Hedwig Dohm
Die Antifeministen
Hedwig Dohm

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Frau Lou Andreas-Salomé.

Betrübt las ich ihre Schrift »Der Mensch als Weib«.In der »neuen Deutschen Rundschau«, Heft 3. März 1899. Frau Lou (ihr voller, zu langer Name frißt zu viel Manuskript) Antifrauenrechtlerin!

Aus dieser Schrift heraus spricht sie zu uns wie durch zarte Schleier oder wie aus einer gewissen Entfernung: und je mehr Das, was sie sagt, anzuzweifeln ist, um so subtiler tastet sie daran. Auf weichen Sohlen gleitet sie, fast schwebend, selbst über schlüpfrigen Boden; und in der Tonart von Flöte und Harfe rührt sie leise und vornehm an die heikelsten Dinge auf dem Gebiet des Geschlechtslebens. Ganz Nacktes hüllt sie in schimmernden Nebeldunst. Singendes und Klingendes sagt sie, sich im Kreise Wiegendes, Schwingendes. Es ist, als blickte sie seitwärts unter langen Wimpern hervor, nicht geradeaus. Etwas mystisch Seherisches ist auch in ihrer Art. Aber nicht wie die Spiritisten materialisiert sie Geister, umgekehrt: recht Materielles spiritisiert sie ins Mystische hinein. Weit über die Wirklichkeit hinaus fliegt ihre Psyche. Meinem suchenden Auge verschwebt sie leicht.

Frau Lous Weibideal? Sie spricht wenig vom Mann, sie spricht nicht vom Kind; sie ist kinderlos und schweigt bescheiden von Dem, was sie nicht kennt. »Harmonisches Ausleben, das schön, froh und gesund macht«, will sie für die Frau. »Die Frau«, so sagt sie, »hat eine intaktere Harmonie, sicherere Rundung (als der Mann), eine ruhende, größere vorläufigere Vollendung und Lückenlosigkeit ... Ihre Kräfte schlagen gleichsam in den eigenen Mittelpunkt zurück und vollenden sich in ihrer Selbstbeschränkung ... Charakteristisch für alles Weibliche ist jene Sattheit der schöpferischen Wiederholung von sich selbst, des Zusammenhaltens aller Kräfte innerhalb der eigenen Produktion ... Im Weib scheint sich alles ins Leben hinein, nichts aus ihm heraus entladen zu sollen: es ist, als kreise in ihm das Leben gleichsam innerhalb seiner eigenen Rundung, als dürfe es ohne Wunde und Verletzung so wenig daraus austreten wie Blut aus der Körperhaut ... Das Weib ist das Sinnbild alles Ganzen, alles Ewigen ...« »Als Lebensgesamtheit verbraucht das Weib seine Kraft und seinen Saft innerhalb des eigenen Wesenmarkes.«

Nach Ellen Key verbraucht sie ihre Kraft und ihren Saft für das Kind.

»Das Weib ist vor allem etwas Selbsteigenes ... Tun und Sein fallen bei ihm zusammen, bis alle einzelnen Taten nichts mehr sind als der große unwillkürliche Seins-Akt selbst und bis das Weib dem Leben nur noch mit Dem zahlt, was sie ist, nicht mit Dem, was sie tut.«

Schiller spricht einen ganz ähnlichen Satz aus: »Edle Naturen zahlen mit Dem, was sie sind, gemeine mit Dem, was sie tun.« Augenscheinlich aber gehört zu seinen »Naturen« auch der Mann.

Frau Lou betont die weibliche Selbstherrlichkeit, das Souveraine und Unantastbare im Weibe. »Der Mann ist von vorn herein gestellt auf Differenzirungsvermögen, dem irgend ein letztes seliges Phlegma im Weibe lächelnd widerstrebt.« Es sucht nur sich selbst und seine eigene Entwickelung ... Sie muß an sich wachsen und zunehmen dürfen zu immer größerem Seins-Umfang. Vielleicht ist dem Weib das Los geworden, nach urewigen Gesetzen, einem Baum zu gleichen, dessen Früchte nicht einzeln gepflückt werden, sondern der als Baum in der Gesamterscheinung seiner blühenden, reifenden, Schatten spendenden Schönheit da sein und wirken will.« Die Frucht, die niedersinkt, ist »doch nur Fallobst, mühelos abgeworfen, und soll nicht mehr als Das bedeuten wollen«... »Es bedarf nicht des Beweiserbringens ihrer Leistungen ..., sie braucht nur ihre Schatten spendenden Zweige von sich zu strecken« ... »Frauen haben etwas von schimmernden Wassertropfen, die sich, ob klein, ob groß, zur nämlichen kugeligen Form zusammenrunden und, täten sie das nicht, elend versickern würden, bis ihr letzter Glanz im Staub der Dinge vergeht.«

Noch viele, viele schöne Bilder gibt sie uns. Sie klingen, klingen wie Elfenreigen oder sonst etwas poetisch, selig Hingeträumtes. Sie führt uns in ein Märchenland reiner Geister und Herzen, wo alle Männer tief, alle Frauen tauduftig, herrlich veranlagt in Jugendschöne prangen. Und keinen Hunger gibt es in diesem Eldorado, weder physischen noch geistigen. Das Weib hat es so gut, so gut, in sich und bei sich selbst!

Ich legte Frau Lous Abhandlung, als ich damit zu Ende war, nachdenklich aus der Hand. Bestechend war, was sie sagte, schmeichelnd, zu sich hinlockend; es entsprach meinen Instinkten. Ob sie Recht hat? Zweifel an meinen eigenen Überzeugungen stiegen in mir auf. Soll ich ihr glauben? Ja, glauben müßte man. Uns modernen Menschen aber ist der Glaube abhanden gekommen und wir sind vorsichtig geworden in der Behauptung von Naturgesetzen. Überzeugt wollen wir werden. Beweise fordern wir. Die bleibt sie uns mit ihrer Vision von einem Weibe schuldig. Ach ja: ich möchte auch wie »ein Stück uralter vornehmster Aristokratie auf eigenem Schloß daheim sein« (eines ihrer, das Frauentum bezeichnenden Bilder), ich möchte mich auch blumenhaft entfalten dürfen, ins Weite blühend und duftend; mich in selig lächelndem Phlegma, in intakter Harmonie wie ein schimmernder Wassertropfen zusammenkugeln. Aber es kommt gewöhnlich ganz anders.

Ich las die Schrift noch einmal; und der Zauber war gebrochen. Und gegen meine tiefen Sympathien reagierte stark und klar mein nüchterner Verstand. Wie käme ich dazu, meine ganz individuelle Veranlagung zum Maßstab der ganzen Frauenwelt zu machen? Damit verfiele ich ja in den Fehler der Frauen, die mit sich alle anderen Frauen identifizieren. Nein, die Frauen in ihrer Gesamtheit lassen sich nicht unter einen Hut bringen. Sehe und erfahre ich nicht täglich, daß es auch völlig anders geartete Frauen gibt, Frauen wie Sturm und Feuer? Es gibt Amazonen und Opferlämmer, Hypatias und liebe einfache Hausmütterchen, - und alle wollen sich nach ihrer Wesensart betätigen und alle haben Recht, tausendmal Recht.

Und nun fand ich in Frau Lous Frauenideal etwas von einem sublimierten feingeistigen Harem, ohne den Sultan freilich, aber Selbstverliebtheit ist dabei und etwas Seelenfettes. Die Wirklichkeit widerspricht dem Ideal der Frau Lou allzu grausam. Seiner Realisierung müßte eine Umgestaltung aller sozialen Verhältnisse vorausgehen, die der Frau eine Staatsrente sicherte, eine so beträchtliche, daß sie »auf eigenem Schloß in uralter aristokratischer Vornehmheit« ungehemmt sich seelisch abrunden könnte. Und sollte diesem Ideal Erfüllung winken, müßte dann nicht der Mann ein wenig Sklave des Weibes werden, und im Schweiße seines Angesichtes des herrlichen, Schatten spendenden Baumes der Weiblichkeit warten, damit ihres Seins Umfang in intakter Harmonie wachse?

Frau Lou hält ihr Ideal auch für das Weibideal des Mannes. »Der männliche Mann«, sagt sie, »hat den gleichen tiefen Schauder vor dem mannesseligen wie vor dem emanzipationseligen Weibe.« An den Schauder vor dem mannesseligen glaube ich nicht so recht. Laura Marholm z.B. hält gerade Mannesselige für sein Genre. Und Schauder vor dem emanzipationsseligen! Schauder vor unangenehmen Frauenzimmern, - ja. Die aber gibt’s unter allen Himmelsstrichen, geographischen und geistigen, unter den berufslosesten und den im Beruf arbeitsamsten.

Nicht nur im Kern ihrer Anschauungen, auch in wesentlichen Einzelheiten gehen die drei Dichterinnen auseinander.

Ellen Key verlegt den Schwerpunkt des Weibes aus sich heraus in ihre Kinder, in den Familienkreis. Frau Lou ist der Ansicht: wenn »dieser Schwerpunkt in andere Menschen oder in eine andere Sache verlegt wird, so wäre das eine Art Götzendienst, der ihre tiefste menschliche Produktion unterbindet, ihren goldenen Kreis zersprengt, bis sie sich selbst nicht mehr in seliger Sicherheit hat.« ... »Nicht das weiblichste Wesen ist es, das am meisten des Hauses, der Sitte, des festgezogenen Kreises bedarf, um sich als Weib zu fühlen.«

Ellen Key: »Wir besäßen jetzt nicht eine so hohe und seelenvolle Gattenliebe, eine so intensive weibliche Keuschheit« ...

Laura Marholm wieder hält die Liebe zu dem Gatten für so ziemlich ausgestorben, und die weibliche Keuschheit negiert sie schon bei dem jüngsten Mädchen. Frau Lou findet, daß die Frau eine tiefe Wohltat für den Mann ist. Laura Marholm betont den Ekel des Mannes am Weibe.

Besteht nicht ein tiefer Widerspruch zwischen der Selbsteigenheit der Frau, die Frau Lou will, und ihrer absoluten materiellen Abhängigkeit vom Mann? Hat nicht der Mann, der die Frau erhält, ein Recht auf Leistungen, die ihm genehm sind? Und selbst wenn der Mann ihr völlige Freiheit in ihrem Tun ließe: müßte nicht in ihrem Bewußtsein etwas vom Magdtum sein, dem Mann gegenüber, der ihr Stellung und Lebensunterhalt gibt?

Wie diese Frauen sich auch wenden und winden: sie fallen aus einem Dilemma ins andere, wenn sie die ökonomische Unabhängigkeit der Frau aus ihrem Programm streichen.

Ich komme zu dem, worin die drei Dichterinnen übereinstimmen. Erstens: in der Überzeugung von der großen intellektuellen Überlegenheit des Mannes. Zweitens: darin, daß die Berufstätigkeit der Frau vom Übel sei. Drittens: in ihrem Zorn gegen die Frauenrechtlerinnen. Selbst die milde Frau Lou wird laut und borstig, wenn sie von den Frauenrechtlerinnen spricht.

In der Verherrlichung des Mannes geht Frau Lou so weit, daß sie erklärt: »Nur der Mann ist in voller Schärfe der tragische Typus des Menschengeschöpfes.« Ellen Key betont, daß ihre »Betrachtungen (über Frauen) indirekt ein Beweis sind für die Überlegenheit des männlichen Intellektes, ... denn ohne die Anregung, die sie durch männliches Denken erhalten, hätte sie sie nicht anstellen können.« O ja, das merkt man, daß sie aus den Seelen der Männer heraus in die Seelen der Frauen hineinspricht. Auch Frau Lou hat das Beste, was über Frauen gedacht worden ist, von Männern gehört.

Einig sind die Drei darin, daß die Werke der Frauen in Kunst und Wissenschaft zu entbehren sind. Frau Lou nennt, was eine Frau etwa zu produzieren vermag: »Fallobst«. Ellen Key ist der Ansicht, daß sie nur die Gedanken oder die Schöpfung eines andern verkörpern könne. Sie sucht die geistige Inferiorität des Weibes auch historisch nachzuweisen. Die pièce de résistance ihrer Beweisführung sind die Nonnen früherer Zeiten, »wo es ganz sicher die begabtesten und persönlich entwickeltsten Frauen gewesen sind, die nach dem Kampf des Lebens das Kloster aufsuchten.« Wirklich? ganz sicher? Ist es nicht wahrscheinlicher, daß es die frömmsten und unglücklichsten Frauen waren, die im Kloster Frieden suchten? Und »nach dem Kampf des Lebens«? Also doch betagtere Damen, die wohl kaum noch den Sporn und Drang zum Beginn von Studien fühlten.

Ellen Key: »Was die Ideen betrifft, so gibt es keine geniale Frau, die dort originell wäre.« (Wie? Genial und ohne Originalität?) Um zu beweisen, daß die geniale Frau immer von diesem oder jenem Mann beeinflußt ist, führt sie Sonja Kowalewska an, »die von ihrem Lehrer Weyerstraß beeinflußt wurde.« Und die genialen männlichen Mathematiker, - die saugen sich wohl die Mathematik aus den Fingerspitzen?

Marie Bashkirtsew soll Bastien-Lepage nachgeartet sein. Hier ist sie im Widerspruch mit ihrer Prophetin Laura Marholm, die die junge Malerin origineller und genialer findet als ihren Lehrer.

Die berühmten Briefe der Sevigné sollen – nach Ellen Key – ihren unsterblichen Wert der Mutterliebe verdanken. Das wußte ich gar nicht. Ich dachte, es wären, neben dem wundervollen Stil, die genialen Zeitbilder, die die Briefe berühmt gemacht haben.

Das gehört eben auch zu den uns feindlichen Methoden, geniale Frauenleistungen – wenn sie nicht ganz wegzuleugnen sind – auf einen Mann zurückzuführen, so daß gewissermaßen die Frauen – um ein Bild Heines zu gebrauchen – Zwerge sind, die groß erscheinen, weil sie auf den Schultern von Riesen stehen. George Sand soll ihre dichterischen Produktionen dem Einfluß ihrer Liebhaber und dem Philosophen Comte, George Elliot ihre Ideen Spencer verdankt haben, u.s.w.

Ja, glaubt man denn bei den Männern an Selbstbefruchtung? Kants Ideen werden auf die englischen Philosophen zurückgeführt, diejenigen Nietzsches auf Stirner, und die Stirnerschen wiederum auf Hegel. Schopenhauers Philosophie soll im esoterischen Buddhismus wurzeln, und die Heinesche Poesie wird als die in Stimmung umgesetzte Hegelsche Philosophie bezeichnet.

Das hat gewiß alles seine Richtigkeit, denn wir alle sind Glieder einer unabsehbaren Kette von geistigen Wirkungen, die bis in die Anfänge der Kultur hinabreichen.

Die Werke der Frauen nur Fallobst! Fallobst auch Frau Lous Werke? Fallobst auch ihre Ideen über den Daseinszweck des Weibes? Hätten sie sich da nicht, des mühelosen Abschüttelns der unreifen, angegangenen Früchte enthalten sollen? Ist es nicht eine fast grobe Naivetät, wenn eine Frau dem Weib die Ideen produzierende höhere Intelligenz abspricht und in demselben Atem ein souveränes Verdikt über die höchsten Probleme der Menschheit abzugeben sich berechtigt glaubt? Ist es nicht verwunderlich – um nicht einen härteren Ausdruck zu gebrauchen – die Dringlichkeit zu sehen, mit der diese Frauen die intellektuelle Inferiorität ihres Geschlechtes der Welt kund und zu wissen tun? Man ist versucht, ihnen zuzurufen: Bitte sprechen Sie in Ihrem Namen!

Und braucht denn der Mann diese Apologetinnen seiner Ideentiefe? Wenn er nur nicht stutzig wird bei diesen gedruckten Zusicherungen seiner intellektuellen Überlegenheit, die von geistig ihm nicht Ebenbürtigen ausgehen! Ich werde immer stutzig, wenn jemand, dessen Intelligenz nicht besonders ist, ein Buch von mir lobt, und denke: es gleicht dem Geist, dem es gefällt.

Die Gegnerinnen des Radikalismus in der Frauenfrage verwerfen im großen und ganzen die Berufstätigkeit der Frau, die – nach Laura Marholm eine schwere Kulturbedrohung bedeutet. »die Mütterlichkeit,« sagt Ellen Key, erschöpft die psychischen und physischen Kraftquellen des Weibes. Und Frau Lou: die Frau soll nur immer bei sich selbst bleiben und »nicht in zersplitternder Einzeltätigkeit um sich hauen wie der Mann.«

Frauen müssen (wenn sie studieren) das Weib in sich ersticken.

Grausamste Ungerechtigkeit der Natur! Der Mann, der Glückliche, - er studiere so viel, so ernsthaft, wie er will: erstickt er dabei den Mann in sich? O nein, schon der eifrigste Student benimmt sich meist gefährlich erotisch, obgleich er daneben noch so sehr viel Bier trinken muß, was die studierende Jungfrau höchstens in Witzblättern tut.

Sollte man nicht vielmehr annehmen dürfen, daß der Adel wissenschaftlicher Studien eher vergeistigend als vergröbernd auf Antlitz, Haltung und Gebärde wirke und der Frau mehr Anmut und Würde verleihe als die massenhaftesten Familiengefühle?

Ellen Key hat studiert. Ob ihre Weiblichkeit es ausgehalten hat? Wie überzeugend wäre es, wenn sie vor uns hinträte mit den Worten: Ich spreche aus eigener Erfahrung, denn trauernd sitze ich auf den Trümmern meiner Weiblichkeit!« Und wenn die Frau wirklich durch eine Berufstätigkeit einige ihrer reizvollen weiblichen Eigentümlichkeiten einbüßte, wozu braucht denn Ellen Key für die ästhetischen Genüsse, die Anmut und Schönheit des Weibes den Männern bieten, so ins Zeug zu gehen? Die werden schon selbst für ihre Lebensfreuden sorgen.

Ellen Key fürchtet auch, »daß ein so begrenztes Wesen, wie die Frau es ist, von einer zu großen (intellektuellen) Kraftentwickelung zersprengt werde.« Wenn es nicht unhöflich klänge, könnte ich sagen, daß ihre Kraftentwickelung bei der Abfassung ihres Essays nicht zu groß gewesen sein muß, da sie ihr begrenztes Wesen nicht zersprengt hat.

»Wenn erst,« sagt Frau Lou, »durch das geistige Rivalisieren mit dem Mann bei der Frau der Ehrgeiz geweckt würde, so wäre das ungefähr die tödlichste Eigenschaft, die das Weib sich anzüchten kann.« Sie verwirft es als den allerpersönlichsten Ehrgeiz, als die zugespitzteste Selbstsucht der Vereinzelung, wenn das Weib als Anne oder Marie eine gewisse Stufe der Vollendung erreichen will, statt als Weib im allgemeinen sich in der eigenen Welt genügen zu lassen, zufrieden, im Meer des Weibtumes als einzelner Tropfen zu verperlen.

»Die Abwesenheit von Ehrgeiz macht des Weibes natürliche Größe aus, die sichere Gewißheit, daß es eines Beweiserbringens ihrer Leistung nicht bedarf.« Sollte diese Gewißheit, daß sie nur da zu sein braucht, um zu laben, zu beglücken, nicht an die Stelle des Ehrgeizes satteste, saftigste Eitelkeit und Eigenliebe setzen?

Auch Ellen Key entdeckt, daß die weibliche Natur ohne Ehrgeiz ist.

Das Weib ohne Ehrgeiz! Mit welchen Madonnen, ephebischen Jungfrauen oder arkadischen Schäferinnen haben diese Damen denn verkehrt? Ehrgeizig habe ich das Weib gefunden wie den Mann, wenn auch auf anderen Gebieten. Schon das Backfischchen ist auf einem Ball von dem glühenden Ehrgeiz erfüllt, die meisten Bouquets zu erhaschen. Die Mutter erhebt ihre Dutzendkinder zu Genies – aus Ehrgeiz. Und die Hausfrau, der das Übertrumpfen anderer Hausfrauen die intimsten Herzensfreuden verschafft? Und die Weltdame auf ihren Eroberungszügen durch die Salons? Sie wären nicht ehrgeizig, über alle Maßen ehrgeizig? Der Ehrgeiz müßte ihnen erst angezüchtet werden?

Ich habe es im Leben nie anders wahrgenommen, als daß die Anne als Anne, die Marie als Marie gelten wollte, ohne jede Geneigtheit, als einzelner Tropfen im Meer zu verperlen, was ja schließlich das Los aller ist, ein Los, dem sich die Weisesten – zu denen ja die Frauen nicht gehören sollen – am leichtesten fügen.

Gemeinsam ist den drei Schriftstellerinnen auch, daß sie dem Speer des Achilles gleichen, der die Wunden, die er schlägt, auch heilt.

Ellen Key: Zur Intelligenzhöhe des Mannes kann das Weib nicht hinauf, dafür erreicht er nie die tiefste Tiefe ihres Gefühles. Frau Lou spricht der Frau das Differenzierungsvermögen ab, aber: daß sie es nicht hat, gerade das ist ihre genialische Kraft.

Für politische Gründe, logische Beweise und Schlußfolgerungen der Männer ist das Weib nicht zugänglich, aber dafür setzt sie »ihren eigenen Glauben, die Hoffnung und das Vorgefühl ein.«

»Nur der Mann gibt der Menschheit neue Ideen, Kunstschöpfungen u.s.w. Dafür erzieht das Weib der Menschheit neues Leben« (in den Kindern). Das wäre aber doch eine Ungerechtigkeit der Natur gegen den Mann. Kinder kann jede Frau kriegen, aber nicht jeder Mann kriegt neue Ideen. Was für ein Äquivalent gewährt die Natur den Männern, die keine Ideen gebären?

Mir scheint, ein Kardinalfehler, der den Auffassungen dieser Frauen zu Grunde liegt, ist, daß, wenn sie vom Weibe sprechen, sie immer nur das junge Weib im Auge haben. Sie berücksichtigen nicht die ältere und nicht die alte Frau. Und die wollen doch auch leben. Ellen Key berücksichtigt sie nicht, da sie Kinderpflege und Erziehung (deren das erwachsene Kind nicht mehr bedarf) zum Daseinszweck des Weibes macht, Laura Marholm, da ihr die seelisch-sinnliche Hingabe an den Mann der Inhalt des Frauenlebens ist, eine Hingabe, die nur der jungen und jüngeren Frau anstehen dürfte. Auch Frau Lous Ausführungen lassen die Vorstellung von ältlichen Frauen nicht zu. Am Schluß ihrer Abhandlung sagt sie: »Wenn der Mann von dieser Höhe (den Weihestunden auf Bergeshöhen) niedersteigt ... in den lauten Werktag und das Weib sieht: da muß es ihm vorkommen, als sähe er die Ewigkeit selbst in Gestalt eines jungen, knieenden Wesens ...« Und wenn er eine alte runzelige Hausfrau oder eine bebrillte Großmutter knieen sähe: würde es ihm auch so vorkommen, als sähe er in ihrer Gestalt die Ewigkeit selbst? Kaum.

Von wundervollster Einigkeit sind die Drei in ihrer heftigen Antipathie gegen die Frauenrechtlerinnen. Temperamentvoll schildern sie ihren unheilvollen Einfluß. »Es ist Zeit, daß wir unser ganzes Weibsein zurückerobern, alles von uns weisen, was wir kraft und durch unser Geschlecht nicht sind.« So Laura Marholm. Und Ellen Key: »Wenn die Frauen erst wieder Frauen sein dürfen, brauchen sie nicht mehr ihre herzzerreißenden Schriften zu schreiben.«

Bei solchen Auslassungen fasse ich immer an meinen Kopf und frage: Bin ich verrückt oder ...

Ja, wer um Gotteswillen hat die Frauen denn gehindert, alles ihnen Widerstrebende zurückzuweisen? Machtmittel sind doch nur angewendet worden, sie von Bildungsstätten fern zu halten, aber nicht um sie hineinzutreiben. Wer hat je eine Frau gehindert, das Weibsein im Sinn dieser Antifrauenrechtlerinnen zu üben? Wer hat je ihrer »Selbstbehauptung durch Selbsthingabe« (nach Frau Lou und Ellen Key die Lebensaufgabe der Frau), wer hat je ihrer Lust, ein Dutzend Kinder zu gebären, Schranken gesetzt? Haben die berufsmäßig Arbeitenden Schreie ausgestoßen, so waren es Freudenschreie über die Erlangung einer Stelle, die ihnen Brot gab, da sie nun doch einmal von ihren unermeßlichen Gefühlen nicht leben können und ihnen ja auch die Kinder (um derenwillen sie da sein sollen), nicht vom Himmel in den Schoß fallen. Die Emanzipationsbestrebungen sind doch gerade umgekehrt eine Antwort auf die Schmerzensschreie der Frauen, die unter der engen Gebundenheit des Weibes, unter seiner absoluten Abhängigkeit vom Mann litten, der Frauen, die an physischem oder psychischem Hunger verdarben. Ein solcher Schmerzensschrei ist das Buch »Halbtier« von Helene Böhlau.

Und weiter schildert Ellen Key die Leiden der Unglücklichen, die den Emanzipierten ins Garn gegangen sind: »Unzählige Impulse der Zärtlichkeit müssen sie unterdrücken ... ihr Herz gegen tägliches Anklopfen verhärten ... sie müssen sich von den kleinen Kinderhänden losreißen.« ... Auch völlig beruflose Frauen reißen sich unter der Beihülfe von Kinderfrauen und allerhand anderen, zum Teil sehr willkommenen Abhaltungen, die den größten Raum des Tages in Anspruch nehmen, von den kleinen Kinderhänden los; und die kleinen Kinderhände wachsen so schnell und machen sich dann von selbst von den großen Mutterhänden los.

Ellen Key oktroyiert den Frauenrechtlerinnen: »Sie sehen ein, daß das Gehirn ihre Muskeln entkräftet« (durch die Studien). Erstens: sie denken nicht daran, es einzusehen; und wäre es der Fall: könnte dann nicht das auf Kosten der Muskeln so sehr gekräftigte Gehirn ihnen zu der klugen Einsicht verhelfen, daß Leibesübungen – Schwimmen, Turnen, Radeln, Massage, Luftbäder, Tennis u.s.w. – ein Äquivalent für geistige Anstrengungen bieten?

»Die Frauenrechtlerinnen haben auf die Mehrzahl der Frauen einen ungeheuren Druck ausgeübt.« Wo denn? Wie denn? Vergebens besinne ich mich auf Schriften, Reden, Petitionen oder irgend eine Art der Agitation, die angetan waren, einen ungeheuren Druck auf die Frauenwelt auszuüben, und die Hausfrau veranlaßten, »sich als Armenhäuslerin zu fühlen.«

Und mein eigenes Frauenideal?

Ich brauche mich nicht in die Unkosten eigener Gedanken und Worte zu stürzen. Ein Satz aus Ellen Keys Schrift deckt sich völlig mit meinem Ideal vom Frauentum. Sie sagt: »Jede Frau muß, ohne daß ihr von der Gesellschaft Hindernisse in den Weg gelegt werden, danach streben dürfen, das herauszufinden, was die Natur gerade mit ihr beabsichtigt hat ... Es gilt, diese Eigenart bis in die geringsten Einzelheiten zu schützen.« (Daß ihre Gesamtauffassung der Frau im grellsten Widerspruch zu diesem Satz steht, ist nur ein Widerspruch mehr in dem Essay.)

Warum hält man die Frauen für Törinnen, die sich selbst weh tun, gerade das tun wollen und werden, was gegen ihre Natur ist? Aus seiner eigenen Haut zu fahren, verbietet sich ja eigentlich von selbst. Ein Unmusikalischer wird sich nicht – falls er nicht ein Narr ist – der Musik widmen. Das gilt auch von allen übrigen Arbeitgebieten, vorausgesetzt, daß eine Notlage uns nicht Widernatürliches aufzwingt. Ich sah einen Menschen, der mit den Füßen schrieb. Aber er hatte keine Hände. Bei Gott, wenn diese lieben und hochbegabten Dichterinnen so sehr gegen die Berufstätigkeit der Frau und ihre Konkurrenz mit dem Mann eifern: warum bleiben sie denn nicht selbst im Rahmen der Weiblichkeit, fern jeder Berufstätigkeit, warum produzieren sie denn Fallobst und ähnliches Zeug? Warum streben sie denn nicht Ellen Keys Zukunftsideal an: »Das Weib mit der Nahrung für einen Herakles im schwellenden Busen«?

Eine Karikatur ihrer Art bietet ein Verein von Antifrauenrechtlerinnen in Amerika, dessen Mitglieder von öffentlicher Rednerbühne herunter die gröbsten und zornigsten Bannflüche auf die Frauenrechtlerinnen niederschmettern.

Und warum stellen diese Frauen nicht einfach und klar – ja: besonders klar – ihre Thesen auf? Warum verkleiden sie ihre Gedanken? Wozu der malerische Faltenwurf, der stolze Kothurn, der mystische Dreifuß? Es gibt ja so viele andere, für poetische Ergüsse geeignetere Gebiete als die Frauenfrage! Wer, nachdem er Ellen Keys »Mißbrauchte Frauenkraft« gelesen hat, mir sagen kann, was sie nun eigentlich will, was die Frau tun und was sie lassen soll, - den halte ich für einen gewiegten Rätselentzifferer.

Frau Lou freilich will nichts als ein goldumduftetes Bild der Frau geben, wie sie visionär es in der Seele geschaut hat. Sie enthält sich des kategorischen Imperativs: Das Weib soll!

Nein. Sie soll nicht. Was ich sein kann, das will ich sein. Wie? man will mich in die kompakte Masse einer bestimmten Wesenheit hineinkneten? mich mit naiver Brutalität in einen Gattungsbegriff zwängen, wie es mit den Tieren geschieht, bei denen auch nur die Gattung, nicht das einzelne Exemplar in Betracht kommt? Ein Esel ist so ziemlich wie der andere Esel, aber nicht ist ein Weib wie das andere. Die Frauen sind untereinander so verschieden, wie ein Mann von dem andern verschieden ist. Was die eine energisch von sich weist, kann die andere ebenso energisch erstreben. Fühle ich den Trieb, irgend eine Wissenschaft zu studieren, oder mir als Kaufmann Millionen zu erwerben, so ist es Vergewaltigung, mir Wissenschaft und Millionen aus meinem Lebensrepertoire zu streichen.

Man gibt mir einen Gatten und sagt: das bist Du! Man gibt mir eine Hauswirtschaft und sagt: das bist Du! Man gibt mir ein Kind: das bist Du! Aber diese Besitztümer alle können mir auf irgend eine Weise wieder abhanden kommen, und ich allein bleibe immer übrig, ist das blühende Gerank von mir abgefallen, als ein kahler Stamm, wenn der Stamm nicht aus der eigenen Wurzel genährt sich nicht mit eigenem Laubwerk schmücken kann.

Gleichgültig, ob ich Mann, Weib oder Neutrum bin – das Geschlecht ist Privatsache – vor allem bin ich Ich, eine bestimmte Individualität, und mein menschlicher Wert beruht auf dieser Individualität.

Was reden denn all’ die Fremden in unsere Seelen hinein! Was haben sie sich um unser Weibsein zu kümmern? Des Weibseins werde ich nun und nimmer ledig, ob ich dem Holofernes den Kopf abschlage oder mich von meinem betrunkenen Mann prügeln lasse, ob ich als Griseldis oder Messalina entzücke oder entsetze.

Wer im Kampf der Geschlechter siegen wird?

Weit überragt der Mann an Intelligenz das von Gefühlen beherrschte Weib. Er hat die Macht. Auf allen wichtigsten Lebensgebieten bestätigen und bekräftigen Sitten und Gesetze seine Oberhoheit. Und der Sieg sollte zweifelhaft sein?

Oder – geht doch Recht vor Macht? Ist in zeugungsstarken Ideen eine siegende Kraft, vor der das Schwert zerbricht, da ein Gott daran rührte?

Ich glaube, daß ich eine ganz normale Frau bin – Durchschnitt – vielleicht mit einem kleinen Überschuß derjenigen Qualität, die man als besonders weibliche zu bezeichnen pflegt. Meine persönlichen Neigungen sind jeder bestimmten Berufsart widerstrebend, um keinen Preis hätte ich Ärztin, Oberlehrerin oder gar Königin werden mögen, und am allerwenigsten – ein Mann.

Wenn ich trotzdem mit glühender Überzeugung die Gleichberechtigung der Geschlechter fordere, so geschieht es auf Grund langer Erfahrungen und Beobachtungen, auf Grund des einfachen gesunden Menschenverstandes, der nicht verstehen kann, daß man Menschen, die ihre fünf Sinne haben, in Zwangsjacken steckt. Es geschieht auf Grund der ethischen Forderung einer Aufwärtsentwickelung, die nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht jedes Menschen ist. Und es geschieht endlich auf Grund eines tiefen Seelenschmerzes.

Ich brauche niemand zu fragen, was in der Frauenbewegung das Richtige ist. Ich weiß es. Der, dem ein Dachziegel auf den Kopf fällt, weiß, daß das Dach schadhaft ist. Er braucht es nicht erst untersuchen zu lassen. Wenn man mich um des Umstandes willen, daß ich mit weiblicher Körperbildung zur Welt kam, des Rechtes beraubte, meine Individualität zu entwickeln, wenn man der nach Wissen und Erkennen Verlangenden den wirklich überschätzten Kochlöffel in die ungeschickte Hand drückte, so jagte man damit eine Menschenseele, die vielleicht geschaffen war, herrlich und nutzbringend zu leben, in ein wüstes Phantasieland wilder und unfruchtbarer Träumereien, aus denen sie erst erwachte, als dieses Leben zur Neige ging.

Wer so des Weibtums ganzen Jammer in der eigenen Brust gefühlt, der ermißt an dem Schmerz der nie vernarbenden Wunden die tödliche Ungerechtigkeit der bisherigen Weltordnung.

Ein Kreuz war bisher das Weibtum, an das man die Frau genagelt.

Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt. Darum eben lacht der Antifeminist.

»Schreibe mit Blut« (Nietzsche). Dieses Buch der Verteidigung ist mit Herzblut geschrieben.


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