Caroline Auguste Fischer
Mährchen
Caroline Auguste Fischer

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Prinz Kanzedir

Den unstäten Wanderern, welche aus Habsucht, Neugierde oder aus Unzufriedenheit mit ihrem Vaterlande, sich berufen glauben, die fernsten Zonen des Erdballs zu durchstreifen, glänzte sonst, von den Zinnen des Kaukasus her, ein prächtiges, mit schönen Façaden verziertes, und mit vergoldeten Kuppeln prangendes Gebäude entgegen, das sie mit Erstaunen und Verwunderung erfüllte.

Dort soll, nach den Sagen der Urwelt, die holdselige Fee Panagathe ihren Aufenthalt immer gehabt, und von dort her soll sie das Gute, Liebe und Edle, das der Menschheit Zierde je gewesen, mit majestätischer Milde und frohem Herzen den Sterblichen gespendet haben. Ihre Schönheit und tugendsame Denkart hatten ihr die Gunst eines Peri auf ewige Zeiten erobert, und die schönsten Tage, welche die Liebe zu schaffen vermag, wurden dort in jener hohen Luftregion, von der edlen Panagathe verlebt.

Nie würde die Freuden dieses himmlischen Aufenthalts jemals eine trübselige Stunde gestört haben, wenn die Gebieterin desselben nicht das Herz einer Sterblichen besessen hätte und daher, bei der von ihrem Peri ihr verliehenen höheren Macht, es nachdrücklicher empfinden mußte, wie sie diejenigen nicht den strengen Schlüssen des unerbittlichen Schicksals zu entreissen vermögend war, für welche die süßen Bande der Verwandtschaft ihr große Theilnahme und mütterliche Sorgfalt geboten.

Schon lange hatte keiner aus dem Kreise ihrer Höflinge, dessen kleinste Zierde Grazien, Genien, Amoretten und Zephire waren, an ihr einen düstern Blick bemerkt, der ihre sanften, schönen Züge entstellte, oder einen innern Kummer, der ihre süßen und bezaubernden Worte verstimmte. Alles mußte daher in Bestürzung gerathen, als einst an einem lieblichen Morgen, den ein heiterer Himmel verherrlichte, sich die schöne Gebieterin des schönsten Aufenthalts niedergeschlagen und in Kummer versenkt, bei ihrem zahlreichen Gefolge einfand, das ihr auf einem frisch begrünten Rasen entgegensah, und frohen Sinnes zu ihrem Empfange bezaubernde Gesänge anstimmte. Alles erschrack und verstummte, keiner wagte es der Gebieterin näher zu treten, jeder fürchtete durch eine Frage ihren Kummer zu vergrößern. Endlich sammelte sie mit einem Wink ihre vertrauten Gespielinnen um sich her und von diesen wagte es endlich Eine das Wort zu nehmen, und ihrer Gebieterin die Ursache ihres Kummers abzufragen.

»Das Ausbleiben Kanzedirs meines Neffen beunruhigt mich sehr,« begann Panagathe mit gerührter Stimme. »Schon gestern glaubte ich, daß er von seiner Reise zurückkommen würde, und noch erfahre ich nichts von ihm. Muß mir dieser Jüngling bei jeder Gelegenheit Kummer machen? Will es das Schicksal so? – Von den übeln Eigenheiten, mit denen er geboren ward, hab ich ihn, trotz der Sorgfalt, die ich seiner Jugend weihete, nicht befreien können. Das Reisen dürft' ihn auch nicht viel gebessert haben. Er theilt dies Schicksal vielleicht mit manchem auf Reisen gegangenen Großen. Von seiner Rückkunft versprech' ich mir nicht viel Freude. Indeß sein Außenbleiben kümmert mich – Er ist mein Neffe und –« Hier hielt die Fee inne. Ihr Scharfblick entdeckte etwas in der Ferne hinter einer Staubwolcke. Sie heftete fest ihren Blick dahin. »Endlich seh' ich Kanzedir« rief sie freudenvoll. »Hier, meine Gespielinnen, kommt er schon den Weg hinangesprengt. Wir wollen ihm doch entgegen.«

Es war wirklich Kanzedir, den aber mit solcher Pfeilesschnelle sein Pegasus trug, daß er, ehe noch Panagathe ihm einige Schritte entgegen war, schon vor ihr stand. Düster war sein Blick, zerstört sein Äußeres. Er gähnte aus weitem Rachen, reckte die Hände, brummte etwas unter dem Bart und warf sich ungestüm auf einen Rasen.

Freundlich reichte ihm Panagathe ihre Marmorhand zum Willkommen und den Rosenmund zum Kusse. Jene stieß er von sich, diesem grinzte er entgegen.

»Was fehlt Dir Neffe?« redete sie ihn sanft an.

Element! Was mir fehlt? erwiederte er.

»Hat die Reise Dich ermüdet?«

Die Reise mich ermüdet? Die Welt ist für mich zu klein. Bei allen Stürmen des Ozeans! mich so etwas zu fragen.

Aufgebracht sprang er von seinem Sitze, eilte in sein Gemach, warf seinen Wams von sich, lief im Zimmer auf und ab und fiel endlich ermüdet auf einen Divan zurück, wo ihn ein fester Schlaf überraschte.

Mit leisem Schritte nahete sich ihm die Fee und ließ sich an seinem Lager auf einen Sessel nieder. Die Verzuckungen, die Bewegungen und die Seufzer, welche er hören ließ, verriethen ihr an ihrem Neffen einen innern Kampf, in welchem er mit sich war. Während des Schlummers begann die Einbildungskraft in ihm sich lebhafter zu regen. Abenza! rief er, grausame Abenza! dies ist Dein Werk – Fort Kanzedir – Dir selbst aus den Augen. – Ein Dolch! – Hier hob er sich ungestüm von seinem Lager, streckte seinen Arm aus und stieß mit solcher Gewalt einen ihm nahe stehenden Sessel von sich, daß ein Zwerg, welcher ihm eben einige Erfrischungen bereit stellen wollte, von demselben bewußtlos zu Boden geworfen ward und eine Spiegelwand, gegen die er flog, in Trümmer fiel.

»Kanzedir?« rief Panagathe erschrocken, »was fehlt Dir? Beruhige Dich.«

Abenza! meine Abenza! rief er entzücket und halb wachend, sprang von seinem Lager auf, und fiel Panagathen um den Hals. Endlich sah er sie stier an. »Nein? Sie ist es nicht,« rief er schluchzend. »Ach! das Schicksal will mich nicht glücklich sehen. –« Er sank auf seinen Sitz verzweifelnd zurück. »Tantchen! Tantchen!« rief er, »ich sterbe –«

»Welche Grille!« fiel Panagathe in beruhigendem Tone ein. »Alle Macht, welche mir das Schicksal verliehen, alle Kräfte der Natur, die unter meiner Bothmäßigkeit stehen, will ich in Bewegung setzen, Dir zu helfen. Was quält Dich?«

»Ach! Deine Macht! Was hat diese für mein Heil bis jetzt gethan? – was hilft mir alle Kraft mich den höheren Kreisen der Geisterwelt nähern und die tiefsten Geheimnisse der Schöpfung mir entfalten zu können? Was der Heldenmuth, der mich ganzen Heeren von Räubern furchtbar macht? die ausdauernde Tapferkeit, die keine Gefahren scheuet, der Unschuld hülfreiche Hand zu bieten? Was hilft das Alles mir. Die Welt bewundert mich. Ich laß überall zurück den Ruf eines mächtigen, großen Mannes; es lodert vielleicht da oder dort noch auf einem Altar von einem Opfer, das mir der Aberglaube oder die Dankbarkeit dargebracht; es erinnert vielleicht hier und da ein marmornes Denkmal den vorbeistreichenden Wanderer an eine meiner Großthaten: allein für sich findet der arme Kanzedir keine Ruhe. – Achtung, Ehrfurcht, Freundschaft versagt mir kein Sterblicher. Allein Liebe – Liebe, diese sanfte beseeligende Empfindung – ach! diese bin ich nicht vermögend, in einem sterblichen Wesen aufzuregen.

Wenn ich so auf meiner großen Wanderung es oft bemerkte, wie manche Sultanin einem Sklaven die herzlichsten Gefühle weihete, nach denen ich, der aus Fürstenblut Entsprossene, vergebens schmachte, da wurmte es in mir. Ich konnte mich lange, lange deshalb beruhigen, ich ertrug mein Schicksal geduldig und standhaft. Aber – seitdem ich Abenza gesehen, seitdem ihre großen schwarzen Augen mich getroffen, glimmt ein Feuer in mir, das keine Geduld, keine Selbstüberwindung zu bändigen vermag. Nein! die Flamme, die Abenza in mir angefacht, werde ich nur in ihrem Besitz oder mit meinem Untergange verlöschen sehen.

O känntest Du, Tantchen, Abenza! Es würde Dir äußerst kränkend sein, nicht im Besitz der Kraft Dich zu sehen, Deinen Neffen in einer leidlichern Gestalt erscheinen lassen zu können. Betrachte mich, sieh mein Äußeres, diese blinzenden Augen, diesen fletschenden Mund, dies struppigte Haar, den höckerigen Wuchs, den plumpen Fuß, die kreischende Stimme, kann dies in einem Manne vereinigt ein Weib, ein Weib wie Abenza einnehmen? – Und ich liebe Abenza, liebe sie wie man noch nie geliebt. Wär' ich doch wohlgestaltet! Alles gäb' ich darum, was Deine Macht, Tantchen, mir angedeihen lassen könnte. Alles! – Abenza wär' mein, mit ihr des Sultans Albinalis Thron, und der Glücklichste der Sterblichen wär' ich.

Aber itzt, grausames Schicksal! Abenza verachtet mich, weist mich von sich, liebt einen Andern, zieht einen elenden Emir, der kaum einige Parasangen Landes zum Erbe hat, mir, dem Fürstensohn, dessen Macht keine Gränzen kennt, vor – Ich verzweifle.«

Eine Thräne des Mitleids entfiel der edlen Panagathe. Sie kannte die große Gewalt derjenigen Leidenschaft, von welcher sie ihren Neffen hingerissen sah. Doch was konnte sie thun? In ihrer Macht stand es nicht, den Bestimmungen der Natur vorzugreifen, sie konnte nicht den Fügungen der Wesen eine andere Richtung geben. Im großen Buche des Schicksals stand es verzeichnet: Kanzedirs Gestalt soll kein weibliches Herz erobern und man mußte nicht häßlicher als Kanzedir sein, um den Ausspruch des Schicksals in Erfüllung zu bringen.

Panagathe dachte nur auf Mittel seine Leidenschaft zu mäßigen. Durch Zerstreuungen und neue Bekanntschaften hoffte sie seiner auf Abenza hingewurzelten Einbildungskraft eine andere Richtung zu verleihen und allmählig die Flammen der Liebe zu mildern, die ihn zu verzehren droheten.

Sie widersprach keinesweges seinen leidenschaftlichen Äußerungen, sie schien sie vielmehr zu billigen. »Wenn Abenza,« sagte sie ihm, »ein Weib ist, das ihrem Geschlechte eine solche Zierde verleihet, so ist sie es werth von Dir geliebt zu werden. Verzweifle nicht, Neffe! die Zeit, meine Macht wird vielleicht bei ihr etwas für Dich vermögen.«

»Das wolle das Schicksal!« erwiederte Kanzedir und hohlte einen tiefen Seufzer.

»Sei ein Mann. Es ist die erste Liebe die Du pflegst und diese plagt uns Sterbliche am heftigsten. Vielleicht will das Schicksal Deine Geduld prüfen. Vielleicht hat es für Dich eine Würdigere – «

Hier merkte Kanzedir wo Panagathe hinaus wollte. »Wie? Was? –« rief er aufgebracht. »Ein ganzes Heer Feen und Dich obendrein gäb' ich um Abenza –«

So lieb' ihr der Neffe war, so sehr sie sich verpflichtet hielt seinem jähzornigen Temperamente manches nachzusehen, mußte dies Geständnis doch ihre Eitelkeit ein wenig kränken. Sie ward ernsthaft, faßte sich und mit erhabener Stimme fiel sie ein: »meine Geduld kennt gegen Dich zwar keine Grenzen, aber Du gehst zu weit. Dich von deinem Verderben zu retten, muß ich gegen Dich strenger sein als ich –« Bei diesen Worten wollte Kanzedir noch lauter seinen Unwillen äußern, allein Panagathe winkte mit ihrem Zauberstabe, weg war seine Sprache, sein Bewußtsein versiegte, ein sanfter Schlummer bemeisterte sich seiner, die angenehmsten Bilder füllten seine Träume. Nach einigen Stunden erwachte er endlich. Er fühlte sich leichter, die Ruhe hatte seine Lebensgeister gestärkt, und dies schuf in seinem flüchtigen Ideengange einen solchen Grad von Ordnung, daß ihm einige laute Äußerungen über sein Benehmen gegen Panagathe entfuhren.

Dies war was Panagathe erwartete, und sie trat nun wieder mit froher Stimmung und heiterer Miene zu ihm; fragte ihn nach seinem Befinden und fügte endlich hinzu, daß er von ihrer Seite alle mögliche Hülfe, ihn von einer verzehrenden Leidenschaft zu heilen, erwarten könne.

Den düstern Blick, mit welchem er bei diesen Worten Panagathe zu treffen schien, suchte sie sogleich durch einen Zauber zu verscheuchen, den sie mit einem Wink herbeiführte. Ein Frühstück, das nichts für den Gaumen zu wünschen übrig ließ, stand plötzlich vor Kanzedir. Sylphen in rosenfarbigen Gewändern reichten ihm die edelsten Getränke und Amoretten mit goldenen Schwingen gegürtet, umgaukelten mit dem feinsten Backwerk seinen Sitz. Von Ferne her entzückte sein Ohr die Harmonie der Sphären, und um seinen Sinnen ein vollständiges Schauspiel zu gewähren sah er im Hintergrunde, eine Anzahl jugendlicher Schönen in wirbelnden Kreise sich bewegen, von denen jede den Grazien selbst noch einige Reize leihen konnte.

Scharf nahm Panagathe nun ihren Neffen ins Auge, sie beobachtete einen jeden seiner Blicke, um abzusehen, welchen Eindruck dies Schauspiel auf ihn machte; allein sie fand seinen Blick fest, er schien kalt, ungerührt, und endlich rief er mit einigem Nachdruck. »Ach, Tantchen: Alle diese reizende Schönheiten verdunkelt Abenza. Abenzas Bild findet für mich nicht seines Gleichen.«

Panagathe wollte seine Einbildungskraft nicht im höheren Grade zu sich kommen lassen. Kaum fand sie, daß dieser Zauber ihn erschöpfte, so suchte sie ihn mit einem andern zu verfolgen.

Auf einen ihrer Winke drängte sich ein Haufe Genien, Satyren und Faunen um Kanzedir. Alles ward mit Eifer zu einer Jagdpartie vorbereitet, die ihres Gleichen noch haben soll. Von allen Seiten ertönten Hörner und Posaunen, das Wild aufzuschrecken, und in schönster Mannigfaltigkeit versammelte sich Panagathe's Hof, den Zeitvertreib zu vergrößern. Die schönsten Pferde, die gelehrigsten Kuppeln wurden herbeigeführt, und ehe man sichs versah, eilte Alles in schönster Ordnung, zu dem nahegelegnen weitläuftigen Jagdrevier. Kanzedir war nicht der letzte, und die Fee war sehr geneigt aus seinem Äußern abzunehmen, daß dieser Zeitvertreib Veranlassung sein dürfte, seiner Einbildungskraft eine andere Richtung zu geben.

Die Jagd begann. Kanzedir scheuete keine Gefahr. Kleines und großes Wild nahm er mit gleichem Muth auf die Spur und beinahe bis zum hohen Mittag war er unermüdet im Verfolgen. Endlich ward zum Rückzuge in die Hörner gestoßen. Kanzedirs Roß ward aufgeschreckt, ging mit ihm durch, und führte ihn gegen einen Ast, der ihn so verletzte, daß er bewußtlos vom Pferde sank.

Glücklicherweise ereignete sich dieser Vorfall nicht fern vom Sammelplatze der Theilnehmer der Jagd. Man eilte daher Kanzedir gleich zu Hülfe, Alles drängte sich um ihn. Panagathe war außer sich, als sie ihren Neffen in diesem Zustande erblickte. Von allen Seiten wurden Mittel herbeigeholt, ihn zu ermuntern, und die vereinigte Sorgfalt bewirkte es endlich, daß er wieder zu sich kam. Er ward sogleich in sein Gemach gebracht, wo eine kurze Ruhe ihm zwar sein völliges Bewußtsein wiedergab, aber in ihm zugleich den Gedanken an einen Gegenstand aufregte, den Panagathe in ihm verwischen wollte.

»Ich muß gestehen Tantchen!« waren seine ersten Worte als er sich erholt, «Ich habe mich belustigt, es war Alles schön, sehr schön. Allein mein letzter Unfall, wahrlich! wär mir bei Abenza nicht begegnet. Nein Tantchen! Gewiß nicht.« Seufzte er tief. Gleichsam eine düstere Wolke verbreitete sich über sein Gesicht. Das schönste Mittagsmahl, bei welchem alle Genien des Lebensgenusses den Vorsitz hatten, und alle ihre Kräfte gegenseitig aufboten, die Freuden der Tafel zu erhöhen, konnte ihn nicht in bessere Laune versetzen. Alles suchte Panagathe vor, um seine Einbildungskraft während desselben zu beschäftigen, allein nichts konnte sie von ihrem Rückfall abbringen. Zudem ihn alle Reitze der Tafel umgaukelten, beschäftigte ihn nur der Gedanke: Keine Abenza, keine Freude.

Äußerst gerührt war die gute Fee von seinen Leiden, und sie machte es sich neuerdings zur Pflicht, ein Mittel hervorzusuchen, sie für ihn zu mildern.

Sie winkte, und zwanzig Genien entfernten sich, und nahmen ihren Flug nach den entferntesten Regionen. Bei allen Feen verkündeten sie für diesen Abend einen Maskenball, den sie mit ihrer Gegenwart bei Panagathen verherrlichen sollten.

Der Abend kam mit großen Schritten herbei und von allen Seiten sah man in Lüften die wohlthätigen Gebieterinnen der Peris herbeieilen. Keine erschien ohne Begleitung einiger schönen Jünglinge oder Mädchen, die sie dem Schooße des fürstlichen oder bürgerlichen Haushalts entzogen, um ihnen ihre Tugenden einzuflößen, und in ihnen den Menschen neue Werkzeuge des Wohlwollens zu schaffen.

Lärmend war das Gewühl und mannigfaltig der Anblick der in tausendartigen phantastischen Gestalten sich herandrängenden Menge. Sie wogte dahin wie eine brausende Flut, und füllte die Luft mit einem vollstimmigen Gemurmel. Alles vereinigte sich endlich in einem großem Saal, der alles Schöne, Wunderbare und Prächtige, das je Menschenhände auf ein solches Kunstwerk verwendeten, durch Panagathes Zauberkraft entfaltete. Die himmlische Tonkunst hörte mit staunendem Ohre ihre Günstlinge im schmelzenden Adagio und wirbelnden Allegro den gefälligen und rauschenden Tanz der jugendlichen Reihen mit Zauberkraft begleiten: Alles wallte in Freude, zerfloß in Wonne. Und was Tanz und Musik nicht zu vollenden vermochten, das wußte die himmlische Kraft der Liebe zu ersetzen, die in den feurigen Blicken der schönen und lieblichen Jugend, ihre Empfindungen in einem wonnevollen Kreislauf zu erhalten wußte.

In dieses Getümmel verlor sich Kanzedir. Anfänglich konnte sich seine Einbildungskraft nicht herausfinden. Alle seine Sinne waren in einen süßen Taumel versunken. Seine zur Liebe geneigte Seele fand in jeder der weiblichen Schönheiten, welche die Natur hier verschwendet zu haben schien, einen Gegenstand seiner Bewunderung und seines Entzückens. Kaum hatte er sich aber ein wenig gesammelt, so begann in ihm wieder der Kreis seiner ihm eigenen Empfindungen Raum zu gewinnen, und seine Stimmung für Abenza blieb nicht die letzte, welche sich seiner Einbildungskraft aufdrang. In einer jeden der hier versammelten Schönen suchte er etwas auf, was er an Abenza bewunderte und das führte ihn endlich auf den Gedanken: ob Panagathe ihm nicht das Vergnügen gemacht haben sollte in diesem großen Cirkel ihn umgebender Schönen ihn mit seiner Abenza zu überraschen.

Der Gedanke drängte sich in ihm mit allzugroßer Lebhaftigkeit hervor, als daß er vollends Meister seiner Sinne bleiben konnte, und die nächste nur etwas seiner Abenza ähnliche Gestalt mußte ihn in jener Vermuthung bestärken. Schon weilte sein Auge einige Zeit auf dem Gewebe der mannigfachen Schönen, als eine weibliche Figur in solchem Grade seine Aufmerksamkeit auf sich zog, daß er keinen Augenblick zweifelte, in ihr seine Abenza zu finden. Sie sehen und verfolgen, war bei ihm nur Ein Gedanke. Er ließ sie nicht aus den Augen. Keinen Schritt konnte sie thun, ohne daß Kanzedir ihn nicht zu bemerken strebte. Endlich erreichte er seinen Zweck der Maske sich ungehindert nähern zu können. Sie zog sich aus dem Gewühl zurück. Er war sogleich an ihrer Seite und faßte Muth sie anzureden.

»Wir kennen uns, schöne Sylphe!« waren seine ersten Worte. Keine Antwort erfolgte. »Ich sollte glauben Sie sind es –« fuhr er fort. Die Schöne verhüllte sich etwas mehr, geht auf die Seite und nimmt auf einem Divan Platz. Kanzedir ließ sich an ihrer Seite sogleich nieder: »Sie verstecken sich vor mir? Spielen gegen mich die Spröde?« fuhr er fort. »O wüßten Sie was ich für Sie empfinde?« – Die Sylphe hört ihn gelassen an, giebt keinen Ton von sich, sondern antwortet ihm nur mit einigen Bewegungen, die für Kanzedir mehr Bedeutung hatten, als manche laute Äußerungen. Er ward daher immer zudringlicher und beherzter. Er wollte und konnte sich nicht länger getäuscht sehen und wagte es daher, auf eine sanfte Weise ihr die Maske abzuziehen.

Wie groß war sein Erstaunen als er, statt Abenza, vor sich Panagathe sah. Panagathe ihrer Seits, welche keinesweges wußte, daß Kanzedir in ihr seine Abenza verhüllt wähnte, freute sich ihrem Neffen einen augenscheinlichen Beweis gegeben zu haben: daß die strenge Liebe welche er gegen Abenza zu hegen schien, nur in seiner Einbildungskraft genährt werde, und daß es nur eines andern Gegenstandes bedürfe, um dieser eine andere Richtung zu geben.

Das Staunen Kanzedirs zwang Panagathen ein Lächeln ab, das sich aber in einen mächtigen Ernst verwandelte, als sie ihren Neffen entrüstet aufspringen sah und entrüstet in die Worte ausbrechen hörte: »Auch Du willst dieses Herz zerfleischen? Ist es Dir nicht genug, daß Abenzas Bild selbst mich verfolgt, mußt Du noch Deine Zauberkünste aufbieten und mir als Abenza erscheinen? Nein! ein solches Leben ist mir eine Last. Verzweifelung rette mich« – und rasch greift er nach seinem Dolch, um sich damit zu durchbohren. Allein die Fee hielt den unglücklichen Stoß auf. »Unbesonnener!« rief sie, »was beginnst Du vor meinen Augen? vergißt Du meine Anhänglichkeit, meine Liebe zu Dir?«

Abenza oder den Tod! das ist meine Losung; rief Kanzedir entrüstet.

»Wohlan! fiel Panagathe ein, hältst Du Dich stark genug, Unglücklicher! über Dein Schicksal zu walten, so wag' einen Kampf gegen Deine Bestimmung. Ich habe bis jetzt Alles aufgeboten, Dich von Deiner unseligen Leidenschaft zu heilen. Ich kann die Folgen nicht berechnen die sie für Dich haben kann.«

Abenza soll mir um keinen Preis zu theuer sein, erwiederte Kanzedir. Ich will gleich fort. Mit der ganzen Welt will ich kämpfen, um mir den Besitz meines Glückes zu verschaffen – und mit schnellen Schritten wollt er sich entfernen.

»So lebe denn wohl!« rief ihm die Fee nach. Der sanfte Ausdruck ihrer Stimme rührte Kanzedir. Er wandte sich wieder gegen Panagathe. Mit Abenza, rief er gefaßt, oder nie siehst Du mich wieder. Nimm also dies vielleicht letzte Lebewohl. Doch hast Du noch eine Liebe für Deinen Neffen, setzte er hinzu, so gewähre ihm seine letzte Bitte: leihe ihm einen Theil Deiner Zauberkraft.

»Meine Pflicht gebietet mir,« erwiederte Panagathe, »Dir nichts zu versagen, was zu Deiner Rettung dienen kann. Ich will Dir gern den wichtigsten Talismann anvertrauen, der mir zu Theil ward, doch das sei Dir gesagt: Du könntest vermöge seiner Kraft vielleicht Deinen Zweck erreichen, allein durch die geringste Unbesonnenheit Dir größeres Unheil zubereiten, als Du zu erwarten hast. Sei daher vorsichtig und handle wie ein Mann.« Bei diesen Worten band sie sich eine Perlenschnur los, übergab sie Kanzedir und fuhr fort, »berührst Du diesen Talismann mit Deiner Linken und winkst mit Deiner Rechten, so werden Dir alle Kräfte der Natur zu Gebothe stehen, einen jeden Deiner Wünsche zu erfüllen, doch nur unter der Bedingung, daß keiner dieser Wünsche einem andern Wesen zum Schaden sei.«

»Nicht zum Schaden? Wie? Sollte ich meine Nebenbuhler bei Abenza nicht in Pygmäen und Eulen verwandeln können? Sollt' ich nicht –?«

»Mein Wirkungskreis reicht nur bis an die Regionen des Wohlwollens. Der mächtigste Talismann, der mir ward, kann den Sterblichen nur durch Wohlthun und Sanftmuth zu seinem Zwecke verhelfen.«

»Mit Deinem ewigen Wohlthun! dabei möchte man zum Weisen werden.«

»Des Schicksals Wille ist meine Grenze, – Willst Du Dich nicht neuen Gefahren aussetzen; so entferne Dich nie von Deinem Talismann und sorge dafür, daß Du nicht Veranlassung giebst, Dir denselben entwenden zu lassen.«

Bei diesen Worten stand Kanzedir mit der Perlenschnur und sann auf einen schicklichen, versteckten und zugleich sichern Ort wo er sie verwahren konnte: »ich dächte,« sprach er, »es wär' am besten sie mir um den Hals zu binden.«

»Der Meinung bin ich nicht,« erwiederte Panagathe. »Eine solche Männern ungewöhnliche Zierde würde Vorwitzigen theils Gelegenheit zu lachenden Witzeleien geben, theils Hinterlistige bald auf die Wirksamkeit derselben aufmerksam machen und Dich ihrer Habsucht aussetzen.«

»Wohl recht, Tantchen! wohl recht!« rief Kanzedir – »doch halt! Mir fällt ein – hier ist der schicklichste Ort für unsern Talismann. Hier in eine Falte meines Turbans stecke ich ihn hinein, darin soll er bleiben und Niemand soll ihn hier vermuthen. – Nun, Tantchen! was sagst Du zu Deinem Neffen? Gelt! er hat Verstand. Nicht mehr gezaudert Kanzedir, die Freude der Menge soll auch nicht gestört werden. Leb wohl, Tantchen! Im Stillen mach' ich mich auf und davon.«

Bei diesen Worten waren schon Kanzedirs Gedanken auf dem Wege nach Abinali. Er berührte mit seiner Linken die Perlenschnur und mit der Rechten winkte er. Plötzlich fühlte er sich nach den obern Regionen gehoben, wo er, auf die Fittige eines großen Steinadlers hinversetzt, davon getragen ward. In Lüften ist's schnelles Reisen. In wenigen Stunden ward Kanzedir da abgesetzt, wo er zu sein wünschte.

Obgleich Kanzedir bei seiner Ankunft noch Alles in stockfinstere Nacht gehüllt fand, so gewahrte er doch so viel: daß er grade vor dem Pallast des Sultan Zeschid sich befand. Welche angenehme Empfindungen nahmen in seiner Seele Platz. In diesen Mauern war Alles das enthalten wonach sein Herz schmachtete, in dessen Besitz seine Seele einzig und allein dereinst Ruhe finden dürfte. In diesen Gemächern lebte Abenza, das einzige Geschöpf dem er die Zufriedenheit seiner Tage weihete.

Sein erster Gedanke war nun, sich mit Hülfe seines Talismannes ein solches Ansehen zu geben, wodurch er sich der Achtung und Verehrung des Sultans und seiner Großen versichert halten konnte. Durch diese glaubte er seinen Nebenbuhlern mit größerm Nachdruck begegnen zu können, und leichter zum Herzen Abenzas Eingang zu finden.

Es kostete ihn nicht mehr als einen Wink, so erhob sich ein mächtiger mit dreizig Façaden, zehn Kuppeln und unzählbaren Säulengängen verzierter Pallast, dem des Sultans grade über. Sein Inneres war mit allen dem versehen was erfordert wird, um den Glanz und die Würde seines Bewohners zu erhöhen. Mamelucken, Verschnittene aller Art, Riesen, Zwerge, kurz der ganze Troß von Begleitung und Wache, mit dem man einen Großen gewohnt ist, umgeben zu sehen, belebten endlich auf den Wink Kanzedirs dies unermeßliche Gebäude.

Kaum glaubte Kanzedir Alles nach seiner Absicht geordnet zu haben, so zog er sich in sein Schlafgemach zurück, um dem Tage entgegen zu schlummern.

Man kann sich leicht denken, daß beim Anbruch desselben, der hergezauberte Pallast die Bewohner Albinalis in außerordentliches Staunen versetzte, und bei ihnen äußerst gespannte Fragen nach dem Besitzer desselben veranlaßte. Keiner konnte dem Andern hierüber gewisse Auskunft geben, und es gerieth desfalls ein großer Theil derselben in furchtsame Bewegung. Einige sahen in diesem Pallast ein mächtiges Heer verborgen, das nur dem günstigen Augenblick entgegen sehe, um der Dynastie der Zeschiden auf Albinalis Thron ein Ende zu machen, und dies war Veranlassung genug, durch ein allgemeines Aufgebot alles streitbare Volk vorerst unter Waffen zu bringen, um den Sultan nicht einem Überfalle, während er noch mit seinem Haushalte in einen tiefen Schlummer versenkt war, auszusetzen. Von allen Seiten zog sich daher eine gewaffnete Menge unter dem Schall der Posaunen und Trommeln vor dem Pallast Kanzedirs zusammen.

Dieses unselige Geräusch mußte Kanzedir aus seinem Schlummer wecken. Er sprang daher von seinem Lager auf, und nachdem ihm einer seiner Mamelucken von der Ursache des Geräusches einige Auskunft gegeben, warf er sich in einen seiner Würde angemessenen Talar und zeigte sich der versammelten Menge am Fenster.

Kaum erblickte man ihn, so erkannten einige ihn sogleich für einen Fürsten, der vor kurzem einige Zeit an Zeschids Hof gelebt. Kanzedir seiner Seits verfehlte aber nicht, durch seinen Talismann vor der Menge eine große Marmortafel herzuzaubern, auf welcher er ihr mit brennenden Buchstaben die unbeschränkte Macht anzeigte, welche ihm verliehen worden, und sie erinnerte, daß es völlig von ihrem Benehmen gegen ihn abhängen werde, wenn sie sich vom ihm viel des Guten zu versprechen haben wolle.

Indeß verbreitete sich auch die Nachricht von dem Allem im Pallast des Sultans. Man eilte, dem Sultan beim Erwachen sofort die Ankunft des Prinzen Kanzedir und die wunderbare Macht, mit welcher ihn das Schicksal versehen, zu hinterbringen. Der Sultan stand nicht an, einen Fremden von solchem Ansehen und solcher Macht mit gehöriger Achtung bewillkommen und sofort förmlich an seinen Hof einladen zu lassen.

Die großen und wunderbaren Dinge, mit welchen sich die Einwohner Albinalis durch die Macht Kanzedirs überrascht zu sehen hofften, verursachten, daß seine Ankunft auch unter dem Volke eine lebhafte Freude bewirkte. Man sprach von nichts als von dem wunderbaren Fürsten. Und die Erfahrensten und Weisesten berathschlagten auf der Stelle, welche Mittel angewendet werden müßten, um einen solchen mächtigen Gast so zu bewirthen, daß dadurch Zeschids Thron und daher seinen Völkern ein größeres Heil vorbereitet werde.

Allein eine ganz entgegen gesetzte Empfindung erregte Kanzedirs abermaliger Besuch bei Abenza und ihrem Geliebten dem Emir Alhavi. Vermochten Kanzedirs Reichthümer schon ehemals den Sultan zu bewegen, ihn in Besitz von Abenzas Hand zu setzen, so mußte die genialische Kraft mit welcher er jetzt an Zeschids Thron erschien, die Liebenden um so mehr fürchten lassen: daß der Sultan Kanzedir geneigt zu sein und ihre Liebe zu stören veranlaßt werden dürfte.

Es ist daher wohl leicht zu denken, mit welchen Gesinnungen Kanzedir bei seiner abermaligen Erscheinung an Zeschids Hofe von Abenza aufgenommen ward. Indeß wird man Abenza so viel Klugheit zutrauen, daß sie in ihrem äußerem Benehmen keine Veranlassung gegeben, weder Kanzedir zu beleidigen, noch ihrem Vater, im Fall er mit Kanzedir einige Absichten haben sollte, eine gemächliche Aussicht zu verrathen.

Abenza war eins von den weiblichen Geschöpfen, die ihre Schönheit durch einen gewissen bezaubernden Reitz geltend zu machen wissen. Sie wollte nie durch ihre äußere Form absichtlich gefallen, legte nie auf dasjenige, was ihren Körper heben konnte, einen sonderlichen Werth; suchte nicht durch abgemessene Blicke, Worte, Bewegungen und Schritte sich eine Haltung zu geben, und strebte überhaupt nicht beim ersten Anblick Bewunderung und ehrfurchtsvolles Wohlgefallen zu erregen. Unbefangenheit, edle Nachlässigkeit, munteres Wesen, liebenswürdiges Schwatzen, schneidender Witz und anständige Offenherzigkeit waren die Hauptzüge ihres Karakters.

Aus diesem Umriß Abenzas wird man ohngefähr den Ton abnehmen können, in welchem sie Kanzedir empfing. Sie kam ihm nicht mit einer zurückhaltenden Miene entgegen, sah ihn nicht mit keuschem Blick an und gab ihrem Willkommen keinen züchtigen Ausdruck; sondern mit munterm Schritt, schalkem Blick, mit einem offenen und jovialen Lächeln sahen sie der Sultan, die Großen und der ganze Hof auf Kanzedir zueilen, seine Hand ergreifen, ihm einen herzlichen Willkommen sagen und an seiner Ankunft frohen Theil nehmen. Es fiel Keinem der Umstehenden auf. Sie begegnete Jedem auf diese Weise und man war dies Benehmen an ihr gewohnt.

Ganz anders wirkte dies Betragen auf Kanzedir. Er besaß noch wenige Kenntniß von der Welt, und bei weitem mangelte es ihm an der des weiblichen Herzens, um berechnen zu können, wie viel er in Abenzas Benehmen für seinen Vortheil gut zu schreiben habe. Einer solchen Aufnahme war er nicht gewärtig, und es beseelte ihn in solchem Grade augenblicklich seine Hoffnung, daß er Abenzas gegen ihn ehedem beobachteten Kälte, jetzt eine Bedeutung zu geben versucht ward, die seinen Absichten äußerst schmeichelhaft war. Er glaubte fest und bestimmt, daß der Anblick seiner Herrlichkeit und der Ruf seiner genialischen Macht Abenza beseelten, gegen ihn Empfindungen zu äußern, die sie bei seiner ehemaligen Anwesenheit nur zu unterdrücken vermögend war.

Er begegnete daher Abenza mit einem schmachtenden und zugleich von seiner Würde beseelten Äußern. In diesem erkannte Abenzas Scharfblick sogleich ihren zudringlichen Liebhaber, und sie freute sich im voraus, daß die Stimmung, in welche sie ihn versetzt, ihr oft Gelegenheit darbieten dürfte, seinem Gefühle solche Kränkungen widerfahren zu lassen, daß es endlich gegen ihre Reitze abgestumpft werden oder in Rücksicht aller seiner Hoffnungen in Verzweiflung gerathen müßte.

Zu schmeichelhaft war für Kanzedir die Vorstellung, die er sich von der Neigung Abenzas gegen ihn gemacht, als daß er nicht in jedem Umstande hätte Veranlassung finden sollen, sich von der Wahrheit dessen, was er in Abenza's Herz zu gewahren Gelegenheit hatte, vollständig zu überzeugen. Die Abwesenheit Alhavis, seines ihm verhaßten Nebenbuhlers, bei einem feierlichen Mahle, das seine Ankunft veranlaßte und zu welchem der Sultan keinen seiner Großen und Günstlinge einzuladen vergessen zu haben schien – die Abwesenheit eines Mannes, welchem der Sultan seiner Tochter Hand und seinen Thron bestimmte, mußte ihm eine Vermuthung an Händen geben, die seiner Erwartung und seinen Absichten schmeichelhafter sein mußte, als Alles was ihm Verbindliches jetzt vom Sultan, Abenzan und allen Großen widerfuhr.

Er wähnte nicht, daß Alhavis Abwesenheit nur durch die Liebe Abenzas für denselben veranlaßt worden; wähnte nicht, daß ihre Zärtlichkeit gegen ihn, in ihr die Besorgniß erregte, Kanzedir dürfte aus Rache seine genialische Kraft gegen Alhavi in Bewegung setzen, und diese ihr den Gedanken überwinden hieß, ihren Geliebten einige Zeit von sich entfernt und auf einen seiner Landsitze zurückgezogen zu sehen; kurz er wähnte nicht, daß Alhavi, durch die lebhaften Äußerungen seiner Liebe, mit denen er Abenza auch in der Ferne zu unterhalten wußte, ihm ein unüberwindlicher Nebenbuhler blieb. Allein auch Abenza ahndete nicht, daß Kanzedir nur in den Regionen des Guten mit seiner genialischen Kraft wirken könne; sie ahndete nicht, daß die Tapferkeit Alhavis ihn gegen jede Bosheit Kanzedirs zu schützen vermöge. So nähren die Sterblichen gegenseitig vergebliche Hoffnung und Furcht.

Die Abwesenheit Alhavis, das frohe muntere Wesen Abenzas, der zuvorkommende Blick des Sultans, kurz Alles schien Kanzedir einzuladen, der Erfüllung seiner Erwartungen nicht allein entgegen zu sehen, sondern auch alles aufzubieten, was ihm zu Gebote stand, um seine Absichten auf Abenza und Albinalis Thron zu erreichen.

Kaum war das Mittagsmahl aufgehoben, so suchte Kanzedir auf eine schickliche Art sich Abenza zu nähern. Die Gesellschaft zerstreute sich in den hinter dem Pallast des Sultans gelegenen Garten. Kanzedir wich nicht von Abenzas Seite. Und obgleich der unterhaltende Ton ihm nicht zu Gebote stand, den Abenza an Alhavi bewunderte, so suchte er ihn durch einige Spiele seiner Zauberkraft zu ersetzen, die der Eitelkeit eines jeden andern weiblichen Geschöpfes geschmeichelt haben würden, allein auf Abenza den grade entgegengesetzten Eindruck machten. Sie ließ ihn dies mit der ihr eignen Laune, und ihrem schalken Blick wohl fühlen, allein dergleichen Winke waren Kanzedir zu unverständlich.

Bei jedem Schritte Abenzas wußte Kanzedir alle Schätze Florens um seine Geliebte herzuzaubern. Allein sie, die sonst bei jeder Blumenflur mit Entzücken verweilte, verleitete jetzt ein schalker Eigensinn, die schönsten Blüthe mit ihrem kleinen Fuß zu zerknicken. Ließ sie sich auf eine einfache Rasenbank nieder, um sich auszuruhen, so sah sie sich gleich unter einer Laube, deren Schatten und Wohlgerüche das gefühlloseste Wesen zur Ruhe einluden. Allein eh es Kanzedir sich versah, war sie von Abenza verlassen. Hin und wieder sah sich Abenza von den liebenswürdigsten Gestalten, die Kanzedirs Talismann zu schaffen vermochte, aufgehalten, die ihr Erfrischungen und Spielwerke aller Art anboten, allein bald schien sie selbige nicht zu bemerken, bald sagte sie ihnen eine Neckerei, die Kanzedir fühlen sollte, endlich verleitete sie ihr Muthwille eine Handvoll Spielereien anzunehmen, die sie mit ihrer Marmorhand Kanzedir entgegenwarf, um ihn gleichsam zu verhindern, die Miene zu bemerken, mit welcher sie diesen boshaften Zeitvertreib begleitete. Unter solchen Neckereien suchte sie ihre Laune so lange zu erschöpfen, bis sie einen schicklichen Vorwand hatte, sich in ihr Gemach zurückzuziehen.

Ein solcher Geist wie Kanzedir ist leicht zu befriedigen. Er kennt nicht so mannigfache Rücksichten und hat nicht solch feinen Takt, um in jeder Äußerung die Stimmung abmessen zu können, mit welcher sie ihm gegeben und er sie aufnehmen müsse. Sich nun mehr selbst überlassen, ließ er seiner Gedankenreihe vollen Lauf. Allein in solchen Seelen ist sie sehr kurz, sie findet bald ein Ziel. Abenza, dachte er, scheint mir nicht abgeneigt. Indeß ich muß sie ganz für mich hinreissen, muß ganz zur Bewunderung sie gegen mich stimmen. Dies war Alles was er dachte.

Und nun begann er auf ein Mittel zu sinnen diesen seinen Zweck zu erreichen. Auch hier hatte er nicht viel zu erwägen. Sein Geschmack hatte nicht eine solche Vielseitigkeit, daß ihm die Wahl schwer gefallen wäre. Erdacht und beschlossen war ein prächtiges Feuerwerk, das er unter Abenza's Fenstern noch diesen Abend hinzaubern und abbrennen lassen wollte. Er zog sich sofort in seinen Pallast zurück und trug einem ganzen Heere von Sklaven auf. Abenza, den Sultan, alle Großen und endlich ganz Albinali zu dem prächtigen Schauspiele einzuladen, das sein Feuerwerk ihnen allen gewähren solle.

Der Abend kam heran. Buchstäblich ward vom Talisman Kanzedirs Wille erfüllt. Alles war zu dem prachtvollsten Feuerwerke bereitet. Ein unzählbarer Haufen von Albinalis Einwohnern strömte von allen Seiten herzu. Der Sultan und alle seine Großen erschienen mit einer Pracht, die in dem Auge der großen Menge das Schauspiel glänzender und erhabener machte. Aller Erwartung war aufs Höchste gespannt. Endlich erschien auch Abenza von Kanzedir begleitet. Die Menge staunte ihn an. Ein jeder wollte in ihm etwas Himmlisches, Göttliches sehen. Nur Abenza war weit entfernt etwas von der Art in ihm zu bewundern.

Kaum hatte Abenza Platz genommen, so erfolgte auch Kanzedirs Wink. Das prachtvollste Schauspiel begann, das jedes sterbliche Auge entzückte. Alle wunderbare Erscheinungen und Wirkungen der Natur, alles was die Urwelt Großes und Schönes hervorgebracht, wurde hier in Flammenzügen den Augen der Menschen vorgestellt. Alles war in Entzücken und Erstaunen versetzt. Selbst Abenza schien die Angelegenheiten ihres Herzens in diesen Flammen aufgehen zu lassen. Sie saß mit dem großen Menschenkreise in Entzücken versenkt.

Plötzlich brach ein heller Funke aus dieser Flammenwelt hervor. Aus Furcht er möchte über Abenza sich niedersenken, suchte Kanzedir ihn mit seiner Hand aufzufangen. Der Funke faßte plötzlich die Bekleidung seines Arms, ward zur Flamme und griff mit solcher Gewalt um sich, daß alle Umstehenden, die mit Erfrischungen angefüllten Pokale, zur Löschung der Flammen, herleihen mußten. Abenza, der Sultan und alle Großen geriethen in Bewegung, eilten auf Kanzedir zu, und fanden ihn so in Schmerz versunken, daß man ihn ohnmächtig nach seinem Gemach tragen mußte. In der That hatte ihm die Flamme den Arm so beschädigt, daß alle Kunstverständigen beim ersten Anblick – ob ich sagen soll aus Eigennutz oder Unwissenheit – ihn mit einem Achselzucken betrachteten. Doch wir wollen Kanzedir vorjetzt den Wundärzten überlassen.

Der Eindruck den dieser Vorfall auf den Sultan, Abenza und ganz Albinali machte, war in der Rücksicht ziemlich gleich. Alles fand sich in der Erwartung betrogen, die man von Kanzedir's genialischer Kraft hatte. Und er mußte daher einen großen Theil von Ansehen und Ehrfurcht, welche man ihm schuldig zu sein sich verpflichtet hielt, in den Augen aller verlieren. Ihm widerfuhr das, was jedem beschieden ist, der nicht die Grenze von dem angiebt, was man sich von ihm zu versprechen hat. Die wunderbare Weise, auf welche Kanzedir sich vor ganz Albinali gezeigt, ließ erwarten, daß er den Wirkungen der Natur nicht allein eine ganz andere Richtung verleihen, sondern auch selbst denselben nicht unterworfen sein könne. Man wähnte ihn nicht von Fleisch und Blut, glaubte daß es Feuer geben könne, das nicht brennt, und was mehr dergleichen wüste Begriffe waren, mit welchen die Phantasie die Menschen heimsucht.

Für Keinen hatte aber der Kanzedirn widerfahrne Unfall angenehmere Folgen als für Abenza. Sie sah ihn an Werth in den Augen des Sultans und ganz Albinali verliehren, ein Umstand der ihr Hoffnung gab, das Ansehen ihres Geliebten nicht zu sehr herabgesetzt zu sehen. Vor allem mußte sie aber bei dem Gedanken in eine frohe Stimmung versetzt werden, daß sie, während Kanzedir das Zimmer hüten mußte, unbesorgt ihren Alhavi aus seiner Einsamkeit herbeieilen sehen und mit ihm, ohne von Kanzedir gestört zu werden, die seligsten Stunden nun hinbringen konnte.

In der That erschien am andern Tage Alhavi wiederum im Cirkel der Großen an Zeschids Hof. Eine tausendjährige Trennung würde den sterblichst Verliebten keine berauschendere Freude beim Wiedersehen gewähren können als Abenza und Alhavi genossen. Und lebten sie sonst nur selten Stunden getrennt von einander, so theilten sie jetzt beinahe einen jeden Augenblick ihres Daseins. Die Freuden der himmlischen Liebe schufen ihnen eine eigne Welt, sie kümmerten sich daher wenig um Kanzedir, der indeß mit großen Schritten seiner Besserung näher kam, und der Stunde entgegen sah, in welcher er wieder an Zeschids Hof und vor Abenza erscheinen könne.

Der Tag, an welchem er seinen Wunsch befriedigt sehen sollte, brach endlich an. Kanzedir erwachte, und sein erster Gedanke war, wie er wieder vor Abenza auf eine, einem zärtlichen Liebhaber schickliche Art erscheinen könnte. Er sann hin und her. Endlich beseelte ihn der romantische Gedanke, Abenza in des Sultans Park, wo sie gewöhnlich den Morgen zu genießen pflegte, zu überraschen.

Gedacht, gethan. Mit raschem Schritt eilte er nach dem Park und durchstrich den größten Theil desselben. Keine Grotte, keine Laube, keinen Wandelgang ließ er unbetreten. Endlich vernimmt er ein Lispeln. Er horcht auf, nähert sich dem Ort wo die Stimme ihm herzukommen schien, und trauet kaum seinem Auge. Er sieht Abenza auf einer Rasenbank gelagert, zu ihren Füßen Athavi, den sie mit vertrautem Blick eben ihre Hand mit Küssen überhäufen läßt.

Eifersüchtige Verzweiflung bemeisterte sich Kanzedirs. Er sah sich nun in allen seinen Hoffnungen bei Abenza getäuscht, und Rache an seinem Nebenbuhler ausüben zu können, war der erste Gedanke der ihn beschäftigte. Allein vergebens nährte er den Wunsch, Athavi in einen Krokodill oder Dornenstrauch verwandelt zu sehen. Vergebens berührte er in dieser Absicht wiederholt seinen Talismann. Athavi ward – für Abenzas Augen liebenswürdiger, für die seinigen – empörender Nebenbuhler. »Verdammt!« rief er mit aufgebrachter Stimme, »Muß meine Macht Athavi Glück, und mir Verzweifelung schaffen.

Bei diesen Worten blickte Abenza auf. Man denke sich ihren Schrecken. »Athavi!« rief sie mit ängstlichem Tone, »rette Dich. Ich sehe Kanzedir.« – »In diesem Augenblick« rief Athavi mit entscheidenden Ausdruck, »kann mich nur der Tod von Deiner Seite rufen.« – Er sprang auf, zog seinen Dolch, und ging einige Schritte seinem Feinde entgegen.

Kanzedir erschrack und zog sich muthlos ins Gebüsch zurück. Hier hing er seinen Gedanken nach. Keine Grenze sah er für seine Leiden. Vergebens spannte er die ihm kärglich zugemessene Geisteskraft an, um ein Mittel aufzufinden, das ihm versprach in Abenzas Armen des Glücks der Liebe theilhaftig zu werden. So schlenderte er beinahe eine Stunde hin. Die Sonne brach mit aller Stärke hervor. Kanzedir war schon längst auf einer Ebene fortgegangen. Von der Hitze gedrückt sah er sich nach einem schattigten Baum um. Allein näher war ihm ein geschmackvolles Gartenhaus des Sultans. Er fand es offen und trat also ohne Anstand hinein.

Der erste Gegenstand, der ihm aufstieß, war ein Marmorbild Abenzas. Nie hatte der Meißel eines Künstlers so lebhaft, so natürlich und mit solcher künstlichen Wahrheit sein Urbild darzustellen gewußt, als dieses. Da war nicht der mindeste Zug vergessen. Die Statue zeigte Abenza wie sie wirklich in Kanzedirs Geiste lebte. Sein Auge weidete sich an dem himmlischen Reitz, den der Künstler Abenzas Wesen abgesehen. Ganz in süße Betrachtung versenkt, schien er die Kränkung zu vergessen, die ihm Abenza widerfahren lassen. Die sanften Regungen der Liebe bemeisterten sich wieder seiner. Er war ganz Gefühl und seine Einbildungskraft vermochte es, ihn so herauf zu stimmen, daß er gleichsam wachend träumte und in Begeisterung auf die Statue hineilte, sie in seine Arme schloß und ihrer Lippe den Kuß der Liebe aufdrücken wollte. Allein, ein kalter Marmor störte seine Täuschung. Er fühlte sich wie zurückgestoßen. Sein Bewußtsein erwachte, und er gewahrte nur allzusehr, daß Abenzas Bild ihm nicht Abenza ersetzen könne.

Alle seine Gefühle wurden in ihm herabgestimmt. Allein zu abgespannt waren alle seine Kräfte, um ihn in Verzweiflung zu bringen. Ein sanfter Schmerz bemeisterte sich seiner. Mit stummem Gefühl warf er sich dem Bilde gegen über auf einen Divan. Ein freieres Gedankenspiel bemeisterte sich seiner wieder. »Kann und soll Abenza selbst,« dachte er, »mich nicht von ihrer Liebe heilen; so soll ihr Bild mir immer gegenwärtig sein. Hier will ich täglich mein Auge an Abenzas Bild weiden. Ihm gegenüber will ich meine Liebe verseufzen, bis auch mein Herz zum Marmor wird.« Der Genius der Ruhe schien sich über seine Empfindungen zu lagern; so still und zufrieden blieb er eine kurze Zeit.

Allein plötzlich sprang er auf. Er suchte um sich her den holdseligen Genius der ihm den Gedanken veranlaßte, welcher eben sein ganzes Wesen aufs neue belebte. »Glückseligster Augenblick meines Lebens! himmlischer Genius!« rief er, »warum hast Du so lange gezaudert mich zu beseeligen? Abenza ist mein! dieser Marmorblock soll sie mir verleihen. Er ist nicht der Erste, den ein Talisman beseelte.«

Bei diesen Worten berührte er mit der Linken seine Perlenschnur und winkte mit der Rechten. Welches Wunder! Welcher Anblick ward ihm zu Theil! – Der Marmor begann allmählig in Leben überzugehen, das wonnevollste Schauspiel entwickelte sich vor Kanzedirs Augen, die bleiche Wange überzog eine Rosenröthe, das starre Aug beseelte ein Feuerblick, das wallende Haar ward kastanienbraun, der kalte fühllose Busen hob sich von dem wallenden Pulsschlag, der ins Ganze Leben und Bewegung trieb. So stand die Bildsäule Abenzas belebt vor Kanzedir.

Entzücken ließ ihn kein Wort vorbringen, nur in Staunen war er versenkt. Der sanfte Blick, das süße Lächeln, der ausgebreitete Arm des ins Leben übergangenen Bildes seiner Abenza. Alles dies lud ihn ein sich ihm zu nähern. Mit Wonnesgefühl fand er sich in den Umarmungen derselben beseligt. Einen Strom von feurigen Küssen drückte er dem Rosenmunde auf, der ganz die Seligkeit ihn fühlen ließ, deren er sich in den Armen Abenzas dereinst zu erfreuen träumte.

In diesem trunkenen Augenblick vergaß er die Welt, vergaß er Alles was ihm theuer war, und indem er ganz in Seligkeit versunken an Abenzas Busen hing, stürzt ihm der Turban, welcher seinen Talisman verborgen hielt, plötzlich vom Haupte. Er achtete dessen nicht.

Allein kein Augenblick verging, so verlor sich der Zauber. Aus dem Marmor schwand der Lebenshauch der ihn beseelte, die Wange verlohr ihr Roth, das Auge sein Feuer, der Arm erstarrte und der Busen erkaltete. Kaum fühlt er die wiederkehrende Marmorhärte, er blickt auf und erschrickt beim Anblick des Marmorhaupts. Er will sich los machen, aber – O unerwartetes Schicksal? – er fand sich in den Marmorarmen der Bildsäule in die er sich geworfen, nun gefesselt und trotz aller aufgebotenen Kräfte kann er sich nicht losmachen.

Eben war die Stunde herangekommen in welchem der Sultan von Abenza, Alhavi und seinen Großen begleitet, sich dem Gartenhause näherten, um in demselben ein verabredetes Frühstück einzunehmen. Betroffen blieben alle beim Eintritt in dasselbe stehen, als sie den Zustand, in welchem sich Kanzedir befand, gewahrten. Vor Staunen konnte Keiner ein Wort von sich geben.

Noch lag der Turban nicht fern von der Gruppe. Abenza gewahrte ihn, sie trat hervor ihn aufzunehmen, allein er entfuhr stracks ihren Händen. Man hört ein fürchterliches, dem Donner gleiches Rollen in Lüften, und Panagathe zeigt sich den Umstehenden mit dem Turban in ihrer Hand.

Tiefes Stillschweigen herrschte im ganzen Kreise, keiner wagte es die Stille zu unterbrechen. Endlich begann Panagathe: »nun, Kanzedir, fühlst Du die Folgen einer erzwungenen Liebe. In solche Fessel wirft sich der Mann, der den Besitz einer Weiberhand sucht, ohne sich den ihres Herzens zuerst versichert zu haben; Ich werde Dich befreien. Allein mit Deiner Freiheit suche Abenzas Freiheit nicht zu untergraben.«

Kanzedir winkte, und Abenza flog in Alhavis Arme.

Straks drückte Panagathe ihrem Neffen den Turban auf, der noch den Talisman barg. Aus den Marmorarmen der Bildsäule gelöst, sah sich Kanzedir mit ihr in die Lüfte gehoben, von wo herab er den Liebenden ein: Seid glücklich! zurief. An der Seite Panagathes verfolgte er den Weg nach ihrem Wohnsitz, wo wir ihn ein besseres Schicksal erwarten lassen wollen.

 


 


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