Gustav Theodor Fechner
Gedichte
Gustav Theodor Fechner

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Herzensverse

1.
                  Mein Herz ist ein fest verschlossen Haus.
Es klingelt; – wer ist da? – ruft es heraus.
Ein armer Junge, der schmachtet zur Stell'.
Ei, laß mich in Ruhe und pack' die Gesell.

Bescheiden jetzo klopft's an die Tür.
Wer ist denn, ruft es, schon wieder hier?
O laßt den Besuch doch, den freundlichen, ein!
Ei, wollt' ich Besuche, was schlöß' ich mich ein?

Ein Rittersmann kommt jetzt schön und schlank;
Er klingelt nicht erst und klopft nicht lang;
Er schlägt ohne weitres die Türe entzwei;
Der schaltet im Hause jetzt frank und frei.

 
2.
Mein Herz ist eine harte welsche Nuß;
Man schneidet und sticht dran herum zum Verdruß;
Doch hat man die rechte Stelle getroffen,
Liegt der weiche Kern auf einmal offen.
 
3.
Mein Herz ist wie ein Hühnerei,
Erst war drin alles einerlei;
Doch als dein leuchtendes Aug' es gewärmet,
So ward es lebendig und gackert und lärmet.
 
4.
Ach laßt mich, mein Herz ist so voll und so schwer,
's geht wahrlich hinein heute keiner mehr;
Doch habt die Güte, kommt wieder morgen.
So kann ich ein Plätzchen vielleicht besorgen.

 

 
5.
Mein Herz hat einen eingeseiften Schwanz,
Ich halt' es und halt' es, fort läuft doch der Hans.
 
6.
Mein Herz gleicht einem Fangeballe,
Fliegt hin und her, es haben's alle;
Zuletzt einst muß das Spiel doch enden,
Dann bleibt er einer in den Händen.
 
7.
Dein Herz ist ein Brennglas von Eis,
Selbst kalt, macht's andre doch heiß.
 
8.
Zwei Klöppel die Augen, die deinen,
Mein Herz die Trommel dazu,
Drauf klopfen die Flegel, die kleinen,
Es möchte zerspringen im Nu.
 
9.
Ich bin ein Stehauf aus Kopf und aus Herz,
Das Herz stets oben, den Kopf abwärts,
Und kehr' ich mit Mühe das Ganze herum,
So kegelt's von selber doch gleich wieder um.
 
10.
Mögen andre sterben vor Liebesdurst !
Ich trinke mein Bier und esse meine Wurst;
Das Herz ist doch nur eine Bommel am Magen:
Was soll ich viel mich damit plagen?
 
11.
Dein Herz muß wohl eine Kirche sein,
Was ließest du sonst alle Anbeter ein?
Sie werden ein Weilchen drin beten und singen,
Zu bleiben wirst du doch keinen zwingen.
 
12.
Vernunft und Liebe im Kopf,
Die wollen zusammen nicht taugen,
Vernunft drum fährt in den Zopf,
Die Liebe ins Herz und die Augen:

Da hat sie nicht lange Ruh',
Sie schürt ein Feuer, das fackelt,
Der Zopf, der schüttelt dazu,
Die ganze Perücke, die wackelt.

Da flammt es hell in die Höh';
Der Zopf, er sprudelt im Feuer;
Nun läuft die Liebe, o weh,
Fort mit dem Kopf ohne Steuer.

 


 


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