Arthur Conan Doyle
Die verlorene Welt
Arthur Conan Doyle

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Vierzehntes Kapitel

Das waren wirkliche Eroberungen

Wir waren des Glaubens, daß unsere Verfolger, die Affenmenschen, nichts von unserem Versteck im Unterholz wußten, aber wir sollten bald erfahren, daß das ein Irrtum war. Kein Laut tönte aus den Wäldern zu uns herüber – kein Blatt auf den Bäumen bewegte sich, und alles um uns herum lag im tiefsten Frieden – aber wir hätten uns warnen lassen sollen durch unsere erste Erfahrung, die uns gezeigt hatte, wie schlau und geduldig diese Geschöpfe beobachten und die günstige Gelegenheit abwarten konnten. Welch Schicksal mir auch im Leben noch beschieden sein wird, ich glaube, daß ich niemals in größere Lebensgefahr geraten werde, als es heute morgen geschehen ist. Aber ich will Ihnen diese Sache in gehöriger Ordnung erzählen:

Wir erwachten morgens noch völlig erschöpft infolge der furchtbaren Aufregungen und der spärlichen Ernährung am gestrigen Tage. Summerlee war noch so schwach, daß er kaum auf den Beinen stehen konnte, aber der alte Mann war erfüllt von jenem hartnäckigen Mut, der niemals eine Niederlage zugibt. Wir hielten einen Kriegsrat ab und beschlossen, noch eine oder zwei Stunden ruhig in unserem Versteck zu warten, das dringend erforderliche Frühstück zu uns zu nehmen und uns dann quer über das Plateau und um den Zentralsee herum nach jenen Höhlen durchzuschlagen, die ich als Wohnungen der Indianer erkannt hatte. Wir vertrauten darauf, daß uns die guten Worte der Indianer, die wir befreit hatten, einen freundlichen Empfang bei ihren Genossen sichern würden. Nachdem wir diese Aufgabe erledigt und unsere Kenntnis über die Geheimnisse vom Maple-White-Land vervollkommnet haben würden, wollten wir dann alle unsere Gedanken dem Problem unserer Flucht und Heimkehr zuwenden. Sogar Challenger gab zu, daß der Zweck unserer Reise voll erreicht sei und daß es dann unsere erste Pflicht sein würde, die von uns gemachten erstaunlichen Entdeckungen der zivilisierten Welt mitzuteilen.

Wir waren nunmehr in der Lage, uns die von uns befreiten Indianer etwas näher anzusehen. Es waren kleine, sehnige, behende und gutgebaute Leute mit schlichtem schwarzen Haar, das mit einem ledernen Riemen im Nacken zu einem Knoten zusammengefaßt war. Auch ihr Lendenschurz bestand aus Leder. Ihre Gesichter waren unbehaart, gut gebildet und freundlich. Ihre zerrissenen und blutigen Ohrläppchen bewiesen, daß sie Schmuckstücke darin getragen hatten, die ihnen aber von den Affenmenschen ausgerissen waren. Ihre Sprache untereinander war fließend, wenn auch für uns unverständlich. Sie gebrauchten, während sie aufeinander zeigten, mehrfach den Ausdruck »Accala«, woraus wir schlossen, daß dies der Name ihres Stammes war. Gelegentlich drohten sie mit geballten Händen und mit vor Haß und Furcht verzerrten Gesichtern nach den Wäldern hinüber und riefen: »Doda, doda«, mit welchem Ausdruck sie sicherlich ihre Feinde bezeichneten.

»Wofür halten Sie sie, Challenger?« fragte Lord John. »Sicherlich ist der eine von diesen Burschen, der kleine hier mit dem halb abrasierten Kopf, einer ihrer Häuptlinge.«

Es war in der Tat unverkennbar, daß dieser Mann eine besondere Stellung unter ihnen einnahm, denn die übrigen Indianer redeten ihn nur mit dem Ausdruck größter Hochachtung an. Er schien der Jüngste von ihnen zu sein und war doch von einem so stolzen und hohen Geist beseelt, daß er, als Challenger ihm seine große Hand auf den Kopf legte, wie ein Pferd, dem man die Sporen gegeben hat, beiseitesprang und sich mit einem funkelnden Blick aus seinen dunklen Augen möglichst weit von dem Professor entfernte. Dann legte er die Hand auf seine Brust, nahm eine außerordentlich würdige Haltung an und stieß mehrfach das Wort »Maretas« hervor. Der durchaus nicht eingeschüchterte Professor ergriff einen der nächststehenden Indianer an der Schulter und setzte seine Vorlesung an ihm fort, als wäre er ein in Spiritus gelegtes Objekt in einem Museum.

»Der Typus dieser Leute«, sagte er mit schmetternder Stimme, »ist, nach der Schädelform, dem Gesichtswinkel und anderen Anzeichen zu urteilen, keineswegs ein tiefstehender, im Gegenteil, wir müssen ihn in der Linie der Entwicklung beträchtlich höher stellen als manche mir bekannten südamerikanischen Stämme. Es ist unter keinen Umständen anzunehmen, daß die Entwicklung einer solchen Rasse sich im Maple-White-Land vollzogen hat. Auch die Affenmenschen sind durch eine so große Kluft von den auf diesem Plateau überlebenden primitiven Tieren getrennt, daß ihre Entwicklung an dieser Stelle nicht denkbar ist.«

»Aber wo, zum Teufel, kommen sie denn her?« fragte Lord John.

»Das ist eine Frage, die zweifellos in allen wissenschaftlichen Gesellschaften in Europa und Amerika eifrig diskutiert werden wird. Meine eigene Lesart dieses Falles« – er blies seine Brust mächtig auf und blickte bei diesen Worten anmaßend im Kreise herum – »ist, daß, während die Entwicklung unter den besonderen Bedingungen dieses Landes bis zu der Periode der Wirbeltiere fortgeschritten ist, die alten Formen neben späteren erhalten geblieben sind. Wir finden daher so moderne Tiere wie den Tapir – ein Tier mit einem recht beachtenswerten Stammbaum –, den Riesenhirsch und den Ameisenbär in der Gesellschaft von Reptilienformen der Juraperiode. Soviel ist klar. Und dann erschienen der Affenmensch und der Indianer. Was hat die Wissenschaft zu deren Anwesenheit zu sagen? Ich kann nur die Meinung vertreten, daß sie von außen her eingedrungen sind. Wahrscheinlich existierte ehemals eine Art Menschenaffe in Südamerika, der in vergangenen Zeiten hier hinauf verschlagen wurde und sich in jene Geschöpfe verwandelt hat, die wir gesehen haben und von denen einige« – hierbei blickte er mich scharf an – »in einer Gestalt erscheinen, die, soweit sie sich mit entsprechender Intelligenz verbindet, einen, wie ich nicht anstehen möchte zu sagen, bedeutenden Eindruck auf jede andere lebende Rasse machen würde. Was die Indianer betrifft, so zweifle ich nicht daran, daß sie spätere Einwanderer aus der Tiefebene darstellen. Sie sind unter dem Druck des Hungers oder der Eroberung hier heraufgekommen und haben sich, als sie sich den ihnen unbekannten wilden Geschöpfen gegenüber befanden, in die Höhlen zurückgezogen, die unser junger Freund beschrieben hat, mußten ihr Leben aber zweifellos in harten Kämpfen mit den wilden Tieren und besonders mit den Affenmenschen, die sie als Eindringlinge betrachteten, verteidigen. Und dieser Krieg war sicherlich ein erbarmungsloser, da sie mit größerer Schlauheit ausgerüstet waren als diese großen Bestien. Aus diesem Grunde scheint auch deren Zahl begrenzt zu sein. – Ich habe nunmehr, meine Herren, dies Rätsel gelöst. Oder haben Sie noch irgendeine Frage?«

Professor Summerlee war zu niedergeschlagen, um sich an der Diskussion beteiligen zu können. Er schüttelte nur heftig mit dem Kopf als Zeichen völliger Mißbilligung. Lord John kratzte sich nur die kurzen Locken mit der Bemerkung, daß er sich an diesem wissenschaftlichen Streit nicht beteiligen könne, da er einer anderen Gewichtsklasse angehöre. Ich für meinen Teil spielte wieder die Rolle dessen, der die theoretische Erörterung auf eine naheliegende praktische Angelegenheit durch die Bemerkung hinlenkte, daß einer der Indianer fehlte.

»Er ist gegangen, um Wasser zu holen«, sagte Lord Roxton. »Wir haben ihm eine leere Fleischbüchse in die Hand gedrückt.«

»Nach unserem alten Lager?« fragte ich.

»Nein, zum Bach, da drüben zwischen den Bäumen. Es kann nur ein paar hundert Meter weit sein. Aber der kleine Bursche hätte schon wieder zurück sein können.«

»Ich werde ihm nachgehen und ihn suchen«, sagte ich. Ich ergriff mein Gewehr und schritt in Richtung des Baches durch das Gestrüpp, während meine Freunde das frugale Frühstück vorbereiteten. Es erscheint Ihnen vielleicht etwas leichtsinnig, daß ich selbst auf eine so kleine Entfernung ruhig das Versteck in unserem freundlichen Dickicht verließ. Aber Sie werden sich erinnern, daß wir viele Kilometer von der Affenstadt entfernt waren und daß diese Geschöpfe, soweit wir wußten, unseren Schlupfwinkel noch nicht entdeckt hatten. Auf jeden Fall hatte ich mit dem Gewehr in der Hand keine Furcht vor ihnen. Ich wußte eben nicht, wie schlau und wie stark diese Bestien waren. Wenige Schritte vor mir vernahm ich das Murmeln des Baches, von dem ich nur noch durch ein Gewirr von Bäumen und Unterholz getrennt war, und zwängte mich an einer Stelle, die zufällig von meinen Gefährten nicht gesehen werden konnte, hindurch, als ich irgend etwas Rötliches im Gebüsch liegen sah. Als ich mich dem Gegenstand näherte, erkannte ich zu meinem Entsetzen die Leiche des fehlenden Indianers. Er lag mit hochgezogenen Beinen auf der Seite, und der Kopf war in einer höchst unnatürlichen Haltung nach hinten gedreht, als ob er rückwärts über die eigene Schulter blickte. Ich schrie zu meinen Freunden hinüber, daß irgend etwas passiert war, und stolperte im Vorwärtslaufen über den Leichnam. Sicherlich stand mein Schutzengel in diesem Augenblicke nahe bei mir, denn eine instinktive Furcht oder vielleicht auch ein schwaches Geräusch in den Blättern veranlaßte mich, einen Blick nach oben zu werfen. Aus der dichten grünen Laubkrone über mir senkten sich zwei mit roten Haaren bedeckte muskulöse Arme langsam auf mich herunter. Noch einen Augenblick, und die großen, unheimlichen Hände hätten sich um meinen Hals gelegt. Ich sprang zurück, aber so schnell das auch geschah, diese Hände waren noch schneller. Infolge meines plötzlichen Sprunges entging ich zwar dem tödlichen Griff, aber eine der Hände packte mich im Nacken, während die andere sich auf meine Stirn preßte. Ich legte meine Hände schützend über meinen Hals, aber im nächsten Augenblick bedeckte die riesige Klaue mir das Gesicht. Ich wurde vom Boden aufgehoben und fühlte, wie mir der Kopf mit unwiderstehlichem Druck so weit hintenüber gebeugt wurde, daß ich in den Nackenwirbeln einen unerträglichen Schmerz verspürte. Meine Sinne schwanden, aber dennoch zerrte ich wild an der Hand, und es gelang mir, das Kinn zu befreien und einen Blick nach oben zu werfen. Ich sah in ein furchtbares Antlitz, dessen kalte, erbarmungslose, hellblaue Augen mich anstarrten. Es war etwas Hypnotisches in diesem schrecklichen Blick. Meine Kraft war zu Ende. Als die Bestie meine Erschlaffung spürte, wurden auf jeder Seite des ekelhaften Maules einen Augenblick lang zwei weiße Fangzähne sichtbar, und die Hand packte mich fester am Kinn, beständig den Kopf hintenüber pressend. Es wurde dunkel vor meinen Augen, und in meinen Ohren erklangen silberne Glockentöne. Dumpf und aus weiter Ferne vernahm ich den Knall eines Gewehrschusses und fühlte, daß ich plötzlich auf den Boden stürzte, wo ich bewußtlos liegen blieb. Als ich wieder zu mir kam, lag ich ausgestreckt auf dem Boden unseres Verstecks im Dickicht. Irgend jemand hatte Wasser aus dem Bach geholt, und Lord John bespritzte mir das Gesicht, während Challenger und Summerlee mich mit sehr besorgtem Gesichtsausdruck stützten. Einen Augenblick empfand ich es, daß sich auch bei ihnen hinter der wissenschaftlichen Maske menschliches Gefühl verbarg. Es war mehr die Erschütterung als eine Verwundung, die meine Ohnmacht hervorgerufen hatte, so daß ich nach einer halben Stunde trotz meiner Kopfschmerzen und des steifen Nackens wieder aufsitzen konnte und wieder Herr meiner Kräfte war.

»Diesmal hätte es Ihnen doch fast das Leben gekostet, mein Junge«, sagte Lord John. »Als ich Ihren Schrei hörte, vorwärtsrannte, Ihren Kopf nach hinten gebogen und ihre Beine in der Luft strampeln sah, dachte ich schon, daß sich unsere Gruppe um ein Mitglied vermindert hätte. In meiner Aufregung verfehlte ich die Bestie auch noch, aber sie ließ Sie rechtzeitig fallen und war wie ein Blitz verschwunden. Beim Himmel, ich wünschte, ich hätte fünfzig Mann mit Gewehren bei mir. Ich würde die ganze infernalische Bande niedermachen und das Land in einem etwas saubereren Zustand zurücklassen, als wir es vorgefunden haben.«

Es war jetzt klar, daß die Affenmenschen von unserer Anwesenheit überallhin Kunde gegeben hatten und daß wir von allen Seiten beobachtet wurden. Während des Tages hatten wir nicht allzu viel von ihnen zu befürchten, in der Nacht würden sie aber sicherlich über uns herfallen. Es war also um so besser, je schneller wir uns aus ihrer Nachbarschaft entfernen würden. Auf drei Seiten waren wir von dichtem Wald umgeben, und hier drohte uns überall ein Hinterhalt. Aber an der vierten Seite, die in der Richtung nach dem See hin abfiel, stand nur niedriges Gestrüpp mit einzelnen Bäumen und gelegentlichen offenen Stellen. Es war der Weg, den ich auf meinem einsamen nächtlichen Ausflug gegangen war und der uns gerade auf die Höhlen der Indianer zuführte. Nach dieser Seite allein konnten wir entkommen.

Wir bedauerten sehr, daß wir unser altes Lager hinter uns im Stich lassen mußten, nicht nur wegen der dort lagernden Vorräte, sondern mehr noch, weil wir die Verbindung mit Zambo, unserem Bindeglied mit der übrigen Welt, verloren. Doch hatten wir noch einen ziemlichen Vorrat von Patronen und alle Gewehre, so daß wir wenigstens eine Zeitlang nichts zu fürchten brauchten. Wir hofften übrigens auch, daß es uns bald möglich sein würde, zurückzukehren und unsere Verbindung mit unserem Neger wieder aufzunehmen. Er hatte uns treuherzig versprochen, auf seiner Stelle auszuharren, und wir zweifelten nicht daran, daß er sein Wort halten würde.

Es war kurz nach zwölf Uhr mittags, als wir uns auf den Weg machten. Der junge Häuptling schritt als Führer voran, lehnte aber unwillig ab, irgendwelche Vorräte zu tragen. Hinter ihm gingen die beiden überlebenden Indianer mit unserem geringen Besitztum auf den Schultern. Wir vier Weiße bildeten mit unseren geladenen, schußbereiten Gewehren die Nachhut.

Als wir aufbrachen, erhob sich hinter uns im dichten Walde ein lautes Geheul der Affenmenschen, das entweder ein Triumphgeschrei über unseren Abmarsch oder der Ausdruck des Hohnes über unsere Flucht war. Rückblickend sahen wir nur eine dichte Mauer von Bäumen, aber das langgezogene Geheul ließ uns deutlich erkennen, wieviele unserer Gegner zwischen ihnen auf der Lauer lagen. Wir bemerkten indessen kein Anzeichen irgendeiner Verfolgung und gelangten bald in offeneres Gelände und damit aus ihrem Machtbereich. Als ich so dahinwanderte als letzter von den vieren, mußte ich beim Anblick meiner drei vor mir schreitenden Gefährten lachen. War dies der elegante Lord John Roxton, der eines Abends in seiner Wohnung im Albanygebäude inmitten seiner persischen Teppiche und seiner Gemälde im gedämpften rötlichen Lichte in seinem Zimmer saß? Und war das der imponierende Professor, den ich voll Wichtigkeit hinter seinem breiten Tische in seinem riesigen Studierzimmer in Enmore-Park gesehen hatte? Und schließlich, konnte diese nüchterne und steife Gestalt Professor Summerlee sein, der sich im Zoologischen Institut zum Wort gemeldet hatte? Drei Strolche aus einem der schmutzigsten Stadtteile Londons hätten nicht wüster und verwahrloster aussehen können. Wir hatten zwar nur etwa eine Woche auf dem Plateau zugebracht, aber alle unsere übrige Kleidung befand sich im unteren Lager, und diese eine Woche war für uns alle außerordentlich leidensreich gewesen, wenn auch am wenigsten für mich, der ich nicht in der Gefangenschaft der Affenmenschen gewesen war. Meine drei Freunde hatten alle ihren Hut verloren und sich Taschentücher um den Kopf gebunden. Ihre Kleider hingen in Fetzen an ihnen herunter, und ihre unrasierten, schmutzigen Gesichter waren kaum wiederzuerkennen. Summerlee und Challenger hinkten dazu stark, während ich mich nach der Erschütterung dieses Morgens vor Schwäche kaum weiterschleppen konnte und mein Nacken von dem mörderischen Griff noch so steif wie ein Brett war. Wir waren tatsächlich eine traurige Gesellschaft, und ich wunderte mich gar nicht darüber, daß unsere indianischen Gefährten gelegentlich einen furchtsamen und erstaunten Blick nach hinten warfen.

Am Spätnachmittage erreichten wir den Rand des Sees, und als wir aus dem Gebüsch hervortraten und unsere Augen über seine blanke Fläche schweifen ließen, stießen unsere eingeborenen Begleiter einen Freudenschrei aus und machten uns mit lebhaften Gebärden auf irgend etwas vor uns aufmerksam. Und in der Tat, was sich unseren Augen darbot, war ein wunderbares Schauspiel. Eine große Flottille von Kanus glitt in eilender Fahrt über den See gerade auf die Stelle zu, an der wir standen. Sie waren noch einige Kilometer entfernt, als wir sie zuerst erblickten, und kamen bald so nahe, daß die Ruderer unsere Gestalten unterscheiden konnten. Sofort ertönte von den Kanus ein Jubelgeschrei herüber, und wir sahen die Insassen sich von ihren Sitzen erheben und die Ruder und Speere wie toll hin- und herschwingen. Dann begannen sie wieder zu rudern, schossen in schnellster Fahrt heran, ließen die Boote auf das flache Ufer laufen, liefen auf uns zu und warfen sich mit einem lauten Begrüßungsschrei dem jungen Häuptling zu Füßen. Zuletzt stürzte einer von ihnen, ein älterer Mann, der einen Halsschmuck und ein Armband von großen, leuchtenden Glasperlen trug und das Fell eines schönen gefleckten, bernsteinfarbenen Tieres um seine Schultern geschlungen hatte, nach vorn und umarmte den Jüngling, den wir gerettet hatten, höchst zärtlich. Darauf blickte er uns an, stellte einige Fragen, worauf er in würdiger Haltung auf uns zuschritt und jeden von uns in seine Arme schloß. Dann warf sich der ganze Stamm auf seinen Befehl vor uns nieder, um uns zu huldigen. Ich persönlich fühlte mich sehr unbehaglich bei diesem unterwürfigen Ausdruck der Verehrung, und ich sah an den Gesichtern von Lord John und Summerlee, daß sie meine Empfindungen teilten. Aber Challenger glich einer sich im Licht der Sonne entfaltenden Blume.

»Sie mögen unentwickelte Geschöpfe sein,« sagte er, während er seinen Bart strich und seine Augen in der Runde umherschweifen ließ, »aber ihr Benehmen in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten könnte manchen von unseren fortgeschrittenen Europäern ein Beispiel sein. Seltsam, wie korrekt die Instinkte des Naturmenschen sind!«

Es war klar, daß die Eingeborenen sich auf dem Kriegspfade befanden, denn jeder von ihnen trug seinen Speer – einen langen Bambusstab, dessen Spitze mit einem Knochen versehen war –, Bogen und Pfeil und eine Art von Keule oder steinerner Kriegsaxt, die an seiner Seite hing. Ihre düsteren, haßvollen Blicke nach den Wäldern hinüber, aus denen wir gekommen waren, und die öftere Wiederholung des Wortes »Doda« ließen deutlich erkennen, daß es sich hier um eine Befreiungsexpedition handelte, die ausgeschickt war, um des alten Häuptlings Sohn – denn dafür hielten wir den Jüngling – zu retten oder zu rächen.

Es wurde nunmehr vom ganzen Stamm, der einen Kreis gebildet hatte, ein Kriegsrat gehalten, während wir in der Nähe auf einem Lavablock saßen und die weiteren Vorgänge beobachteten. Zwei oder drei Krieger sprachen zur Versammlung, und schließlich hielt unser junger Freund eine feurige Rede mit einem so sprechenden Mienenspiel und so lebhaften Gesten, daß wir alles so klar verstehen konnten, als wenn wir die Sprache gekannt hätten.

»Warum sollen wir zurückkehren?« sagte er. »Früher oder später müssen wir den Kampf ja doch wieder aufnehmen. Eure Kameraden sind erschlagen. Was hilft es, daß ich gerettet worden bin, die anderen haben ihr Leben verloren, und die Gefahr droht uns beständig. Wir sind jetzt versammelt und bereit zu kämpfen.« Dann zeigte er auf uns. »Diese fremden Menschen sind unsere Freunde. Sie sind große Kämpfer und hassen die Affenmenschen ebenso wie wir. Sie beherrschen –« und dabei zeigte er hinauf zum Himmel – »den Donner und den Blitz. Wann werden wir je solch eine Gelegenheit wieder haben? Laßt uns kämpfen und entweder sterben oder für immer ein sicheres und ruhiges Leben führen. Wie anders könnten wir wohl zurückkehren, ohne uns vor unseren Frauen zu schämen?«

Die kleinen, roten Krieger hingen an den Lippen des Sprechers, und als er seine Rede beendete, erhoben sie, ihre kunstlosen Waffen schwingend, ein lautes Beifallsgeschrei. Der alte Häuptling schritt zu uns hinüber und fragte uns etwas, wobei er zu den Wäldern hinüberwies. Lord John bedeutete ihm durch ein Zeichen, daß er auf unsere Antwort warten möchte, und wandte sich dann an uns.

»Nun, es ist Ihre Sache, sich zu entschließen, was Sie tun wollen. Ich für meinen Teil habe mit dem Affenvolk noch eine Rechnung zu begleichen, und wenn es gelingen könnte, sie von der Oberfläche der Erde verschwinden zu machen, so glaube ich, wird sich niemand Kummer darüber zu machen brauchen. Ich werde mit unseren kleinen roten Gefährten gehen und bin entschlossen, ihnen bei der Durchführung ihres Rachefeldzuges zu helfen. Was sagen Sie denn, mein Junge?«

»Natürlich gehe ich mit.«

»Und Sie, Challenger?«

»Ich werde bestimmt mitmachen.«

»Und Sie, Summerlee?«

»Es scheint mir, als ob wir allzuweit von der Aufgabe unserer Expedition abkommen, Lord John. Ich gebe Ihnen die Versicherung, daß ich, als ich meinen Lehrstuhl in London verließ, nicht gedacht habe, daß es sich um die Führung bei einem Überfall von Wilden auf eine Kolonie von Menschenaffen handeln sollte.«

»Zu solch niedrigen Dingen sind wir herabgesunken«, sagte Lord John lächelnd. »Aber wir sind nun mal mitten drin, was ist da zu machen?«

»Es scheint mir ein höchst fragwürdiger Schritt zu sein«, sagte Summerlee, der immer wieder in Erörterungen stecken blieb. »Aber wenn Sie alle mitgehen, so sehe ich kaum eine Möglichkeit für mich, zurückzubleiben.«

»Es ist also beschlossene Sache«, sagte Lord John, wandte sich zum Häuptling und nickte zustimmend, mit der Hand an sein Gewehr schlagend.

Der alte Mann schüttelte jedem von uns die Hand, während die versammelten Krieger in Beifallsrufe ausbrachen. Da es an diesem Abend bereits zu spät war, richteten die Indianer ein anspruchsloses Biwak her, und bald sah man überall die Feuer glimmen. Einige von ihnen, die im Dschungel verschwunden waren, kamen zurück und trieben ein junges Iguanodon vor sich her. Auch dieses hatte, wie die früheren Tiere, einen Asphaltfleck auf den Schultern, und als einer der Eingeborenen, dem wir ansahen, daß ihm das Tier gehörte, die Erlaubnis zum Schlachten desselben gab, begriffen wir, daß diese großen Geschöpfe genau so gut Eigentum eines einzelnen waren wie bei uns eine Viehherde und daß die schwarzen Flecke, die uns so sehr in Erstaunen gesetzt hatten, nichts anderes als ein Eigentumszeichen waren. Diese hilflosen, trägen, pflanzenfressenden Tiere mit ihren großen Gliedmaßen, aber kleinem Gehirn konnten gemästet und von einem Kind gehütet werden. In wenigen Minuten war die riesige Bestie zerteilt, und zahlreiche Fleischstreifen hingen über einem Dutzend von Lagerfeuern zusammen mit großen schuppigen Fischen, die man mit Speeren im Wasser erlegt hatte.

Summerlee hatte sich auf dem Ufersand zum Schlafen hingelegt. Wir anderen aber streiften am Rande des Sees umher und versuchten, noch etwas mehr über dieses seltsame Land zu erfahren. Zweimal fanden wir Erdtrichter mit blauem Ton, wie wir sie bereits im Pterodactylus-Sumpf gesehen hatten. Es waren das alte vulkanische Öffnungen, die aus gewissen Gründen Lord Johns starkes Interesse erregten. Challenger wurde besonders angezogen von einem kochenden, brodelnden Schlammgeiser, in dem ein merkwürdiges Gas in großen, an der Oberfläche platzenden Blasen aufstieg. Er steckte ein hohles Schilfrohr hinein und stieß einen Schrei des Entzückens aus wie ein Schuljunge, als es ihm gelang, mit Hilfe eines angezündeten Streichholzes, am Ende des Rohres eine heftige Explosion und eine blaue Flamme zu erzeugen. Noch entzückter war er, als er es zuwege brachte, einen ledernen Beutel, den er über das Ende des Schilfrohres stülpte und mit Gas füllte, in die Luft aufsteigen zu lassen.

»Ein brennbares Gas, und zwar eines, das erheblich leichter ist als die atmosphärische Luft. Es dürfte keinem Zweifel begegnen, daß es eine beträchtliche Menge von freiem Wasserstoff enthält. Die Hilfsmittel G. E. C.'s sind noch nicht erschöpft, mein junger Freund. Dies Beispiel mag Ihnen zeigen, wie ein großer Geist sich alle Kräfte der Natur unterwirft.« Er spielte wichtigtuerisch auf einen geheimen Plan an, wollte aber nichts weiter darüber verraten.

Von allem, was wir vom Ufer aus sehen konnten, erschien mir nichts, was so wundervoll war, wie die große Wasserfläche vor uns. Unsere Zahl und das von uns verursachte Geräusch hatten alle lebenden Geschöpfe vertrieben, und mit Ausnahme einiger Pterodactylen, die hoch über uns in der Luft schwebten, von wo sie nach Aas ausspähten, war alles in der Nähe des Lagers ruhig. Anders jedoch war es auf dem von rosigem Abendglanz übergossenen Gewässer des Sees, dessen Fläche von seltsamen Lebewesen wimmelte.

Große schieferfarbige Tierrücken mit hohen, sägeartig ausgezackten Rückenflossen tauchten inmitten eines silbernen Wellenglanzes auf, um dann wieder in der Tiefe zu verschwinden. Die in der Ferne sichtbaren Sandbänke waren bedeckt mit unheimlichen kriechenden Lebewesen, riesenhaften Schildkröten, merkwürdigen Sauriern und einem großen, flachen Geschöpf, das einem sich windenden, zuckenden Geflecht von schwarzem, fettigen Leder glich und sich mit klatschenden Schlägen langsam ins Wasser schob. Hier und da erhoben sich die Köpfe von Schlangen hoch über das Wasser, das sie eilig, einen Schaumbug vor sich aufwerfend und eine quirlende Kiellinie hinter sich lassend, durchfurchten.

Als eines von diesen Geschöpfen bei einer Sandbank einige hundert Meter vor uns landete und einen tonnenförmigen Körper mit riesigen Flossen an einem langen Schlangennacken erkennen ließ, brachen Challenger und Summerlee, die zu uns gestoßen waren, in ein Duett von Staunen und Bewunderung aus.

»Ein Plesiosaurus! Ein Süßwasser-Plesiosaurus,« schrie Summerlee, »welches Glück, daß ich so etwas in meinem Leben zu sehen bekommen habe! Wir sind, mein lieber Challenger, mehr vom Glück begünstigt als alle Zoologen, solange die Welt besteht.«

Erst als die Nacht hereingebrochen war und die Feuer unserer wilden Verbündeten im Dunkel aufflammten, konnten wir unsere beiden gelehrten Männer von dem fesselnden Bilde dieses urzeitlichen Sees wegreißen. Noch während der Dunkelheit, als wir am Ufer lagen, hörten wir von Zeit zu Zeit die Stimmen und das Eintauchen der gewaltigen Geschöpfe, die ihn bevölkerten.

Früh am Morgen war unser Lager schon wieder in Bewegung, und eine Stunde später brachen wir auf zu unserer denkwürdigen Expedition. Ich hatte oft davon geträumt, Kriegsberichterstatter zu sein. Auch in der wildesten Schlacht hätte ich kaum einen so deutlichen Begriff von einem Feldzuge bekommen können, wie in der, über die ich jetzt erzählen muß! Möge also hier mein erster Bericht von einem Schlachtfelde folgen:

Unsere Zahl war während der Nacht durch einen neuen Trupp von Eingeborenen aus den Höhlenwohnungen verstärkt worden, und wir waren wohl vier- oder fünfhundert Mann stark, als wir abmarschierten. Eine Kette von Spähern wurde vorausgeschickt, und hinter ihr folgte die gesamte Streitmacht in geschlossener Marschordnung. Sie bewegte sich den langen, buschbedeckten Abhang hinauf, bis sie in der Nähe des Waldes haltmachte. Hier wurde sie in eine lange Linie von Speerträgern und Bogenschützen auseinandergezogen. Roxton und Challenger nahmen an der rechten Flanke Aufstellung, während Summerlee und ich auf der linken standen. Es war eine Kriegerschar des Steinzeitalters, die wir in die Schlacht geleiteten – die primitiven Waffen der Vorzeit neben den Gewehren modernster Konstruktion.

Wir brauchten nicht lange auf unsere Feinde zu warten. Ein wildes, gellendes Geschrei ertönte am Rande des Waldes, aus dem plötzlich eine Gruppe von Affenmenschen mit Keulen und Steinen herausstürzte und sich auf die Mitte der indianischen Kampflinie warf. Es war ein mutiger, aber törichter Ausfall, denn die großen, krummbeinigen Geschöpfe waren schlecht zu Fuß, während ihre Gegner die Behendigkeit von Katzen besaßen. Es war schrecklich anzusehen, wie diese wilden Bestien mit schäumendem Munde und wutblitzenden Augen vorstürzten und immer vergeblich nach ihren gewandt ausweichenden Feinden griffen, während Pfeil auf Pfeil sich in ihrem Fell vergrub. Ein großer Bursche, dem ein Dutzend Pfeile von der Brust herabhingen, stürzte brüllend vor Schmerz auf mich zu, und ich schoß ihm eine barmherzige Kugel in den Schädel, so daß er zusammenbrach. Dies war der einzige Schuß, der abgegeben wurde, denn der gegen das Zentrum gerichtete Angriff konnte von den Indianern bereits ohne unsere Hilfe zurückgewiesen werden. Ich glaube, daß von allen Affenmenschen, die sich herausgewagt hatten, niemand in den Wald zurückgekehrt ist.

Schlimmer wurde die Sache jedoch, als wir in den Wald eindrangen. Über eine Stunde währte der erbitterte Kampf, in dem wir unseren Gegnern kaum gewachsen waren. Diese stürzten aus dem Gestrüpp heraus und schlugen mit riesigen Keulen auf die Indianer ein, und es gelang ihnen, oft drei oder vier von ihnen niederzumachen, ehe sie von einem Speer durchbohrt wurden. Ihre furchtbaren Schläge zerschmetterten alles, was sie trafen. Einer von ihnen zertrümmerte Summerlees Gewehr, und der nächste hätte ihm den Schädel eingeschlagen, wenn ihm ein Indianer nicht rechtzeitig das Herz durchbohrt hätte. Andere Affenmenschen warfen aus den Bäumen Steine und Holzblöcke auf uns hernieder, ließen sich auch wohl selbst in unsere Reihen hinunterfallen und kämpften wie rasend, bis sie niedergemacht wurden. Einmal wichen unsere Verbündeten unter ihrem Druck zurück, und hätten wir nicht mit unseren Gewehren eingegriffen, so würden sie sicherlich die Flucht ergriffen haben. Von ihrem alten Häuptling angefeuert, drangen sie von neuem mit solcher Wucht vor, daß die Affenmenschen anfingen, sich zurückzuziehen. Summerlee war ohne Waffe. Aber ich feuerte, so schnell ich konnte, und von der anderen Flanke her vernahmen wir das dauernde Krachen der Gewehre unserer Gefährten. Jetzt verbreitete sich eine Panik und lähmendes Entsetzen unter den Affenmenschen. Schreiend und heulend stürzten die großen Burschen in allen Richtungen durch das Unterholz, während unsere Verbündeten in wildes Triumphgeschrei ausbrachen und die Verfolgung der fliehenden Gegner aufnahmen. All die Fehden zahlloser Generationen, aller Haß und alle grausamen Erlebnisse der letzten Zeit, alle Erinnerungen an Überfälle und Verfolgung wurden an diesem einen Tage gerächt. Der Mensch erwies sich zuletzt als der Überlegene, und den Tiermenschen traf das für immer entscheidende Schicksal. Die Flüchtlinge waren nicht in der Lage, ihren gewandten Verfolgern zu entgehen, und von allen Seiten in dem dichten Unterholz hörten wir das Freudengeschrei, das Schwirren der Bogensehnen, Krachen und dumpfes Aufschlagen von Körpern der Menschenaffen, die aus ihrem Versteck aus den Bäumen heruntergeholt wurden.

Ich folgte den übrigen, als ich auf Lord John und Challenger stieß, die zu uns herübergekommen waren.

»Es ist vorbei«, sagte Lord John. »Ich denke, wir überlassen ihnen das Fesseln der Gefangenen. Wir werden um so besser schlafen, je weniger wir davon sehen.«

Challengers Augen glänzten vor Mordlust. »Wir haben den Vorzug gehabt,« rief er, wie ein Kampfhahn einherstolzierend, »einer der typischen, entscheidenden Schlachten der Geschichte beizuwohnen – einer jener Schlachten, die das Schicksal der Welt entschieden haben. Was bedeutet die Unterwerfung einer Nation durch eine andere, meine Freunde? Sie ist belanglos. Jede dieser Eroberungen führt zum selben Resultat. Aber jene wilden Kämpfe der Vorzeit, in denen die Höhlenbewohner ihre Existenz gegen das Tigervolk verteidigen oder die Elefanten zum erstenmal auf einen überlegenen Gegner stoßen, das sind die wahren Unterwerfungen, das sind die Siege, auf die es ankommt. Diese seltsame Wendung des Schicksals hat uns Gelegenheit gegeben, einen solchen Gegensatz zu beobachten und sogar mitzuentscheiden. Die Zukunft auf diesem Plateau gehört jetzt dem Menschen.«

Es gehört ein robuster Glaube dazu, solche tragischen Mittel zu rechtfertigen. Als wir zusammen durch den Wald schritten, fanden wir überall Haufen von Affenmenschen, die von Speeren oder Pfeilen durchbohrt waren. Hier und da erblickten wir kleine Gruppen von Indianern, die einen sich heftig wehrenden Affenmenschen niederzumachen versuchten. Überall vor uns ertönte Geschrei und Gebrüll, das den Verlauf der Verfolgungskämpfe anzeigte. Die Affenmenschen versuchten bei ihrer Stadt, bis zu der sie zurückgetrieben waren, noch einmal Widerstand zu leisten. Doch brach dieser bald zusammen, und wir kamen gerade rechtzeitig, um der letzten furchtbarsten Szene beizuwohnen. Man hatte einige achtzig bis hundert männliche Bestien, die letzten Überlebenden, über dieselbe kleine Lichtung, die zum Rande der Felsenwand führte, getrieben. Es war der Schauplatz unserer eigenen Tat vor zwei Tagen. Als wir dort ankamen, hatten die Indianer einen Halbkreis von Speerträgern um die Gefangenen gebildet, und in einer Minute war alles vorüber. Dreißig oder vierzig der Affenmenschen wurden auf der Stelle getötet. Die anderen wurden trotz ihres Schreiens und Umsichschlagens in den Abgrund gestürzt und fielen, wie früher ihre eigenen Gefangenen, auf die scharfen Spitzen der sechshundert Fuß tiefer stehenden Bambusstangen. Es war, wie Challenger gesagt hatte: Die Herrschaft des Menschen im Maple-White-Land war für immer gesichert. Die männlichen Affenmenschen waren ausgerottet, die Affenstadt war zerstört, die Weiber und Kinder wurden als Sklaven weggetrieben, und die lange Feindschaft ungezählter Jahrhunderte hatte ihr blutiges Ende gefunden.

Uns brachte dieser Sieg viele Vorteile. Es war uns wieder möglich, unser Lager aufzusuchen und zu unseren Vorräten zu gelangen. Ebenso konnten wir jetzt wieder mit Zambo, der durch das in der Ferne sich abspielende Schauspiel einer vom Rande der Felswand herabstürzenden Lawine von Affen erschreckt worden war, in Verbindung treten.

»Massas müssen herunterkommen«, schrie er mit angstvoll aufgerissenen Augen. »Teufel wird alle holen, wenn noch länger oben bleiben.«

»Das ist die Stimme der Vernunft«, sagte Summerlee mit Überzeugung. »Wir haben Abenteuer genug erlebt, und sie passen weder zu unserem Charakter noch zu unserer Stellung. Ich nehme Sie beim Wort, Challenger, von jetzt an werden Sie Ihre Energie auf das Problem richten, uns aus diesem furchtbaren Lande hinaus- und wieder zur Zivilisation zurückzubringen.«


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