Friedrich Gerstäcker
Der Fischfang am Mississippi
Friedrich Gerstäcker

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Am Ufer des Mississippi, im westlichen Tennessee, stand am Rande einer kleinen, kaum begonnenen Lichtung eins der unscheinbaren, niederen Blockhäuser, die überall, roh aus unbehauenen Stämmen aufgeführt, im westlichen, noch nicht stark bewohnten Theile von Nordamerika gefunden werden.

Der Ansiedler, ein junger Mann Namens Dehart, hatte sich wenige Wochen nach seiner Verheiratung aus Kentucky, wo ihm die Bevölkerung zu dicht wurde, an das Ufer des Mississippi nach Tennessee zurückgezogen und nur darum das gesündere Klima des älteren, bergigen Staates gegen den ungesunden Boden des neu angebauten, sumpfigen Landstriches vertauscht, um, wie tausend Andere an demselben Strome, Klafterholz aus den gewaltigen Stämmen, welche die Thäler füllten, zu hauen und es dann an die vorbeifahrenden Dampfboote zu verkaufen. Auf das Holz selber hatte er freilich das nämliche Recht, welches etwa der Kaiser von China oder irgend eine andere, unbekannte Herrlichkeit beanspruchen konnte.

Mit den Gesetzen seines Vaterlandes übrigens genau bekannt, errichtete er dort eine kleine Hütte oder »ein Haus«, wie er's nannte, und fällte munter darauf los, was ihm, unter dem Rechte der Ansiedelung – preemption right – auch Niemand verwehren konnte. In der That war es aber keineswegs seine Absicht, den Fieber erzeugenden Landstrich längere Zeit zu bewohnen, als er gebrauchen würde, eine hinlängliche Summe mit dem darauf wachsenden Holze zu verdienen und sich dann nach einer besseren, gesünderen Gegend zurückzuziehen und Ackerbau zu treiben.

Das niedere Blockhaus umgab ein Streifen urbar gemachten Landes, mit Mais bepflanzt, und am Ufer lagen lange Reihen hochaufgestapelten Klafterholzes. Herrschte aber auch in der kleinen Rodung eine tiefe Stille, die nur durch die fernen, regelmäßigen Axtschläge der im Holze arbeitenden Sclaven (Dehart besaß deren sechs) unterbrochen wurde, so war ein desto regeres Leben in dem kleinen Hause selbst, durch dessen aus Lehm aufgeführten Kamin ein dünner, blauer Rauch emporwirbelte.

Dort saßen in höchst gemüthlich heiterer Stimmung drei Männer um den Kamin herum, in welchem ein kleines Feuer knisterte, das übrigens keineswegs der Kälte wegen angezündet sein mochte, denn es war im April und sehr warm. Mitten aber in der züngelnden Flamme stand ein runder eiserner Kessel, von dem ein untersetzter, wohlbeleibter Mann, dessen hochrothes, durch vieles Lachen noch mehr erhitztes Gesicht ihn kaum als einen Insassen dieser Gegend erkennen ließ, gar oft den Deckel abhob, um sich von den Fortschritten des Inhalts zu überzeugen.

Ihm gegenüber saß auf einem abgesägten Holzklotze die lange, dürre Gestalt eines Mannes, der, in eine weiße dünne Jacke und in Nanking-»Unaussprechliche« gekleidet, furchtbar von den ihn umschwärmenden Mosquitos geplagt schien, so daß ihm nicht ein Augenblick der Ruhe blieb und er, seine langen Arme fortwährend umherwerfend, unermüdet versuchte, die lästigen Peiniger von sich abzuwehren und zu verscheuchen.

Zwischen diesen Beiden ruhte auf einem bequemen, wenn auch roh gearbeiteten Lehnstuhl ein alter, silberhaariger Mann, der Vater des jungen Dehart, und schaute wohlgefällig, scheinbar in tiefster Seele recht mit sich selbst zufrieden, in die züngelnde Flamme, die den Kessel umspielte.

»Vater Dehart!« rief jetzt der kleine Dicke, dessen Name Magnus war, »das Wasser beginnt zu kochen und wir können mit dem besten Willen nicht länger auf Euern Sohn warten. Ich für meinen Theil habe einen Durst, der nicht mehr zu bändigen ist, und ich sehe überhaupt gar nicht ein, warum John nicht schon lange hier sein könnte; es ist kaum drei Meilen bis zum andern Haus, und seit zehn Uhr Morgens ist er fort.«

»Mir auch recht,« entgegnete der Alte, »laßt uns unsern stewStew, ein ächt arkansisches Getränk, aus heißem Wasser, Whisky, Nelkenpfeffer, Zucker und Butter bereitet. zurecht machen, und wenn er unter der Zeit nicht kommt, gut! mag er sehen, wo er 'was findet! Aber, Mettel, Ihr kratzt Euch ja die Seele aus dem Leibe!« wandte er sich jetzt lachend an den Langen, dessen Kampf mit den ihn in Schaaren umschwärmenden Mosquitos seinen höchsten Punkt erreicht zu haben schien; »Euch muß so süßes Blut durch die Adern fließen, daß es ein wahres Fest für die armen, ausgehungerten Thierchen ist, davon zu kosten!«

»Hol' der Böse das süße Blut!« rief Mettel ärgerlich, indem er sich derb an die Waden schlug, um einige der lästigen Insecten, die ihn dort mit besonderer Wuth angegriffen hatten, zu erlegen; »die verwünschten Dinger haben so verdammt spitze Gesichter, daß sie Einem gleich den ganzen Kopf in das Fleisch schieben. Ich weiß übrigens gar nicht, wie es zugeht, daß sie es alle auf mich abgesehen haben; Euch Beide rührt fast keins an!«

»Wir sind alt und zäh!« schmunzelte der Greis – »da nehmen sie mit Euch fürlieb.«

»Wo habt Ihr denn das Material zum stew?« fragte Magnus, »der Whisky und Zucker ist hier, wo aber finde ich das Andere?«

»Butter müßt Ihr aus dem Butterfaß nehmen, und laßt die Milch ein wenig ablaufen,« sagte der Alte; – »meine Schwiegertochter ist nun schon acht Tage bei ihrer Schwester unten, und da geht Alles ein wenig junggesellenhaft hier oben zu – so – das wird etwa genug sein; – der Nelkenpfeffer steckt da oben über dem Kamin in einer Spalte – dort in dem abgeschnittenen Schilfe, wo der Stöpsel darauf ist – nehmt aber nur eine Hand voll, das Zeug bleibt Einem sonst immer in der Kehle stecken.«

Magnus that wie ihm gerathen, goß die gehörige Quantität Whisky in das kochende Wasser, warf eine kleine Hand voll Nelkenpfeffer, ein paar Hände voll Zucker und etwas Butter, um dem Ganzen einen milden Beigeschmack zu geben, hinzu, rührte Alles wohl durcheinander, und dann einen Blechbecher von einem schmalen Brett über dem Kamin herunternehmend, schenkte er denselben mit der dunkeln Masse voll bis zum Rand.

»Prosit!« sagte Mettel, als Jener rasch das zu schnell heißgewordene Blech von den Lippen nahm und, vom Stuhl aufspringend, die Luft einsog. »Prosit! das dacht' ich mir – ist mir bis jetzt noch jedesmal so gegangen; aber durch Schaden wird man klug – ich lasse meins erst kalt werden.« Und damit begann er auf's Neue seinen Kampf mit den ihn umsummenden Mosquitos.

»Durch Schaden wird man klug, so?« sagte, durch den Spott geärgert, Magnus, seinen Becher stark blasend und nach Mettel hinüberschielend; »nun, dann will ich Euch einen guten Rath geben: dann sucht Euch für heut Abend eine andere Schlafstelle, als unter meinem Mosquitonetz, denn verdammt will ich sein, wenn ich mit Euch eine zweite Nacht darunter zubringe.«

»Nun,« frug Mettel verwundert, »lieg' ich nicht die ganze Nacht still wie ein Stück Holz? rühr' ich mich auch nur ein einziges Mal? lass' ich mich nicht auf eine wahrhaft grausenerregende Weise von den kleinen Bestien aussaugen, ohne mich zu bewegen, ja, zucke ich nur unter den schmerzhafteren Bissen derselben? Ich liege ruhig wie ein Todter – ich bin ein Märtyrer! Und mit wessen Blut sind die Mosquitos, die Morgens im Innern des Netzes sitzen, gefüllt, als mit dem meinigen? was habt Ihr sonst an mir auszusetzen?«

»An Euch nichts, aber an Euren Beinen!« rief Magnus; »wo steht es denn auch geschrieben, daß überhaupt Morgens Mosquitos im Innern des Netzes sitzen müssen? Hat aber schon Jemand so ein Paar Beine, wie Ihr an Eurem Cadaver habt, gesehen? – Mein Mosquitonetz ist für vernünftige, gesetzlich lange Gliedmaßen eingerichtet und nicht für einen Menschen berechnet, dessen Füße so weit von seinem Leichnam entfernt sind, daß er es nicht einmal an demselben Tage erfährt, wenn sie ihm kalt werden. – Glaubt Ihr denn, die Mosquitos können den Eingang nicht finden, wenn Ihr Eure beiden langen Spazierhölzer unter dem Netz vorstreckt, daß es wohl sechs Zoll vom Boden aus in die Höhe steht?«

Mettel wollte eben darauf antworten, als die Hunde draußen anschlugen und der junge Dehart in die Thür trat.

»Hallo!« rief dieser, als er die drei Männer so emsig beschäftigt, den Kessel zwischen sich und die Blechbecher in der Hand, dasitzen sah, »hallo! da bin ich wohl schon zu spät gekommen? Ihr scheint mir ja sehr fleißig zu sein!«

»Eben noch zur rechten Zeit, Johny,« meinte der Alte; »komm, nimm Dir einen Becher und rücke einen Stuhl her.«

»Stuhl?« fragte John, sich überall im Hause umsehend, »wo habt Ihr denn noch einen Stuhl?«

»Ah so, es sind nur zwei da; nun, schadet nichts, da steht der Salz-gumEin gewöhnlicher Ausdruck der westlichen Amerikaner für einen Behälter oder ein Gefäß, aus einem hohlen Baumstamm verfertigt, da sich vorzüglich die sogenannten gum-Bäume dazu eignen., setz' Dich darauf und hilf uns den Kessel leer trinken.«

»Danke, Vater,« sagte der junge Dehart, indem er seine an einer langen Stange befestigte Harpune von der Wand nahm, »ich will gleich wieder fort; gebt mir nur einen Becher voll von Eurem Getränk, es riecht gar zu gut!«

»Wo wollt Ihr denn fischen gehen?« fragte Magnus begierig, indem er von seinem Sitz aufsprang.

»Der Fluß ist seit gestern Abend fünfzehn Zoll gestiegen,« erwiderte der junge Debart; »das Wasser hat nun eben angefangen, durch den kleinen Kanal, der eine halbe Meile von hier das Ufer durchschneidet, in den Sumpf zurückzulaufen, da kommen stets Unmassen von Buffalo-Fischen herein und strömen in Schaaren in's niedere Land. Ihr sollt sehen, in dem schmalen Kanal, durch den sie müssen, vergeht kaum eine Minute, in der nicht die rothe Flosse eines der fetten Burschen aus dem schmutzig gelben Wasser des Flusses emportaucht. Wollt Ihr mit, so macht Euch ein paar scharfe Ruder, dann können wir's zusammen versuchen.«

»Hol' mich Dieser und Jener, wenn ich nicht mitgehe!« rief Magnus, seinen Becher, der sich unterdessen abgekühlt hatte, mit einem Zuge leerend; »ich habe zwar die Jagd auf buffalos (Büffel) verschworen, aber nicht auf Fische. Wo sind die Ruder? laßt uns lieber gleich aufbrechen.«

»Oho, Ihr seid ja plötzlich in gewaltiger Eile,« lachte John; »jetzt will ich aber auch erst meinen Trank in aller Gemüthsruhe leeren. – Tom mag indessen die nöthigen Ruder machen, dann wollen wir augenblicklich an die Arbeit gehen. Und sich zur Thür wendend, rief er einem der Neger, der eben mit einem holzbeladenen Karren zum Hause kam, zu, zwei Ruder zum Fischschlagen zu machen, was aus eben so vielen roh gespaltenen Brettern in wenigen Minuten geschehen war. Mettel hatte sich unterdeß mit regem Fleiß an das dampfende Getränk gehalten und stand jetzt ebenfalls auf, um mit den Männern die Jagd zu versuchen, während der alte Dehart ruhig sitzen blieb und den Fischern versicherte, daß er einen andern Kessel voll, wenn sie zurückkämen, bereit halten wolle.

»Gut gesagt, Alter!« rief Magnus, indem er sein Ruder schwang – »gut gesagt; haltet 'was Nasses bereit, denn wenn wir die Fische bringen, dürfen sie nicht auf dem Trocknen liegen bleiben. Aber nun kommt, und wer die meisten schlägt, soll den ersten Zug thun dürfen.«

»Und sich wieder das Maul verbrennen,« wandte Mettel ein, als er den anderen Beiden aus der Thür folgte.

Das Wasser des Mississippi strömte in den Sumpf zurück, da seine Ufer höher als das wenige hundert Schritt zurückliegende Land sind; steigt daher der Fluß so, daß er fast die Höhe derselben erreicht, so macht er sich erst durch einige kleine sogenannte Slews – die eigentlich weiter nichts, als durch den Fluß selbst ausgewaschene Kanäle sind – Bahn und füllt die unermeßlichen Sümpfe des niedern Thals, nur einen einzigen schmalen Streifen trockenen Landes, dicht an seinen Ufern hin, lassend, bis er auch diesen oftmals übersteigt und die Ansiedler nöthigt, in ihren Häusern, die meistenteils drei bis vier Fuß hoch von der Erde errichtet sind, manchmal für mehrere Wochen Zuflucht zu suchen; ja, oft sogar den Schutz ihrer Boote und kleineren Fahrzeuge in Anspruch zu nehmen, um sich in diesen mit ihrem wenigen Hausgeräth, Meilen weit mit dem Strom hinuntertreibend, auf die ersten Hügel, die sie erreichen können, zu retten.

Zahlloses Vieh geht bei diesen Ueberschwemmungen zu Grunde, und von seinem Platz weggeschwemmtes Klafterholz bedeckt den Fluß, während nicht selten selbst ein seinen Stützen entrissenes Blockhaus zwischen den Stämmen und Trümmern auf der Oberfläche des angeschwollenen Riesenstromes dahintreibt.

Die Männer erreichten endlich, dicht am Ufer hingehend, den nicht sehr entfernten Platz und kamen, nachdem sie noch etwa zweihundert Schritt in's Innere, an der Slew hingekrochen waren (denn an Gehen war dort zwischen den dichten Schlingpflanzen gar nicht zu denken), zu dem flachsten Platz des Kanales, wo sie ihre Beobachtungen begannen.

Hatte sich aber Mettel schon im Hause über Mosquitos beklagt, so lernte er hier erst einsehen, daß die frühere Plage gegen die jetzige nur Spielerei gewesen sei, denn wie. rasend umschwärmten sie die Fischer, die ruhig und bewegungslos dastehen mußten; zu Hunderten flogen sie auf einmal in die Gesichter der Gepeinigten.

»Magnus!« flüsterte Mettel leise, als er mit ausgespreizter Hand durch die Luft griff, dieselbe dann schnell schloß und zusammenpreßte, während er dem selbst auf das Fürchterlichste Gemarterten die wieder geöffnete hinhielt, in der etwa zehn der kleinen Peiniger zerdrückt lagen, – »Magnus, ist das hier eine Gegend für einen vernünftigen, lebenden, Athem holenden Menschen? Glaubt Ihr nicht, daß, wenn sich Jemand hier eine Viertelstunde lang, nein, nur zwei Minuten unbeweglich herstellen würde, seine Haut wie ein Haarsieb aussehen müßtet – Oh, Magnus! ich bin in schlimmen Plätzen gewesen, – in den Sümpfen von Kentucky sind auch Mosquitos, aber – Du großer Gott! – das sind ja nur Kinder gegen –«

»Ein Fisch!« rief Magnus, der trotz Mettel's Jeremiade und den ihn selbst umschwärmenden Insecten aufmerksam die Oberfläche des Wassers, auf der für jetzt einen Augenblick eine rothe Flosse emportauchte und sogleich wieder verschwand, beobachtet hatte; der Augenblick hatte aber genügt und die Harpune, von John's kräftiger Hand geschleudert, durchbohrte den Fisch, der umsonst sich von dem mit Widerhaken versehenen Eisen los zu arbeiten versuchte.

Mit dem Seile, das von der Harpune aus an der Stange hinauflief und um des Werfenden Handgelenk befestigt war, zog er ihn an's Ufer, schnitt seine Waffe mit dem Messer wieder frei und erwartete einen zweiten, der, kaum erschienen, auf ähnliche Weise in Sicherheit gebracht wurde.

»Die Fische bleiben aber alle in der Mitte,« klagte Magnus, »und von hier aus kann man sie doch unmöglich mit dem kurzen Ruder erreichen.«

»Ja, Ihr müßt in's Wasser, da ist weiter kein Rath,« lachte John; »es ist auch für Euch das Beste, denn da lassen die Mosquitos doch wenigstens Eure Füße in Ruhe.«

Mit größtmöglicher Schnelle befolgte Mettel diesen guten Rath und schien nicht übel Lust zu haben, ganz unterzutauchen, um seinen Peinigern zu entgehen, eine so tiefe Stelle suchte er sich aus; Magnus hingegen trat blos bis über die Kniee in die Fluth und erwartete, wie sein Kamerad und Leidensgefährte, mit erhobenem Ruder das nächste unglückliche Schlachtopfer.

Da schwankte dicht neben ihnen ein junger, aus dem Wasser hervorragender Baumwollenholzschößling, von dem Anstoßen eines schweren Fisches an die Wurzel desselben erschüttert – mit gespannter Erwartung standen die Männer für einen Augenblick fast athemlos, als plötzlich die rothe Flosse sichtbar wurde und beide Ruder mit aller nur möglichen Gewalt auf den sorglos Umherschwimmenden niederschmetterten.

Nun that allerdings Mettel's Schlag dem Armen wohl sehr wenig, denn nicht recht wissend, wie er das Ruder eigentlich halten müsse, schlug er mit der flachen Seite auf das Wasser herunter, daß es weit umherspritzte; Magnus jedoch traf mit der ganzen Schärfe das Rückgrat des Fisches, und den Schlag schnell wiederholend, ehe jener, durch den Streich betäubt, Zeit gewann, wieder zu sich zu kommen, brachte er ihn auf den Rücken und warf ihn triumphirend an's Ufer.

Mettel, durch Erfahrung belehrt, zielte das nächste Mal auch besser, und dreizehn Fische hatten die drei Männer schon in Zeit von einer Stunde mit Rudern und Harpunen erlegt, als auf einmal der Zug derselben aufzuhören schien, denn in einem sehr langen Zwischenraum ließ sich auch nicht ein einziger blicken. Die Mosquitos wurden dagegen immer ärger, und ein dünner, feiner Regen, der zu fallen anfing, schien ihre Wuth noch zu vermehren, so daß Magnus selbst zu klagen begann und versicherte, in seinem Leben noch nie ärger von den verwünschten Blutsaugern geplagt worden zu sein.

Da regten sich plötzlich die jungen, aus dem Wasser hervorragenden Schößlinge von allen Seiten, und »Aufgepaßt!« rief John, als er mit der Harpune zum Wurf ausholte. – In demselben Augenblick plätscherte auch das Wasser an fünf verschiedenen Stellen und überall tauchten die rothen Flossen empor.

Auf Magnus kam nur einer zu, und weit ausholend schlug er, sich vorbiegend, nach dem gerade au seiner rechten Seite vorbeidefilirenden Fisch hinüber, während zu derselben Zeit zwei andere an Mettel's beiden Seiten hin wollten, die dieser nun mit einem Doppelhieb zu erlegen gedachte. Schnell und gewandt schlug er links auf den unschuldigen Buffalo, und zwar mit solcher Kraft hinab, daß dieser augenblicklich mit dem weißen Bauch an die Oberfläche kam; ohne seine Beute aber auch nur eines Blickes zu würdigen, behielt er das andere Opfer im Auge, das sich jetzt gegen Magnus hin wandte, und sein zweiter, eben so kräftiger Streich, bedrohte dessen Haupt.

Man sagt, wenn der Pfeil vom Bogen, wenn die Kugel aus dem Rohr ist, dann lenken oft böse Geister die Vernichtungsboten, welche menschliche Kräfte nicht mehr zurückhalten können – so war es mit dem Ruder. – Die zu große Schnelle, mit der Mettel seinen zweiten Schlag zu führen gedachte, hatte ihm nicht Zeit gelassen, die Haltung seines Ruders zu beobachten, das sich in seiner Hand, als er den Fisch traf, etwas drehte; beim zweiten Niederhauen faßte die Luft in die mit aller Kraft schräg herabkommende beutegierige Waffe, und ihr eine ganz andere Richtung als die beabsichtigte gebend, landete die scharf zugehauene Kante auf dem breiten, mit Nanking bekleideten Rücktheil des armen Magnus, der, unähnlich den Fischen, welche nach dem Schlag an die Oberfläche kamen, mit einem gewaltigen Schrei und Sprung in dem gelben, undurchsichtigen Wasser spurlos verschwand. Aber gedankenschnell tauchte er wieder empor, und Ruder und Fisch im Stich lassend, mit beiden Händen den schwer getroffenen Theil haltend, floh er an's Ufer und nahm sich erst hier Zeit, nach Mettel, der, ein Bild des Schreckens und der Verwunderung, mit wieder emporgehobener Waffe und geöffnetem Munde im Wasser stand, zurückzuschauen. Nur John behielt seinen Gleichmuth bei, warf den Fisch, den er gefangen hatte, an's Ufer und schleuderte dann das Eisen in den von Mettel's erstem Schlag getroffenen, dessen weißer Bauch, mit dem Strom weiter treibend, eben noch sichtbar war, um auch diesen in Sicherheit zu bringen. Dann wandte er sich ruhig an Mettel, dem er zurief:

»So ist's recht, trefft Alles, was lebt!«

»Verdammt will ich sein,« brummte Magnus, »wenn ich mich dann wieder neben ihn stelle; denn daß ich leichter als ein Fisch zu treffen bin, kann ein Kind einsehen.«

»Magnus,« sagte Mettel, noch ganz erstaunt und verwirrt, »da wollte ich ja gar nicht hinschlagen, aber es war wahrhaftig, als ob das Ruder eine ganz besondere Malice auf Euer Rücktheil gehabt hätte, denn es zog sich ordentlich mit aller Gewalt dort hin.«

Magnus schien übrigens keineswegs durch Mettel's Entschuldigungen zufrieden gestellt, doch Dehart beruhigte ihn und schlug vor, zum Hause zurückzukehren und ihre Beute in Sicherheit zu bringen, da sie ja auch überdies genug Fische hätten und die Mosquitos wahrhaft unerträglich würden. – Seine beiden Gefährten waren vollkommen damit einverstanden.

»Wir sind aber doch nun einmal naß,« fuhr John weiter fort, »und da wollen wir denn im Wasser bis an den Mississippi hingehen, wo wir noch vielen Fischen begegnen und großen Spaß haben werden.«

Mit diesen Worten trat er selbst in die Slew, und zwar zwischen Mettel und Magnus, da der Letztere dem Ruder des Andern unter keiner Bedingung wieder zu nahe kommen wollte. Langsam, mit gehobenen Waffen, wateten sie nun in der trüben, undurchsichtigen Fluth dahin, bekamen aber keinen Fisch zu sehen, bis Magnus nahe am Einfluß in den Strom an einen derselben stieß, der sich augenblicklich wandte und zum Fluß zurück wollte. Da – mit wüthenden Streichen, plätschernd und Wellen werfend, stürzten die beiden mit Rudern Bewaffneten über ihn her, immer entging er jedoch ihren Schlägen, und näherte sich schon ganz den kleinen Büschen, die dicht am Ufer des Mississippi wuchsen und den Eingang der Slew überhingen, als Mettel in ein dort, wo der Kanal so flach war, am allerwenigsten vermuthetes Loch gerieth und plötzlich untertauchte. Zu gleicher Zeit aber sauste auch Dehart's Harpune über ihn hinweg, der bis jetzt der beiden Männer wegen keinen sichern Wurf wagen konnte, und sie durchbohrte den Fisch in demselben Augenblick, als dieser im Begriff war, den tiefen Strom, der ihn vor allen weiteren Nachstellungen gesichert haben würde, zu erreichen.

Als Mettel wieder an's Tageslicht kam, zappelte und schlug der gefangene Fisch an der Leine und war bald an's Ufer gezogen; Magnus aber, durch Mettel's unfreiwilliges Bad ganz zufrieden gestellt, hatte seine gute Stimmung wieder gewonnen, und Alle kehrten, zwar naß wie die Katzen, aber doch heiter und guter Dinge, nach Dehart's Haus zurück, um dort dem versprochenen Trunk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Am nächsten Tage wollten die drei Männer nun zwar ihren Fischfang wiederholen, der Strom war aber in derselben Nacht wohl um zehn Zoll gestiegen und fuhr auch fort zu wachsen, bis der Mississippi endlich die Ufer überschwemmte und das Wasser nur noch durch die vier Fuß hohen Blöcke, auf denen das Gebäude ruhte, abgehalten wurde, in die Stube zu laufen. Deharts konnten elf Tage lang ihr Haus nicht verlassen.

Hiermit war denn auch, wenigstens für dieses Frühjahr, der Fischfang beendet, denn sobald der Fluß wieder anfängt zu fallen, und sei es nur um einen halben Zoll, so kehren alle Fische, die in die Sümpfe gezogen sind, um dort ihrer Nahrung nachzugehen, in dessen Ufer zurück; ihr Instinct sagt ihnen, daß sie, wenn sie länger zögern, leicht auf dem trockenen Lande zurückgelassen werden könnten, und nur wenige von ihnen halten sich dann noch in dem niedern Land eine kurze Zeit auf, ehe sie den dem Flußbett wieder zuströmenden Wassern folgen.


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