Friedrich Gerstäcker
Australien
Friedrich Gerstäcker

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11. Fahrt durch die Torres-Strait.

Unser Schiff lag draußen in der Bai, die Segel an den Raaen, und jeden Augenblick bereit auszulaufen, sobald der Wind nur ein klein wenig günstiger wurde; bis dahin blieben aber auch die eingefangenen Leute im Gefängniß, nicht der Gefahr ausgesetzt zu seyn sie noch einmal zu verlieren. Wenn das Schiff die Anker lichten wollte, wo vorher die Wasserpolice doch noch einmal an Bord kommen sollte, war es bestimmt daß diese die Gefangenen mit an Bord brächte.

Im Gefängniß waren außerdem noch drei Preußen, von dem englischen Schiff Sarah, die gar gern mit uns gegangen wären, Capitän Aymers von der Sarah wollte sie aber nicht freilassen, außer unser Capitän bezahlte die enorme Abstandssumme von 72 Pf. St. Fast die ganze Mannschaft der Sarah saß im Gefängniß, und zwar, weil sie sich unterwegs geweigert hatte zu »arbeiten,« d.h. das Schiff weiter zu regieren, wonach sie der Capitän in Eisen legen ließ und hier an die Gerichte ablieferte. Als aber die Sache zur Untersuchung kam, wies sich aus, daß der Capitän seine Leute unterwegs in scheußlicher Weise, oft im Trunk, mißhandelt habe. Nichtsdestoweniger mußten die Gerichte die Matrosen verurtheilen, da sie die Arbeit noch in See verweigert und dadurch alle übrigen Personen an Bord, wie das Schiff selber der größten Gefahr ausgesetzt hatten.

Dienstag den 23. wehte Morgens vom großen Top die preußische Flagge, als Zeichen für die Wasserpolice daß das Schiff segelfertig sey und die Anker lichten wolle. Ein Wasserboot kam indessen langseit die leergewordenen Fässer noch einmal vor der Abfahrt wieder aufzufüllen. Der zweite Anker, der die Nacht als es einmal sehr stark an zu wehen fing ebenfalls noch losgelassen war, wurde wieder aufgeholt, und der Lootse kam in seinem kleinen Boot angefahren. Der Wind wehte vortrefflich – eine starke westliche Brise, und wir konnten, sobald wir erst einmal so weit waren, vor dem Wind aus dem Hafen laufen. Indessen fehlten uns noch die Leute die erst mit der Wasserpolizei eintreffen sollten, und wir mußten tüchtig arbeiten den einen Anker heraufzubekommen. Da schoß das Boot um die Spitze des Forts herum und kam rasch näher, und bald darauf stiegen die vier Gefangenen mürrisch und beschämt an Bord.

Die Wasserpolizei untersuchte hierauf das Schiff von oben bis unten, ob nicht etwa irgendwo noch entlaufene Matrosen versteckt wären; in alle Winkel leuchteten oder krochen sie hinein und kamen endlich, nach einem letzten Besuch unseres »Kuhstalls« heiß und abgemattet wieder an Deck.

Statt daß wir aber nun durch die neu angekommenen Matrosen hätten mehr Hülfe haben sollen, gab das nur noch mehr Spektakel; – diese weigerten sich nämlich zu arbeiten und wurden vor allen Dingen in das Vorcastle eingesperrt. Zu gleicher Zeit waren auch die Polizeidiener mit der Untersuchung des Schiffes fertig geworden und revidirten die Leute, wobei sie bei dem einen, der ebenfalls von der Sarah war, aber dort nicht die Arbeit verweigert, und seine ordentliche Entlassung bekommen hatte, Schwierigkeiten machte, indem der Capitän der Sarah nur sein mündliches Versprechen gegeben und kein schriftliches discharge ausgestellt zu haben schien. So schon schwach an Matrosen, konnte aber unser Capitän diesen, einen der besten Leute, nicht ruhig gehen lassen, und fuhr nun, trotzdem daß uns die herrlichste Brise begünstigte, noch einmal an Bord der Sarah, die dicht an der Stadt lag, zurück, vom Capitän Aymers die schriftliche Entlassung zu fordern.

Um aber unter der Zeit nichts zu versäumen beschloß der Lootse weiter hinaus in freies Wasser zu legen, der Befehl zum Ankerlichten wurde gegeben, und schwach wie wir an Besatzung waren, gingen wir an die Arbeit und nahmen die Kette bis auf 15 Faden auf, Ankergrund war 12 und da das Schiff an zu treiben fing wurde das Vormarssegel und große Marssegel gelöst; der Buttenklüver half dabei uns von dem nächsten Schiff, dem wir mit dem noch schwingenden Anker zu trieben, klar zu halten und mit äußerster Kraftanstrengung mußten wir jetzt wirklich die letzten Fünfzehn-Faden-Kette mit dem schweren Anker daran aus dem Schlamm und gegen zwei Meilen Fahrt an, wie wir jetzt jedenfalls durchs Wasser gingen, heraufarbeiten.

Zu gleicher Zeit war der eine Junge, der nichtsnutzigste am ganzen Bord, aus dem Vorcastle heraufgeschlichen und wollte, als wir gegen das Land zu kreuzten und der einen Spitze nahe kamen, über Bord springen; der fand uns aber alle dazu gerade in günstiger Stimmung, und war sicherlich froh als er sich wieder sicher im Vorcastle fand.

Die tollste Verwirrung herrschte indessen an Bord, der Lootse brüllte und schrie die verschiedensten Befehle durcheinander, mit den paar Leuten sollte bald der Anker auf, bald Segel gesetzt oder angebraßt werden und die Leute selber fingen an zu murren und meinten, wenn die vier andern gar nicht arbeiten wollten könnten sie auch überhaupt nicht in See gehen. Trotzdem bekamen wir aber endlich den Anker hoch, wurden von den Schiffen frei und sahen uns bald darauf im tiefen Wasser, wo wir ohne Gefahr, bis zu des Capitäns Rückkehr, hin und her kreuzen konnten. Nicht lange darauf sahen wir dessen kleines Segel auch über die Bai daherschießen – er kam an Bord, der Lootse winkte seinem Boot herbei das ihn wieder zurück nach Sidney führte, die Segel wurden Vierkant gebraßt und vor dem Wind glitten wir mit einer herrlichen Brise in die freie offene See hinaus.

Die Hauptsache war jetzt die gefangenen Matrosen wieder zur Arbeit zu bringen, und das geschah auf eine so einfache als schnelle Art. Der Capitän erklärte ihnen daß, wer auf seinem Schiff nicht arbeite, auch nichts zu essen bekäme, und der Anfang wurde damit gemacht daß sie zusehen mußten wie die andern frühstückten. Nun wußten sie wohl recht gut daß sie Capitän Schmidt nicht würde verhungern lassen, daß sie aber auch zu gleichem Zeit, sowie sie hartnäckig auf ihrem Sinn blieben, in Batavia, so lange das Schiff dort lag, wieder eingesteckt würden, und Batavia war ein ungesunder Ort, Gefängnißstrafe dort eine sehr gefährliche Sache. Bald kam also eine Deputation von ihnen und als ihnen der Capitän versprach ihr früheres Vergehen, falls sie sich jetzt nur gut betrügen, zu vergessen, so machten sie sich nun erst einmal vor allen Dingen über das Frühstück her und gingen dann, als ob gar nichts vorgefallen wäre, frisch mit den andern an die Arbeit.

Der Wind war vortrefflich, wurde aber immer heftiger, so daß wir gegen Abend die Bramsegel ein und ein Reef in die beiden Marssegel nehmen mußten. Wir jagten vor dem Wind einen Ostnordost-Cours um nur erst einmal vom Lande fortzukommen und später, wenn die in dieser Jahreszeit zu erwartenden Passate einträten, mehr Seeraum zu haben.

Den 24. Herrliche Brise – Bram- und Leesegel gesetzt und jetzt NO-Cours, immer noch vor dem Wind. Die Brise blieb uns günstig, ein paar Tage Windstille in der Höhe von Moreton-Bai drohten freilich unsere Fahrt etwas aufzuhalten, ein Gewitter brachte uns aber eines Abends den herrlichsten Südost-Passat, und mit vollgeblähten Segeln liefen wir auf gen Norden.

Wir kamen jetzt bald in eine Höhe mit den »Riffen« und es wurde Zeit sich in etwas auf die »Gefahren der Torres-Strait« vorzubereiten.

Ehe ich übrigens unsere Fahrt selber weiter verfolge, wird es nöthig seyn dem Leser wenn auch nur einen kurzen geographischen Ueberblick über diese Straße zu geben, von der er vielleicht noch nicht ein einziges Mal in seinem Leben gehört, und die doch schon so gar viele Menschenleben und so manches gute Schiff gekostet hat.

Im Norden von Australien, wenn der Leser seine Karte zur Hand nimmt, läuft eine ziemlich spitz aussehende, aber doch manche lange Seemeile breite Landzunge, deren westlichste und schärfste Spitze Cape York genannt ist, gegen Neu-Guinea hinauf, und der noch gebliebene Wasserstreifen zwischen Neu-Guinea oder Papuasien und Australien wird die Torresstraße genannt. Diese »Straße« bietet aber keineswegs ein glattes offenes Fahrwasser, wie z. B. der oft noch schmälere »Kanal« zwischen Frankreich und England, sondern ist nicht allein mit kleineren und größeren Inseln, Riffen, Sandbänken und Klippen wie übersäet, sondern gegen das stille Meer zu auch noch mit einer förmlichen Mauer von Riffen – die sogenannten Barrier-Reefs wie geschlossen, und diese erstrecken sich, eine feste drohende Wand bildend, von dem australischen Kontinent bis nach dem Festland von Nord-Guinea hinauf. Nur einzelne schmale und wegen der starken Strömung dort nach Nordwesten sehr gefährliche Passagen führen in den inneren Bereich der Riffe, wo das Schiff aber nicht etwa daran denken darf, nach Compaß oder Cours zu steuern, sondern Abends, ja beim ersten Einlauf schon Nachmittags, seinen Anker fallen lassen und still liegen muß, bis die nächste Morgensonne sein Fahrwasser wieder beleuchtet.

Merkwürdig ist besonders die Bildung der Barrier-Riffe, die in so eigener Formation, fast senkrecht aus der ungeheueren Tiefe des Meeres bis zur Oberfläche emporsteigen, und während die Brandung, in ununterbrochenem Sturze donnernd gegen sie anbraust, Jahrhunderten Trotz geboten haben. An der Außenseite der Riffe und nicht dreißig, oft kaum zehn Fuß von ihnen entfernt, ist das Wasser nicht selten von sechs- bis zwölf- und dreizehnhundert Fuß tief, während dicht daneben der weiße Kamm der Koralle sichtbar wird, und wenn es auch erklärlich erscheint, wie sich die Masse jetzt gegen die andrängenden Wasserstürze im Stande ist zu halten, so bleibt es doch eins der wunderbarsten Räthsel der Natur, wie das kleine Koralleninsekt, dem die Meisten doch die Bildung des Korallenbaums zuschreiben, im Stande war seine schwachen Zellen dort höher und höher zu bauen, während die furchtbare Gewalt der See dadurch gebrochen wurde und nun, kaum Widerstand findend, donnernd und doch vergeblich dagegen anstürmte.

Wie ich eben erwähnte glaubten die meisten Naturforscher – und in vieler Hinsicht hat das auch wirklich die meiste Wahrscheinlichkeit, daß diese Korallenbänke, die fast alle Inseln des stillen und indischen Meeres umziehen und besonders um die Eilande der Südsee solche wunderliche Dämme bilden, durch ein kleines Insekt entstehen, das in rasch aufeinander folgenden Generationen sein steinhartes Nest aus irgend einer besonderen Substanz seines eignen Körpers baut und seine Eier hineinlegt, und so Nest auf Nest, Colonie auf Colonie setzt, bis der gewaltige Bau die Oberfläche des Meeres und damit seine Grenze erreicht, denn Salzwasser ist zu seinem Entstehen sowohl als Bestehen unumgänglich nöthig.

Andere halten aber den Korallenbaum selber für ein wirkliches Seegewächs, dessen Zellen das Koralleninsekt eben nur benutze seine Eier hineinzulegen, seine Wohnung darin aufzuschlagen, und ich muß selber gestehen daß diese Auffassung für mich das Wahrscheinlichere sowohl wie auch den unendlichen Reiz des mehr poetischen hat, für das sich aber auch wieder recht gewichtige Gründe anführen lassen. Wie die Polypen den Uebergang bilden zwischen der Thier- und Pflanzenwelt, ebenso würden die Korallen das Medium seyn oder den Uebergang herstellen zwischen der Pflanzen- und Steinwelt, und einen leisen Uebergang finden wir ja über dem ganzen Erdball hin zwischen allen Gattungen und Geschlechtern – es ist fast nichts scharf und schroff von einander getrennt. Wie alle andern Seegewächse würden sie demnach langsam aber sicher emporschießen, und ihr ganzes theils baum- theils schwammartiges Aussehen scheint diese Vermuthung in hohem Grad zu unterstützen. Wenn wir auch die Möglichkeit nicht ableugnen können, daß solch kleine winzige Insekten im Stande wären eine Masse herzustellen die sich, im Wasser erhärtend, die Festigkeit des Granits annähme, so müssen wir dem Insekt dann auch die Fähigkeit zutrauen, nach einem Ungeheuern Maßstab hin gleich von Anfang an den Grund zu einem Gebäude zu legen, das viele Millionen mal größer als es selber war. Wir können dabei kaum mehr einen Instinkt annehmen, wo es gilt auf die Länge der Zeit den Druck der Wassermassen zu berechnen, während eine Steinpflanze, wenn wir die Koralle eine solche seyn lassen, schon in ihrer Natur sich da fester in den Boden wurzelt, wo stärkerer Druck dagegen eine solche Nothwehr verlangt. Die dem Sturm am meisten ausgesetzten Bäume haben stets die stärksten Wurzeln, und die Steinpflanze würde ein kolossales Ganzes bilden, während die Masse, durch das Insekt erst hervorgebracht, aus Millionen kleinen aber einzelnen Theilen bestehen müßte.

Doch wie dem auch sey, in diese »Barrier-Reefs« führen nur einzelne schmale Pässe, Kanäle könnte man sie fast nennen, während im Innern, also in dem Strich der unmittelbar zwischen Australien und Neu-Guinea liegt, Schiffe fast überall von fünf bis fünfzehn Faden Ankergrund finden. Außer den richtigen Kanälen aber, d. h. solchen die wirklich mit Wasser tief genug für ein starkes Schiff eine sichere Einfahrt herstellen, existiren aber auch noch »falsche Pässe,« d. h. solche die von Außen einer Einfahrt gleichen und Fahrzeuge manchmal verleiten sich ihnen anzuvertrauen, dann aber plötzlich einen Damm von querübergezogenen Riffen zeigen, und dem Schiff den Untergang drohen; denn selbst bis dicht davor finden sie keinen Ankergrund und Wind und Strömung setzen das seinem Geschick verfallene Fahrzeug rettungslos auf die Klippen.

Doch der Leser wird bald näher mit jener Gegend vertraut werden, und jedenfalls ist es die interessanteste Seereise, die man, zwischen diesem förmlichen Gewirr von Inseln und Riffen, nur möglicher Weise machen kann.

Die hier herrschenden Winde stehen schon mit den indischen Monsoonen in ziemlich genauer Verbindung, so daß sie fünf bis sechs Monate des Jahres von Südost und die andern Monate – mit einer neutralen Zwischenzeit jedes Wechsels – von Nordwesten wehen. Die Passage richtet sich natürlich vollkommen hiernach, denn da auch die Strömung dem Winde folgt, so wäre es z. B. im Nordwest-Monsoon eine reine Unmöglichkeit für ein Schiff aus dem stillen in den indischen Ocean durch die Torresstrait zu gelangen, denn mit Wind und Strömung gegen sich, würde es in dem engen Fahrwasser gar bald festsitzen und verloren seyn. Wir selbst kamen schon etwas spät in der Jahreszeit, und der September ist eigentlich gewöhnlich der letzte Monat, mit dem man sich von hier aus in die Straße hineinwagt, in dem der Nordwest-Monsoon manchmal schon selbst Mitte Oktober eingesetzt hat. Außerdem ist eine Fahrt, gerade im Wechsel des Monsoons, auch noch doppelt gefährlich, als nicht allein plötzliche Stürme, sondern auch dichte Nebel sehr häufig vorkommen, und ein Fahrzeug dann natürlich in einem Wasser keinen Fortgang machen kann, wo man sich keinen Faden weit mehr auf den Compaß verlassen darf, sondern einzig und allein nur nach dem gesteuert wird, was an Klippen und Untiefen rings um das Schiff her, von der Vorbramraae eben zu sehen ist. Ein guter Muth und kaltes ruhiges Blut sind aber, wenn der Capitän seine Sache ordentlich versteht, die Hauptsache bei dieser Fahrt, zu welcher sich die Schiffe erst seit einigen Jahren entschlossen haben, und wir Alle glaubten auch wirklich an gar keine Gefahr; die Torresstraße war uns eine Abwechselung in dem monotonen Seeleben, und als solche kann ich wohl sagen daß ich sie mit Freude begrüßte.

Den vierten hatten wir neblichen Wetters wegen, das hier schon anzufangen schien, keine Observation bekommen können, den fünften dagegen kam die Sonne gerade um Mittag herum, voll heraus, und wir fanden uns so nahe den Riffen, daß wir die Nacht gar nicht mehr über denselben Bug konnten liegen bleiben, sondern Abends um 8 Uhr, unter gereeften Marssegeln, über Stag gingen und bis 12 Uhr abhielten; dann kehrten wir bis 4 Uhr wieder um, daß wir uns zu dieser Zeit etwa genau auf derselben Stelle befanden, wie Abends um 8 Uhr, und hielten dann, platt vor dem Wind nach der Richtung zu, in der, des Capitäns Berechnung nach, Raines Island, bei dem wir einlaufen wollten, liegen mußte.

Der Capitän hatte vollkommen recht gehabt – um 9 Uhr Morgens etwa sah ich zuerst, von der Vorbramraae aus die Brandung der großen Bank – der Capitän und Steuermann kamen jetzt nach oben, und wir behielten noch etwa eine halbe Stunde denselben Cours bei, als plötzlich gerade vor uns, am Horizont, zwei dunkle Punkte sichtbar wurden, die wir beim Näherkommen für den »Beacon« von Raines-Insel und ein Schiff, das dicht dabei lag oder segelte, erkannten. Unser Clüverbaum zeigte genau auf den Beacon.

Ein sehr guter Eingang in Torresstrait ist diese Passage, südlich von Raines-Insel. Der Kanal zwischen dieser Insel und dem südlich daran gelegenen »großen Riff« ist etwa vier englische Meilen breit, und das Wasser bis dicht an die Riffe hinan, blau und tief – es soll über 300 und mehr Faden halten. – Als wir näher kamen konnten wir deutlich die Riffe an einem hohen schäumenden Streifen von Wogen erkennen, die hier in ununterbrochener Brandung über die oben zur Oberfläche ragenden Korallen stürmten.

Dem Lande uns nähernd fanden wir daß das Schiff, das wir mit dem Beacon oder Thurm von der Insel zugleich gesehen, keineswegs segelte oder vor Anker lag, sondern fest in den Klippen saß, und zwar durch eine gewaltige See über eine Riffreihe selber weggehoben war und jetzt unrettbar zwischen den brausenden Wassermassen eingekeilt stak. Es war eine Brig, schwarz gemalt, mit weißer Leiste und hohen Bramstengen, das Vormarssegel noch an der Raae und gelöst, das große Marssegel fest, die Bramstengen und Raaen alle noch auf und in der That so gestellt, daß es fast aussah als sey das Fahrzeug hier erst an diesem nämlichen Morgen in seine allerdings verzweifelte Lage gekommen. Jedenfalls konnte es nur erst wenige Tage hier liegen, von menschlichen Wesen war aber keine Spur zu entdecken, keine Flagge stieg auf, kein Zeichen wurde gegeben, die Mannschaft hatte jedenfalls schon das Schiff verlassen, und da ein anderes englisches Schiff – die Bank von England – kurze Zeit vor uns ebenfalls durch »die Straße« gegangen war, ließ sich denken daß diese die Schiffbrüchigen aufgenommen hatte. Die Brig lag etwa eine englische Meile von der kleinen sandigen Insel ab, auf der der Thurm stand.

Dieser Thurm gleicht von weitem einem der gewöhnlichen breiten Leuchtthürme, scheint aber, wenigstens was wir davon erkennen konnten, nur aus Sparrenwerk zu bestehen, denn die Luft schimmerte hindurch. Er bildete übrigens eine vortreffliche Landmark, sich danach zu richten, und kann, seiner Breite und Höhe wegen, ziemlich weit gesehen werden. Die Insel auf der er steht, wird übrigens kaum länger als eine englische Meile seyn und besteht aus Sand, hie und da mit niederem Gestrüpp bedeckt. Nur am westlichen Ende derselben, wo in Lee vielleicht ein guter Platz zum Anlaufen mit dem Boote ist, sahen wir zwei kleine niedere Hütten – möglicher Weise von der Mannschaft der Brig errichtet, oder auch von den Leuten aufgestellt die damals den Thurm gebaut haben. Neben dem Thurm ließ sich ebenfalls noch mit dem Glas ein niederer hausartiger Gegenstand erkennen, von menschlichen oder überhaupt lebenden Wesen – die Möven ausgenommen – aber auch nicht die Spur. Kein Tuch, keine Flagge wehte, keine Seele bewegte und regte sich auf dem weißen Sande auf dem wir hätten selbst mit bloßen Augen einen Hund erkennen können.

Wie sich später übrigens auswies hatte die »Bank von England« auch schon Niemand mehr an Bord gesehen, und die Möglichkeit ist da, daß sich die Mannschaft nach dem festen Lande zu gerettet haben konnte, dort durften sie aber keinesfalls bleiben, sondern mußten ihren Weg nach Westen und nach einer der indischen Inseln suchen; denn diese nördliche australische Küste bewohnen gar wilde bösartige Stämme und die wasserarmen Ufer böten schon außerdem einen trostlosen Aufenthalt.

Es ist beim Einlaufen in solch gefährlichen Platz übrigens gerade kein angenehmer Anblick ein solches Wrack zu finden, dessen Mannschaft sicherlich mit eben so guten und frohen Hoffnungen die Barrier-Riffe erreicht hatte, wie wir selber, und das Gefühl wird verstärkt, wenn man die Karte überschaut, und die merkwürdigsten Beispiele von einzelnen Felsen und tiefem Wasser dabei findet. So ist in 12° 15' Breite etwa die Stelle angegeben, wo ein Schiff förmlich auf die Klippen, und zwar gerade zwischen 160 und 138 Faden Wasser gelaufen ist – es soll vorn auf den Riffen gesessen haben, während hinten mit der langen Lothleine kein Grund zu finden war – nur noch kurze Strecke zurück würde es mit genauer Peilung 235 Faden Wasser gehabt haben. Wir hatten übrigens schönes Wetter, eine günstige Brise und gute Instrumente, und unser Capitän war seiner Sache ziemlich gewiß.

So liefen wir denn, dicht unter Raines-Island, die »große Bank« gerade an, als ob wir sie schnurstracks aufsegeln wollten, hielten in kaum hundert Schritt davon entfernt daran hinauf, und während links und rechts die Brandung der Riffe schäumte und brauste, und wir auch zugleich ein paar Stellen mit sehr grünem Wasser passirten, wo Klippen dicht unter der Oberfläche lagen, hatten wir die Einfahrt, die gefährlichste Stelle, glücklich hinter uns. Eine halbe Stunde später etwa sichteten wir links die Ashmore-Bank, ein schmaler kurzer Sandstreifen und rechts die Mittelbank – häßliche Plätze von Sand und Felsen, die in einem langen seegrünen Streifen hie und da selbst über die Oberfläche hinausragten.

Vor uns lag jetzt das wüste höhere Land, Hardys-Insel, zwei kleine kahle Eilande, die wir südlich ließen und auf die nördlichen Riffe der Cockburn-Inseln zuhielten. Es sind dieß drei Inseln von einer weitgestreckten Riffbank umgeben, und wir hätten an diesen hin unsern Weg gar nicht verfehlen können, wäre die Sonne nicht schon im Westen gewesen. Da wir aber gerade auf Westen zusteuern mußten, legte sich der blitzende blendende Schein gerade vor uns, in breiten Streifen aufs Wasser, und es sah nun aus als ob die ganze See von lauter Riffen und Bänken durchzogen wäre. Dadurch hielten wir ein klein wenig zu viel ab, die Strömung setzte uns auch noch nach Norden hinauf, und plötzlich befanden wir uns in ganz lichtgrünem Wasser. Allerdings ist auf der Karte mitten im Fahrwasser einmal sechs Faden angegeben, der Capitän wollte aber sicher gehn. Wir gingen über Stag, liefen eine Strecke wieder zurück, und hielten dann, dicht bei dem Wind soweit südlich wir nur halten konnten, zwischen den Hardys- und Cockburn-Inseln, und zwar in eine Bucht hinein, welche sich von Cockburns-Insel noch östlich ausstreckt. Dort, wenn es etwa anfangen sollte die Nacht zu wehen, von den Riffen geschützt, und in 15 Faden Wasser, geiten wir die Segel auf, warfen Anker und lagen bald still und ruhig auf der nur leise schaukelnden Fläche – unsere erste Nacht in der Torresstrait zu verträumen.

Der Steuermann machte übrigens auch noch Anstalten das Schiff gegen etwaigen Ueberfall von Schwarzen, obgleich hier wohl nicht die mindeste Gefahr war, zu vertheidigen. Die beiden Kanonen, die steif und unbehaglich zu ein paar sehr engen Schießlöchern auf dem Quarterdeck hinaussahen, wurden geladen – dießmal aber noch blind, um sie vielleicht gleich das erstemal nicht so sehr anzugreifen, der Wachthabende nahm sich ebenfalls eine Flinte mit an Deck, aber scharf geladen, und über das Deck hingestreut, denn es war der schwachen Brise wegen entsetzlich heiß in den untern Räumen, lag bald die ganze Mannschaft im süßen Schlafe.

Vorzügliche Fische hatten wir übrigens den Tag über gefangen, eine hechtartige Gattung, die bei rascher Fahrt einen, an dem Haken befestigten rothen Lappen mit wahrer Gier hinterschnappten, und ein paarmal sogar so groß waren daß sie die sehr starke Leine mit einem Ruck abrissen. Frische Fische sind schon auf dem Land gut, bilden aber auf der See, wo man, besonders im heißen Klima, nicht so viel frisch Fleisch halten kann, eine wahre Delicatesse.

Den 7. Morgens um 7 Uhr etwa lichteten wir den Anker und gingen mit einer leichten Brise unter Segel. Das gefährlichste Fahrwasser hatten wir aber hoffentlich hinter uns, und der Kanal zwischen den Felsen und Riffen durch, war hier verhältnißmäßig breit, wenigstens konnte man mit solch günstiger Brise allen, von der Bramraae aus leicht zu erkennenden Hindernissen stets noch zu rechter Zeit ausweichen.

Die sichtbaren Inseln und Riffe boten wenig oder gar nichts Interessantes. Hie und da ein kleiner mit niederem Buschwerk bewachsener Platz, den weitgestreckte, von lichtgrünem Seewasser manchmal kaum überschwemmte Korallenriffe, manchmal kahl aus dem Wasser schauende Sandbänke umgaben. So waren zur Linken Arthurs-Inseln, so vor uns die drei kleinen Hannibals-Inseln, so rechts die flachen mit Busch bewachsenen Boydong-Kays und das dahinter liegende »Bufhy-Island.« Gerade vor uns lagen die Cairncroß-Inseln, und wir fanden dort wieder einen guten Ankerplatz für die Nacht; hatten auch gehofft die Stelle noch früh am Nachmittag zu erreichen, um an Land fahren zu können, der Wind schlief aber fast ganz ein, und die Sonne ging unter, ehe wir Anker werfen konnten. Es war dunkel bis die Segel festgemacht waren. Nichtsdestoweniger beschlossen der Steuermann (Köhler) und ich noch an Land zu fahren, und zu sehen was es eigentlich auf der Insel gäbe; das Boot wurde hinuntergelassen, und wir ruderten dem kaum eine englische Meile entfernten Ufer zu.

Die kleine Insel sah so von weitem, und bei der fahlen Beleuchtung des Mondes, malerisch genug aus – der dichte grüne dunkele Busch von den weißen Sand- und Korallenufern und Riffen umgeben, der wunderlich gefärbte Himmel der darüber hing, und die leise wogende See auf der wir rasch dahinschossen, dazu die dunkelglühenden Feuer auf dem australischen Festland, das den Hintergrund bildete, mit der Neuheit und Oede des ganzen Platzes – doch die Wirklichkeit ließ mir keine Zeit mich Träumen und Phantasien hinzugeben. – Dicht vor uns ragte eine steile Sandbank aus dem Wasser, das hier auch tief genug zu einem Landungsplatz schien – dorthin schoß das Boot, und gleich darauf grub sich der Steven desselben in den weichen Muschelsand.

Der Steuermann war hauptsächlich herübergekommen Muscheln zu suchen, mich interessirte es aber mehr den Baumwuchs der Insel zu sehen, und ich bahnte mir deßhalb vor allen Dingen in das mit tausend Schlingpflanzen durchwachsene Dickicht eine Bahn.

Hui wie das schwirrte und surrte und girrte – tausende von Vögeln belebten die Bäume und das Gesträuch, und überall stoben sie von ihren Plätzen, auf denen sie sich für die Nacht niedergelassen hatten, durch den schauerlichen Spektakel den ich im Unterholz machte, aufgescheucht, empor, und suchten eine sicherere, ungestörtere Ruhestätte. Dazu stöhnten am andern Ende der Insel ein paar Wasservögel, eine Art Kranich wahrscheinlich, auf ganz eigenthümlich wilde Art und der ganze Platz schien von Tauben zu wimmeln. Natürlich hatte ich mein Gewehr mit, da man ja nicht wissen konnte ob sich nicht Eingeborne von dem nahen Festlande hier herüber gezogen hätten; zum Schuß konnt' ich aber doch nicht kommen, denn die Büsche waren zu dicht und undurchsichtig.

Nachdem ich etwa eine halbe Stunde in dem Gehölz allein herumgekrochen war, und zur Genüge eingesehen hatte daß ich hier weiter nichts ausrichten konnte, als mir in dem Gestrüpp das Hemd vom Leibe zu reißen, brach ich mir nach der helleren Küste zu wieder Bahn, und hieb mir von all dem verschiedenen Buschwerk das ich finden konnte mit meinem Jagdmesser ein paar Zweige ab, diese am nächsten Morgen bei Tageslicht zu besehen.

Der Steuermann suchte nach Muscheln und ich gab mir auch jetzt Mühe einige zu finden, es war aber zu dunkel. Nur was man so an kleinem Zeug zusammenraffen konnte, nahm ich mir mit und da es auch unter der Zeit ziemlich spät geworden war, machten wir uns wieder auf den Heimweg. Am andern Morgen wollten wir so früh wie es uns der Tag nur erlaubte, aufbrechen, wo wir dann bei guter Zeit unsern nächsten Ankerplatz – eine ziemlich große Insel – erreichen konnten.

Der Mensch denkt und Gott lenkt – ein altes gutes Sprüchwort. – Am nächsten Morgen war die Luft allerdings etwas flau, nichtsdestoweniger wurden, da die Brise ja mit jedem Augenblick frischen konnte, mit Tagesanbruch die Segel gelöst, und die Mannschaft ging dann an das Ankerlichten – eine Arbeit die hier, wo wir bei 15 Faden Wasser nur etwa 50 Faden Kette ausgesteckt hatten, in einer halben Stunde verrichtet werden konnte. So lange die lose Kette eingeholt wurde, ging die Sache auch recht gut, plötzlich aber stockte es – eine der Ankerschaufeln mußte hinter einer Koralle gehakt haben, und es galt nun diese abzubrechen. Mit allen Kräften gingen wir daran; eine gute Stunde hatten wir aber gearbeitet, und zwar was man arbeiten nennt, mit Aufwand aller unserer Kräfte, ohne mehr als vielleicht ein oder zwei Fuß von der Kette einbekommen zu haben. Endlich wich diese ein wenig, aber ganz unbedeutend, und die Frühstückszeit kam heran, wo wir schon gehofft hatten, eine Partie Meilen hinter uns zu haben. Nach dem Frühstück begannen wir wieder mit frischen Kräften – kein Mann war an Bord, der nicht mit an der Ankerwinde hing, vom Capitän hinunter, mich natürlich nicht ausgenommen, aber um neun Uhr hatten wir noch nicht einmal zwei Faden gewonnen.

Der Anker konnte übrigens jetzt gar nicht mehr hinter einem Felsen sitzen, er war gelüftet, die Kette hing gerade auf und nieder und – wir trieben. Allerdings war das Fahrwasser eben an dieser Stelle ziemlich breit, und gerade keine dringende Gefahr zu fürchten, trotzdem ist aber das Treiben zwischen diesen Bänken und Riffen, von denen nur wenige ordentlich untersucht sind, eine mißliche Sache, und wir erneuerten deßhalb unsere Anstrengungen, den Anker der ja doch nun kommen mußte, herauf zu kriegen.

– Aber er kam nicht, und es blieb jetzt gar kein Zweifel daß er etwas gefaßt habe, und besten Willens sey es auch mit herauszubringen. Was nun zu thun?

– Den Anker und 15 Faden Kette im Stich lassen ging doch auch nicht gut, forttreiben durften wir ebenfalls nicht, und halten wollte der Anker auch nicht mehr. Also einen letzten Versuch – was wir mit unendlicher Arbeit gewonnen hatten, die eroberten paar Faden wurden wieder geopfert und der Anker aufs Neue mit einem plötzlichen Ruck losgelassen, damit er das was er vielleicht gefaßt habe, dadurch abstoßen könne.

Der Ruck bebte durchs ganze Schiff, hatte für uns aber nicht den mindesten Erfolg, und unsere Arbeit begann von Neuem. Zoll für Zoll quälten wir jenes entsetzliche Gewicht in die Höhe, und als der Anker wieder gelüftet war ließ der Capitän den andern fallen, damit uns dieser so lange festhielt – Zoll für Zoll, Stunde nach Stunde, und manchmal war es fast als ob er sich nun ganz fest entschlossen hätte und unter keiner Bedingung auch nur eine Linie weiter weichen wollte. Aber wer wußte auch was auf dem Anker saß, und wenn es selbst ein tückischer Seegreis mit seiner ganzen Familie gewesen wäre (wir fingen übrigens an zu glauben es sey ein anderer Anker mit einer Kette), ans Tageslicht mußte er – und er kam auch, aber langsam, nur höchst langsam, und erst um 11 Uhr konnten wir den ersten Schein des aus der Tiefe Herausgeholten erkennen. Und am Ende hatte ich doch recht mit dem Seegreis, etwas Weißes, das möglicherweise sein Bart seyn mochte, ließ sich schon unten in der grünen Tiefe unterscheiden, und wieder und wieder arbeiteten wir an der Auferstehung.

Und was war zuletzt das Resultat unserer großartigen Fischerei – ein kolossaler Muschelfels, so hart daß wir mit einem eisernen schweren Schmiedehammer nicht einmal ein Stück abschlagen konnten, und so fest in den einen Arm des Ankers hineingeklemmt, daß wir jetzt noch nicht wußten wie wir ihn herausbekommen sollten. Endlich, nach mancherlei Versuchen, wurde ein Tau um die eine Flühe geschlagen, der Stein hing in der andern; dieß wurde am Deck festgemacht, und die Kette dann wieder einen Faden nachgelassen. Dadurch bekam der riesige Muschelblock das Uebergewicht, der Anker schlug um und von einem aus vollen Herzen kommenden Hurrahgeschrei stürzte der Seegreis, der sich jedenfalls nahe der Oberfläche in diesen Muschelklumpen verwandelt hatte, von unseren besten Segenswünschen begleitet, in die Tiefe zurück. Was auch früher unsere Ansichten über ihn gewesen seyn mochten, wir waren jetzt viel zu guter Laune ihm etwas, Böses zu wünschen.

Die Brise die Morgens ziemlich gut gewesen, war jetzt aber ganz flau geworden, der Mittag ebenfalls herangerückt, und da hier Nachmittags der untergehenden Sonne wegen doch nicht so gut zu fahren ist, und wir am Abend keinen guten Ankerplatz, wenigstens keinen geschützten, hätten erreichen können, so beschloß der Capitän den Nachmittag hier liegen zu bleiben und am nächsten Morgen lieber früh aufzubrechen.

Mir war das natürlich um so lieber, denn wir behielten dadurch Zeit noch einmal an Land zu fahren und die Insel auch bei Tageslicht zu besehen. Mit dem Steuermann, denn der Capitän wollte das Schiff nicht verlassen, und vier Matrosen ging ich deßhalb wieder an Land, und dort angekommen zerstreuten wir uns bald nach allen Richtungen hin Muscheln zu suchen, von denen wir aber weit weniger fanden als wir gehofft, ja erwartet hatten.

Die Cairncroß-Inseln bestehen aus zwei kleinen Eilanden; die eine mit kaum einem viertel Acker Flächenraum, die andere vielleicht anderthalb englische Meilen im Umfange, und wohl das nicht einmal. Es sind reine Koralleninseln mit Muschelsand und einer leichten Erddecke, durch verweste Vegetation entstanden, bedeckt, und, obgleich unter einem so hohen Breitengrade, kaum mit tropischen Pflanzen bewachsen, wenn man nicht einen magnolienartigen Baum dazu rechnet, der eine pflaumenähnliche Frucht trägt. Die Frucht selbst sieht genau in Gestalt und Größe so aus wie unsere ehrliche deutsche Zwetsche – lieber Gott, die waren jetzt gerade reif und ich bekam wieder keine davon! – sie ist aber trockener, wenn auch ebenso süß, und ähnelt im Geschmacke mehr der Dattel. Der Baum selbst ist aber keineswegs eine Palmenart, sondern hat in seinem Laube und selbst in der Form und Farbe des Holzes Aehnlichkeit mit der amerikanischen Magnolia. Das war die einzige, wenigstens in dieser Jahreszeit vorkommende Frucht; etwas anderes bot die Insel jedoch in wahrhaft unglaublicher Quantität, eine wunderhübsche weiße Taube mit schwarzen Strichen und Flecken im Gefieder, und hie und da mit einem Anfluge von gelb, wie beim Kakadu – das Weißgelb scheint aus dem nämlichen Farbentopfe genommen zu seyn. Sie bauen ihre Nester auf die einfachste und scheinbar ungeschickteste Art, nur aus ein paar in einander gelegten Stäbchen bestehend, so daß man von unten sehen kann ob Eier oder Junge darin sind; es geschieht das aber sicher der Hitze wegen, damit die Jungen den nöthigen Luftzug nicht entbehren, und ausbrüten müssen sie sich doch auch so lassen, denn sonst wären die Jungen eben nicht da. Ich schoß eine Partie von ihnen und wir fanden sie äußerst schmackhaft.

Sonderbarer Weise ist übrigens nicht ein Tropfen frisches Wasser auf der Insel zu finden, und die Tauben müssen dieses also ebenso gut entbehren können wie die Seevögel.

Massen von Seevögeleiern fanden wir, immer zwei und zwei zusammen und zwar mit den spitzen Enden dicht neben einander geschoben, in dem heißen Sande oder den zerbröckelten Korallen, von denen die See hier ganze Bänke ausgewaschen hat. Sie sind der Sonne zum Ausbrüten anvertraut.

Außer einigen anderen Pflanzen, die ich nicht Botaniker genug bin zu bestimmen, fand ich die Casuarine (die englisch genannte (Cheoak oder Sheoak) und eine eigenthümliche Baumgattung mit lebendig grünen fleischigen Blättern, die Blätter alle im Kreise um den Stiel, ziemlich rund und nach oben nur etwas spitz zulaufend, deren Zweige, nach Art der Banianen, Schößlinge wieder schräg ab in die Erde sandten und dort Wurzel fassen ließen, daß der Strauch, wie von so vielen Tauen nach allen Seiten hin gehalten, auch im gewaltigsten Sturme unerschüttert stehen bleiben mußte. Ich fand diesen Strauch übrigens nur in der unmittelbaren Nähe des Wassers, und die ausgesandten Wurzelschößlinge liefen nicht wie bei dem Banianbaume senkrecht hinunter, sondern mehr schräg ab, nach außen, und waren schlank, dünn und elastisch.

Gegen Abend als die Sonne nicht mehr so heiß und sengend wie den Tag über niederbrannte, nahmen wir ein Bad – o wie schwamm sich's so herrlich in der kühlen wogenden See, in dem klaren herrlichen Wasser, und unten, tief unten, in dem wunderbaren Dämmerlichte über den zackigen hochaufragenden Korallenbäumen hin. Wie zog's mich dort hinunter mit unwiderstehlicher Lust, einzudringen in die geheimnißvollen dunklen Gänge der Tiefe, und mit gierigen Blicken die Wunder jener uns noch nicht erschlossenen Welt zu erspähen; aber – der Athem ging mir aus – leider gehörte ich nicht zu den Amphibien und – war den Ungeheuern der Tiefe noch nicht vorgestellt. Der Henker traue den gefräßigen Bestien, die da keinen Unterschied machen zwischen wahren Amateurs oder bloßen Neugierigen. Ich stieg deßhalb wieder, und zwar ziemlich rasch, an die Oberfläche, holte mir eine Lunge voll frische Luft und schwamm dann noch eine Weile an der Muschelbank umher. Mit Sonnenuntergang waren wir, von einer frischen Brise hinübergetragen, wieder an Bord.

Am 9. Morgens ging der Anker leicht und rasch herauf, und als die Sonne eben über den Horizont schaute, zu sehen ob noch Alles beim Alten sey, fielen unsere Marssegel nieder, die andern folgten, und von günstiger Brise getrieben, glitten wir leicht und rasch über die stille, nur leicht gekräuselte und bewegte See.

Wir hielten heute ziemlich dicht am festen Lande vorbei, uns jetzt der nördlichsten Spitze des australischen Continents nähernd. Der Capitän war den größten Theil der Zeit selber oben auf der Vorbramraae mit der Specialkarte und dem Fernrohr, denn das ist, der starken und unbestimmten Strömungen wegen, die einzige Art wie ein Schiff hier sicher durchgeführt werden kann. Den größten Theil des Tages war ich oben bei ihm, und in der That gibt es kaum etwas Interessanteres für den Laien als zwischen einem solchen Archipelagus von Inseln, Klippen und Riffen durchzusegeln, und dabei in stets wechselnden Bildern Neues auf Neues folgen zu sehen. Dazu dann gerade noch die etwa nöthige Gefahr dem Ganzen seinen vollen Reiz zu leihen, und Gefahr ist allerdings stets bei einer solchen Durchfahrt, das beweisen die vielen Wracks, so daß man fortwährend in einer leichten und gewiß sehr wohlthätigen, jedenfalls höchst angenehmen Aufregung bleibt. Ueberhaupt gehört, meiner Meinung nach, etwas Gefahr mit zu den und zwar nothwendigen Annehmlichkeiten einer Reise, die Scenerie müßte denn so wundervoll seyn daß sie für alles Andere, also auch für diesen Mangel, genügende Entschädigung böte.

Oben von der Bramraae aus sah man aber auch, außer den vorbeigleitenden Ufern, noch manches Interessante, was sonst vom Deck aus total verloren geht. Jeder Fisch der in die Nähe des Schiffes kommt, ist in dem krystallhellen Wasser von oben aus sichtbar, und sehr häufig sahen wir Fische rasch vorbeischießen oder faule Schildkröten langsam und schläfrig durch die klare Fluth rudern; ja ziemlich große Schlangen, sehr hübsch gelb und braun gezeichnet, trieben mehrmals vorüber, die sonstige Monotonie des Wassers zu zerstören. Das Merkwürdigste aber was ich von oben sah, war gleich am ersten Morgen an den Barrierriffen ein Fisch der, als ich ihn bemerkte, dicht vor unserm Bug lag und dann, von dem Schiffe aufgescheucht, rasch nach den Riffen, an denen die Brandung schäumte, hinüber eilte. Der Fisch glich in Form und fast auch in Farbe völlig einer Fledermaus und mochte von einer Flügel- oder Flossenspitze zur andern etwa vier bis fünf Fuß messen und etwa zwei bis zwei ein halb Fuß lang seyn. Am Kopfe schienen ein paar Spitzen auszustehen und er gebrauchte beim Schwimmen die ganze Breite der Flossen– es sah genau so aus als ob er durch die Luft flöge. – Was für Ungethüme birgt die Tiefe, von denen wir noch gar keine Ahnung haben! – Sonderbarer Weise sahen wir hier in der Nähe des Landes, und worauf ich stets gehofft hatte, gar keine Bonitas und nur sehr wenig fliegende Fische – eben so wenig einen Haifisch – diese scheinen tieferes Wasser zu lieben und zu suchen.

Den Abend gedachten wir an der Insel Mount Adolphus, in oder vor Blackwoodbay zu ankern, und kamen auch schon Nachmittags zwei Uhr nahe genug um mit dem Fernrohr Rauch und bald darauf auch Schwarze erkennen zu können, die von den Bergen herunter nach einer kleinen gelben Sand- oder Korallenbank zugingen.

Die Insel selbst war ziemlich groß, mit einem 500 Fuß hohen Berge und einer ziemlich weiten und geräumigen Bai, sonst schien sie dieselbe Vegetation zu haben als Cairncroß, nirgends ließen sich Palmen entdecken.

Rechts in der Nähe einer etwa sechs Meilen entfernten Bank konnten wir ein Canoe sehen das im Anfange dort fischte und nachher dem Festlande wieder zuruderte. Auch an der einen Spitze der Insel lag ein Canoe, und es war wohl möglich, daß diese Indianer hier keinen bleibenden Wohnsitz, wenigstens nicht für das ganze Jahr hatten, sondern ebenfalls von dem Continent von Australien hier zum Fischfange ec herübergekommen waren.

Um drei Uhr rollte und rasselte der Anker in die Tiefe bei etwa acht Faden Wasser, die Segel wurden festgemacht, das Boot war niedergelassen, und wir ruderten, der Steuermann und ich, mit dem zweiten Steuermann und drei Matrosen, dießmal aber gut bewaffnet, dem Ufer und zwar der Landspitze zu, wo wir die Indianer schon warten sehen konnten.

So viel sich von weitem erkennen ließ, trugen die Indianer Speere, als wir aber näher kamen, hatten sie diese irgendwo abgelegt oder versteckt, winkten mit grünen Büschen und hielten Stücken Schildpatt und Netze mit Früchten in die Höhe und winkten und machten einen wahren Höllenlärm, Alles aber auf die freundlichste und einladendste Art.

»Hübsche Einladung das,« meinte ein englischer Matrose, den wir mit im Boote hatten, »die Kerle tragen einen Knüppel in der einen und einen Friedensbusch in der andern Hand – was soll man nun glauben?« – Im Durchschnitt hatten sie aber gar keine Waffen, und ich sah auch nicht den mindesten Grund irgend etwas von einer Landung zu fürchten. Um uns aber auch noch die letzte Sicherheit zu geben, sprang, ehe wir nur das Boot noch an die ausstoßende Landspitze bringen konnten, ein alter Indianer ins Wasser, schwamm heraus zu uns und kletterte, indem er uns dabei halb schreiend eine lange Geschichte erzählte, ins Boot. Er schien sich gewissermaßen als Geisel zu betrachten, und blieb auch, so lange wir Andern am Ufer waren, ruhig an Bord.

Der gute Mann hätte das freilich nicht nöthig gehabt, denn mit meiner Büchsflinte und meinem alten Jagdmesser konnte ich mir auch im schlimmsten Falle den Weg allein frei gehalten haben; so war es aber jedenfalls besser, und wir alle schienen schon nach wenigen Minuten die besten Freunde von der Welt, ja brachten sogar die Schwarzen dahin daß sie ihre Frauen und Kinder herbeiriefen und uns diese, mit langer Aufführung von Namen und Stammbaum, vorstellten. Wir wurden mit der ganzen werthen Familie bekannt.

Einige schleppten die auch auf Cairncroß gefundenen pflaumenartige Früchte herbei, andere Muscheln, und ein Dritter zeigte auf unsere Flinten und gab uns zu verstehen daß weiter im Innern etwas zu schießen wäre. Diesem folgten wir, und ich sah auch in der Ferne von denselben weißen Tauben die wir auf Cairncroß-Eiland geschossen; der Thalgrund hier war aber fast gar nicht zu passiren und bestand nur aus Sumpf und den bogenartig sich zwischen einander durchzweigenden Wurzeln derselben Baumgattung die ich auf Cairncroß gefunden. Ein Gericht Tauben war mir nicht werth ein paar Stunden im Schlamme und solchen halsbrechenden Auswüchsen herum zu arbeiten, überdieß wäre es auch vielleicht nicht räthlich gewesen den Indianern einen zu großen Vortheil des Termins zu gestatten, zu trauen ist immer nicht und Gelegenheit macht Diebe. Wir hatten außerdem heute nicht so lange Zeit, da die Sonne höchstens noch zwei Stunden hoch stand, und wir doch spätestens mit Sonnenuntergang wieder am Bord seyn wollten. Ich zog es deßhalb vor lieber in der nächsten Umgebung herum zu suchen und den Charakter der Insel etwas kennen zu lernen. Um aber keine Vorsicht zu versäumen, ließen wir den Untersteuermann, den wir gar nicht nöthig hatten vor den Indianern zu warnen, mit den Matrosen im Boote, und ich selbst ging mit dem Obersteuermanne der ebenfalls gut bewaffnet war, allein zwischen die Eingebornen.

Der Baumwuchs war derselbe wie auf der frühern Insel, nur sah ich, von dieser Seite des Ufers wenigstens, keine Casuarinen, dagegen aber wuchs der Pandanus hier, obgleich die Indianer die hochgelbe Frucht desselben, aus der sich die übrigen Bewohner der Südseeinseln ihren bedeutendsten Schmuck fertigen, gar nicht zu benutzen schienen. Der Boden war durchaus vulkanisch, mit umher angewachsenen Korallen.

Schon am Festlande hatten wir aber an einer Stelle, unterhalb Escape River, etwas am Ufer bemerkt das wir mit dem Fernglas nicht recht ausmachen konnten. Es schienen dieß abgebrochene Baumstümpfe zu seyn, und doch sahen sie dazu auch wieder zu gelb und zu spitz aus. An einer Stelle besonders standen sie so dicht wie Baumstümpfe in einem erst kürzlich urbar gemachten Felde, an anderen Stellen nur zerstreut, und oben auf den Bergen gar nicht, wenigstens konnte ich dort keine erkennen. Hier nun sah ich dieselben wunderlichen Dinge am Ufer, und hatte jetzt Gelegenheit sie zu untersuchen. Es waren feste Erdhaufen und die Indianer gaben mir augenblicklich, sobald sie nur sahen daß ich dabei stehen blieb, eine sehr ausführliche Beschreibung derselben, nur schade daß ich auch nicht ein einziges Wort von der ganzen Geschichte verstand, denn ihre Sprache hat auch nicht die mindeste Aehnlichkeit mit der der südlichen Stämme. Die Erdhaufen waren aber jedenfalls durch Ameisen entstanden, meistens vier Fuß hoch und etwa anderthalb unten im Durchmesser. Ein Stück das ich davon abbrach, zeigte deutlich im Innern die Zellen, und die Erde war hart und lehmartig wie mit einer besondern Feuchtigkeit angemengt. Die Ameisen schienen die Indianer aber – vielleicht um sie zu verzehren, denn die südlichen Stämme essen sie ebenfalls – herausgebrannt zu haben, die Erde zeigte auch davon noch überall die Spuren.

Vor allen Dingen lag mir jetzt daran zu wissen ob sie auch frisch Wasser auf der Insel hätten, denn nur mit diesem war eine längere Niederlassung hier möglich; ich machte ihnen aber kaum begreiflich was ich wollte, als sie mich auch gleich verstanden und mit ihrem Kirri, Kirri, Kirri mir ganz genau die Richtung und Entfernung anzugeben suchten wo sich das Wasser befand. Dieß Kirri, Kirri bedeutet bei ihnen die Bahn die sie zu nehmen haben und die Länge des Weges. Kirri einmal scheint nur eine sehr kleine Entfernung – Kirri Kirri schon etwas weiter, und die Strecke nimmt im Verhältniß zu je mehr sie das Wort wiederholen.

Als wir, ihnen folgend, wieder die kahlen Hügel betraten, kamen uns noch einige Damen entgegen, und ein alter, ziemlich hübsch gewachsener Burka (alter Mann) mit greisem Haar, producirte sich als Vater des einen jungen Mädchens, und holte auch, um sich selber wahrscheinlich in das bestmögliche Licht zu setzen, die beiden Brüder der Kleinen, zwei oberschlächtige breitschulterige Kerle vor, die er uns als »sein eigen Fleisch und Blut« mit wirklich komischen Pantomimen vorstellte.

Auf seine Tochter hatte er aber auch wirklich Ursache stolz zu seyn, denn es war das hübscheste australische Indianermädchen was ich, selbst bei meinem langen Marsche durch das Innere gesehen hatte. Sie mochte 12 oder 14 Jahr alt seyn, war aber vollkommen ausgebildet und zwar klein, aber schlank gewachsen und – etwas sehr Seltenes bei diesen Wilden – reinlich. Ihr Anzug konnte übrigens kaum einfacher seyn – sie trug eine vielleicht vier Zoll breite Schamschürze von Gras und eine dünne Haarschnur, die fest über die rechte Schulter und unter dem linken Arm durchgezogen war.

Ihre Züge hatten dabei den ächt australischen Charakter, das Haar war lockig, aber nicht wollig, die Lippen etwas, doch nur wenig aufgeworfen, die Nase nur sehr wenig, fast kaum merklich, abgeflacht und die Augen zwar dunkel, aber mit einem schüchtern verschämten Ausdrucke, der ihr ungemein gut stand.

Ich beschloß übrigens hier, in Hinsicht der Kleidung, ein Exempel zu statuiren; zum Tausch mit diesen Wilden hatte ich auch, unter andern Kleinigkeiten, ein paar Hemden mitgenommen, und von diesen holte ich jetzt eins aus meiner Jagdtasche und bekleidete eigenhändig die Schöne damit. – Jedenfalls eine eigne Situation für einen verheiratheten Mann, die Noth zwang mich aber dazu, denn von den Indianern selber wußte niemand mit dem wunderlichen Kleidungsstücke umzugehen, und der Steuermann war ebenfalls verheirathet – ich konnte es bei meinem Gewissen nicht verantworten ihn dazu aufzufordern.

Die Kleine gefiel sich sehr gut darin und betrachtete sich nun als vollkommen angezogen. Ihre Haarschnur die sie trug, tauschte ich später für eine Angelschnur und einige Fischhaken ein.

Bald darauf erreichten wir auch die Quellen; sie befanden sich an der südlichen Spitze der Bai, ziemlich dicht an der See unten und liefen nicht, sondern bestanden nur aus zwei natürlichen steinernen Behältern, in deren jedem eine Quelle gerade stark genug vorsickerte, dieselben ziemlich gefüllt zu halten. Etwa hundert Schritte östlich befand sich noch eine dritte, etwas kleinere, in derselben Art. Bei der stärksten lag eine große Muschel zum Trinken, die ich mir zum Andenken eintauschte.

Gern hätte ich nun auch ihren Lagerplatz besucht, der war aber, wie es schien, am andern Ende der Insel, und ihr sechs- oder siebenfach ausgestoßenes Kirri deutete auf eine ziemlich lange Strecke. Die Sonne stand dabei schon niedrig und ich wollte nicht gern die Ursache seyn daß das Boot vielleicht länger als bis Sonnenuntergang hier liegen mußte. Das Schiff lag auch zu weit draußen, um die Nacht am Ufer zu bleiben und am andern Morgen in ihrem Canoe das hier am Ufer lag, überzufahren. Hätte es zu wehen angefangen, so konnte ich am Ende auf Mount Adolphus vergnügt sitzen bleiben.-

Ehe wir aber die Insel verließen, wollte ich ihnen noch gern ein Andenken hinterlassen, das ihnen später vielleicht von Nutzen seyn konnte; ich hatte mir nämlich vom Schiffe herüber ein paar Citronen und Apfelsinen mitgebracht und pflanzte diese jetzt an der Südseite der Insel, im Beiseyn und zu dem unbegrenzten Erstaunen der Eingebornen, die solche Früchte in ihrem Leben noch nicht gesehen zu haben schienen. Eine Apfelsine behielt ich zurück um sie ihnen zum Kosten zu geben, und schnitt sie in mehrere Theile, wer aber ein Stück davon hatte, wollte es nicht wieder herausrücken und die Andern mußten es ihm halb mit Gewalt abjagen.

Auf Cairncroß-Island, an der Nordseite der Insel, wo das dichte Gebüsch beginnt und auf einer kleinen Erhöhung habe ich ebenfalls zwei Apfelsinen und zwei Citronen gepflanzt. Es sollte mich recht freuen, in späterer Zeit einmal zu hören daß sie aufgegangen wären und Früchte getragen hätten.

Nach diesem legten wir uns noch ein wenig in den Schatten uns abzukühlen, dann ein Bad zu nehmen und an Bord zurückzukehren, und dabei tauschten wir noch von den Blacks einige Fischspeere und eine kleine Wurflanze mit der Midla ein. Unter meinen mitgenommenen Sachen fand ich auch noch einige Papiere mit Zinnober und öffnete eins von diesen, die rund um uns her gelagerten Stämme damit zu schminken. Die ältesten und ungeschlachtesten Kerle nahm ich zuerst vor, da ich aber nicht genug Farbe hatte ihnen die ganzen Gesichter zu malen, begnügte ich mich wieder, wie damals am Murray, mit den Nasen und gab diesen eine saubere carfunkelrothe Färbung. Die Bursche sahen kostbar aus und die Nasen leuchteten wie Feuer in den dunklen Gesichtern; sowie die Alten aber ihr Theil bekommen hatten, kamen die Jungen auch heran, und selbst die Frauen wollten nicht soweit zurückstehen an diesem feierlichen Tage mit schwarzen Nasen in der Welt herumzulaufen. – Glücklicher Weise konnte ich Alle befriedigen, und sogar mein kleines Mädchen in dem blauen Hemde kam heran und streckte ihr Näschen vor – es that mir ordentlich leid ihr niedliches Gesicht auf solche Art zu verunstalten, sie wollte es aber ausdrücklich und in ihrer Toilette sollten Damen eigentlich das sicherste Urtheil selber haben – sie bekam die rothe Nase ebenfalls und reichte mir zum Dank dafür drei kleine Muscheln.

Unter der Zeit hatte sich der zweite Steuermann das Vergnügen gemacht sein Gewehr einigemal abzufeuern. Bei jedem Schuß duckte sich der ganze Schwarm, als ob sie nach einem geworfenen Steine ihren Kopf in Sicherheit bringen wollten, lachte aber nachher ungemein gutmüthig selber darüber; überhaupt schienen diese Menschen auch nicht das mindeste Bösartige zu haben, und ich bin fest überzeugt daß die erste Ursache aller Feindseligkeiten, ja aller begangenen Grausamkeiten der wilden Stämme die Weißen selber waren. Uebervortheilung oder Eifersucht eines oder des andern gab stets den ersten Anlaß, und der Wilde ist in seinem Hasse rasch und nicht leicht versöhnlich.

Es wurde indessen Zeit an Bord zurückzukehren, die Sonne war ihrem Untergange nahe, und die Frauen und Kinder hatten schon ihren Rückmarsch nach dem Lager angetreten. Ich sprang noch erst in die See und badete, das Boot war unterdeß flott gemacht und von einer guten Brise das Segel gefüllt, glitten wir von dem Winde und rasch und fröhlich dem Schiffe wieder zu, von dessen Gaffel die preußische Flagge lustig im Winde flatterte. Es ist das die erste preußische Flagge welche die Torresstraße passirt, ja ich glaube sogar die erste, welche in Australien geweht hat und ach, mit welcher Lust hätte ich ihr entgegen jauchzen wollen – wäre sie nur schwarz-roth-golden gewesen.

Beim an Bord fahren hätte ich noch leicht ein Unglück nehmen können; der Steuermann führte ein Zündnabelpistol bei sich, das ihm, gerade als wir uns im Boote zurecht gesetzt, losging und mir von der Büchsflinte die ich in der Hand hielt, den Riembügel mit der Kugel abschoß. Glücklicher Weise kam Niemand von uns zu Schaden.

Den nächsten Morgen, den 10. October, lichteten wir mit Tagesanbruch den Anker und die Segel wurden gelöst; indessen kam aber auch das Canoe vom Lande ab, und die Indianer darin schrien und hielten wieder Schildpatt und ihre geflochtenen Körbe in die Höhe, getrauten sich aber nicht ganz nahe heranzukommen. Ich winkte ihnen endlich mit einem Busche der noch am Cairncroß-Island an Bord lag, und sie fingen nun an zu rudern, ja setzten auch ein kleines Segel von geflochtenen Binsen oder Gras; die Strömung war aber zu scharf gegen sie, und unser Anker schon fast oben. Deutlich konnte ich sie noch in ihrem Canoe erkennen, jetzt fiel aber das Vormarssegel nieder, jetzt das große – das Schiff fing an sich langsam durch das Wasser zu bewegen, und die armen Wilden, die noch gehofft hatten etwas Tabak und andere, für sie gewiß äußerst werthvolle Sachen einzutauschen, blieben weit zurück.

Ihr Canoe war aus leichtem Holze gemacht, etwa 15 bis 16 Fuß lang und an beiden Seiten mit sogenannten Outriggers versehen. Diese Outrigger die wir im Deutschen Außen- oder Luvbaum nennen würden, bestehen aus leichten Stangen, fast wie Schlittenkufen und laufen etwa 4 Fuß, an beiden Seiten vom Canoe, parallel mit diesem, und vorn etwas erhöht. Die Outrigger der südseeländischen Canoes, die sie jedoch nur auf einer Seite haben, waren so gestellt daß sie auf dem Wasser ruhten, diese standen, wenn das Canoe am Lande und in ruhiger See lag, an beiden Seiten gerade weg, und in der Mitte waren Stangen oder Stecken über das Canoe selber gelegt, auf denen sich die Indianer befanden, während Andere vorn und hinten ruderten. In hoher See dienen diese Outrigger – natürlich dazu das Canoe vor dem Umschlagen zu bewahren.

Von günstiger Brise geführt hielten wir jetzt, den Mittelkanal wählend, der sicherer seyn soll als die südlich abführende Endeavourstrait, auf die Wednesday-Insel zu, die wir zu Backbord ließen, aber dicht daran hinfuhren. An einer Stelle ist hier das Fahrwasser kaum zwei englische Meilen breit, und links liegen aus dem Wasser vorragende niedere Felsen, und rechts eine nur durch das grünere Wasser erkenntliche Bank – jedenfalls ein höchst fataler Fleck in bösem Wetter. Wir kamen aber auch hier glücklich durch, und hatten nun das Schlimmste hinter uns, und den letzten Felsen, eine kleine Insel, Booby Island genannt, vor uns.

Zurück kam ein Segel in Sicht, da es aber platt vor dem Winde ging, konnten wir noch nicht erkennen was es eigentlich sey.

Booby Island ist übrigens in diesen Meeren ein viel zu wichtiger Punkt, um nicht eine genauere Beschreibung zu verdienen. Diese kleine Insel, mit kaum einem Acker Flächenraum hat ihren Namen von einer ziemlichen Anzahl von Seevögeln, von den Engländern Booby genannt, die hier hausen, erhalten, und besteht jedenfalls aus vulkanischen Felsen. Sie liegt, wenn man von Osten herkommt, am Ausgange der für den Seemann allerdings gefährlichen Torresstraße, und ist von mehren Höhlen fast ganz durchzogen. Diese Insel, die als zu weit abgelegen, von den Indianern der Küste nicht mehr benutzt wird, ist von den Engländern zu einer Niederlage von Provisionen für verunglückte Seeleute und zu einem – Postoffice benutzt worden. Die hier passirenden Schiffe landen, nehmen die Briefe oder Notizen, die sie finden, an sich, und lassen entweder Briefe oder die Anzeige ihrer Fahrt und woher sie kommen und wohin sie bestimmt sind, zurück. Von hier aus, gen Westen zu, ist dann freies Wasser, und man braucht die Nächte nicht mehr still vor Anker zu liegen.

Capitän Schmidt sandte sein Boot hier ebenfalls an Land, während er draußen indessen beilegte, und mit der Strömung langsam vorbeitrieb, und ich bekam dadurch Gelegenheit, die Insel selber zu besuchen.

Die Postoffice ist so einfach, wie eine Postoffice nur möglicher Weise seyn kann, und dabei doch bequemer für das Publikum – nur nicht in seiner Lage – eingerichtet, wie ich noch je eine Briefpost eingerichtet gesehen habe. Man findet dort nämlich gleich Dinte, Feder, Papier und Oblaten und – ist selber Postbeamter.

Das Gebäude selber besteht aus drei von roh abgebrochenen Steinen aufgerichteten, etwa vier Fuß hohen Mauern, die einen vorn offenen Raum von circa fünf Fuß Länge und dritthalb Fuß Weite einschließen, und auf denen oben aus gespaltenen Bretern, sogenannten clapboards, ein kleines Dach schräg aufgelegt ist, das vorn von einer querüber gesteckten Stange gehalten wird, und hinten auf der kleinen niedern Mauer ruht. Inmitten dieses Gebäudes steht ein Kasten mit einem, in der Mitte hohen, sargartigen Deckel, und, daran die Inschrift: Postoffice! – Provisions and water in a cave of S. E. end of the Island.Postoffice – Provisionen und Wasser in einer Höhle am Südostende der Inseln.

Hinter derselben ist schräg hinüber ein Flaggenstock in die Erbe gesteckt, oder vielmehr zwischen die Steine geschoben, und früher hat wahrscheinlich einmal die englische Flagge daran geweht; Wind und Wetter haben diese aber unbarmherzig zerzaust und es hängen jetzt nur noch einige farblose Lappen an dem Stocke.

Ein paar grüne Büsche mit birnblätterartigem Laub, stehen hie und da auf der Insel, und ein paar weiße und gelbe Blümchen versuchten mühsam zwischen den mit dünnen Guano bezogenen Felsen ihr Leben zu fristen, hier und da rankten auch einige Schlingpflanzen an schattigen Stellen fort und krochen über die Klüfte und schroffen Steinmassen mühselig hin; die starren, mit dünnem Guano überzogenen Felsen schauen aber wunderlich genug, jedoch keineswegs wohnlich drein.

Interessant ist ebenfalls die Höhle an der Südostseite – sie ist wohl 14 bis 16 Fuß hoch, oben spitz zulaufend, und geht tief in die Insel hinein. Im Innern aber sieht es wild und wunderlich aus, denn hier liegen bunt aufgehäuft eine Masse Provisionen, die von englischen Schiffen für arme Schiffbrüchige gelandet worden waren. Wasserfässer und Fleischfässer, Kartoffeln und Brodkisten standen toll und unordentlich durcheinander – ein Theil des Fleisches war auch schon verdorben, zwei Fässer standen ganz auseinander getrocknet, frische Provisionen waren aber seit der Zeit schon wieder hergeschafft, und verunglückte Seeleute können hier recht gut ihr Leben fristen bis ein vorbeisegelndes Schiff sie abholt. Wie ich höre ist auch schon Manchem das Leben damit gerettet worden, und die Engländer haben sich hier zur See, nicht allein durch die Erforschung und genaue Aufnahme der Straße selber – denn die zuletzt darüber erschienene Karte ist vorzüglich –, als auch durch diese menschenfreundliche und praktische Stiftung, ein wahres Verdienst erworben, wofür ihnen andere seefahrende Nationen nicht genug dankbar seyn können.

Nachdem ich die beiden Stellen in der kurzen Zeit, die mir noch übrig blieb, flüchtig skizzirt hatte, um doch wenigstens ein Andenken daran mit fortzunehmen,, schifften wir uns wieder ein und hatten in kurzer Zeit unser Schiff erreicht. Die Segel wurden herumgebraßt, Leesegel an beiden Seiten wieder gesetzt, und vor dem Winde gingen wir jetzt mit einer herrlichen Brise nach Westen unserm nächsten Bestimmungsorte Batavia entgegen.

Das Schiff hinter uns war indessen ebenfalls näher herangekommen und barg seine leichten Segel, um ein Boot an die Insel zu schicken. Es war eine Barke, wir konnten aber ihre Signale nicht mehr ausmachen. Von Booby Island ab trieb uns die herrliche Brise weit in den Indischen Ocean, und in sicheres Wasser hinein, und wir delektirten uns dabei an den Früchten, die wir von der letzten Insel mitgenommen hatten. Sie haben genau das Aussehen wie unsere langen Pflaumen oder Zwetschen, schmecken aber fast wie frische Datteln und schließen unregelmäßige Kerne fast wie die Chinesische Loquat ein. Manche enthalten nur einen, manche zwei, manche drei und selbst vier; der Baum müßte eine Zierde der Gewächshäuser werden, und ich sammelte mir eine ganze Menge der Kerne, sie später an den verschiedenen Orten die ich berühren würde, zu vertheilen. Sehr bekannt konnten sie dabei auch nicht seyn, denn selbst der Direktor des botanischen Gartens in Buitenzorg auf Java, Herr Teismann, der wohl den schönsten botanischen Garten der Welt unter seiner Leitung hat, kannte später weder die Kerne noch den Baum.

Unser Wind sollte aber nicht lange so gut bleiben, er fing erst an unstet zu werden, und dann einzuschlafen und artete zuletzt in volle entsetzliche Wind stille aus, bei der sich unsere Kühe, gerade unter der Sonnenlinie und in dem heißen Raum, allerdings am schlechtesten befanden.

Verhältnißmäßig waren von diesen wirklich nur sehr wenige gefallen und dreizehn oder vierzehn hatten schon Kälber geworfen, von denen die letzteren jedoch, seit wir das heiße Wetter bekommen und noch dazu knapp mit Wasser wurden, alle todt zur Welt kamen, und den Haifischen süße Beute wurden. Wir selber befanden uns aber sehr wohl dabei, denn die Kühe gaben nicht allein reichliche Milch zu Kaffee und Thee, sondern wir erfreuten uns auch noch ein um den andern Tag an einem wirklich fabelhaften Luxus auf See – an dicker Milch.

Trotz der Windstille war aber die See lebendig genug, und vorzüglich viel Schildkröten und Seeschlangen – wenn auch keine Hydrarchosse – sondern ganz gewöhnlich aussehende, anständige, nicht über vier Fuß lange gelbe Schlangen, mit hellbraunen Querstreifen und Aalschwänzen, die auf dem Wasser gerade so fortkrochen, als ob sie auf dem festen Lande liefen und manchmal den Kopf lauschend über die Oberfläche emporhoben. Furchtsam gemacht tauchen sie unter, und dann zwar senkrecht in die Tiefe, so weit ihnen das Auge in dem krystallhellen Wasser zu folgen vermochte – schnurstracks schossen sie abwärts, und den flachen Schwanz gebrauchten sie dabei wie man das Ruder zum Wricken eines Bootes nimmt.

Den 17. und 18. Windstille – das ist das Traurigste, was Einem, nach Schiffbruch oder Wassermangel auf der See begegnen kann. Da lieber einen fliegenden Sturm, als todt und regungslos auf dem eben so faulen, kaum leise wogenden Meer herumzutreiben.

Heute besuchte uns auch ein Hai und wir hingen den Haken mit einem Stück Speck aus – er kam auch heran und roch an den Speck, der sonst seine Lieblingsspeise seyn soll; hatte er aber einen verdorbenen Magen, oder war es ihm auch zu warm für fette Speisen, er wollte Nichts weiter davon wissen. Viele Schlangen sahen wir wieder, und Seekrabben, die seitwärts im Wasser hintanzten, und sich sehr gut zu amüsiren schienen.

Dann und wann mit einer schwachen Brise erreichten wir die Höhe von Timor – die See hatte den einen Tag gar wunderbare, herrliche Farben. Die Tiefe mochte im Allgemeinen kaum mehr als vierzig Faden betragen, und die Farbe blieb deßhalb auch meist, bei klarer Luft, ein lichtes Himmels-Blau, auf dem sich der weiß silberne, leicht zerfließende blinkende Schaum im Sonnenschein wirklich reizend ausnahm. Die wunderbarsten Tinten gießen sich aber bei solcher See bei Sonnenuntergang über die leicht bewegte Fläche – alle Farben schmelzen dann ineinander, und über das Blau hingedeckt, schwimmt manchmal auf dem plätschernden Wasser ein weites glühendes Netz von blitzender Bronze, das wie die Sonne im Westen sinkt, matter und matter sich färbt und endlich, mit einem fahlen Bleiglanz die ganze Oberfläche des Meeres deckt.

An diesem Abende hatte das Meer die schönste oder auch vielleicht eigenthümlichste Färbung die ich noch je gesehen. Durch den Grund hier hervorgerufen und durch das Brechen der Lichtstrahlen in dem doch noch tiefen Wasser war die Farbe ein reines Dunkelgrün, und der am Bug aufspritzende starke Schaum legte sich wie dicke solide Silbermassen auf den düsteren Grund, und stach wahrhaft prachtvoll davon ab. »Die See ist monoton,« sagen viele, »immer dasselbe wieder, immer Himmel und Wasser,« ich habe mich aber doch schon eine ganze Weile darauf herumgetrieben und kann Stunde nach Stunde auf die wechselnden wogenden Wassermassen hinaussehen, ich werde nicht müde ihnen zuzuschauen – es gibt aber auch Menschen die das schönste Gemälde betrachten können und doch weiter Nichts darauf finden wie »Gesichter und Bäume,« und für die ist dann freilich auch die See monoton und eben nichts weiter als »Himmel und Wasser.«

Den 20. bekamen wir eine leichte Brise und – als sich gegen Abend der auf dem Wasser lagernde Duft etwas aufhellte, die Insel Timor in Sicht, die sich mit ihren hohen Bergrücken und tiefen schattigen Thälern, von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne überhaucht, malerisch genug vor uns ausbreitete. Da liegt nun das Land, und ich kann nicht hinüber, da liegen Thäler und Höhen die des Interessanten so unendlich viel bieten, und ich muß vorbeifahren, als ob mich die ganze Geschichte gar nichts anginge – und wenn wir nur noch wenigstens vorbeiführen, aber nein, hier liegen wir in Todtenstille, kein Lüftchen bewegt die schlaff an den Masten niederhängenden Segel, das Meer ist spiegelglatt und selbst die sonst stete Schwellung desselben kaum bemerkbar und von da drüben blitzen die Feuer der Malayen zu uns herüber, leichte Schwaden steigen aus den geheimnißvollen Thälern auf, die ich nie betreten soll, und von der weit auslaufenden Landspitze schauen gegen den noch hellen Hintergrund der untergegangenen Sonne die hohen Cocospalmen nach uns her, nicken mit den stolzen gekrönten Häuptern und sagen gute Nacht.

Gute Nacht – sie haben vortrefflich gute Nacht sagen, und können den guten Morgen gleich noch hinzufügen – am nächsten Morgen lagen wir noch da, und nur der Strömung konnten wir es danken, daß sie uns wenigstens etwas nach Westen hinübersetzte.

Den 23. hatten wir die Sonne im Zenith – der Thermometer stand bei Windstille Morgens um 7 Uhr 84° um 12 Uhr 91°. Im Raum unten bei den Kühen um 9 Uhr Morgens 106°. Den 26. stieg er oben auf 92°, das war aber auch, allerdings oben, in der ziemlich luftigen Cajüte, das Aeußerste. Dabei fiel nicht ein Tropfen Regen und wir fanden uns mit unserem Wasser schon so weit reducirt, daß die Kühe nicht mehr als zwei Eimer voll den Tag über bekommen konnten – und sie hätten zehn leer gesoffen. Es stürzten auch in diesen Tagen rasch nach einander drei Stück.

Die See war hier ebenfalls ziemlich todt; einige Delphine kamen zum Schiff, aber nicht in Wurfs Nähe, und Abends ein gewaltiger Hai. Der zweite Steuermann, ein trockener, komischer Kauz, hing den Haken mit Speck über Bord, den der Hai beschnüffeln aber nicht zuschnappen wollte. Endlich zog er ihn wieder an Bord und meinte, »er wollte den Hai lieber noch ein paar Tage hungern lassen, nachher würde er schon von selber kommen.«

Montag den 3. November – Windstille – Windstille – Windstille – und ich fange wirklich an einzusehen, daß unsere deutsche Sprache doch manche Mängel hat. Wenn wir recht ungeduldig werden, und fluchen wollen, sagen wir »Donnerwetter« das ist aber höchst unrichtig, und drückt wenigstens nur einen sehr geringen Grad alles dessen aus, was wir jedenfalls damit ausgedrückt haben wollen. Windstille sollten wir sagen, Windstille, der Begriff ist furchtbar, und ich denke mir jetzt solche entsetzliche Sachen dabei, daß ich, wäre ich so delikat im Schreiben wie die meisten Engländer und Amerikaner, das Wort Windstille von jetzt an nie ausschreiben, sondern nur durch einen – ahnen lassen würde.

Den 4. Nachmittags kam zum ersten Mal wieder – nachdem wir uns volle vierzehn Tage auf eine entsetzliche Art hier herumgetrieben, eine schwache Brise, wurde stärker und stärker, am 7. Morgens früh grüßten uns am Starbordbug die grün schattigen Höhen Javas, und ein neues fröhliches Leben öffnete sich jetzt in all seiner tropischen Pracht dem seemüden Wanderer.


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