Friedrich der Große
Der Siebenjährige Krieg
Friedrich der Große

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Rückmarsch aus Böhmen

Nachdem der König den Generalen die Rückzugsbefehle erteilt hatte, eilte er dorthin, wo er am nötigsten war: zu der Armee vor Prag. Er konnte sie erst am Abend des folgenden Tages erreichen und traf sofort Anstalten zur Aufhebung der Belagerung, die sich nach der Niederlage bei Kolin nicht länger fortsetzen ließ.

Das Eigenartige bei der Schlacht von Kolin war, daß die österreichische Infanterie sich bereits zum Rückzug anschickte und die Kavallerie gleichfalls zurückgehen wollte, als ein Oberst Ayassasa aus eigenem Antrieb die preußische Infanterie mit seinen Dragonern angriff, in dem Augenblick, wo sie durch die Kürassiere vom Regiment Prinz von Preußen in Unordnung geraten war. Dieser Erfolg machte den schon erteilten Rückzugsbefehl rückgängig. Ohne Zweifel befanden sich die Österreicher nach einer so erbitterten Schlacht in solcher Verwirrung, daß sie die Preußen nicht verfolgen konnten. Trotzdem blieben sie Sieger. Bei größerer Entschlossenheit und Tatkraft hätte Feldmarschall Daun mit seinem Heer schon am 20. Juni vor Prag sein können, und die Folgen der Schlacht von Kolin wären für die Preußen dann noch verhängnisvoller geworden als die Niederlage selbst.

Früh am Morgen des 20. Juni hoben die Preußen die Belagerung auf. Das Korps, mit dem der König nach Brandeis marschiert war, lagerte am folgenden Tage bei Neu-Lysa, wo es sich mit den Trümmern der Truppen von Kolin vereinigte. Die Vermutung, Feldmarschall Daun würde nun gegen die Armee des Königs und der Prinz von Lothringen gegen die des Feldmarschalls Keith vorgehen, war irrig. Die Österreicher verloren viel Zeit mit dem Vorschieben ihrer Magazine, und erst nach acht Tagen vereinigten sich die beiden österreichischen Heere bei Brandeis. Der Prinz von Preußen übernahm das Kommando der Armee bei Neu-Lysa und marschierte mit ihr über Jung-Bunzlau nach Böhmisch-Leipa. Der König dagegen schlug den Weg nach Melnik ein, um sich mit Feldmarschall Keith zu vereinigen und ihm Verstärkung zuzuführen. Bei Leitmeritz ging er über die Elbe, ließ aber, um seine Verbindung mit dem Prinzen von Preußen nicht zu verlieren, den Prinzen Heinrich mit einem Detachement bei Trebautitz am rechten Elbufer. Die Armee des Königs breitete sich in der Ebene zwischen Leitmeritz und Lobositz aus.

Anfang Juli näherte sich Nadasdy den Preußen. Er lagerte bei Gastorf, dem Korps des Prinzen Heinrich gegenüber, und gab sich alle Mühe, die Verbindung zwischen den preußischen Lagern bei Leitmeritz und Böhmisch-Leipa zu unterbrechen. Das gelang ihm auch leicht: er sandte seine Panduren ringsum in die Wälder und nach den zahlreichen Defileen, die sich in jenem Teil Böhmens befinden. Auf dem linken Elbufer erschien nur ein kleines österreichisches Korps unter Laudon. Der hatte sich mit 2000 Panduren am Fuße des Paschkopole eingenistet, von wo er die Landstraßen unsicher machte und die Detachements beunruhigte, sonst aber wenig erreichte.

Lebhafter ging es bei den Truppen des Prinzen von Preußen zu. Nachdem sich der Prinz von Lothringen mit Feldmarschall Daun vereinigt hatte, verließen beide Brandeis und folgten dem Prinzen von Preußen. Sie lagerten bei Niemes, umgingen die linke Flanke der Preußen und erreichten Gabel einen Tag vor ihnen. Das Schloß von Gabel verteidigte General Puttkamer, den der Prinz von Preußen mit vier Bataillonen dorthin detachiert hatte, um die Zufuhr für die Armee aus Zittau zu erleichtern. Hätte sich der Prinz von Preußen zum sofortigen Vormarsch aus Gabel entschlossen, so hätten die Österreicher durch ihre Bewegung nichts gewonnen. Aber da sich der Prinz die Folgen nicht sogleich klargemacht hatte, so blieb er ruhig in seinem Lager und ließ den Feind machen, was er wollte. Feldmarschall Daun schickte ein Detachement von 20 000 Mann ab, das Puttkamer in Gabel angriff. Trotz tapferer Gegenwehr mußte sich Puttkamer am dritten Tage nach Eröffnung der Laufgräben aus Mangel an Unterstützung ergeben (15. Juli). Nachdem der Posten verloren war, sah der Prinz von Preußen seine Wichtigkeit ein: der gerade Weg aus seinem Lager nach Zittau geht nämlich über Gabel. Nun war ihm diese Straße verlegt, und es blieb ihm nur noch der Weg über Rumburg offen. Das war aber ein Umweg von einigen Meilen, abgesehen davon, daß man dort nur in einer Kolonne marschieren konnte. Das Heer mußte also diesen Weg einschlagen und verlor dabei einen Teil des Gepäcks und der Pontons, die auf den engen Straßen zwischen den Felsen zerbrachen. Der Prinz mußte bei seinem Marsche auf Zittau also einen Bogen beschreiben, während Daun auf der Sehne marschierte. Als Schmettau, der Führer der preußischen Avantgarde, sich Zittau näherte, fand er die Österreicher schon auf dem Eckartsberge postiert. Das war der Schlüsselpunkt der ganzen Gegend: er beherrschte die Stadt und ihre Umgebung. Die Armee des Prinzen von Preußen besetzte eine Anhöhe dem feindlichen Lager gegenüber. Zittau lag vor ihrem rechten Flügel zwischen den beiden Armeen, und der linke Flügel zog sich über den Hennersdorfer Berg. Der Prinz konnte die Stadt zwar halten, sie aber nicht vor Angriffen der Kaiserlichen schützen. Auf Anraten des Prinzen Karl von Sachsen ließ Daun Zittau bombardieren. Die Stadt hat enge Straßen und größtenteils Schindeldächer. Die fingen Feuer, und die brennenden Schindeln verbreiteten den Brand über verschiedene Stadtteile. Die Häuser stürzten ein, und ihre Trümmer sperrten die Straßen. Nun sah sich der Prinz von Preußen genötigt, die Besatzung herauszuziehen. Aber die Truppen auf der ihm entgegengesetzten Seite konnten sich durch die Flammen und Trümmer keinen Weg zur Armee bahnen, und so fielen Oberst Diericke mit 150 Pionieren und Major Kleist mit 80 Mann vom Regiment Markgraf Heinrich in Feindes Hand (23. Juli). Der Besitz von Zittau selbst war unwichtig. Schlimm war nur der Verlust eines bedeutenden Magazins, das niederbrannte. Denn ohne das Magazin konnte die Armee des Prinzen von Preußen Brot und Lebensmittel nur noch aus Dresden beziehen. Man hätte das Brot also zwölf Meilen weit ins Lager schaffen müssen, und da sich einem solchen Transport unübersteigbare Schwierigkeiten entgegenstellten, so mußte der Prinz sich seinen Lebensmitteln nähern. Er brach daher von Zittau auf, ohne vom Feind verfolgt zu werden, und wies der Armee eine Stellung in der Gegend von Bautzen an (27. Juli).

Verlustreicher Rückzug des preußischen Heeres aus Böhmen.

Sobald der König den Verlust von Gabel erfuhr, entschloß er sich zur Räumung von Leitmeritz und zum Rückzug nach Sachsen. Leitmeritz war leer, Munition und Proviant waren schon in Dresden angekommen. Da keine Zeit zu verlieren war, so ging Prinz Heinrich über die Elbe, vereinigte sich mit dem König, und die Armee lagerte zwischen Sullowitz und Lobositz. Nadasdy war der Nachhut des Prinzen gefolgt und griff die Feldwachen an, fand aber tapferen Widerstand und wurde mit Verlusten flugs über die Elbe zurückgeworfen. An den folgenden Tagen zog sich die Armee nach Hlinay und von da nach Nollendorf über Pirna zurück. Aussig und Tetschen wurden ohne Verluste geräumt. Der König ließ den Prinzen Moritz mit 14 Bataillonen und 10 Schwadronen zur Deckung des Passes von Berggießhübel zurück und marschierte mit dem Rest der Truppen nach Bautzen, wo er sich mit dem Prinzen von Preußen vereinigte (29. Juli). Der Prinz, der krank geworden war, verließ die Armee und siechte seitdem dahin. Sofort rückte der König mit einem Detachement von Bautzen nach Weißenberg und vertrieb von dort Beck, der sich auf Bernstadt zurückzog. Die Maßregeln zur Neuordnung der Verpflegung und zur Anschaffung neuer Proviantwagen hielten den König vierzehn Tage lang auf.

Dabei war er rechts durch die Fortschritte der Franzosen und links durch die der Russen bedrängt. Da er also einige Detachements fortschicken mußte, so kam er auf den Gedanken, die Österreicher anzugreifen und sich womöglich von ihnen zu befreien, bevor er sich durch jene Absendungen schwächte. So brach er denn am 15. August nach Bernstadt auf. Die linke Kolonne führte der König, die rechte der Herzog von Bevern. Fast hätten sie Beck auf einer Höhe bei Sohland umzingelt. Der Freischarenführer rettete sich indes mit Verlust eines Teiles seiner Mannschaft.

Von Bernstadt detachierte der König 6 Bataillone nach Görlitz und marschierte mit dem Gros der Armee stracks auf die Österreicher los (16. August). Feldmarschall Daun stand noch auf dem Eckartsberg und ließ die Truppen nur eine Schwenkung machen, um seine Front den Preußen parallel zu richten. Seine Stellung war unangreifbar. Auf der linken Flanke lag ein bastionsartiger Berg, der mit 60 zwölfpfundigen Kanonen gespickt war und die Hälfte der österreichischen Armee bestrich. Vor der Front zog sich der tiefe Grund des Wittgenbaches mit steilen Felswänden. Drei Straßen führten durch die Ortschaft Wittgendorf auf den Feind zu. Nur die breiteste bot Raum genug für einen Wagen. Der rechte Flügel des Feldmarschalls lehnte sich an die Neiße. Am jenseitigen Ufer stand Nadasdy mit der Reserve auf einer Anhöhe und konnte von dort aus mit 20 schweren Geschützen die ganze Front der Kaiserlichen bestreichen. Beide Armeen waren nur durch die Schlucht des Wittgenbaches getrennt. Der Tag verstrich unter gegenseitiger Kanonade. Am folgenden Morgen schob der König ein Korps unter Winterfeldt bei Hirschfelde über die Neiße vor, um zu rekognoszieren, ob man Nadasdy nicht in ein Gefecht verwickeln könnte. Dann hätte Feldmarschall Daun ihm zu Hilfe kommen müssen, und das hätte zu einer allgemeinen Schlacht geführt. Aber die Schwierigkeit des Geländes vereitelte das Vorhaben, und so mußte man den Plan fallen lassen.

Unter den obwaltenden Umständen wäre ein entscheidender Schlag für den König von großem Vorteil gewesen. Es war keine Zeit zu verlieren. Ein französisches Heer stand bei Erfurt, die Armee des Herzogs von Cumberland war bis Stade zurückgedrängt, und das Herzogtum Magdeburg sowie die Altmark standen den Einfällen der Franzosen offen. Eine schwedische Armee hatte die Peene bei Anklam überschritten, und die Reichstruppen waren im Anmarsch auf Sachsen. Allein es war bei dem schwierigen und unwegsamen Gelände unmöglich, den Österreichern eine Schlacht zu liefern, und da der König schleunigst einige Detachements abschicken mußte, sah er sich zum Rückzuge genötigt. Die Infanterie zog treffenweise ab, ohne daß der Feind es zu bemerken schien.

Die Armee marschierte nach Bernstadt (20. August) und lagerte auf den Höhen von Jauernick bis zur Neiße. Jenseits des Flusses dehnte sich Winterfeldts Korps bis Radmeritz aus. Der König übergab den Befehl über die Armee dem Herzog von Bevern, dem er Winterfeldt, seinen eigentlichen Vertrauensmann, zur Seite stellte. Nachdem er beiden die Deckung der schlesischen Grenzen ans Herz gelegt hatte, brach er selbst mit 18 Bataillonen und 30 Schwadronen auf, um den Franzosen und Reichstruppen entgegenzutreten.


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