Heinrich Federer
Das Wunder in Holzschuhen
Heinrich Federer

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Das Wunder in Holzschuhen

»Lisiseppa, habet Glück im Holz! Gott segne Euern Helmli!«

Das dürre, magere Holzweib klappert am Bruderklaus vorbei mit einer leeren Hürde auf dem Rücken, und ihr Kleiner schwingt einen Gertel, womit man das zähe Staudwerk blank durchhaut. Sie verneigen sich. Wilhelmli gibt dem Bruder das Kusshändchen und pfeift und jubelt weiter. Spurlos versinken die Zwei bald darauf im Schatten und Getöse der Schlucht. Niklaus atmet auf. Nun stört niemand mehr.

Am frühen Nachmittag im Juli, so zwischen eins und zwei, gibt es auf Erden keinen schönern Platz als die Wiese im Ranft, die wie ein mit Gold und Smaragd bestreuter kleiner schmaler Teppich zum Abgrund hinunterfällt. Diese Wiese ist so klein, aber leuchtet auch so unglaubhaft schön in Gelb und Grün, dass man sie wohl für einen Zitronenfalter halten könnte, der sich am Abhang niederliess und von dem man fürchtet, dass er jetzt, jetzt ... wieder auf und davon fliegt. Doch nein, dies Stücklein Herrlichkeit bleibt.

Die Sonne steht scheitelrecht über ihr, so dass von den paar Bäumen die Schatten nicht grosstun dürfen, sondern sich demütig wie ein Wurm um den Stamm zusammenringeln. Licht, Lächeln, traumhaftes Seligsein regiert.

Wie aus Höflichkeit, nein, vielmehr aus einem Takt ihrer Seelen rauscht die Melchaa leiser und melodischer unten vorbei, und lösen die Stirnen des Gebirges ihre Runzeln und bekommen etwas Weiches und Duftiges wie in ihren Kinderjahren. Die Wolken darob liegen unbeweglich wie weisse Kühe in den ewigen Triften. Man könnte meinen, sie wären an den Himmel gemalt. Es herrscht eine so feierliche Ruhe, ein solches Schweigen und Harren, als müsste jeden Augenblick etwas Grosses geschehen.

In dieser Stunde nicken die Grossväter in der kühlen Bauernstube am Ofen leise ein, die Kinder strecken sich im Gras, selbst das tollste schweigt. Das Vieh verdaut mit geschlossenen Augen in Schatten und Behagen sein Mittagessen. Keine Mücke tanzt, kein Vogel pfeift durch die Bäume, es ist wie eine Stunde ausser aller tickenden und stundenschlagenden Uhr, eine süsse Zeitlosigkeit. Dann trat Bruderklaus, der Einsiedler dieser Wildnis, jeweilen gerne aus seinem geliebten Schatten und Nachdenken in diese Sonnenwiese heraus, wo jegliches Philosophieren aufhörte und alles Weitere Gefühl und Erlebnis wurde. Und immer war ihm: wie bei Nacht und Gewitter der Böse, so müsse jetzt der Beste aller Guten kommen, der kleine Jesus an der Hand unserer lieben Frau oder ihr voraushüpfend und Rosen und Lilien auf Schritt und Tritt vor ihr hinzaubernd oder goldene Maienkäferchen weckend, die um sie feine Hymnen summen oder einen samtenen Reigen von Pfauenaugen als schönstes Sonnenschirmchen über ihr blondes Haupt rufend. Oder vielleicht würde der heiligste Christ seiner stillen Mutter die Geschichte des Gebirges erzählen, die Hunderttausend–Jahresgeschichte, die sonst kein Mensch und kein Buch weiss. Oder die hohe Frau würde ans Wasser sitzen und der fröhliche kleine Gott würde, um sie lächeln zu machen, allerlei himmlische Spässe mit der Melchaa treiben, sie wie eine Brunnenröhre verhalten, rückwärts zwingen oder im Springbrunnen gen Himmel jagen. Er riefe die Spatzen auf seine Hand und sie, die zeitlebens keine ordentliche Note wussten, wüssten plötzlich schönere Gedichtlein zu singen als die Nachtigallen in den salomonischen Gärten. Oder Maria würde den heiligen Jungen auf ihr Knie bitten und ihn um die Geheimnisse der Zukunft fragen: Wann denn einmal die Kriege auf Erden aufhören? Wo der brävste Mensch hause? dass man ihm eine Visite abstatte ... Ob es wirklich im Süden leichter sei, heilig zu werden, als im Norden ... Und Jesus würde fein und lauter antworten, oder er würde auch, wenn sie zu weit über die Stunde hinaus fragte, seiner herrlichen Mutter sogar ein Pst! pst! zulächeln, wie einst beim Hochzeitstrinken zu Kanaan und sagen: »Meine Zeit, allerliebste Frau Mutter, ist noch nicht gekommen.«

Wo würde er, der arme Bruderklaus, vor so viel Himmel sich verstecken müssen? Er würde wohl am besten dann in der Zelle bleiben und insgeheim aus der Fensterlucke zugucken. Nein, so in der offenen Sonne dürfte er, der Erdenwicht, nicht stehen und die himmlische Vertraulichkeit des Paares nicht ausspionieren ... Würde Maria wohl auch von ihm, dem Klausner im Ranft, reden? Etwa sagen: Heiliger Sohn, was denkst du vom Graukopf dort hinter den Schindeln? Wird er es noch so weit bringen, das Vaterunser zu beten, ohne dass ihm hundert Mücken durch den Kopf tanzen? ... Jesus sagt nicht ja noch nein, und Maria fährt mit süss tadelnder Stimme fort: Und ist er nicht immer noch zuviel Schweizer, um in den Himmel zu kommen? ... Sollte man ihm nicht die republikanischen Hörner ein wenig stutzen? Diese Eidgenossen meinen auch gar, die Ewigkeit sei nur so eine himmlische Landsgemeinde, wo jeder gleich stimmen und präsidieren könne ... Jesus lächelt schelmisch und nickt ein bisschen ... Auch seine Kutte sieht übel aus, kritisiert es wohllautend weiter, könnte er sie nicht etwas im Gröbsten wenigstens flicken? ... Oder, Kind meines Herzens, muss man denn durchaus in Lumpen selig werden? ... So wird Maria vielleicht von ihm reden. O, denkt Bruderklaus, wenn Maria ihm nicht mehr vorzuhalten hat, dann will er noch zufrieden sein. Aber wenn dann gar auch das allwissende Herrgöttlein ihm Herz und Nieren zerliest, was bleibt dann noch Gutes und Ganzes an ihm? Ohne Zweifel ist es besser, wenn sie gar nicht an ihn denken, sondern mit einem geduldigen Übersehen an seiner Hütte vorbeigehen. Wenn nur ihr Schatten seine Zelle streift, wird er es schon warm und nützlich spüren.

Aber wenn die Heiligkeiten sich entfernt hätten, würde er an den Fleck eilen, wo Maria sass und das Kind herumhüpfte, und den Boden küssen, der noch von den Füssen des ewigen Knaben duftet. Und das Gras, das er berührt, und das Laub, das er gestreift hat, o er würde es an seine alte, kalte Brust drücken und schreien: Feuer gib mir, o Herr, Feuer gib mir hartem, stummem Klotz Stein!

Wo werden die Zwei rasten, unter welchem Baum? Palmen gibt es ja hier nicht. Eine alte, zerzauste Tanne steht in der Matte und ein wilder, verwachsener Kirschbaum und eine Erle, die hübsch, aber auch unendlich geschwätzig ist. Am wohnlichsten wäre noch der Kirschbaum und böte dem Kind famose Knallkirschen, aber er ist von Dornen ganz vollgespiesst. Die Tanne aber sieht zu verlottert aus, und die Schwatzbaserei der Erle ... nein, nein, kein Baum ist würdig, das heilige Paar zu hegen, und ich, Bruderklaus, das widrigste und dornigste Gewächs weitum, schon gar nicht ... So träumte der Eremit oft in den stillen, heiligen Sonnenschein der Ranftwiese und schüttelte den Kopf und lispelte in den Bart: Sie kommen nicht, hierher kommen sie sicher nicht, und wartete doch sehnsüchtig auf die Vision.

Unbegnadet musste er immer heimkehren. Dann kniete er wenigstens in der Kapelle vor das Muttergottesbild. Da war sie gemalt wie eine Säule so stark und tapfer, die überirdische Kaiserin, aber in der Jungferntracht der Obwaldnerinnen, mit weissgebänderten Zöpfen, Samtgöller und seidenem Busentuch. Und wie aus einer Säule das blumige Haupt entquillt, so hielt sie hoch über die Achsel das Jesuskind, als wäre sie nur Stengel, es nur Blüte. Bruderklaus grüsste hinauf und sagte: Willst du nicht ein einziges Mal, o Grossherrliche, auf der Wiese draussen mit deinem Sohn spazieren gehen? Ist es denn so schön im Himmel, dass man es keine Minute mehr ausserhalb aushält? Oder ist es so grenzenlos wüst hier unten für eure Paradiesessohlen, nur ein paar Schritte zu tun und unsern Staub zu segnen? Ich begreife wohl, dass euer Ohr nach all der Engelsmusik unser Gekeife und Geplärre nicht ausstehen kann. Aber hier im Ranft ist es ja nachmittags so still von Menschen, und die Melchaa hat einen schönen Bass, und die Tannen musizieren gut dazu, und wenn etwa hoch von den Kernserweiden herab eine Unterwaldnerkuh muht oder ein Schaf blökt, so kennt ihr ja das schon von Bethlehem her und heimelt es euch sicher an. Oder meint ihr etwa, wir würden euch nicht kennen und ehren? Unter tausend Müttern würde ich dich, o Allmutter, auf den ersten Blick herausfinden ...

Von nun an sorgte sich der fromme Bruder um jedes Geräusch, das unnötigerweise in die einsamen Nachmittage des Ranft fallen und die heilige Familie am Besuch hindern könnte. Es dünkte ihn, die Lisiseppa komme viel häufiger als früher mit ihrem lauten Buben und ihren lauten Schuhen ins Gehölze hier und rühre die Stille unordentlich auf.

»Lisiseppa«, sagte er daher bald einmal zur Hölzlerin und versuchte zu lächeln, aber er fühlte etwas Fremdes auf seiner Zunge, »Ihr sammelt ein bisschen viel im Walde hier. Fast jeden lieben Tag könntet Ihr nicht Euch ein bisschen auf die ganze Strecke verteilen und nur einen Tag, etwa den Samstag, für den Ranft behalten? Da ist ja noch Schwändi, Obstocken, die Sachsler Allmend, der Flüeliwald, wo Ihr Reisig lesen könnet.«

Die bleiche, abgearbeitete Frau schaute den Einsiedler merkwürdig gross an. »Ich will es probieren«, erwiderte sie dann bescheiden und neigte ihre dicken Obwaldnerzöpfe ehrerbietig. »Aber mir ist eigentlich diese Stelle zugewiesen.«

»Holz gibt es ja überall«, wagte Bruderklaus noch einzuwenden. »Aber mein Holz, lieber Bruderklaus, ist hier im Ranft. Und du weisst, unsere Winter sind hart und lang. Da muss man fleissig an seinem Posten sein. Sonst erfriert der arme Mensch und stirbt.« Das Büblein blies dem Bruder lustig einen Käfer vom Rock und blinzelte dann zur Mutter, als es sagte: »Mach doch keine Worte! Der Klausner ist eben gern allein. Tun wir ihm den Willen ...« Da strich die Holzfrau ihrem Helmli dankbar über das mondhelle Haar und sagte ergeben: »So kommen wir also nur noch am Samstag ...«

Sie gingen und Bruderklaus sah ihnen betroffen nach, als müsste er ihnen noch ein gutes Wort nachrufen.

Sie erschienen in ihren Holzpantoffeln wirklich nur noch am letzten Wochentag im Ranft. Aber genau um die stillste Zeit und so geräuschvoll klapperten sie herein, dass Bruderklaus immer empfindlicher wurde und sich ihnen zuletzt ernsthaft in den Weg stellte: »Lisiseppa, Eure vier Schuhe machen Lärm für hundert. Könntet Ihr nicht die kurze Strecke hier barfuss laufen? ... Ich tu es auch ... Schaut, es gibt nichts Schöneres als so eine grosse, heilige Stille.«

Die Hürdenfrau betrachtete den Bruder verwundert, als wäre er nicht mehr wie früher. »Aber, ehrwürdiger Niklaus«, sagte sie dann, »unser Weg ist ja ohnehin so rauh und steinig ... dürften wir da wirklich nicht in den Schuh ...«

Wieder schielte das Bürschchen in den geflickten Hosen köstlich schlau zur Mutter, zog aber unverweilt die Hölzer aus den Riemen und sprach mit altkluger, zwölfjähriger Lippe: »Doch, doch, Mutter, wir laufen barfuss. Schau, der Bruderklaus hat gar viel zu studieren und zu grübeln ... da kann er unsere groben Pantoffeln wirklich nicht brauchen.« Und die Sandalen in der Hand tauchte das Paar im Wald unter. Aber dem Bruderklaus war, er müsse ihnen nachspringen und sie um Verzeihung bitten.

Es regierte nun eine herrliche Stille über die Woche im Ranft, so dass der Eremit hoffte, die himmlische Visite müsste jetzt von heut auf morgen erscheinen. Aber am Samstag, der dazu Unserer Lieben Frauen Tag ist, kamen Lisiseppa und Helmli wieder des Weges. Wohl zogen sie vor dem Ranft die Holzschuhe aus, aber dann plauderten und scherzten sie so frisch zusammen, und der Knabe jodelte so verwegen und probierte alle sieben Echo des Sachslerberges, dass Bruderklaus gegen alle seine gesunde Bauernart nervös wurde und bangte: O jetzt ist alle Hoffnung aus. Diese Grobiane verscheuchen noch den letzten Heiligenschein aus der Wildnis ... Er sprang das Leiterchen seiner Zelle in zwei Sätzen herunter und stemmte sich in den Ausgang und predigte den zwei Leutchen gewaltig nach: »Lisiseppa, wie könnt Ihr Euern Gof da nur so lachen und schreien lassen? Hier, wo der liebe Gott mit jedem reden will? ... Wenn Ihr Zwei jetzt nicht bald ...«

Wieder schauten sich der Junge und das Weib so sonderbar an, grüssten dann von ferne mit der Rechten und verschwanden still in den Tannen. Gleich ward es dem Bruder wieder wirr und weh ums Herz, dass er die armen Holzer, die ja nichts Besseres wissen, so gescholten hatte. Tat er recht, tat er übel? ... Er floh in die Kapelle, um seinen Zwiespalt vor dem Madonnenbild zu schlichten. O Staunen, was war denn da geschehen? Eine kahle Leinwand starrte ihn aus dem Rahmen an. Mutter und Kind hatten das Kirchlein verlassen.

Bruderklaus konnte schauen und suchen, wie er wollte, die heiligen Personen waren aus dem Bilde gestiegen und entflohen. Wohin? auf die kleine Wiese etwa? zur Melchaa hinunter? in die Heidelbeeren hinauf? Nirgends bemerkte er ein Düftlein von ihnen.

Da schoss es ihm blitzhaft aus den Runzeln: die Knüppelsammlerin und ihr verschmitzter Bub müssten in dieser wunderlichen Sache etwas wissen, sie, die mit ihrem unheiligen Rumoren den ganzen Ranft aus seiner Kirchenruhe störten. Mit langen Schritten und wehendem Bart, die Kutte aufgerafft, um schneller durchs Dickicht zu schlüpfen, drang der Ehrwürdige zwischen den Stämmen einer Lichtung entgegen. »Lisiseppa, Helmli, höret! ... So wartet doch! ... Helmli! ...« Die Sonnenfunken mehrten sich, dort musste der ganze Himmel in die Bäume brechen, so ein Glanz war. Noch zwei Schritte ... »Lisiseppa ... so höret ... do ...« O ... o ... o Seel und Seligkeit, was ist das? Nicht Sonne, noch Mond, noch Stern, alles zusammen in einem Strahl und tausendmal mehr! Und mitten im Licht, an einem alten Stamm steht die Mutter Gottes in obwaldnerischer Festtracht und genau so säulengerade und säulenstark wie im Kapellenbild. Zu ihren Füssen liegen die Lumpen der Hölzerleute. Sie hält ihren Sohn über die Achseln in die Zweige empor. Da hangen wie pures Gold die verfemten vier Holzschuhe und funkeln und zappeln vor himmlischer Spazierlust. Der Knabe aber haut gewaltig im dürren Geäste und wirft das Reisig in einem goldenen Hagel vor Maria hin. Denn im Fallen fangen die Scheiter an zu funkeln und in tiefer Rosenglut zu entbrennen, ohne Flamme und ohne Rauch, und verbrennen doch nicht, sondern scheinen ein ewiges Leuchten und Erwärmen auszuströmen. Und bei jedem Prügel, der vom Baume fällt, ruft der göttliche Kletterknabe: »Das für die armen Hirten auf der Frutt! ... das für die kalten Herren Pensionäre zu Bern und Zürich, dass sie kein Schweizerblut mehr verkaufen! ... das Scheit da für das widerhaarige Luzern, dass es endlich in sich geht und seine Bauern wie Brüder behandelt! ... das für den Heiligen Vater zu Rom, dass ihm die Liebe nie ausgeht! ... das für den Herzog zu Mailand, dass er seinen Hochmut daran verbrennt! ... den Klotz hier für unsere harten Vögte und Geizhälse im Untertanenland, dass ihre Eiszapfen daran schmelzen! ... und das, Mutter, liebste Mutter, für einen lieben, guten Klausner, der nicht gut sieht! ...«

Wie Sterne und Seligkeiten fiel es von den Bäumen, silberne Nebel flatterten durch die Kronen, Vögel mit purpurnen Schwingen flogen in langen Kränzen über den Wipfeln, der ganze Wald psallierte, Maria winkte und lächelte, und ringsum musizierten blauäugige Quellen aus dem Moos hervor. Wieder flog ein goldenes Brennscheit von der Tanne und sang es mit süssester Bosheit dazu: »Dies da für einen, der uns nicht lachen lässt ... dass er nun selber mehr lache! ...« Und wieder grüsste Maria dem Klausner holdselig zu. Das Licht wuchs und schäumte hoch und blendete Niklaus immer mehr. Er sank ins Knie und wusste sich nicht mehr zu fassen. Da schwirrte ein ungeheurer Bengel wie klarer Diamant zu ihm und es tönte vom Baum: »Den da für einen, der das Wunder erjagt und verjagt im gleichen Hui! ...« Ganz ferne durch das grosse, stille Feuer, das jetzt von all dem Reisig wie eine Wolke emporstieg, erklang dieses so spöttische und doch so lustig gesungene Hui. In Gold und Purpur schien die ganze Welt getaucht, alles Licht und Klarheit und Gesang und Liebe und heilige Wärme und Herzlichkeit zu sein. Da warf Bruderklaus sein Antlitz überwältigt zur Erde und stammelte: »O Gott, halt ein, halt ein ... mit deinem Wunder!«

Als er sich wieder aufraffte, war es Nacht geworden. Immer noch das unsägliche Licht im Sinne, wankte er wie berauscht seiner Hütte zu. An der Kapellenwand hing wieder das Madonnenbild im Rahmen, unbewegt und tot, als wäre nichts geschehen. Und doch, wie viel war geschehen!

Lisiseppa und ihr Helmli wussten nicht, wie es kam, dass Bruderklaus, der früher so karg mit ihnen gesprochen, ihnen nun oft entgegenging, stundenlang mit ihnen plauderte, wo der Range im Gezweig nicht mehr hinlangte, mit seinen langen Armen nachhalf, und wenn sie dann ein Feuer entfachten und ihre Grütze kochten, dass er so gern seine knorrigen Füsse daran wärmte und manchmal plötzlich aus tiefem Sinnen heraus sagte: »Helmli, du Tausendsbub, so lach doch ein wenig! Es ist ja so schön dahier, und der liebe Gott ist so gut, beinahe auch ein wenig nach der schlauen Seite, und die Madonna scherzt so allerliebst, darhingegen ist die Welt draussen so kalt und so wenig lustig. Lachen wir, lachen wir ... und wärmen wir uns daran! Da, Helmli, ist noch ein solider Buchenbengel. Den trag ich euch bis zur Schlucht hinaus. Der könnte wohl ein ganzes Volk erwärmen. Ja, der möchte sogar den alten, grauen Kaiser zu Wien wieder warm und munter machen. Wisset nur, Helmli und Lisiseppa, mit Tüpfeln und Stüpfeln wird nicht geholfen. So ein Knüppel muss heilig dreinschlagen, um unsereinem das Aug und das Ohr zu öffnen und die Wunder des Herrn zu zeigen.«

Von jenem Tage an wurde Bruderklausens Lippe immer fröhlicher, sein Holzschuh klapperte immer flinker und lauter, sein braunes Auge glänzte tiefer, und wem er die Hand gab, dem floss es wie warmer, süsser Sommer durch alle Glieder, und er fror nicht mehr. Bruderklaus suchte keine Wunder mehr. Er war nun selbst eines. Aber er wusste es nicht.