Ferdinand Freiligrath
Gedichte
Ferdinand Freiligrath

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Schiffbruch

(Fragment)

            Wohl wünsch ich vieles mir; doch, wär' ich ein Matrose,
Dann wünscht' ich einen Sturm und eine Wasserhose
Im fernsten Südmeer mir; dann wünscht' ich, daß mein Schiff
Der zürnenden Gewalt des Trombengeists verfiele,
Daß, mast- und segellos, es säße mit dem Kiele
Gespießt auf ein blutrot, turmhoch Korallenriff.

Des Meeres Arme sind die zackigen Korallen;
Aus seiner Tiefe streckt es sie, wie blut'ge Krallen,
Nach den belasteten Ostindienfahrern aus;
Und hat es sie gefaßt, dann hält es sie den Schlägen
Der Stürzflut und dem Zorn des Tropensturms entgegen,
Und reißt sie jauchzend in sein wunderbares Haus.

Die Wände seines Saals – Eisberge! glänzend stehen
An beiden Polen sie! – bedeckt es mit Trophäen:
Der Schiffe Flaggen und zerrißne Segel sind's.
Ha, wär' ein Schiffer ich, dann wollt' ich, so versänke
Mein Schiff, geschleudert auf die scharlachroten Bänke
Des unbekanntesten und fernsten Labyrinths

Von Südseeinseln, die, wie unbewegt das flache,
Saftgrüne Lotosblatt auf einem stillen Bache
Schwimmt, auf dem Meere ruhn: sie schlummern auf der Flut.
Schilfgürtel tragen sie und Kokospalmenkronen:
Die prächt'gen Vögel, die hoch auf den Kronen wohnen,
Sind das Gestein daran, goldgelb und rot wie Blut.

Wie Kinder ruhn sie an der Brust des Ozeanes;
Sie lächeln durch den Sturm; die Stimme des Orkanes
Stört ihren Schlummer nicht; des Meeres schäumend Naß,
Das sie mit Untergang bedroht, macht sie nicht zittern:
So lächelnd schlummerte, inmitten von Gewittern,
Der Sohn des Menschen einst auf dem Tiberias. –

 


 


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