diesen Wunsch aufgab, den Alten allein erscheinen ließ und die Szene ein wenig wendete.

Philine die eins von den Landmädchen machte und in dem Reihentanz die einzelne Stimmen singen, und die Verse dem Chore zubringen sollte freute sich recht ausgelassen darauf. Es ging ihr auch vollkommen nach Wunsche, sie hatte ihr besonderes Zimmer, war immer um die Gräfin, die sie mit ihren Affenpossen unterhielte, und dafür täglich etwas geschenkt bekam. Ein Kleid zu diesem Stücke wurde auch für sie zurechte gemacht, und weil sie von einer leichten nachahmenden Natur war, so hatte sie sich bald aus dem Umgange der Damen so viel gemerkt, als sich für sie schickte, und war in kurzer Zeit voller Lebensart und guten Betragens geworden. Die Sorgfalt des Stallmeisters nahm mehr zu als ab, und da die Offiziere auch stark auf sie eindrangen, und sie sich in einem so reichlichen Elemente befand, fiel es ihr ein, auch einmal die Spröde zu spielen, und auf eine geschickte Weise sich in einem gewissen vornehmen Ansehen zu üben. Kalt und fein wie sie war, fehlte es ihr nicht 8 Tage, so kannte sie die Schwächen des ganzen Hauses, daß wenn sie eine Kreatur gewesen wäre, Absichten zu haben, sie gar leicht ihr Glück hätte machen können. Allein auch hier bediente sie sich ihres Vorteils auch nur um sich zu belustigen, um sich einen guten Tag zu machen und impertinent zu sein, wo sie merkte, daß es ohne Gefahr geschehen konnte.

Die Rollen waren gelernt, eine Hauptprobe des Stückes ward befohlen, der Graf wollte dabei sein, und es fing seiner Gemahlin an bange zu werden, wie er es aufnehmen würde. Die Baronesse berief Wilhelmen heimlich, und man zeigte, je näher die Stunde herbeirückte, immer mehr Verlegenheit. Denn es war doch eben ganz und gar nichts von der Idee des Grafen übrig geblieben. Jarno der eben hereintrat wurde in das Geheimnis gezogen. Es freute ihn herzlich und er war geneigt seine guten Dienste den Damen anzubieten. Es wäre zwar schlimm, sagte er, gnädige Frau, wenn Sie sich aus dieser Sache nicht allein heraushelfen sollten, doch auf alle Fälle will ich im Hinterhalte liegen bleiben. Die Baronesse erzählte wie sie bisher dem Grafen das ganze Stück, aber nur immer stellenweise und ohne Ordnung erzählt habe, daß er also auf jedes einzelne vorbereitet sei, nur stehe er freilich in Gedanken, das Ganze werde mit seiner Idee zusammentreffen. Ich will mich, sagte sie, heut Abend in der Probe zu ihm setzen, und ihn zu zerstreuen suchen. Den Konditor habe ich auch schon vorgehabt, daß ja die Dekoration am Ende recht schön ausfällt, dabei aber doch an einigen Flecken was geringes fehlt. – Ich wüßte einen Hof, versetzte Jarno, wo wir so tätige und kluge Freunde brauchten als Sie sind gnädige Frau. Ich will meinem Bedienten, setzte er hinzu, befehlen, daß er sich nicht weit von Ihnen in der Probe im Saale postieren soll, geht es mit Ihren Künsten nicht mehr fort, so winken Sie ihm, und tragen ihm eine Kleinigkeit zu holen, oder auszurichten auf. Auf dieses Zeichen will ich den Grafen aus der Probe holen, und ihn nicht eher wieder hinein lassen, bis Minerva auftritt, und von der Illumination bald Sukkurs zu hoffen ist. Ich hab ihm schon seit einigen Tagen etwas zu eröffnen, das seinen Vetter betrifft, und das ich immer aus Ursachen noch aufgeschoben habe, heute Abend aber völlig nötig wird. Es wird ihm auch das eine Distraktion geben, und zwar nicht die angenehmste.

Wilhelm eilte mit einiger Verwunderung über die Art, wie man mit dem Hausherrn umging, zu der Gesellschaft, die memorierte, sang, und sich auf das beste bereitete. Einige Geschäfte hinderten den Grafen zu Anfang der Probe zu sein, dann unterhielte ihn die Baroneß. Jarnos Hülfe war gar nicht nötig, denn indem der Graf genug zurecht zu weisen, zu verbessern, und anzuordnen hatte, vergaß er sich ganz und gar darüber, und da Frau Melina zuletzt nach seinem Sinne sprach, und die Illumination gut ausfiel, bezeugte er sich vollkommen zufrieden. Doch wie alles vorbei war, und sie zum Spiele gingen, schien es ihm erst aufzufallen, und er den allzu großen Unterschied zu bemerken. Auf einen Wink fiel nun Jarno aus seinem Hinterhalte hervor, der Abend verging, die Nachricht, daß der Prinz wirklich komme, bestätigte sich, man ritt einigemal aus die Avantgarde in der Nachbarschaft kampieren zu sehen. Das Haus war voller Lärmen und Unruhe, und unsere Schauspieler, die nicht immer zum besten von denen unwilligen Bedienten versorgt wurden, mußten, ohne daß jemand sonderlich sich ihrer erinnerte, in dem alten Schlosse ihre Zeit in Erwartungen und Übungen zubringen.

 

7. Kapitel

Außer den jungen Offizieren, die manchmal das alte Schloß und dessen Bewohner heimsuchten, genoß die Gesellschaft auch oft die interessante Gegenwart des Herrn Baron von C*** eines Vetters der Baroneß, welche unserm Helden schon so hülfreich gewesen war. Seine Liebe für das vaterländische Theater war ganz entschieden. Er ehrte den Stand des Schauspielers nach Verdienst, und begegnete auch dem Geringsten mit einer Achtung, die einen jeden entzückte. Es war auch kein Wunder, da er selbst als Kenner, Liebhaber, und Schriftsteller diejenigen ehrte die ihm die angenehmste Unterhaltung gaben, und von denen seine eigne Werke erst das rechte Leben erhalten, durch die er, selbst unter den vorzüglichsten Geistern seines Vaterlandes, einen Rang gewinnen sollte. Er konnte nicht müde werden sich mit ihnen zu unterhalten, von theatralischen Regeln, von den besten Stücken und der Kunst des Autors zu sprechen und meistenteils hatte er die Güte ein Manuskript zuletzt aus der Tasche zu ziehen, und alles was bisher gesprochen worden durch ein lebhaftes Beispiel recht fühlbar zu machen.

Die Helden seiner Stücke waren außerordentlich edle Personen, der Gunst der Fürsten, des größten Reichtums und des größten Glücks wert, die aber auch auf alle diese weltliche Güter mit dem reinsten Herzen und hellsten Sinne Verzicht zu tun bereit waren, mit einer ungemeinen Großmut jede Beleidigung wie Kinder verziehen, und jedem Wunsche wie weise Männer entsagten . . . Wir wissen aus dem Vorigen schon, daß unsere Truppe sich nicht gern vorlesen ließ, und man kann es von jedem Schauspieler zum voraus annehmen, daß er sich lieber selbst als jeden andern hört. Es war also ein Zeichen ihrer größten Achtung, daß sie lange Stücke von fünf Handlungen anhören, und ihr Gähnen verbergen konnten, welches meistenteils bei den feierlichsten Stellen auszubrechen drohte. Desto angenehmer war ihm sein Aufenthalt bei ihnen, und da er sich freigebig erwies, bei jedem Galanterie Händler, deren sich manche einstellten, den Aktricen ein Putzwerk einzukaufen, und für die Akteure manche Bouteille Champagner extra zu verschaffen wußte, so war er immer ganz angenehm. Er kam zu halben Tagen nicht von ihnen weg, ließ sich ihre Rollen vordeklamieren, und veranlaßte, daß sie aus seinen Stücken auch manches auswendig lernten. Diese Freude hatte nicht lange gewährt als sie bemerkten, daß man sich im Schlosse über seine allzugenaue Verbindung mit ihnen aufhalte, welches Wilhelm schon früher aus einigen bittern Spöttereien Jarnos geschlossen hatte. Der Baron ließ sich nicht irre machen, verteidigte sich, so gut er konnte, und wenn die andern auf die Jagd ritten, oder, sich zum Spiele setzten, eilte er immer dahin, wo ihn eine unüberwindliche Leidenschaft hinzog.

Endlich war der Prinz angekommen, die Generalität, die Stabsoffiziere und das übrige Gefolge was zu gleicher Zeit eintraf, machte das Schloß einem Bienenstocke ähnlich der eben schwärmen will. Jedermann drängte sich, den vortrefflichen Fürsten zu sehen, und jedermann bewunderte seine Leutseligkeit und Herablassung, jedermann erstaunte in dem Helden, und Heerführer zugleich den gefälligsten, und geselligsten Hofmann zu erblicken.

Ein jedes mußte nach Order des Grafen auf seinem Posten sein, von den Schauspielern durfte sich niemand blicken lassen, weil der Prinz mit diesen unerwarteten Feierlichkeiten überrascht werden sollte. So ward es auch wirklich des Abends, und als man ihn in den großen wohl erleuchteten und mit gewürkten Tapeten des vorigen Jahrhunderts ausgezierten Saal führte, schien er ganz und gar nicht, vielweniger auf ein Vorspiel zu seinem Lobe vorbereitet zu sein. Alles lief auf das beste ab, und die Truppe mußte nach vollendetem Schauspiele herbei, und ward Mann für Mann dem Prinzen vorgestellt, der jeden auf die geschickteste Weise etwas zu fragen, jedem auf die gefälligste Art etwas zu sagen wußte. Wilhelm als Autor mußte auch herbei, und ihm ward gleichfalls sein Teil Beifall zugespendet.

Nach dem Vorspiele fragte niemand sonderlich, in einigen Tagen war es, als wenn dergleichen gar nichts wäre aufgeführet worden, außer daß Jarno es gegen Wilhelm bei einer Gelegenheit sehr verständig lobte, nur zu seiner großen Verwunderung, und Befremdung hinzu setzte: es ist Schade, daß Sie mit hohlen Nüssen, um hohle Nüsse spielen. – Mehrere Tage lag Wilhelmen dieser Ausdruck im Sinne, er wußte nicht wie er ihn auslegen, noch was er daraus nehmen sollte.

Unterdessen spielte die Gesellschaft jeden Abend so gut, als sie es nach ihren Kräften vermochte, und tat das Mögliche um die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zu ziehen. Ein unverdienter Beifall munterte sie auf, und in ihrem alten Schlosse glaubten sie nun wirklich, die große Versammlung Personen, die sich in diesen Tagen hier zusammen fand, komme eigentlich um ihrentwillen her, die große Anzahl Fremde ziehe sich nach ihren Vorstellungen, und sie gestunden es sich unter einander nicht sehr verblümt, daß sie glaubten der Mittelpunkt zu sein, um den, und um deswillen sich alles drehe und bewege. Wilhelm allein bemerkte zu seinem großen Verdrusse das Gegenteil. Denn obgleich der Prinz die erstenmale von Anfange bis zu Ende auf seinem Stuhle sitzend mit der größten Gewissenhaftigkeit abwartete, so schien er sich doch nach und nach auf eine gute Weise zu dispensieren. Gerade diejenigen, welche Wilhelm im Diskurse als die Verständigsten gefunden hatte, Jarno an ihrer Spitze, brachten nur flüchtige Augenblicke im Theatersaale zu, übrigens saßen sie im Vorzimmer, spielten, oder schienen sich von ernsthafteren Dingen zu unterhalten. Wilhelmen verdroß es, die Bemühungen die auch er mit auf die Proben wendete so gar schlecht belohnt zu sehen, fuhr aber doch aus Gewohnheit, Langerweile, und Treue fort, eben dasselbige zu tun. Der Baron war immer eifrig sich bei ihnen zu halten, sie von dem großen Effekte den sie machten zu versichern, wobei er nur immer bedaurte, daß der Prinz vor seine Person eine ausschließende Neigung für das französische Theater habe, ein Teil seiner Leute hingegen, worunter Jarno sich besonders auszeichne, dem Ungeheuren der englischen Bühne einen besondern Vorzug gebe.

Der Graf und die Gräfin ließen manchmal Morgens einen und den andern von der Gesellschaft vor sich rufen, da jeder denn immer Philine in beneidenswerter Gunst, und mit unverdientem Glücke fortschwimmend erblickte. Der Graf hatte seinen Liebling den Pedanten, den er sich wie wir aus dem vorigen Buche wissen sehr zufällig auserkoren, des Morgens oft Stundenlang bei seiner Toilette. Dieser Mensch ward nach und nach bekleidet, und bis auf Uhr und Dose equipiert und in Stand gesetzt.

Die Baronesse hatte sich indeß Wilhelmen ausersehen. Sie war gegen ihn herablassend, gefällig, zärtlich, daß er Gefahr lief seine Freiheit zu verlieren. Sie war so angenehm, so leutselig hülfreich, und tat zuletzt so bekannt, daß er etliche mal im Begriffe war, ihr sein Herz auszuliefern, und dagegen die Erlaubnis einzutauschen, sich und den Abstand zwischen ihnen beiden zu vergessen.

Daß es nicht geschah war niemand Schuld als der Sekretär, der unserm Freund hierin einen guten, und wie man's nehmen will einen üblen Dienst tat. Denn als Wilhelm einmal in der Freude seines Herzens diese vortreffliche Dame gegen jenen rühmte, und ihres Lobes kein Ende finden konnte versetzte jener: ich merke schon wie die Sachen stehn, unsere liebe Baroneß hat wieder einen für ihre Ställe geworben. – Dieses unglückliche Gleichnis verdroß Wilhelmen sehr, da er wohl verstand, daß es auf die gefährlichen Liebkosungen einer Circe deutete. – Denn jeder Fremde glaubt, fuhr der Sekretär fort, daß er der erste sei, dem das angenehme Betragen gelte, und er irrt sehr. Denn wir alle sind einmal auf diesem Wege herum geführt worden, sie kann ein für allemal keine Mannsperson wissen, er sei wer er wolle, der nicht wenigstens eine Zeitlang sich ihr ergeben, ihr angehangen, und sich mit Sehnsucht um sie bemüht hätte.

Den Glücklichen, der eben in die Gärten der Zauberin hineintritt, und von allen Seligkeiten eines künstlichen Frühlings empfangen wird, kann nichts unangenehmer überraschen, als wenn ihm, dessen Ohr ganz dem Gesange der Nachtigallen lauscht, irgend ein verwandelter Vorfahr unvermutet entgegen grunzt. Einen so bösen Eindruck machte es auch auf Wilhelmen, der nun auf der Baronesse Benehmen aufmerksamer ward, und sie, in der Komödie oder wo er sie nur bemerken konnte, nicht aus den Augen ließ, und bald ganz ohne Brille sah, daß die Bitterkeit des Sekretärs nicht ungerecht sein mochte. Er ließ sogleich auf eine schülerhafte Weise, ohne irgend einen Vorteil aus dieser Gunst zu ziehen, die ganze Herzensangelegenheit fallen, und sie begriff nicht, warum sie auf einmal durch alle Gefälligkeit nicht die mindeste Regung in seiner Seele hervorbringen konnte –

Auch wurde die Gesellschaft manchmal samt und sonders nach Tafel vor die hohen Herrschaften gefordert. Sie schätzten sich es zur größten Ehre, und bemerkten nicht daß man zu eben der selben Zeit durch Jäger und Bediente eine Anzahl Hunde herein bringen, und Pferde im Schloßhofe vorführen ließ.

Man hatte Wilhelmen gesagt, daß er ja gelegentlich des Prinzen Liebling Racine loben, und dadurch auch von sich eine gute Meinung erwecken möge. Er fand dazu an einem solchen Nachmittage Gelegenheit, da er auch mit vorgefordert worden war, und der Prinz ihn fragte, ob er auch fleißig die großen französischen Theaterschriftsteller läse, darauf ihm denn Wilhelm mit einem sehr lebhaften Ja antwortete. Er bemerkte nicht, daß der Fürst ohne seine Antwort abzuwarten schon im Begriffe war sich weg und zu jemand anders zu wenden, er faßte ihn vielmehr sogleich, und trat ihm beinahe in den Weg, indem er fortfuhr. Er schätze nicht allein das französische Theater sehr hoch und lese die Werke der großen Meister mit Entzücken, besonders habe er zu wahrer Freude gehört, daß der Fürst den großen Talenten eines Racine völlige Gerechtigkeit widerfahren lasse. Ich kann es mir vorstellen, fuhr er fort, wie vornehme und erhabene Personen einen Dichter schätzen müssen, der die Zustände ihrer höhern Verhältnisse so vortrefflich und richtig schildert. Corneille hat, wenn ich so sagen darf, große Menschen dargestellt, und Racine vornehme Personen. Ich kann mir, wenn ich seine Stücke lese, immer den Dichter denken, der an einem glänzenden Hofe lebt, einen großen König vor Augen hat, mit den Besten umgeht, und in die Geheimnisse der Menschheit dringt, wie sie sich hinter kostbar gewirkten Tapeten verbergen. Wenn ich seinen Britanikus, seine Berenice studiere, so kommt es mir wirklich vor, ich sei am Hofe, sei in das Große und Kleine dieser Wohnungen der irdischen Götter eingeweiht, und ich sehe durch die Augen eines fein fühlenden Franzosen Könige, die eine ganze Nation anbetet, Hofleute, die über viele Tausende beneidet werden, in ihrer natürlichen Gestalt mit ihren Fehlern und Schmerzen. Die Anekdote, daß Racine sich soll zu Tode gegrämt haben, weil Ludwig der Vierzehnte ihn nicht mehr angesehen, ihn seine Unzufriedenheit fühlen lassen, ist mir ein Schlüssel zu allen seinen Werken, und es ist ohnmöglich, daß ein Dichter von so großen Talenten, dessen Leben und Tod an den Augen eines Königes hängt, nicht auch Stücke schreiben sollte, die des Beifalles eines Königes und eines Fürsten wert seien. – Jarno war herbei getreten und hörte unserm Freunde mit Verwunderung zu. Der Fürst der nicht geantwortet, und nur mit einem gefälligen Blicke seinen Beifall gezeigt hatte, wandte sich seitwärts, obgleich Wilhelm dem es noch unbekannt war, daß es nicht anständig sei unter solchen Umständen einen Diskurs fortzusetzen und eine Materie erschöpfen zu wollen, noch gerne mehr gesprochen, und dem Fürsten gezeigt hätte daß er nicht ohne Nutzen und Gefühl seinen Lieblings Dichter gelesen. – Haben Sie denn niemals, versetzte Jarno, ein Stück von Schakespearn gesehen? – Nein, sagte Wilhelm, was ich noch gehört hat mich nicht neugierig gemacht, diese seltsame und unsinnige Ungeheuer näher kennen zu lernen, wo der Wahrscheinlichkeit, und des Wohlstandes so wenig geschont ist. – Ich will Ihnen denn doch raten, versetzte jener, einen Versuch zu machen, es kann nichts schaden, wenn man auch das Seltsame mit eigenen Augen sieht. Ich will Ihnen ein paar Teile borgen, und Sie können Ihre Zeit nicht besser anwenden, als wenn Sie gleich sich von allem los machen, und in der Einsamkeit Ihrer alten Wohnung, in die Zauberlaterne dieser unbekannten Welt sehen. Es ist sündlich, daß Sie Ihre Stunden verderben, diese Affen menschlicher auszuputzen und diese Hunde tanzen zu lehren. Nur eins halte ich mir aus, daß Sie sich an die Form nicht stoßen, das Übrige kann ich Ihrem richtigen Gefühle überlassen. – Die Pferde standen vor der Türe, und Jarno setzte sich mit einigen Kavalieren auf um sich mit der Jagd zu erlustigen. Wilhelm sah ihm traurig nach. Er hätte gerne mit diesem Manne noch vieles gesprochen der ihm wie wohl auf eine unfreundliche Art, neue Ideen gab, Ideen deren er bedurfte.

Der Mensch kommt manchmal indem er sich einer Entwicklung seiner Kräfte, Fähigkeiten, und Begriffe nähert, in eine Verlegenheit, aus der ihm ein guter Freund leicht helfen könnte. Er gleicht einem Wanderer, der nicht weit von der Herberge ins Wasser fällt; griffe jemand sogleich zu, risse ihn ans Land, so wäre es um einmal naß werden getan anstatt, daß er sich wohl selbst, aber am jenseitigen Ufer heraus hilft, und einen beschwerlichen weiten Umweg nach seinem bestimmten Ziele zu machen hat.

Wilhelm fing an zu wittern, daß es in der Welt anders zugehe als er sich's gedacht, er sah das wichtige, und bedeutungsvolle Leben der Vornehmen und Großen in der Nähe, und verwunderte sich, wie einen leichten Anstand sie ihm zu geben wußten. Ein Heer auf dem Marsche, ein fürstlicher Held an seiner Spitze, so viel mitwürkende Krieger, so viele zudringende Verehrer erhöhten seine Einbildungskraft. In dieser Stimmung erhielt er die versprochenen Bücher, und in kurzem, wie man es vermuten kann, ergriff ihn der Strom dieses großen Genius, und führte ihn einem unübersehlichen Meere zu, worin er sich gar bald völlig vergaß und verlor.

 

8. Kapitel

Indessen hatte sich das gute Verhältnis des Barons und unsrer Schauspieler ein wenig verschoben. Seine Vorliebe für einige derselben wurde von Tag zu Tage merklicher, und notwendig mußte dies die übrigen verdrießen. Er erhob seine Günstlinge ganz ausschließlich, und brachte dadurch Eifersucht und Uneinigkeit unter die Gesellschaft. Melina der sich bei streitigen Fällen ohne dem nicht zu helfen wußte, befand sich in einem sehr unangenehmen Zustande. Die Gepriesenen nahmen es an ohne sonderlich dankbar zu sein, und die Zurückgesetzten ließen auf allerlei Weise ihren Verdruß spüren, und wußten ihrem erst hochverehrten Gönner den Aufenthalt unter ihnen, auf ein oder die andere Weise, unangenehm zu machen, ja es war ihnen ganz gefunden als ein gewisses Gedicht, dessen Verfasser man nicht kannte, im Schlosse viele Bewegung verursachte. Bisher hatte man sich immer, doch auf eine ziemlich feine Weise über den Umgang des Barons mit den Komödianten aufgehalten, man hatte allerlei Geschichten auf ihn gebracht gewisse Vorfälle ausgeputzt und ihnen eine lustige und interessante Gestalt gegeben. Zuletzt fing man an zu erzählen, es entstehe eine Art Handwerksneid zwischen dem Baron, und einigen der Schauspieler, die sich auch einbildeten Schriftsteller zu sein, und auf diese Sage gründete sich das Gedicht, von welchem wir sprachen, und welches lautet wie folget.

Ich armer Teufel, Herr Baron,
Beneide Sie um Ihren Stand,
Um Ihren Platz so nah am Tron,
Und um manch schön Stück Ackerland,
Um Ihres Vaters braves Schloß,
Um seine Wildbahn und Geschoß.

Mich armen Teufel, Herr Baron,
Beneiden Sie so wie es scheint,
Weil die Natur vom Knaben schon,
Mit mir es mütterlich gemeint
Ich ward mit leichtem Mut und Kopf
Zwar arm doch nicht ein armer Tropf.

Nun dächt ich lieber Herr Baron,
Wir ließen's beide wie wir sind:
Sie bleiben des Herrn Vaters Sohn
Und ich bleib meiner Mutter Kind.
Wir leben ohne Neid und Haß
Begehren nicht des andern Titel
Sie keinen Platz auf dem Parnaß
Und keinen ich in dem Kapitel.

Da man hörte, daß der Prinz sehr über das Gedicht gelacht haben sollte, unterstand sich niemand es übel zu finden, und der Graf, der immer auf seine Art mit dem Baron zu scherzen pflegte, nahm davon Gelegenheit ihn jämmerlich zu plagen. Man besann sich, wer der Verfasser davon sein könnte, und der Graf der niemanden gern im Scharfsinn vorließ, fiel auf einen Gedanken, den er sogleich zu beschwören bereit war, es könne sich nur von seinem Pedanten herschreiben, der ein sehr feiner Pursche sei, und an dem er schon lange so etwas gemerkt habe. Um sich ein rechtes Vergnügen zu machen, ließ er deswegen an einem Morgen diesen Schauspieler rufen, und derselbe mußte ihm in Gegenwart der Gräfin, der Baronesse und Jarnos das Gedichte nach seiner Art vorlesen, dafür er vieles Lob, Beifall, und ein Geschenk erhielte. Der Graf fragte ihn, ob er nicht sonst noch einige Gedichte, von seiner vorigen Zeit, besitze, welches dieser mit Klugheit abzulehnen wußte. Genug, der Pedante kam zum Rufe eines Dichters, eines Witzlinges, und in den Augen derer, die dem Baron günstig waren, eines Pasquillanten und schlechten Menschen. Der Graf klatschte ihm immer mehr, er mochte seine Rolle spielen wie er wollte, so daß der arme Mensch zuletzt wirklich aufgeblasen, ja beinahe verrückt wurde, und darauf sann, gleich Philine ein Zimmer im Schlosse zu beziehen. Wäre dieses sogleich angegangen, so möchte er einen großen Unfall vermieden haben; denn als er eines Abends spät, nach dem alten Schlosse ging, und dunkel in dem engen Wege herum tappte, ward er auf einmal angefallen, von einigen Personen fest gehalten, indessen andere auf ihn wacker losschlugen, und ihn im Finstern so zerdroschen, daß er beinahe liegen blieb, und nur mit Mühe zu seinen Kameraden hinauf kroch, die, so sehr sie sich entrüstet stellten, über diesen Unfall ihre heimliche Freude fühlten, und sich kaum des Lachens erwehren konnten, als sie ihn so wohl durchgewalkt, und seinen neuen und braunen Rock über und über weiß als wenn er mit Müllern Händel gehabt, bestäubt und befleckt sahen.

Der Graf als er es erfuhr brach in einen unbeschreiblichen Zorn aus. Er behandelte diese Tat als das größte Verbrechen, qualifizierte es zu einem beleidigten Burgfrieden, und ließ durch seinen Gerichtshalter die strengste Inquisition vornehmen. Der weiß bestäubte Rock sollte eine Hauptanzeige geben. Alles was nur irgend mit Puder und Mehl im Schlosse zu schaffen haben konnte, wurde mit in die Untersuchung gezogen, jedoch vergebens.

Der Baron versicherte bei seiner Ehre feierlich, daß er, wenn gleich diese Art von Scherz ihm sehr mißfallen, und die Manier, womit selbst der Herr Graf, den er doch als seinen Freund anzusehen alle Ursach habe, sich bei der Sache betragen, ihm sehr unangenehm gewesen sei, habe er doch geglaubt darüber hingehen zu müssen, und an dem Unfall, der dem Poeten, oder Pasquillanten, wie man ihn nennen wolle, betroffen, habe er nicht den mindesten Anteil. Die übrige Bewegung der Fremden, und die Unruhe des Hauses, brachten bald die ganze Sache in Vergessenheit, und der unglückliche Günstling mußte das Vergnügen fremde Federn eine kurze Zeit getragen zu haben, teuer bezahlen.

Unsere Truppe die regelmäßig alle Abende fortspielte, und durch die Sorgfalt des Sekretärs sehr wohl gehalten wurde, fing nun an, je besser es ihr ging, desto größere Anforderungen zu machen. In kurzer Zeit war ihnen Essen, Trinken, Aufwartung, Wohnung zu gering, und sie lagen ihrem Beschützer an, daß er für sie besser sorgen, und ihnen zu dem Genusse und der Bequemlichkeit, die er ihnen versprochen, verhelfen solle. Ihre Klagen wurden lauter, und die Bemühungen ihres Freundes immer fruchtloser.

Wilhelm kam indessen fast gar nicht mehr zum Vorscheine. In einem der hintersten Zimmer verschlossen, wozu niemand als Mignon, und dem Harfner der Zutritt erlaubt war, lebte, und webte er in der schakespearischen Welt, so daß er außer sich nichts kannte, noch empfand. Man erzählt von Zauberern die durch magische Formeln, eine ungeheure Menge allerlei geistiger Gestalten in ihre Stube herbei ziehen. Die Beschwörungen sind so kräftig, daß sich bald der Raum des Zimmers ausfüllt, die Geister, bis an den kleinen Kreis hinan gedrängt, um denselben, und über dem Haupte des Meisters in ewig drehender Fortwandlung sich bewegend vermehren. Jeder Winkel ist vollgepropft, jedes Gesims besetzt, Eier dehnen sich aus, und Riesengestalten ziehen sich in Pilsen zusammen. Unglücklicher Weise hat der Schwarzkünstler das Wort vergessen, womit er diese Geisterflut wieder zur Ebbe bringen könnte. – So saß Wilhelm, und indem eine so große Bewegung in ihm vorging wurden tausend Empfindungen und Fähigkeiten rege, von denen er keinen Begriff und keine Ahndung gehabt hatte. Nichts konnte ihn aus diesem Zustande reißen, und er war sehr unzufrieden, wenn ja eins wagte zu kommen, um ihn von dem was auswärts vorging zu unterhalten. Er wollte gar nicht hören als ihm jemand die Nachricht brachte, es sollte in dem Schloßhof eine Exekution vorgehen, und ein Knabe gestäupt werden, der sich verdächtig gemacht als wenn er habe stehlen wollen, und auch, da er den Rock eines Perückenmachers trage, wahrscheinlich mit unter den Meuchelmördern gewesen. Er leugne zwar auf das hartnäckigste, und man könne ihn deswegen nicht förmlich bestrafen, wolle ihm aber nur wegen seiner Unfertigkeiten, da er als ein Vagabund einige Tage in der Gegend herum geschwärmt, sich des Nachts in den Mühlen aufgehalten, endlich eine Leiter an die Gartenmauer angelehnt, und herüber gestiegen, einen Denkzettel geben, und ihn alsdenn weiter jagen. Wilhelm mogte von dem ganzen Handel nichts hören bis Mignon hastig herein kam, und ihn versicherte, der Gefangene sei der blonde Knabe, der die Händel mit dem Stallmeister gehabt, und dieser der ihn wieder erkannt, sei gegenwärtig die Haupttriebfeder, daß er so streng behandelt werden sollte.

Wilhelm machte sich eilend auf, und fand im Schloßhofe schon Zurüstungen, denn der Graf liebte die Feierlichkeit, auch bei dergleichen Fällen gar sehr. Wilhelm trat dazwischen und bat daß man inne halten mögte, indem er den Knaben kenne, und vorher erst verschiedenes seinetwegen anzubringen habe. Er hatte Mühe, mit seinen Vorstellungen durchzudringen, und erhielte endlich die Erlaubnis mit dem Knaben allein zu sprechen. Dieser versicherte ihn, von dem Überfalle, bei dem ein Akteur sollte mißhandelt worden sein, wisse er gar nichts. Seine Absicht, warum er um das Schloß herum gestreift und des Nachts herein geschlichen, sei gewesen Philine aufzusuchen, deren Schlafzimmer er ausgekundschaftet gehabt, und es auch gewiß würde getroffen haben, wenn er nicht unterwegens aufgefangen worden wäre. Wilhelm, der aus Patriotismus die Gesellschaft, und aus Gutmütigkeit gegen Philine das Verhältnis nicht gern entdecken wollte, sprach mit dem Stallmeister, und bat diesen, nach seiner Kenntnis der Personen und des Hauses diese Angelegenheit zu vermitteln, und den Knaben zu befreien. – Ehe ich zugebe, sagte er, daß dieser Pursche mißhandelt werde, so will ich lieber alles entdecken, was drüben in dem Wirtshause vorgefallen, und was den Knaben in der Nacht hieher geführt. Sie werden um Ihrer eigenen Ehre willen am besten tun, wenn es möglich der Sache eine andere Wendung zu geben. – Der Stallmeister ging in sich, versprach und tat es wirklich. Man machte eine kleine Geschichte; daß der Knabe zur Truppe gehört habe von ihr entlaufen sei, doch wieder gewünscht sich bei ihr einzufinden, und aufgenommen zu werden. Er habe deswegen das Mittel ersonnen bei Nachtzeit einige von denen er gewußt, daß sie ihm wohl wollten, aufzusuchen, man bezeugte übrigens, daß er sich sonst gut aufgeführt, die Damen mischten sich drein, und er ward entlassen.

Wilhelm nahm ihn auf, und er war nunmehr die dritte Person der wunderbaren Familie, die Wilhelm seit einiger Zeit als seine eigene ansah. Der Alte und Mignon nahmen ihn als schon bekannt in ihre Mitte, und alle drei verbanden sich nunmehr zur Aufmerksamkeit ihrem Freunde und Beschützer zu dienen, und ihm etwas angenehmes zu erzeigen.

 

9. Kapitel

Philine lernte täglich besser, sich bei den Damen einschmeicheln. Wenn sie zusammen alleine waren, unterhielte sich meistenteils das Gespräch über die Männer die kamen und gingen, und Wilhelm war nicht der letzte mit dem man sich beschäftigte. Philine konnte bald merken, daß er die Baronesse interessierte. Diese war darüber verdrüßlich, daß er seit einiger Zeit auf die eigensinnigste Weise sich ihrer Freundschaft und Artigkeit entzogen, sie begriff gar nicht, wie er sich unterstehen konnte dagegen unempfindlich und mürrisch zu sein. Da Philine viel von ihm zu erzählen und zu reden veranlaßt wurde, war es natürlich daß sie bald von seinen theatralischen Talenten zu sprechen anfing, und nichts so sehr wünschte, als, daß ihn die Damen auf der Bühne sehen mögten. Sie setzte als ein Geheimnis hinzu, daß er wirklich ein Schauspieler sei, bei ihrer Truppe schon gespielt habe, nun aber, sie wisse nicht aus was für einer Grille, sich vorsetze nicht mehr zu agieren. Kaum hatten die Damen diese wichtige Verborgenheit entdeckt, als es ihrer Imagination einen neuen Reiz gab, und sie nun nichts sehnlicher wünschten und verlangten als, ihn auf dem Theater zu sehen. Sie konnten nicht ruhen noch rasten, bis Philine versprach die Unterhandlung zu versuchen, wobei sie auf das inständigste bat nicht zu verraten, daß sie es entdeckt hätte. Da er ihr schon lange ganz und gar aus dem Wege ging und sie nirgend sprach; so verlangte sie von der Baroneß, daß sie ihr Gelegenheit verschaffen sollte an ihn zu kommen. Es ward ausgemacht, daß man ihn sollte rufen lassen, als wenn die Damen mit ihm reden wollten, sie sollten nicht gleich zugegen sein, und Philine sich statt ihrer in dem Zimmer finden lassen. Die Baronesse war mit dem Vorschlag zufrieden, und Philine noch mehr; denn ob es gleich ihr Ernst war, sich den Damen gefällig zu erzeigen, so war es ihr noch vielmehr darum zu tun, für sich selbst zu arbeiten, und den unfreundlichen Menschen wieder auf bessere Wege zu bringen. Der Plan wurde ausgeführt, und Wilhelm fand zu seinem großen Erstaunen Philine statt der Baronesse im Zimmer. Sie begegnete ihm mit einer gewissen anständigen Freimütigkeit, in der sie sich bisher geübt hatte. Zuerst scherzte sie im Allgemeinen über das gute Glück das ihn verfolge, und ihn auch, wie sie wohl merke, hieher gebracht hatte, darnach warf sie ihm auf eine angenehme Art sein Betragen gegen sie vor, sie brach in Klagen aus, beschuldigte sich selbst, daß sie sonst wohl verdient wie er ihr begegnet, machte so eine aufrichtige Beschreibung ihres Zustandes, den sie den vorigen nannte, gestand alles, und setzte hinzu, daß sie sich selbst verachten müßte, wenn sie nicht in sich fühlte, daß sie sich ändern, und seiner Freundschaft wert sein könnte.

Wilhelm war über diese Rede betroffen. Er hatte zu wenig Gebrauch von der Welt um zu wissen, daß eben ganz leichtsinnige, und besserungsunfähige Menschen, sich am lebhaftesten anklagen, ihre Fehler mit großer Freimütigkeit bekennen, und bereuen, ob sie gleich doch nicht die mindeste Kraft in sich haben von dem Wege zurückzutreten auf dem eine übermächtige Natur sie hinreißt. Da sie ihn endlich ein wenig erweicht fand, brachte sie ihre Bitte vor, indem sie ihm sagte: wenn er nicht sich des Theaters annehme, wenn er nicht in gewissen Stücken mit spiele, so würden sie sich nicht mehr acht Tage erhalten können. Sie stellte es ihm so leicht und tulich vor, als sie nur konnte; war aber doch nicht im Stande ihm ein Versprechen abzunötigen, sondern mußte sich zuletzt mit einer allgemeinen Zusage vertrösten lassen.

 

10. Kapitel

Wilhelm hatte kaum einige Stücke Schakespears gelesen, als die Würkung die sie auf ihn machten so stark wurde, daß er darinne fortzufahren nicht im Stande war. Seine ganze Seele geriet in Bewegung. Er suchte Gelegenheit mit Jarnoen zu sprechen, und konnte ihm nicht genug für die verschaffte Freude danken. Ich habe es wohl vorausgesehen, sagte dieser, daß Sie gegen die Trefflichkeiten des außerordentlichsten wunderbarsten aller Schriftsteller nicht unempfindlich bleiben würden. – Ja, rief Wilhelm aus, ich erinnre mich nicht daß ein Buch, ein Mensch, oder irgend eine Begebenheit meines Lebens so große Würkungen auf mich hervorgebracht, als die köstlichen Stücke, die ich durch Ihre Gütigkeit habe kennen lernen. Sie scheinen ein Werk eines himmlischen Genius zu sein, der sich den Menschen nähert, um sie mit sich selbst auf die gelindeste Weise bekannt zu machen. Es sind keine Gedichte, man glaubt vor den auf geschlagnen ungeheuern Büchern des Schicksals zu stehen, in denen der Sturmwind des bewegtesten Lebens saust, und sie mit Gewalt rasch hin und wieder blättert. Ich bin über die Stärke und Zartheit, über die Gewalt und Ruhe gleich erstaunt, und so außer aller Fassung gebracht, daß ich nur mit Sehnsucht auf die Zeit warte da ich mich in einem Zustande befinden werde weiter zu lesen.

Bravo, sagte Jarno, indem er unserem Freunde die Hand reichte, und sie ihm drückte, so wollte ich es haben, und die Folgen die ich hoffe, werden gewiß auch nicht ausbleiben. – Ich wünschte, versetzte Wilhelm, daß ich Ihnen alles was gegenwärtig in mir vorgeht entdecken könnte! alle Vorgefühle, die ich jemals über Menschheit und ihre Schicksale gehabt, die mich von Jugend auf nur mir selbst unwissend begleiteten, durch die mir nach und nach die Menschen die mir im Leben vorkamen, die Fälle in die ich mich und die andere versetzt sah, nur gleichsam als alte Bekannte begegneten: diese Ahndungen finde ich in Schakespears Stücken wie erfüllt und entwickelt. Es scheint als wenn er uns alle Rätsel offenbarte, ohne daß man doch sagen kann: hier oder da ist das Wort der Auflösung. Seine Menschen scheinen natürliche Menschen zu sein, und sie sind es doch nicht. Diese geheimnisvollsten, und zusammengesetztesten Geschöpfe der Natur, handeln vor uns in seinen Stücken als wenn sie Uhren wären, deren Zifferblatt und Gehäuse man von Kristall gebildet hätte, sie zeigen nach ihrer Bestimmung den Lauf der Stunden an, und man kann zugleich das Räder-und-Federwerk erkennen, das sie treibt. Diese wenigen Blicke die ich in Schakespears Welt getan, reizen mich mehr als irgend etwas anders, in der würklichen Welt schnellere Schritte vorwärts zu tun, mich in die Flut der Schicksale zu mischen die über sie verhängt sind, und dereinst wenn es mir glücken sollte aus dem großen Meere der wahren Natur wenige Becher zu schöpfen, und sie gleich jenem großen Britten von der Schaubühne dem lechzenden Publico meines Vaterlandes auszuspenden.

Wie freut mich die Gemütsverfassung in der ich Sie sehe, versetzte Jarno, und legte dem bewegten Jüngling die Hand auf die Schulter. Lassen Sie diesen Vorsatz nicht fahren, und eilen Sie die guten Jahre, die Ihnen gegönnt sind, wacker zu nutzen. Kann ich Ihnen hülfreiche Hand leisten, so geschieht's von ganzem Herzen. Noch habe ich nicht gefragt wie Sie in diese Gesellschaft gekommen sind, für die Sie weder geboren noch erzogen sein können. So viel hoffe ich und sehe ich, daß Sie sich heraus sehnen. Ich weiß nichts von Ihrer Herkunft, von Ihren häuslichen Umständen, überlegen Sie was Sie mir vertrauen wollen. So viel kann ich Ihnen nur sagen, die Zeiten des Krieges in denen wir leben, können schnelle Wechsel des Glückes hervorbringen. Mögen Sie Ihre Kräfte und Talente unserm Dienste widmen, Mühe, und wenn es Not tut Gefahr nicht scheuen so hab ich eben itzo eine Gelegenheit Sie an einen Platz zu stellen, welchen eine Zeitlang bekleidet Sie in der Folge nicht gereuen wird. Wilhelm konnte seinen Dank nicht genug ausdrücken, und war willig seinem Freunde und Beschützer die ganze Geschichte seines Lebens zu erzählen. – Bedenken Sie, sprach dieser, was ich Ihnen gesagt habe, sagen Sie mir gelegentlich Antwort, und schenken Sie mir Ihr Vertrauen. Ich versichere Sie, es ist mir bisher unbegreiflich gewesen, wie Sie sich mit solchem Volke haben gemein machen können. Ich habe es oft mit Ekel und Verdruß gesehen wie Sie, um nur einiger Maßen leben zu können, Ihr Herz an einen herumziehenden Bänkelsänger, und an ein albernes zwitterhaftes Geschöpf hängen mußten.

Es war ein Glück daß Jarno nach diesen Worten eilig davon ging, sonst würde die Bestürzung unseres Freundes sich in seiner Gegenwart noch vermehrt haben. So unerträglich war ihm nicht leicht etwas aufgefallen, als aus dem Munde eines Mannes den er hochschätzte, zu dem er das größte Vertrauen zu fassen Ursache hatte, diejenigen menschlichen Wesen die ihn itzo am meisten interessierten so widerlich behandelt zu sehen. Er ergrimmte in seinem Innersten, und eilte die Einsamkeit aufzusuchen. Dort brach er gegen sich selbst in Vorwürfe aus, daß er nur einen Augenblick die hartherzige Kälte Jarnos, die ihm aus den Augen heraus sehe, und aus allen seinen Gebärden spreche, habe verkennen und vergessen mögen. – Nein, rief er aus, du bildest dir nur ein, du abgestorbner Weltmann daß du ein Freund sein könnest! alles was du mir anbieten magst ist der Empfindung nicht wert die mich an diese Unglücklichen bindet. Welch ein Glück, daß ich noch beizeiten entdecke, was ich von dir zu erwarten hatte! Er schloß Mignon, die ihm eben entgegen kam, in die Arme, und rief aus: nein, uns soll nichts trennen, du gutes kleines Geschöpf! die scheinbare Klugheit der Welt soll mich nicht vermögen dich zu verlassen, noch zu vergessen was ich dir schuldig bin. – Das Kind, dessen heftige Liebkosungen er sonst abzulehnen pflegte, erfreute sich dieses unerwarteten Ausdruckes der Zärtlichkeit, und hing sich fest an ihn, daß er es nur mit Mühe zuletzt los werden konnte –

Seit dieser Zeit gab er mehr auf Jarnos Handlungen Acht, die er gar nicht billigen konnte. Ja es kam wohl manches vor, das ihm durchaus mißfiel. So hatte er zum Exempel starken Verdacht, daß Jarno das Gedicht auf den Baron gefertiget, welches der arme Pedant so teuer hatte bezahlen müssen. Jener hatte so gar in Wilhelms Gegenwart über diesen Vorfall gescherzt, und unser Freund hielte es für das Zeichen eines höchst verdorbnen Herzens einen Unschuldigen, dessen Leiden man verursacht, zu verspotten, und weder an Genugtuung noch Entschädigung zu denken. Gern hätte Wilhelm sie ihm selbst verschafft, denn er war durch einen sehr sonderbaren Zufall denen Tätern jener nächtlichen Mißhandlung auf die Spur gekommen. Man hatte ihm bisher immer zu verbergen gewußt daß einige junge Offiziere im untern Saale des alten Schlosses mit einem Teile der Schauspieler, und Schauspielerinnen ganze Nächte auf eine lustige Weise zu brachten. Eines Morgens als er nach seiner Gewohnheit früh aufgestanden, kam er von ohngefähr in das Zimmer, und fand die jungen Herrn, die eine höchst sonderbare Toilette zu machen im Begriffe waren. Sie hatten in einen Napf mit Wasser Kreide eingerieben, und trugen den Teig mit einer Bürste auf ihre Weste und Beinkleider ohne sie auszuziehen, und stellten also die Reinlichkeit ihrer Garderobe auf das schnellste wieder her. Unserm Freunde, der sich über diese Handgriffe wunderte, fiel der weiß bestäubte und befleckte Rock des Pedanten ein, der Verdacht wurde um so viel stärker, als er erfuhr, daß einige Verwandten des Barons sich unter der Gesellschaft befänden. Er stund im Begriffe dem Herrn Grafen davon Anzeige zu tun, als durch den Aufbruch der Armee jede andere Angelegenheit zum Schweigen gebracht wurde.

 

11. Kapitel

Je wohler es nunmehr der Truppe ging, je besser sie zu essen, und zu trinken bekam, desto mehr zeigte sich ihre innere Natur eben nicht zu ihrem Vorteile. Sie erhielten außer der völligen Verköstigung, noch wöchentlich ein Gewisses, und da sie für den Augenblick nichts brauchten hatten sie immer etwas Geld in der Tasche, und wußten vor Übermut nicht wie sie sich lassen sollten. Der kluge Melina benutzte das bißchen Barschaft das ihm übrig blieb um sich anständig zu equipieren. Er kaufte vom Kammerdiener des Grafen einige Kleider, und wußte sich gar ordentlich vom Kopf bis zum Fuße auszustaffieren.

Unglücklicher Weise für sie alle war die Armee genötiget weiter vor zu rücken, und die Gegend zu verlassen. Der Prinz machte Anstalten zum Aufbruche, und da er sich im Schlosse sehr freigebig bewies, wußte es die Baronesse dahin zu vermitteln, daß für Wilhelm eine goldne Uhr bestimmt wurde, welche zwar von keinem großen Werte war, doch immer von der Aufmerksamkeit zeigen sollte, womit man das Vorspiel, so er zu Ehren des Fürsten gefertigt, aufgenommen. Die Baronesse wußte sie ihm selbst zuzustellen, und ihre Freundschaft dabei auf eine feine Weise gelten zu machen. Jarno schickte etliche male vor der Abreise zu ihm, und suchte ihn auf, allein er hatte sich fest vorgenommen dem gefühllosen Weltmann aus dem Wege zu gehen. Der Prinz reiste fort, und das Schloß ward leer.

Einige von der Truppe hatten nun wirklich den Gedanken, man würde sie aus dem alten in das neuere Schloß quartieren, und ihnen bessere, und bequemere Zimmer anweisen. Wie sehr wurden sie daher in ihrer Hoffnung getäuscht als ihnen angekündigt ward, daß sie nach Verlauf von 8 Tagen sich wieder aus diesem Paradiese wegzubegeben hätten.

Philine tat ihr Möglichstes unsern Helden während der Zeit noch einmal auf das Theater zu bringen, allein vergebens; dagegen legte sie es an, daß er einige Kabinettsvorlesungen halten mußte, wobei er sich sehr wohl betrug, und in der Gunst der Damen befestigte. Er spürte bei seinem Abschiede davon unleugbare Proben, indem sie ihm einen Beutel den sie selbst gestrickt hatten mit dreißig Dukaten anboten. Ein Teil dieser Summe war ihm als Geschenk vom Hausherrn zugedacht, worzu aber die Damen weil es ihnen zu gering schien etwas aus ihrem Beutel zugelegt hatten. Er schlug dieses Anerbieten, als es ihm geschah, hartnäckig aus daß endlich Philine ins Mittel trat, sich schalkhaft verneigte, und der Baronesse den Beutel aus der Hand nahm.

Ich muß Ihnen wohl meine Gnädigen, sagte sie, in seinem Namen danken, und für die Zukunft seine Schatzmeisterin sein. Er hat auf unserer Reise so redlich seine letzte Barschaft vor uns ausgegeben, daß ich mich für verpflichtet halte gleichfalls für ihn Sorge zu tragen. – Man kam über diesen Einfall ins Scherzen, und weil die Gräfin eben in ihrem Schreibtisch kramte und Philine ihr wohl abgemerkt hatte, daß sie teils Wilhelmen im Stillen nicht abgeneigt war, teils daß ihr manchmal wie einem Kinde die Lust alles zu verschenken ankam; so brachte sie es mit der lustigsten Unverschämtheit gar leicht dahin, daß ihm die Dame noch ein goldnes Etui, einen artigen Ring, und einige andere artige Sachen von Wert schenkte, die Philine auf sein Weigern jederzeit mit einer neckischen Wendung einsteckte, und die Damen sehr unterhielt indem sie sie plünderte. Wilhelm dem es endlich zur Last wurde beurlaubte sich, um auch von seiner Seite Anstalten zur Reise zu machen. Philine folgte ihm bald ins Schloß, wo sie ihn in einiger Verlegenheit fand wohin er seine Kleider und Geräte packen sollte, denn er hatte gutwillig seinen Koffer an Madam Melina abgetreten, deren Garderobe durch Gunst der Herrschaften während ihres Aufenthaltes sehr zugenommen hatte. Als er sich umkehrte faßte Philine gleich die besten Stücke, und trug mit Hülfe des blonden blauäugigen Schelmen, der ihr auf jeden Wink zu Gebote stand, die meisten Habseligkeiten hinüber in das neue Schloß, und ließ ihm sagen, sie werde alles in ihren Koffer packen. Sie konnte es auch leicht tun, denn der Stallmeister hatte nicht allein für sie daß sie reichlich beschenkt ward gesorgt, sondern er hatte ihr auch einen trefflichen Koffer verschafft, damit sie alles auf das beste und sicherste wegbringen könnte. Wilhelm, dem jeder Dienst von ihr verdrießlich war, begegnete ihr mit Unwillen, wobei er weiter nichts ausrichtete, als, daß sie ihn auslachte, und ihm, wenn er sich nicht beruhigte, mit einer Umarmung drohte. Er mußte also das tolle Geschöpf gewähren lassen, und sich glücklich preisen, wenn sie ihn nur sonst im Frieden ließ.

Die Frage entstand nun wie man reisen, welchen Weg man nehmen, und wie man bei diesen gefährlichen Kriegsläufen sicher nach H*** gelangen wollte, wohin man den Weg fortzusetzen beschlossen hatte. Der größte Teil dieser Besorgnis war schon durch den Herrn Grafen selbst gehoben worden. Denn es hatte derselbe genau überlegt, bis wohin er sie mit seinen eignen Leuten fahren lassen könnte, er hatte ihre Reiseroute von Ort zu Ort aufgesetzt, und für sie bei dem Fürsten einen Paß erbeten, der sie auch durch die Arrièregarde sicher geleiten sollte. Er erklärte diesen Plan dem Direktor, und ließ sich versprechen, daß man ihn genau befolgen wolle. Das Schloß wurde immer leerer, der Tag der zu der Abreise des Grafen selbst bestimmt war, kam herbei, und die Gesellschaft mußte sich denn auch zu scheiden bequemen. Es ging ihnen hart ein, denn sie erinnerten sich ihrer ganzen Lebenszeit über keiner so guten Tage. Indessen, da sie alle beschenkt, mit leidlichen Umständen des Säckels davon reisten, schied der meiste Teil in der Hoffnung sich anderwärts ein ähnliches gutes Leben verschaffen zu können – Mit großer Mühe, nicht ohne Zwistigkeit waren sie endlich mit ihren Sachen auf und eingepackt. Der Stallmeister nahm zärtlich von Philine, der Sekretär freundschaftlich von allen Abschied, und so trat man wieder eine Reise an, ohne eigentliche Aussicht eines Unterkommens, aber mit desto mehr Gewißheit eigener Vorzüge und eines Verdienstes das überall geehrt zu werden die gerechteste Ansprüche hatte.

 

12. Kapitel

Es würde unverantwortlich sein, wenn wir unsere Leser, die sich schon ohne dies hier und da über ein allzuweitläufiges Detail beklagen dürften, nochmals mit den Abenteuern und Begebenheiten, denen unsere Gesellschaft ausgesetzt gewesen, unterhalten wollten; wir überspringen vielmehr manchen Berg und manches Tal, worüber, und wodurch man sie bei üblem Wetter schleppte, und suchen sie in einem Wirtshause auf, wo sie sich gelagert hatten um neue Wagen, und Pferde zu besprechen und sich indessen etwas zu Gute zu tun. Dieses geschah von einem jeden auf seine Art, und es war wirklich sonderbar anzusehen, wie sie sich wieder in kleine Gesellschaften getrennt und nach sehr verschiedenem Geschmacke sich an verschiedenen Tischen allerlei Gesottnes, und Gebratnes hatten reichen lassen.

Gleich zu Anfange der Reise vom Schlosse aus, suchte Melina es ihnen begreiflich zu machen, daß jeder auf seine Kosten den Weg zu endigen hätte. Er habe sich zwar bisher das Ansehen eines Direktors gegeben, allein er habe es nur getan um die Gesellschaft gelten zu machen, übrigens aber was er von dem Grafen erhalten, verhältnismäßig mit einem jeden redlich geteilt. Eine gemeine Kasse zu formieren sei itzt nicht ratsam. Wenn ein jeder für sich bezahle bliebe jedem die Wahl zu leben wie er wolle. Alle waren mit der Einrichtung wohl zufrieden, indem ein jeder Herr von dem Seinigen blieb, und Melina gab sehr weislich seine Direktorial Qualität in dem Augenblick auf da sie ihm lästig werden konnte.

Indessen war Wilhelm von dem glücklichsten Humor. Zufälliger Weise hatte er im Leben Heinrich des Vierten von Shakespear die Geschichte gelesen, wie ein Prinz unter geringer, ja sogar schlechter Gesellschaft sich eine Zeitlang aufhält, und ohngeachtet seiner edeln Natur an der sinnlichen Roheit, Unschicklichkeit, und Albernheit dieser Pursche sich ergötzt. Er hatte also ein Ideal, womit er seinen gegenwärtigen Zustand vergleichen konnte, und es erleichterte dieses ihm den Selbstbetrug außerordentlich, wozu er eine fast unüberwindliche Neigung spürte. Er fing an über seine Kleidungsstücke nachzudenken, und fand, daß eine kurze Weste, über die man im Notfall einen Mantel würfe, eine weit gemäßere Tracht sei als unsere gewöhnliche. Er bediente sich also einer solchen, und fügte, weil er auf der Reise oft zu Fuße ging, zu etwas weitern Beinkleidern, noch ein Paar Schnürstiefeln. Es währte nicht lang, so erschien er, mit einer um den Leib gewundenen Schärpe, die er zuerst unter dem Vorwand den Magen warm zu halten trug, dagegen befreite er seinen Hals von der Knechtschaft einer Binde, ließ sich einige Streifen Nesseltuch als Krause an das Hemd befestigen, die aber, weil sie etwas zu breit geschnitten waren, völlig das Ansehen eines Kragen erhielten. Ein runder Hut, mit einem bunten Bande, und einer Feder, mußte die ganze Zierde vollkommen machen. Genug er trat in einer Figur auf, wie wir in folgender Zeit eine Anzahl Göttinger Studenten in Nachahmung Hamlets, teils eine ganze Nation auf Befehl ihres Königs gesehen haben. Alle fanden diese Tracht besonders schön, und die Frauen beteuerten vorzüglich wie gut sie ihm lasse. Philine stellte sich wie vernarrt darein, wodurch sie sich nicht ganz übel empfahl, und unser Freund, der nun die übrigen je nachdem sie sich betrugen auf Prinz Harrys Manier behandelte, und bald selbst in den Geschmack kam einige tolle Streiche zu befördern, und anzugeben, war von dem angenehmsten frischesten, ritterlichsten Humor. Ihre theatralische Übungen wurden gelegentlich versäumt, es wurden Rapiere hervor gesucht, man fochte, man balgte sich, und in der Fröhlichkeit des Herzens, genoß man des leidlichen Weines den man angetroffen, in starkem Maße – Es entstunden allerlei Unordnungen aus dieser Lebensart. Philine lauerte dem spröden Helden auf, und meine schöne Leserinnen würden für die Sitten ihres Freundes zu sorgen haben, wenn nicht ein glücklicher Stern sein Gemüt auf eine andere Weise beschäftigt hätte . . .

 

13. Kapitel

Eine ihrer vorzüglichsten Unterhaltungen, womit sie sich am meisten ergötzten, war ein extemporiertes Spiel, in welchem sie ihre bisherigen Gönner, und Wohltäter nachahmten, und durchzogen. Einige unter ihnen hatten sich sehr gut die Eigenheiten des äußern Anstandes verschiedener vornehmer Personen gemerkt, und die Nachbildung derselben wurde von der übrigen Gesellschaft mit dem größten Beifall aufgenommen. Philine produzierte aus dem geheimen Archive ihrer Erfahrungen einige besondere Liebeserklärungen, die an sie geschehen waren. Als Wilhelm sie darüber schalt, nahm der Klügste das Wort, und versetzte: man hat uns für unser Spiel bezahlt und genährt, sonst aber, wüßte ich nicht, daß ihr Betragen gegen uns eine sonderliche Schonung verdiente. Diese Worte waren das Signal auf welches ein jeder anfing sich zu beschweren wie wenig Achtung man ihm gezeigt, wie sehr man ihn zurück gesetzt habe. Sie spotteten dann über das Betragen der Standspersonen, auch unter sich, über ihre zeitverderbende Beschäftigungen, und wurden immer bittrer, und ungerechter.

Ihr dünkt euch sehr viel, versetzte Wilhelm, und weil manches Wahre in euern Beobachtungen ist, so bemerkt ihr den Irrtum nicht, den ihr begeht, indem ihr diese Personen, und ihre Handlungen, aus einem allzu niedrigen Gesichtspunkte betrachtet. Ich kann auch nicht sagen, daß ich auf dem Schlosse sonderlich erbaut worden wäre. Vielmehr hab ich Gelegenheit gehabt gewisse Ideen zu berichtigen, welche ich verständigen Freunden schuldig bin. Personen, welche schon durch ihre Geburt auf einen erhabenen Platz der menschlichen Gesellschaft gesetzt sind, denen ererbte Reichtümer eine vollkommene Leichtigkeit ihres Daseins verschaffen, welche, wenn ich mich so ausdrücken darf, mit allem Beiwesen der Menschheit bequem und reichlich versehen sind, gewöhnen sich meistens diese Güter als das Erste und Größte zu betrachten, und verlieren den Begriff des Wertes einer von der Natur allein ausgestatteten Menschheit. Nicht nur ihr Betragen gegen Geringere, sondern auch ihr Betragen unter ein ander, ist nach äußern Vorzügen abgemessen, sie erlauben gerne einem jeden seinen Titel, seinen Rang, sein Vermögen, seine Kleider, und Equipage, nur nicht seine Verdienste geltend zu machen.

Diesen Worten gab die ganze Gesellschaft einen unmäßigen Beifall, und sie ließen sich in mancherlei Geschichtchen heraus die seine Meinung auf das kräftigste unterstützen sollten. – Scheltet sie nicht darüber, bedauret sie vielmehr; denn von jenem Glücke, das wir für das höchste erkennen müssen, weil es aus den innern Reichtümern der Natur genommen wird, haben sie selten eine erhöhte Empfindung. Nur uns Armen, die wir wenig oder nichts besitzen, ist es gegönnt, das Glück der Freundschaft in reichem Maße zu genießen. Wir können unsere Geliebten weder durch Gnade erheben, noch durch Gunst befördern, noch durch Geschenke beglücken, wir haben nichts als uns selbst. Dieses ganze Selbst müssen wir hingeben, und wenn es einigen Wert haben soll, dem Freunde dieses Gut auf ewig versichern. Welch ein Glück! welch ein Genuß, für den Geber und Empfänger! welche überirdische Glückseligkeit gewährt uns die Treue! Sie gibt dem vorübergehenden Zustande des Menschen gleichsam eine himmlische Gewißheit. Diese ist es, die unsere ganze Glückseligkeit ausmacht, die das Haupt Kapital unseres Reichtums ist.

Mignon hatte sich ihm unter diesen Worten genähert, schlang seine zarten Arme um ihn, und blieb so mit dem Köpfchen unter seine Brust gelehnt stehen. Er legte die Hand auf des Kindes Haupt und fuhr fort: wie leicht wird es einem Großen sich die Gemüter zu gewinnen, sich Herzen zuzueignen! Ein gefälliges, bequemes, nur einigermaßen menschliches Betragen tut Wunder, und wie viele Mittel hat er, die einmal erworbenen Geister fest zu halten! uns kommt alles seltner, wird alles schwerer, und wie natürlich ist es, daß wir einen großen Wert darauf legen. Welche rührende Beispiele treuer Dienern die sich für ihre Herren aufopferten. Wie schön hat uns Schakespear solche geschildert. Ich sehe die Treue in diesem Falle als ein Bestreben einer edlen Seele an einem Größern gleich zu werden. Durch fortdauernde Anhänglichkeit und Liebe, wird der Diener seinem Herrn gleich, der ihn sonst nur für einen bezahlten verachteten Sklaven anzusehen berechtigt ist. Und so sind die Tugenden nur für den geringen Stand. Die Bequemlichkeit sich leichte loskaufen zu können ist zu groß als daß der Mensch ihr nicht unterliegen sollte. Ja in diesem Sinne glaube ich behaupten zu können, daß ein Großer wohl Freunde haben aber nicht Freund sein könne.

Mignon drückte sich immer fester an ihn an.

Nun gut, versetzte einer aus der Gesellschaft, der nicht eben der Feinste war, wir brauchen ihre Freundschaft nicht, und haben sie auch niemals verlangt, nur sollten sie sich besser auf die Künste verstehen, die sie doch beschützen wollen. Wenn wir am besten gespielt haben hat uns niemand zuhören mögen, und meistens hat man nur dem Albernen und Abgeschmackten Aufmerksamkeit und Beifall geschenkt. – Wenn ich abrechne versetzte Wilhelm was Schadenfreude, und Ironie gewesen sein mag, so denke ich geht es mit der Kunst eben wie mit der Liebe. Wie will der Weltmann in seinem zerstreuten Leben, die Innigkeit behalten in der ein Künstler bleiben muß, wenn er etwas vollkommnes hervorbringen will, und die selbst denjenigen umgeben muß der einen solchen Anteil am Werke nehmen will, wie ihn der Künstler wünscht und hofft. Glaubt mir, meine Freunde es ist mit den Talenten wie mit der Tugend, man muß sie um ihrer selbst willen üben, oder sie lieber ganz aufgeben, und doch werden sie beide nicht anders erkannt, und belohnt, als wenn man sie gleich einem gefährlichen Geheimnis im Verborgenen und beinahe furchtsam treibt. – Unterdessen kann man Hungers sterben, rief einer aus der Ecke. – Nicht eben das, versetzte Wilhelm, ich habe gesehen, so lange einer lebt und sich rührt findet er immer seine Nahrung; und wenn sie auch gleich nicht die reichlichste ist. Und worüber habt ihr euch denn zu beschweren? Sind wir nicht ganz unvermutet eben da es mit uns am schlimmsten aussah gut aufgenommen und bewirtet worden? Und itzo da es uns noch an nichts gebricht, fällt es uns dann ein etwas zu unserer Übung zu tun, und uns einigermaßen nach einer Art von Vollkommenheit in der Kunst zu bestreben? Wir treiben fremde Dinge, und entfernen gleich wie Schulkinder alles was uns nur an unsere Lektion einigermaßen erinnern könnte.

Wahrhaftig, sagte Philine, es ist wahr und unverantwortlich! Hört ihr sechse schlagen! laßt uns ein Stück wählen wir wollen es auf der Stelle spielen. Jeder muß sein Möglichstes tun, als wenn er für dem größten Auditorio stünde. Man überlegte nicht lang, einige pfiffen eine Symphonie, jeder besann sich schnell auf seine Rolle, man fing an und spielte mit der größten Aufmerksamkeit das Stück durch, würklich über die Erwartung eines jeden, auch Wilhelms, der als Zuschauer sich nicht enthalten konnte, mehr als ein mal zu klatschen und Bravo zu rufen. Als sie geendigt hatten, empfanden sie alle ein ausnehmendes Vergnügen, teils über ihre wohl zugebrachte Zeit, teils weil jeder besonders mit sich zufrieden sein konnte. Wilhelm ließ sich weitläufig zu ihrem Lobe heraus, ihre Unterhaltung war aufgeheitert, und fröhlich.

Ihr solltet sehen, rief unser Freund aus, wie weit wir kommen müßten, wenn wir in dieser Übung fortführen, welches Genügen wir dabei empfinden würden. Ich habe oft die Tonkünstler gegen die Schauspieler gehalten. Jene können sich nicht mehr ergötzen als wenn sie gemeinschaftlich ihre Übungen vornehmen. Wie sehr bemühen sie sich nicht ihre Instrumente überein zu stimmen, die Stärke und Schwäche des Tons so auszudrücken wie es der Stimme gemäß ist die man ihnen zugeteilt hat. Nur der Ungeschickteste würde glauben, sich bei dem Solo eines andern durch ein unerlaubtes Akkompagnieren Ehre zu machen. Jeder ist auf den Sinn des Komponisten gerichtet, und trägt für sein Teil alles dazu bei ihn auszudrücken, es sei viel oder wenig was er dabei zu tun hat. Sollten Schauspieler dieses nicht eben unter einander vornehmen können? ihr größtes Glück und Vergnügen darein setzen sich unter einander selbst zu gefallen, und auch nur in so fern den Beifall des Publici zu schätzen, als er einer geschmackvollen Ausführung zu Teil würde, die sie sich gleichsam untereinander selbst garantiert haben. Alle die Kleinheiten die diese edle Kunst zu einem Handwerke erniedrigen, werden wegfallen, man wird nicht mehr um Rollen streiten, man wird nicht mehr an unrechten Orten zu glänzen suchen, man wird seinem Part genug tun, und für den geringsten belohnt sein. Wie glücklich müßte sich der Direktor einer solchen Vereinigung schätzen! er müßte der Sache wohl kundig sein, einen jeden auf seine Fähigkeiten aufmerksam zu machen wissen, selbst nur die Rollen denen er gewachsen übernehmen, sich kein ausschließlich Recht über diese und jene Gattung anmaßen, so wie dieses sich auch kein anderer erlauben dürfte; jeder bliebe doch zuletzt wohin ihn sein Naturell führte, worinnen die Übung ihn bestätigte, und auf diesem Posten würde er leicht von jedem andern erkannt werden. Gewiß unter Guten ist die republikanische Form die beste und die einzige. Wenn ich etwas bei einer solchen Einrichtung zu sagen hätte, so müßte das Amt eines Direktors herum gehen, und eine Art von kleinem Senate ihm beigesetzt bleiben. – Was hindert uns, riefen sie aus, gleich einen solchen Versuch zu machen? Wir sind alle zusammen freie Menschen, wir haben keine Verbindung noch Verbindlichkeit. Lassen Sie uns wenigstens diese idealische Republik auf der Reise die uns noch bevorsteht bilden. – Es ist ein wanderndes Reich, sagte einer, wir werden wenigstens keine Grenzstreitigkeiten haben. Man schritt sogleich zur Sache, man erwählte Wilhelmen zum ersten Direktor, der Senat ward bestellt, die Frauen erhielten darinne Sitz und Stimme, man schlug Gesetze vor, man verwarf, man genehmigte sie, die Zeit ging unvermerkt vorüber, und man glaubte sie noch niemals so angenehm zugebracht zu haben.

 

14. Kapitel

Nur mit Mühe hatte man in dem kleinen Städtchen so viele Pferde zusammen gebracht, als zum Transport der Gesellschaft, und ihrer Effekten nötig waren. Endlich stund alles bereit, nur erschien ein neues Hindernis. Es lief die Nachricht ein, daß sich in der Nachbarschaft eben auf dem Wege den sie nehmen wollten ein Frei Korps habe sehen lassen. Dieser unerwartete Ruf machte einen jeden aufmerksam, ob die Zeitung gleich sehr schwankend und zweideutig war, und es beinahe nach der Stellung der Armeen unmöglich schien daß ein feindliches Korps sich sollte haben durchschleichen können. Jedermann war beschäftigt unserer Gesellschaft die Gefahr die auf sie wartete recht gefährlich zu beschreiben, und ihr einen andern Weg zu raten. Die meisten waren dadurch in große Furcht gesetzt, und, als nach der Form der neuen Republik der Senat zusammen gerufen wurde, um über diesen außerordentlichen Fall zu ratschlagen, und zu entscheiden, waren sie fast einstimmig der Meinung, daß man dem Übel ausweichen und einen andern Weg erwählen müsse. Nur Wilhelm war von Furcht nicht so eingenommen, daß er sogleich einen Plan, der mit vieler Überlegung bedacht worden, hätte aufgeben sollen. Er sprach ihnen vielmehr Mut ein, und seine Gründe waren männlich, und überzeugend. – Noch, sagte er, ist es ein bloßes Gerüchte, und wie viele entstehen deren im Kriege nicht. Viele sagen, daß der Fall höchst unwahrscheinlich und beinahe unmöglich sei; sollten wir uns in einer so wichtigen Sache, durch ein ungewisses Gerede bestimmen lassen? Die Route welche uns der Herr Graf angegeben hat, auf die unser Paß lautet, ist die kürzeste, und wir finden auf selbiger den besten Weg. Sie führt uns vorerst nach einer ansehnlichen Stadt, wo wir entweder eine gute Truppe antreffen, oder uns selbst zeigen, und etwas verdienen können. Wir vermeiden große Beschwerlichkeiten, gewinnen Zeit und Geld, anstatt, daß jener Weg welchen uns das furchtsame Publikum vorschlägt, und nach dem ich mich genau erkundigt habe, uns so weit abwärts führt, und in so schlimme Wege verwickelt, daß ich nicht weiß ob wir Hoffnung haben können uns vor der schlimmen Jahrszeit wieder heraus zu finden, und das Ziel unserer Reise, das wir uns vorgesetzt, zu erreichen. Er sagte noch so viel, und trug ihnen die Sache von so mancherlei vorteilhaften Seiten vor, daß ihre Furcht sich verringerte, und ihr Mut zunahm. Vielleicht ist es noch gar ein Korps der freundlichen Armee und da beschützt uns der Paß den wir bei uns haben genug; sind es regelmäßige Truppen der Feinde, so werden wir auch wenig zu besorgen haben, denn ich wüßte nicht was Reisende am Streit der Könige unter einander für Anteil hätten. Sollte uns ein Trupp hergelaufnes Gesindel anfallen, so sind unserer dünkt mich schon genug um ihnen Ehrfurcht einzuflößen, und einen Widerstand zu tun, über den sie sich verwundern sollen.

Diese letzte Rede brachte die jungen Schauspieler leicht auf seine Seite. Die Frauen da der Vorschlag heroisch und seltsam war, traten gleichfalls bei, Madam Melina zuerst, welche ohngeachtet ihrer hohen Schwangerschaft ihre natürliche Herzhaftigkeit nicht verloren hatte: nun wollte der übrige Teil der Männer nicht feige sein, und es war niemand der nicht von ganzem Herzen in diese Vorschläge zu willigen schien.

Man fing an, sich auf alle Fälle zur Verteidigung einzurichten. Man kaufte große Hirschfänger, Wilhelm verschaffte sich einen Säbel, und ein paar Pistolen. Der junge Akteur dessen wir zu Anfange des Buchs erwähnet, und den wir in der Folge nur Laertes nennen wollen bewaffnete sich mit einer Flinte, unter die übrigen wurde andres alte Gewehr ausgeteilt, und so machte man sich, wiewohl mit einigem Widerwillen der Fuhrleute auf den Weg.

Den zweiten Tag schlugen diese, die der Gegend wohl kundig waren, vor, sie wollten auf einem waldigen Bergplatze Mittagsruhe halten, weil zwar ein Dorf in der Nähe, aber sehr unbequem liege, und man eine böse Hohle vermiede; sie nähmen gewöhnlich bei guten Tagen ihr Futter mit, und blieben an dem angezeigten Orte halten. – Da die Witterung schön war, stimmte jedermann leicht in diesen Vorschlag ein. Wilhelm eilte voraus, und die sonderbare Gestalt in der er auftrat, hätte gewiß einen jeden dem er begegnet stutzig gemacht. Zu seiner Kleidung wie wir sie oben beschrieben haben, kam noch ein breites Wehrgehänge, das ihm über die Schultern fiel und einen großen Säbel trug. Ein paar Pistolen hatte er in den Gürtel gesteckt, und so eilte er, mit schnellen, und zufriednen Schritten den Wald hinauf. Eben so wunderbar sah die Gesellschaft die ihn begleitete. Mignon lief im Westchen nebenher, und hatte gleichfalls seinen Hirschfänger an der Seite, den man ihm, als sich die Gesellschaft bewaffnete, auf sein sehnliches Bitten nicht hatte abschlagen können. Der blonde Knabe, der die Gesellschaft auch nicht verlassen hatte, trug die Flinte des Laertes. Der Harfner hatte noch das friedlichste Ansehen, er steckte sein langes Kleid in den Gürtel, damit es ihn im Gehen nicht hindern konnte, er stützte sich auf einen knotichten Stab, sein Instrument war bei dem Wagen zurück geblieben. Nach einem Stieg, der nicht ganz ohne Beschwerlichkeit war, fanden sie gar leicht den angezeigten Platz. Sie erkannten ihn an den schönen Buchen die ihn umgaben und bedeckten, an der eingefaßten Quelle, und der fernen Aussicht. Sie nahmen Besitz, ruhten im Schatten aus, machten ein Feuer an, und erwarteten singend die übrige Gesellschaft, welche nach und nach herbei kam und den Platz, die Gegend, das schöne Wetter mit Einem Munde begrüßten.

 

15. Kapitel

Hatte man zwischen vier Wänden gute und fröhliche Stunden gehabt, so waren sie hier gewiß noch angenehmer, da die Freiheit des Himmels, und die Schönheit der Gegend jedes Gemüt höher stimmte. Man wußte sich gar nichts köstlichers zu denken, als in einem so angenehmen Aufenthalt sein Leben zuzubringen. Man beneidete die Jäger, Köhler und Holzhauer welche ihr Beruf an diesen glücklichen Wohnplätzen fest hielte. Über alles aber pries man die Reise einer Zigeunerwirtschaft die in seligem Müßiggange alle abenteurliche Reize der Natur zu genießen berechtiget sind. Man hatte indessen angefangen Erdäpfel zu sieden, einige Töpfe standen bei dem Feuer, gruppenweise lagerte sich die Gesellschaft unter Bäumen und an Büschen, ihre seltsame Kleidungen gaben ihnen ein fremdes Ansehen, die Waffen die sie mit sich führten machten es noch sonderbarer, die Pferde wurden beiseite gefüttert, und wenn man dafür gesorgt hätte die Kutschen zu verstecken, so würde die Dekoration vollkommen gewesen sein. Wilhelm genoß einer köstlichen Freude bei diesem Anblicke. Er konnte sich als Anführer dieser Partei denken, er unterhielte sich von dieser Idee mit einem jeden, und bildet sie so poetisch als möglich aus. Die Gefühle der Gesellschaft erhöheten sich, man aß und trank, und jubilierte, und bekannte niemals schönere Augenblicke erlebt zu haben.

Wir können den Lesern hier nicht verbergen, daß dieses die Original Szene war, wovon man die Nachbildungen, und Nachahmungen bis zum Überdruß neuerdings auf den deutschen Theatern gesehen hat. Die Idee von wackern Vagabunden, edeln Räubern, großmütigen Zigeunern, und sonst allerlei idealisiertem Gesindel, hat ihren wahren Ursprung diesem Ruheplatze zu danken, den wir so eben mit einer Art von Widerwillen geschildert haben, weil es nicht anders als höchst verdrießlich sein kann, wenn man nicht ehe Gelegenheit findet das Publikum mit dem Originale bekannt zu machen, als wenn die Kopien schon den Reiz des Gegenstandes, und seiner Neuheit weggenommen haben.

Mit jedem Augenblicke wuchs die Lustigkeit. Wilhelm und Laertes griffen zu den Rapieren, und fingen an sich in dem Zweikampfe zu üben, durch welchen Hamlet ein so tragisches Ende nimmt. Sie hatten sich vorgenommen das Stück unter sich selbst zu versuchen, und unserm Freunde war die Rolle des dänischen Prinzen zugeteilt worden. Die übrigen hatten einen Kreis um sie geschlossen, sie fochten mit dem größten Eifer, und das Interesse der Zuschauer wuchs mit jedem Ausfall. Auf einmal ward die Gesellschaft in ein großes Schröcken gesetzt; denn es fiel im nächsten Busche ein Schuß, und noch einer. Als man sich umsah erblickte man bewaffnete Leute, die auf den Ort zu drangen wo die Pferde nicht weit von den bepackten Kutschen ihr Futter einnahmen.

Ein allgemeiner Schrei entfuhr dem weiblichen Geschlechte, unsere Helden warfen die Rapiere weg, griffen nach ihren Säbeln, eilten auf die Räuber zu, und riefen daß sie stille halten, und ihnen Rechenschaft des Unternehmens geben sollten. Da man ihnen mit ein paar Musketenschüssen antwortete, so drückte Wilhelm seine Pistole auf den einen ab, der den Wagen erstiegen hatte, und die Stricke des Gepäcks aus einander schnitt. Er traf ihn wohl, daß er gleich herunter stürzte, und da Laertes auch nicht fehl geschossen zogen sie beide ihre Seitengewehre, als ein Teil der Partei mit Flüchen und Gebrüll auf sie los brach, gleichfalls einige Schüsse auf sie tat, und sich mit blinkenden Säbeln ihrer Kühnheit entgegen setzte. Unsere junge Helden hielten sich tapfer, sie riefen ihren übrigen Gesellen, und munterten sie auf ihnen beizustehen. Bald aber verlor Wilhelm den Anblick des Lichtes, und das Bewußtsein dessen was vorging. Von einem Schuß der ihn zwischen der Brust und Schulter traf, verwundet, von einem Hiebe der ihm den Hut spaltete, und fast bis auf die Hirnschale durchgedrungen, betäubt, fiel er nieder, und mußte das unglückliche Ende des Überfalls nur erst in der Folge aus der Erzählung anderer vernehmen.

Als er die Augen wieder aufschlug, befand er sich in der wunderbarsten Lage. Das Erste was er durch die Dämmerung, die noch seine Blicke trübte, bemerken konnte, war das Gesicht Philinens, das sich über das seine herüber neigte. Er war zu schwach sich aufzuheben, und da er sich anstützte um sich empor zu richten, fühlte er sich in Philinens Schoß, in den er auch wieder zurück sank. Sie saß auf der Erde, hatte den Kopf des vor ihr ausgestreckten Jünglings leise an sich gedrückt, und ihm in ihren Armen so viel sie konnte ein sanftes Lager bereitet. Mignon kniete mit zerstreuten blutigen Haaren an seinen Füßen und umarmte sie mit vielen Tränen.

Als Wilhelm seine blutigen Kleider ansah, fragte er mit gebrochener Stimme, was ihm und den andern begegnet? Philine bat ihn ruhig zu bleiben, die übrigen, sagte sie, seien alle in Sicherheit, und niemand als er und Laertes verwundet, weiter wollte sie nichts erzählen, und bat ihn nur immer inständig sich zu beruhigen, weil sie befürchten müsse, seine Wunden mögten wieder aufbrechen, die nun noch schlecht verbunden seien. Er reichte Mignon die Hand, und erkundigte sich nach der Ursache der blutigen Locken des Kindes.

Als ihn dieses gutherzige Geschöpf verwundet sah, und nichts um sich fand womit es das Blut hätte stillen können, hatte es seine Haare genommen, um die Wunden seines Herrn und Vaters damit auszustopfen, hatte aber bald von dem vergeblichen Unternehmen abstehen müssen. Nachher verband man ihn mit Schwamm und Moos. Philine hatte dazu Halstuch und Schürze hergegeben.

Wilhelm bemerkte, daß Philine mit dem Rücken gegen ihren Koffer saß, der noch ganz wohl verschlossen und unbeschädigt aussah, er fragte ob die andern auch so glücklich gewesen ihre Habseligkeiten zu erhalten? Sie beantwortete diese Frage mit Achselzucken, und einem Blick auf die Wiese, wo zerbrochene Kasten, zerschlagene Koffers, zerschnittene Mantelsäcke, und eine Menge kleiner Gerätschaften zerstreut hin und wieder lagen. Von Menschen war der Platz leer, und die wunderliche Gruppe die wir beschrieben haben, fand sich in dieser Einsamkeit allein.

Wilhelm erfuhr nun immer mehr, als er wissen wollte. Die noch Widerstand hätten tun können waren leicht in Schröcken gesetzt, und überwältigt, ein Teil floh, ein Teil sah mit Entsetzen dem Unfalle zu, die Fuhrleute die sich noch wegen ihrer Pferde an wackersten gehalten, waren zuletzt auch außer Stande sich zu wehren, in kurzem war alles rein ausgeplündert und weggeschleppt. Die beängstigten Reisenden die, sobald die Sorge vor ihr Leben vorüber war, über ihren Verlust zu jammern anfingen, eilten mit möglichster Geschwindigkeit dem benachbarten Dorfe zu, führten den leichtverwundeten Laertes mit sich, und brachten nur wenige Trümmer ihrer Schätze davon. Der Harfner hatte sein beschädigtes Instrument an einen Baum gelehnt, und war mit nach dem Orte geeilt einen Wundarzt aufzusuchen, um seinen für tot zurückgelassenen Wohltäter nach Möglichkeit bei zu springen.

 


 


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