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8. Kapitel. Unangenehme Besucher

Lotte Bach gab, trotz ihrer Verlobung, noch einige Zeit ihre Stunden weiter. So hatte sie einmal mit ihrem Zirkel gerade die »Jungfrau von Orleans« zu lesen und zu besprechen. Mit größtem Schwunge deklamierte sie den zweiten herrlichen Monolog und kam bis an die Stelle: »Wehe, weh mir, welche Töne, wie berücken sie mein Ohr – – – – –« als es stark an die Thür klopfte. »Entschuldigt, Kinder!« – sagte die junge Lehrerin und legte, aus der Stimmung gebracht, das Buch nieder. – »Herein!« – – Agnes steckte den Kopf durch die Thür; »Verzeihen Sie; aber ein Herr wünscht Fräulein Lottel dringend zu sprechen!« – Damit trat sie an den Tisch und reichte ihr eine Visitenkarte. Lotte las kopfschüttelnd den Namen – »Waldemar Himbsch« und erhob sich. »Lest einen Augenblick weiter! Du, Dörchen, übernimmst die Sorel. Fränzchen nachher den König! Lieschen die Jungfrau! Ich bin in fünf Minuten wieder bei Euch!« –

Sie verließ das Zimmer und schritt in den Salon. Bei ihrem Eintritt erhob sich von einer Stuhlecke, aus der er schüchtern gesessen, ein lang aufgeschossener Blondin mit sehr unreinem Teint. »Mein Name ist Himbsch!« – flötete er unter verschiedentlichen Verbeugungen. Fräulein Bach neigte den Kopf. »Und was verschaffe mir das Vergnügen?« – fragte sie freundlich. – »Vor allem erlaube ich mir, dem gnädigsten Fräulein meine aufrichtigen Glückwünsche auszusprechen. Ich habe in der Zeitung von dem freudigen Ereignis gelesen!« – – »Sehr liebenswürdig, Herr Himbsch! Doch darf ich fragen, woher Sie mich kennen? Ich habe ein elendes Gedächtnis und keine Ahnung – – – –« – – Wieder schnellte er auf: »Ich hatte die Ehre, Herrn Doktor Feller zu kennen!« – Lotte erstrahlte: »Meinen Bräutigam?« – rief sie.– »Das ist ja famos! Da danke ich von Herzen, Herr Himbsch. Das ist wirklich zu liebenswürdig, daß Sie den Wunsch hatten, seine Braut persönlich kennen zu lernen! – – – – Waren Sie mit Willi auf der Schule oder auf der Universität befreundet?« – – Himbsch räusperte sich: »Nein, mein Vater – – – kannte – – – hatte mit dem verstorbenen Herrn Feller zu thun. Ich kannte Herrn Doktor nur als ganz kleinen Knaben. Er war immer so schön!« – – Lotte reichte ihm die Hand: »Desto netter von Ihnen, Herr Himbsch! Das ist rührend, solche Anhänglichkeit nehmen wir doppelt hoch auf. Schade, daß Willi nicht hier ist!« – Sie schüttelte seine kaltfeuchte Rechte. – »Aber Sie müssen wiederkommen, wenn er da ist! Natürlich, Willi ist ja auch so treu!« – – »Ja, gnädiges Fräulein, er war immer so gut und herablassend!« – – »Herablassend?« wiederholte die glückliche Braut erstaunt. Der Herr machte einen merkwürdigen Eindruck, trotzdem er so lieb von Willi sprach. »Nun«, – fuhr sie fort – »leider habe ich gerade zu thun. Vielleicht kommen Sie mal gemütlich!? Willi und ich würden uns so freuen!« – Unruhig blickte sie auf die Rokoko-Uhr auf dem Schreibtisch. Unruhig rückte Himbsch, der sich auf eine Handbewegung von ihr wieder niedergelassen, auf seiner Stuhlecke. Er schien noch etwas auf dem Herzen zu haben.

»Nun?« – ermunterte Lotte ungeduldig. Der Fremde drehte seinen alten Cylinder hin und her, ehe er stammelnd und befangen sagte: »O, es muß herrlich sein, sich ein Heim erbauen zu können?« – – »Gewiß, es ist schön!« – – »Und welch edler Beruf für eine liebende Frau, dem Gatten dieses Heim zum Paradies zu gestalten!« – seufzte Himbsch. Lotte saß wie auf glühenden Kohlen. »Selbstredend! Es ist wundervoll! – – – Ich gebe gerade Stunden, Herr Himbsch! Meine Schülerinnen w– – –« – – »Sind Sie häuslich erzogen, mein gnädiges Fräulein?« – fragte er lauernd. Lotte fühlte ein Kribbeln, als ob Ameisen über sie hin- und herliefen. – »Na, aber, sehr! Natürlich muß ich mich vor meiner Verheiratung noch in manchen Zweigen des Haushaltes vervollkommnen!«

– »Können gnädiges Fräulein bereits kochen?« – – »Nur sehr wenig. Essen geht entschieden besser!« – Lotte platzte rein vor Ungeduld. Ihr Gesicht verfinsterte sich, und nur die unglaubliche Schüchternheit von diesem Menschen da, ihr gegenüber, hinderte sie am Grobwerden. Er schwitzte dicke Tropfen. –

»Lieben gnädiges Fräulein Silber?« – – »Silber!?« – – »Ja, ich meine – – – – – nämlich – – – – – silberne Hausgeräte, Bestecke – – – –« – – »Selbstverständlich finde ich solches oder gemünztes Silber herrlich! Hoffentlich schenkt man uns recht viel zur Hochzeit. Aber darüber plaudern wir ein anderes Mal ausführlich, Herr Himbsch! Meine Schülerinnen wa– – – –«. Himbsch raffte sich zu einem Entschlusse auf. Er räusperte sich von neuem und begann: »Ich bin leider nur immer vorübergehend in Berlin. Ich reise viel!« – – »Ach, das ist schade!« – – »Ja!« – stimmte er zu. – »sehr schade! Darum hm – – – – weil nun aber – – – hm – gnädiges Fräulein nicht perfekt, Pardon, oder nur wenig kochen kann, so – – – – – halte ich es doch für ratsam, sich feste Vorräte im Haushalte anzulegen.« – Himbsch schien etwas ihm Vertrautes abzuhaspeln. Er kam in Schwung. – »Unerwartete Gäste können kommen. Die Hausfrau ist nicht vorbereitet. Sonntagsruhe. Fatale Verlegenheit tritt ein!« – – »Ja wohl; aber ich verstehe Sie absolut nicht!« – schrie Lotte gequält. Himbsch blieb ungerührt. Er setzte sich in Positur und begann von neuem seine eingelernt klingende Rede. –

»Das Gleiche tritt in jedem Haushalt mit Silbergerät ein. Aus der Fremde reist ein reicher Erbonkel zu. Man will ihn ehren, bewirten. Der Tisch wird gedeckt, der Silberschrank geöffnet: Peinlichste Verlegenheit. Warum? Das Silber hat lange unbenutzt gestanden. Sein Glanz hat gelitten. Zeit zum Putzen nach der unbequemen, alten Methode ist nicht mehr vorhanden. Was thun? Hausfrauen und Dienstboten eilen fiebernd hin und her ...«

»Himmeldonnerwetter!« – schrie jetzt Lotte, die sich entlasten mußte. – »Herr Himbsch, ich bin mitten in einer deutschen Litteraturstunde. Drei Schülerinnen warten auf mich. Ich kann sie nicht länger sitzen lassen! Sagen Sie mir um Gottes willen, wo soll das hinaus?« – – Sie sprang auf und zwang ihren Gast, sich auch zu erheben. Er wischte sich mit einem riesigen Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Hilflos und verzagt blickte er sie flehend an. Ihr Herz fühlte ein grenzenloses Erbarmen. »So sprechen Sie doch ungeniert; nur schnell, lieber Herr Himbsch! Oder wollen Sie mir den lehrreichen Vortrag ein andresmal –« – – »Ach nein, bitte!« ... »Bon, na denn aber los, schnell, werter Herr, ich habe rasend zu thun!« – –

Himbschs Kopf senkte sich nach links bis fast zur Schulter: »Ich wollte nur sagen, wie angenehm es ist, feste Vorräte und Putzmittel im Hause zu haben. Da ich, mein allergnädigstes Fräulein, nun aber Vertreter einer der ersten Braunschweiger Konserven- und Wurstfabriken bin, so wollte ich nur freundlichst gebeten haben, vorkommenden Falles den Bedarf von Wurstwaren und Konserven gütigst durch mich decken zu lassen. Ebenso reise ich für eine der bedeutendsten Fabriken für Silber-Putzpomade. Unsere Erzeugnisse sind tadellos. Ein Bestreichen des Metalles mit der Pomade, darauf einmaliges Überwischen mit einem Lederlappen, und auf Ehre, das Silber hat Neuglanz. Daher gestatte ich mir – – «

Fräulein Bachs Gesicht hatte sich von Sekunde zu Sekunde verklärt. Die unbeschreibliche Komik der Situation ging ihr auf. Sie wurde sehr rot, und verhaltenes Lachen quälte sie, so sehr sie sich bemühte, es zu unterdrücken. Es ging nicht! – Sie lachte, noch bevor er ausgesprochen, hell auf:

»Jetzt verstehe ich Sie erst! Gut, Herr Himbsch, lassen Sie bitte Ihre Karte und Adresse hier. Ich verspreche Ihnen, daß ich meine Wurst- und Putzpomadenvorräte durch Sie beziehen werde! Schon aus Anhänglichkeit für meinen Willi! – – Aber nun muß ich Ihnen leider Adieu sagen. Meine Schülerinnen warten sonst zu lange! Ich habe mich gefreut!« – Lotte neigte den Kopf. Himbsch dienerte sich schleunigst hinaus und verduftete. Lotte aber kehrte erleichtert zu ihren Mädels zurück. Die Weihe des Schillerschen Geistes ging verloren. Die Lehrerin war in zu vorzüglicher Stimmung.

Himbsch entpuppte sich als Sohn eines vom alten Herrn Feller häufig unterstützten Lohndieners. – Sobald es jetzt bei Bachs klingelte, wurde Lotte mit »Himbsch und seinen Würsten« geneckt. –

Gleich nachdem Lottes Verlobung bekannt gemacht wurde und in den Zeitungen erschien, begann der Wettlauf geschäftstüchtiger Kaufleute. Große und kleine Firmen sandten ihre Vertreter zu der Frau Geheimrat Bach. Der eine wollte die Wäsche –, der andere die Kostüme, – dieser die Möbel, – jener die Küche – ein fünfter Glas und Porzellane in Auftrag nehmen. Die erfahrene Frau blieb ihren erprobten Lieferanten treu. Höflich und bestimmt wies sie alle Anerbietungen ab. Und bald ließ der Ansturm nach. Die ungeladenen und nicht gerade angenehmen Gäste blieben fort. – Die Bachschen Damen atmeten auf. –

Draußen war schlechtes, stürmisches Spätherbstwetter. Die Influenza grassierte, und Willis Praxis hatte ungeheueren Aufschwung genommen. Er war sehr stolz und Lotte außer sich darüber. Sie sah ihn wenig, immer nur matt, abgehetzt. Immer zum Davoneilen bereit! Ihre Verstimmung, ihre Eifersucht auf die wachsende Beschäftigung that ihm selbst leid. Er fragte sie bei einer Unterhaltung darüber, ob sie es vorzöge, lieber noch ein Jahr länger mit der Verheiratung zu warten und ihn dann ungestörter zu besitzen? Oder bald zu heiraten und ihn als hoffentlich viel beschäftigten Arzt wenig zu sehen? – Ohne lange Besinnung wählte sie das erstere. So wurde beschlossen, daß Willi Spezialist werden sollte, denn Lotte hatte nicht unrecht, wenn sie behauptete: »Ein praktischer Arzt ist der Sklave der Menschheit und schlimmer daran als jeder Bergarbeiter! Nicht einmal Mahlzeiten, Nächte und Feiertage giebt es für ihn!«

Gerade über die wichtige Frage grübelnd, ob Frau Doktor – oder Frau Professor – Feller – eigentlich klangschöner – sei, saß Lotte mit einer Handarbeit da. –

Plötzlich klingelte es. Kurz darauf erschien Agnes und rief lachend: »Das wird wohl wieder Herr Waldemar Himbsch sein, der die Würste bringt!« – – »Man 'rin ins Vergnügen!« – entgegnete Lotte und horchte auf. Es konnte nur Alice sein. Aber die bekannte helle Stimme wurde nicht laut, dafür eine tiefe fremde, welche sie noch nie gehört. »Frau Geheimrat ist nicht da; aber Fräulein Lotte. Wollen Sie bitte nähertreten?« – – – »Schaf!« – murmelte Lotte. – »Sie soll doch nach dem Namen fragen!« – Jedoch war es für Unterweisungen zu spät. Das Mädchen ließ den Unbekannten bereits durch den Salon in das Wohnzimmer zu ihr hinein. – Auf Zehenspitzen nahte ein kleiner untersetzter Herr mit kolossalem Embonpoint. – Sein dickes Gesicht mit dem kleinen Schnurrbärtchen war sehr rot. Eine riesige Glatze verriet an den Seiten noch einstmals schwarze Haare. Die winzigen Augen über starken Thränensäcken zeugten von cholerischem Temperament. Die Kleidung war tadellos. Der Cylinder neu, die rostfarbenen Handschuh prall über die kleinen »Fettpoten mit Würstchenfingern« gezwängt. Das alles hatte Lottes Scharfblick sofort ergründet und konstatiert.

Sie erhob sich und legte die Handarbeit fort. Dann grüßte sie den Eintretenden, der diesen Gruß mit einem energischen »Knickein« beantwortete. Ebenso kurz und entschlossen klang seine fette Stimme. »Genehmigen Sie den Ausdruck meiner unendlichen Hochachtung und meines innigen Glückwunsches zu Ihrer Verlobung, Fräulein Bach!« – – »Verbindlichsten Dank, mein Herr! Doch mein Gedächtnis – – – – – Sie müssen schon entschuldigen; aber ich kann mich gar nicht entsinnen!« – sagte sie. Er machte ein beleidigtes Gesicht: »Aber ich bitte, Fräulein Bach! Mein Name ist Stoßmann! Stoßmann und Graubarth – – – – –« – – Lotte schüttelte noch immer den Kopf. »Sie kennen mich nicht mehr?« – – »Nein, Sie verwechseln mich wohl mit meinen Schwestern, Herr Stoßmann und Graubarth!« – – »O nein!« – er stieß es hervor und nahm dabei einfach Platz. – Ich entsinne mich aber noch sehr deutlich! Es war im Jahre 87!« – – »Ach so, da war ich ja noch ein kleiner Mops, Herr Stoßmann und Graubarth!« – – »Ersteres genügt!« – sagte er kurz. – – »Wie?« – fragte Lotte, sich setzend. – »Ersteres genügt! Graubarth ist mein Kompagnon!« – – »Ach so! Pardon!« – – »Bitte, thut nichts! Wie gesagt, ich war hier bei Papachen. Sein Schreibtisch war wackelig geworden. Damals war ich noch privat, nicht Firma. Also Papachen, übrigens ein braver Mann! Leicht werde ihm die Erde!« – – – – Stoßmann zog ein riesiges rotseidenes Tuch und schneuzte sich kurz und geräuschvoll. – – – Papachen ließ mir – – – mich kommen zur Reparatur. Und da haben Sie, die Lotte mit dem dicken Zopfe, ich seh Sie noch heute, mich mit dem Rockschoß in die Schrankthür geklemmt und sind mit dem abgezogenen Schlüssel fortgerannt. Ich stand eine halbe Stunde und konnte mich nicht rühren. Das Mädchen mußte Sie erst einfangen und Ihnen den Schlüssel abnehmen!« – – In Lotte dämmerte es jetzt stark. Sie mußte lachen und that es frei heraus, trotzdem er ein noch nachträglich beleidigtes: »Sehr unnütz damals!« – nicht unterdrücken konnte. »Ja, das war ich, Herr Stoßmann; aber Sie können nicht verlangen, daß ich nachträglich um Verzeihung bitte! Also was verschafft mir heute das Vergnügen?«

Stoßmann rückte sich noch gerader zurecht. »Ich bin jetzt Firma.« – – »So, Firma, wie meinen Sie das?« – entgegnete sie. – Er lächelte verächtlich. »Ich bin Firma, habe einen Kompagnon, ja, ich bin sogar Fabrik!« – – »Aha!« – Lotte biß sich auf die Lippen. – »Sogar eingetragen beis Gericht! Möbeltischlerei en gros!« – – »Aha!« – – Sie wußte jetzt, worauf er hinaus wollte. »Und en détail!« – fügte er nach einer Pause selbstsicher hinzu. »Ja, ich verstehe Sie, lieber Herr Stoßmann!« – meinte die Haustochter in besänftigendem Tone, sie hatte vor ihm ein wenig Angst. – »Vorläufig heirate ich noch nicht so bald. Wir haben noch nicht einmal Wohnung. Und dann ist mein Bräutigam sehr eigen. Es soll alles nach seinen Entwürfen gemacht werden!« – –

»Ich bin nicht nur Firma! Ich bin Fabrik!« – räusperte sich Stoßmann drohend. – »Gewiß, ich werde es meinem Bräutigam jedenfalls sagen. Nur bekenne ich Ihnen offen, mein Verlobter steht schon durch seinen Vater her mit einer sehr bekannten Kunsttischlerei in Verbindung. Ich weiß also nicht – – –« – Sie erschrak. Stoßmann wurde blaurot: »Aha, dieser Schuft! Das ist Friedrich Paul Splitter, kenne das!« – – »Ich glaube, der Name war anders! Das heißt zwei Vornamen hatte er auch!« – »Natürlich, kenne das!« – schrie Stoßmann gereizt. – »Der Kerl ist nicht Firma, ist nicht beis Gericht! Aber er verfolgt mich, umgiebt mich mit Spitzeln und Spionen. Unlauterer Wettbewerb. Ich werde ihn aber langen, der Kunde muß ins Loch! Die Bude wird gesperrt. Nichts wie Schwindel hat er, Bazarschund! Kenne das!«

»Aber, Herr Stoßmann, Sie regen sich auf und kränken sich, dabei weiß ich in der That nicht, ob unser Tischler just ihr Feind ist? Ich glaube sogar sicher, er ist es nicht. Der Name war anders, sicher!« – – »Er ist es!« brüllte der Gereizte. – »Kenne ihn doch! Wir waren zusammen auf der Walze. Schon damals hat er mir nicht das Leben gegönnt! War er hier?« – – »Wie sollte er gerade auf uns kommen?« – sagte sie schüchtern und wünschte innerlich Willi herbei. Ihr wurde wieder Angst mit diesem Wüterich. – – »Durch die Frau! Ein Klatschmaul! Ist die Schwester meiner Frau! So kommt alles rum! Aber ich lang ihn mir! Ich brech ihn noch den Hals!«

Lotte horchte sehnlichst hinaus. Wenn doch bloß ein Mensch käme, damit dieser Wüterich sich entfernen müßte! – – »Er weiß, daß ich Ihre Einrichtung haben will. Sie werden sehen, der kommt – – – – a – – verflucht!« – – Stoßmann hatte noch nicht vollendet, als Agnes einen zweiten, sehr großen robusten Mann hereinführte. »Mein Name ist Friedrich Paul Splitter – – – aha!« – – »Agnes, Sie bleiben hier!« – befahl Lotte ängstlich. Ihre beiden Besucher waren wie zwei Habichte aufeinander gestürzt. Sie standen hart aneinander. Stoßmann, blitzblau vor Wut, schnappte nach Luft. – »Hab' ich Dich, aha, hab' ich Dich! Das bricht Dir den Hals! Das ist ja gemeiner Betrug, unlauterer Wettbewerb – – – –« stieß er hervor. – Splitter schob ihn mit einer verächtlichen Handbewegung beiseite und wandte sich an Lotte: »Entschuldigen Sie, gnädiges Fräulein, daß ich Sie störe! Aber ich habe eine große Kunsttischlerei, dreißig ausgebildete Gesellen, da wollte ich mich Ihrem geneigten Wohlwollen em – – –« »Ein Schwindler ist er, liefert schlechtes Holz, geleimte Ware, kann nix!« – unterbrach ihn der andere krähend. – »Glauben Sie mir, ich arbeite für den Hof, bei mir lassen Grafen und Barone – – –« – – »Alles Schwindel, er ist bald pleite!« – kreischte Stoßmann. Dem Tischler schwollen die Adern aus der Stirn vor Zorn. Er gefiel Lotte weit besser als der Konkurrent, denn er suchte sich zu halten und sprach höflich weiter zu ihr. Der liebenswürdige Schwager überhäufte ihn von neuem mit gemeinen Schmähungen.

Plötzlich riß ihm die Geduld. Er fuhr auf Stoßmann zu: »Halt's Maul oder ich schlag' Dir die Giftzähne aus!« brüllte er. – Ein Zank, ein empörtes Hinundher entspann sich. – Lotte zitterte und weinte. Sie glaubte, daß in jeder Minute die Thätlichkeiten losgehen konnten. Vergebens schalt und beschwor sie die Männer. Man hörte sie nicht! Ratlos stand sie in dem Krakehl da. Agnes stürzte fort, um Hilfe von Helms zu holen. Herrn Max hatte sie am Fenster gesehen. Auf der Treppe stieß sie auf Feller: »Gott sei Dank, Herr Doktor, bei uns keilen sich gleich zwei Tischler und brillen ock so schrecklich! Und's Fräulein Lottel weint!« – – Willi stürzte in das Wohnzimmer. Sein klatschnasser Schirm fiel zu Boden, denn er packte Splitters erhobenen Arm, der gerade auf den kleinen, dicken Stoßmann niedersausen sollte. Dann schaffte er militärisch männlich Ordnung. Von seiner Dienstzeit und dem Leben auf dem Schiffe war er an Befehlen gewöhnt. Da drang er denn auch bald durch und schaffte Ruhe.

Er rüffelte die beiden Krakehler tüchtig an, so daß sie still und beschämt dastanden. Dann setzte er alle beide an die Luft. – – Lotte erwartete ihn nervös und noch immer hilflos weinend: »Angenehme Besucher, und das nennt man Sonntagsruhe!« – rief sie schon wieder lächelnd. – Er drückte sie an sich, streichelte sie und scherzte mit ihr, bis sie ruhig wurde. »Armes Herzlieb, erst Woldemar Himbsch, und nun diese beiden angenehmen Zeitgenossen! Das genügt! Und das alles verdankst Du mir! Du wirst mich noch hassen lernen.« – – – »Ich hasse Dich schon immer, Schatz!« – – »Du! Lotte, ist das wahr? Mach' mich nicht böse!« – Er that zornig. Sie zog ihm eine lange Nase. »Seffmanns!« – – »Aha, Seffmanns! Du willst bloß wieder den Versöhnungskuß!« – lachte er und umarmte sie. »Ach!« rief sie aus tiefster Seele – »Von der ganzen Verloberei sind die Versöhnungen am schönsten!«


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