Theodor Fontane
Cécile
Theodor Fontane

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Achtundzwanzigstes Kapitel

Gordon saß in dem Glaspavillon des Hotels, als St. Arnauds Brief eintraf. Er las und verzog keine Miene. Daß sich etwas der Art vorbereiten würde, war ihm von dem Augenblick an wahrscheinlich, wo der Geheimrat, um in den Club zu gehen, den Salon Céciles verlassen hatte. Das Wahrscheinliche war nun da. Nichts von Furcht überkam ihn, und wenn etwas davon ihn angewandelt hätte, so würd ihn der unendlich hochmütige Ton des Briefes dieser Anwandlung rasch wieder entrissen haben. War er doch selber ein Trotzkopf und von einem Selbstgefühle, das dem seines Gegners unter Umständen die Spitze bieten konnte. »Gemach, mein Herr Oberst; Sie halten nicht vor Ihrer Front, und ich bin nicht Ihr jüngster Lieutenant. Oder glauben Sie, daß ich devotest um Entschuldigung bitten und mich vor Ihnen klein machen soll, bloß weil Sie das Totschießen als Geschäft betreiben. Sie täuschen sich. Ich hab auch eine feste Hand und den ersten Schuß dazu, wenn die Gesetze der Ehre noch dieselben sind. Der Ehre. Was sich nicht alles so nennt! Nun, sei's drum ... Aber wen schick ich an Rossow? Ich werde nach der Villa hinausfahren... Der Bruder der jungen Frau...«

Die Dinge regelten sich in der Tat innerhalb weniger Stunden, und weil beiden Parteien daran lag, allerlei Weiterungen und Hemmnisse vermieden zu sehen, wie sie nicht wohl ausbleiben konnten, wenn Cécile davon erfuhr, so kam man überein, an demselben Abende noch den Dresdner Schnellzug benutzen und am andern Morgen, in einem in der Nähe des Großen Gartens gelegenen Wäldchen, den Handel ausfechten zu wollen.

Cécile, so gut sie St. Arnauds ungestümen Charakter kannte, gewärtigte keinen unmittelbaren Zusammenstoß und war deshalb nur verstimmt, aber nicht eigentlich geängstigt, als sie den andern Morgen hörte, der Oberst, dessen Unregelmäßigkeiten sie kannte, sei tags vorher nicht nach Hause gekommen.

»Er ist der Mann der Exzentrizitäten. Was wird vorgekommen sein? Ein Sport, eine Clublaune, vielleicht ein Wettritt neben dem Eisenbahnzuge her. Und dann Nachtquartier in einer Dorfschenke mit der Devise: ›Je schlechter, je besser.‹«

Sie nahm ein Buch zur Hand und versuchte zu lesen. Aber es ging nicht, und als auch ein Gespräch mit dem Papagei versagte, zog sie sich in ihr Schlafzimmer zurück, um hier früher als sonst Toilette zu machen.

»Ich will zu Rosa. Freilich am Ende der Welt. Aber seit Wochen hab ich ihr einen Besuch versprochen, und ich sehne mich nach einem guten Menschen.«

In ihrem Schlafzimmer war ein eleganter Kamin, vor dem die Jungfer sich eben beschäftigte. Diese warf Kohlen und Tannäpfel auf und suchte mit einem kleinen Blasebalg das halb ausgegangene Feuer wieder anzufachen.

»Ah, das ist gut, Marie. Mach es uns warm: ich friere. Du könntest mir noch den Shawl bringen.«

Während dieser Worte ging draußen die Klingel, und Cécile hörte, wie des Obersten Diener ein längeres Gespräch hatte.

»Sieh, was es ist.«

Marie ging und kam mit einem Briefe zurück, der eben abgegeben war. Er trug nur die Aufschrift: »Frau von St. Arnaud, Hafenplatz 7a.« Und Cécile sah, daß es Gordons Handschrift war.

»Geh, Marie... nein, bleib.«

Und mit zitternder Hand riß sie das Couvert auf und las.

»Verzeihung, gnädigste Frau, Verzeihung, liebe Freundin. Ich hatte wohl unrecht, nein, ich hatte gewiß unrecht. Aber der Sinn war mir gestört, und so kam es, wie es kam. Ein berühmter Weiser, ich weiß nicht, alter oder neuer Zeit, soll einmal gesagt haben, ›wir glaubten und vertrauten nicht genug, und das sei der Quell all unsres Unglücks und Elends‹. Und ich fühle jetzt, daß er recht hat. Ich hätte, statt Zweifel zu hegen und Eifersucht großzuziehen, Ihnen vertrauen und der Stimme meines Herzens rückhaltslos gehorchen sollen. Daß ich es unterließ, ist meine Schuld. Ich werde Sie nicht wiedersehen, nie, was auch kommen mag. Sehen Sie mich allezeit so, wie ich war, ehe die Trübung kam. Immer der Ihre. Wieder ganz der Ihre.

v. G.«

Das Blatt entglitt ihrer Hand, und ein heftiges Schluchzen folgte.

Marie sprang herzu, ließ die halb Ohnmächtige in den Fauteuil nieder und griff nach dem Kölnischen Wasser, das auf dem Kaminsims stand. Aber Cécile richtete sich mit Anstrengung wieder auf und sagte: »Laß. Es geht vorüber. Weißt du, Marie ... Herr von Gordon ...«

»Jesus Maria, gnädige Frau...«

»Da. Lies. Das sind seine letzten Worte.«

Und die Jungfer bückte sich nach dem auf den Kaminteppich gefallenen Brief, um ihn Cécile zurückzugeben. Aber diese schüttelte nur den Kopf und sagte, während sie nach der Konsoluhr zeigte: »Merk die Minute ... Er ist erschossen ... jetzt


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