Goethe
Der Tragödie zweiter Teil
Goethe

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Derselbe
Ganz recht! Die Göttin scheint herabzusinken,
Sie neigt sich über, seinen Hauch zu trinken;
Beneidenswert! – Ein Kuß! – Das Maß ist voll.

Duenna
Vor allen Leuten! Das ist doch zu toll!

Faust
Furchtbare Gunst dem Knaben! – –

Mephistopheles
Ruhig! still!
Laß das Gespenst doch machen was es will.

Hofmann
Sie schleicht sich weg, leichtfüßig; er erwacht.

Dame
Sie sieht sich um! Das hab' ich wohl gedacht.

Hofmann
Er staunt! Ein Wunder ist's, was ihm geschieht.

Dame
Ihr ist kein Wunder, was sie vor sich sieht.

Hofmann
Mit Anstand kehrt sie sich zu ihm herum.

Dame
Ich merke schon, sie nimmt ihn in die Lehre;
In solchem Fall sind alle Männer dumm,
Er glaubt wohl auch, daß er der erste wäre.

Ritter
Laßt mir sie gelten! Majestätisch fein! –

Dame
Die Buhlerin! Das nenn' ich doch gemein!

Page
Ich möchte wohl an seiner Stelle sein!

Hofmann
Wer würde nicht in solchem Netz gefangen?

Dame
Das Kleinod ist durch manche Hand gegangen,
Auch die Verguldung ziemlich abgebraucht.

Andre
Vom zehnten Jahr an hat sie nichts getaugt.

Ritter
Gelegentlich nimmt jeder sich das Beste;
Ich hielte mich an diese schönen Reste.

Gelahrter
Ich seh' sie deutlich, doch gesteh' ich frei:
Zu zweiflen ist, ob sie die rechte sei.
Die Gegenwart verführt ins übertriebne,
Ich halte mich vor allem ans Geschriebne.
Da les' ich denn, sie habe wirklich allen
Graubärten Trojas sonderlich gefallen;
Und wie mich dünkt, vollkommen paßt das hier:
Ich bin nicht jung, und doch gefällt sie mir.

Astrolog
Nicht Knabe mehr! Ein kühner Heldenmann,
Umfaßt er sie, die kaum sich wehren kann.
Gestärkten Arms hebt er sie hoch empor,
Entführt er sie wohl gar? –

Faust
Verwegner Tor!
Du wagst! Du hörst nicht! halt! das ist zu viel!

Emphistopheles
Machst du's doch selbst, das Fratzengeisterspiel!

Astrolog
Nur noch ein Wort! Nach allem, was geschah,
Nenn' ich das Stück den Raub der Helena.

Faust
Was Raub! Bin ich für nichts an dieser Stelle!
Ist dieser Schlüssel nicht in meiner Hand!
Er führte mich, durch Graus und Wog' und Welle
Der Einsamkeiten, her zum festen Strand.
Hier fass' ich Fuß! Hier sind es Wirklichkeiten,
Von hier aus darf der Geist mit Geistern streiten,
Das Doppelreich, das große, sich bereiten.
So fern sie war, wie kann sie näher sein!
Ich rette sie, und sie ist doppelt mein.
Gewagt! Ihr Mütter! Mütter! müßt's gewähren!
Wer sie erkannt, der darf sie nicht entbehren.

Astrolog
Was tust du, Fauste! Fauste! – Mit Gewalt
Faßt er sie an, schon trübt sich die Gestalt.
Den Schlüssel kehrt er nach dem Jüngling zu,
Berührt ihn! – Weh uns, Wehe! Nu! im Nu!

Mephistopheles
Da habt ihr's nun! mit Narren sich beladen,
Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden.

2. Akt

Hochgewölbtes enges gotisches Zimmer

Mephistopheles
Hier lieg, Unseliger! verführt
Zu schwergelöstem Liebesbande!
Wen Helena paralysiert,
Der kommt so leicht nicht zu Verstande.
Blick' ich hinauf, hierher, hinüber,
Allunverändert ist es, unversehrt;
Die bunten Scheiben sind, so dünkt mich, trüber,
Die Spinneweben haben sich vermehrt;
Die Tinte starrt, vergilbt ist das Papier;
Doch alles ist am Platz geblieben;
Sogar die Feder liegt noch hier,
Mit welcher Faust dem Teufel sich verschrieben.
Ja! tiefer in dem Rohre stockt
Ein Tröpflein Blut, wie ich's ihm abgelockt.
Zu einem solchen einzigen Stück
Wünscht' ich dem größten Sammler Glück.
Auch hängt der alte Pelz am alten Haken,
Erinnert mich an jene Schnaken,
Wie ich den Knaben einst belehrt,
Woran er noch vielleicht als Jüngling zehrt.
Es kommt mir wahrlich das Gelüsten,
Rauchwarme Hülle, dir vereint
Mich als Dozent noch einmal zu erbrüsten,
Wie man so völlig recht zu haben meint.
Gelehrte wissen's zu erlangen,
Dem Teufel ist es längst vergangen.

Chor der Insekten
Willkommen! willkommen,
Du alter Patron!
Wir schweben und summen
Und kennen dich schon.
Nur einzeln im stillen
Du hast uns gepflanzt;
Zu Tausenden kommen wir,
Vater, getanzt.
Der Schalk in dem Busen
Verbirgt sich so sehr,
Vom Pelze die Läuschen
Enthüllen sich eh'r.


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