Daniel Defoe
Oberst Hannes
Daniel Defoe

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Mir blieb nichts anderes übrig als geduldig abzuwarten. Und da mein Herz voll Furcht und Schrecken, und mein Gewissen nicht rein war, so wünschte ich mir lieber tot zu sein, während sie mich so fortschleppten. Denn obgleich ich mich dieser Tat nicht schuldig fühlte, zweifelte ich nicht daran, daß ich nach Newgate geschickt und schließlich aufgeknüpft werden würde. Denn nach Newgate geführt und gehenkt zu werden kamen mir wie Dinge vor, die notwendig aufeinander folgen müßten.

Allein, ehe es so weit kam, hatte ich vor dem Richter einen harten Strauß auszufechten. Als ich hingelangt war, und der Gerichtsfron mich hineingeführt hatte, fragte mich der Richter nach meinem Namen: Doch halt, junger Mann, sprach er, ehe ich euch nach eurem Namen frage, muß ich euch Gerechtigkeit widerfahren lassen. Denn ihr seid nicht verpflichtet zu antworten, ehe nicht eure Ankläger zugegen sind! Hiermit wandte er sich an den Gerichtsfron und fragte ihn nach dem Haftbefehl.

Ihr habt, sprach er zu ihm, diesen jungen Mann hierher geführt – ist er die Person, gegen die der Befehl ausgegeben worden ist?

Der Gerichtsfron antwortete: Ich glaube es, Herr Richter.

Ihr glaubt es nur, sagte der Richter, seid ihr denn dessen nicht gewiß?

Der Gerichtsdiener antwortete: Euer Gnaden mögen verzeihen, die Leute sagten es mir, als ich ihn in Haft nahm.

Darauf sagte der Richter: Dies erscheint mir eine sonderliche Art, einen Befehl und eine Vollmacht zu benutzen und einen jungen Menschen abzuführen, der nur unter dem Namen Hannes bekannt ist und der nicht einmal einen Zunamen hat, außer daß man sagt, er werde Hauptmann Hannes oder so genannt. Junger Mann, sagt mir, ist euer Name Hauptmann Hannes oder werdet ihr allgemein so genannt?

Ich merkte bald, daß die Männer, die mich aufgegriffen, nichts von mir wußten, und der Gerichtsdiener mich nur auf Hörensagen hin verhaftet hatte. Daher faßte ich mir ein Herz und bat den Richter mir zu erlauben mich zu verantworten, zumal es meines Erachtens jetzt nicht das wichtigste war, wie ich hieße, sondern was diese oder andere Leute gegen mich vorbringen wollen, und ob ich die Person wäre oder nicht, gegen die sie den Verhaftungsbefehl ausführen sollten.

Der Richter lächelte und sprach: Es ist wahr, was ihr sagt, und ich versichere euch, wenn sie euch hergeführt haben, ohne euch zu kennen, und kein Mensch da ist, der euch anklagt, so haben sie dies zu ihrem eigenen Schaden getan.

Ich sagte hierauf zum Richter: Wenn mein Ankläger herbeigeführt würde, so wollte ich meinen Namen nicht länger verschweigen.

Dies ist nicht mehr als recht, sagte der Richter und wendete sich zu dem Gerichtsdiener: Seid ihr gewiß, daß dieses die Person ist, die in eurer Vollmacht gemeint ist? Wenn ihr dessen nicht sicher seid, so müßt ihr den herbeiholen, der die Anklage erhoben und den Eid darauf abgelegt hat. Sie versuchten es durch viele Umstände zu beweisen, daß ich die rechte Person und demnach auch verpflichtet sei meinen Namen zu sagen.

Ich blieb dabei, daß ich dieses Verlangen unbillig fände und keineswegs gesonnen wäre mich selbst anzuklagen. Der Richter konnte mir auch hierin nicht unrecht geben und gab ihnen mit deutlichen Worten zu verstehen, daß er mich nicht zwingen könne, wenn ich es nicht freiwillig täte. Ihr seht, sprach der Richter, er ist zu gescheit dazu, als daß er sich hierin etwas vergäbe. Die Sache zog sich über eine Stunde hin, währenddessen sie sich vor dem Richter stritten und ich mich gegen einen von ihnen verteidigte. Endlich sagte der Richter, sie müßten entweder den Ankläger herbeiführen, oder er müßte mich frei lassen.

Hierdurch wurde ich etwas aufgemuntert und kämpfte um so kräftiger für mich. Endlich wurde der Ankläger mit Ketten und Fesseln, wie er im Kerker war, herbeigebracht. Ich war heilfroh, als ich sah, daß ich ihn gar nicht kannte und er keiner der beiden Schelme war, mit denen ich in jener Nacht ausgezogen war, als wir die arme Frau plünderten.

Der Gefangene wurde in die Stube gebracht und mir gerade gegenübergestellt.

Kennt ihr diesen jungen Menschen, fragte der Richter.

Nein, Herr Richter, sprach der Gefangene, ich habe ihn in meinem Leben nie gesehen.

Hm, sprach der Richter, habt ihr nicht einen beschuldigt, der unter dem Namen Hannes oder Hauptmann Hannes bekannt ist, daß er mit bei dem Diebstahl und Mord beteiligt gewesen, weswegen ihr verhaftet seid?

Der Gefangene sagte: Ja, Herr Richter, so ist es.

Worauf der Richter wieder fragte: Ist dies nun der Mann oder ist er es nicht?

Dies ist nicht der Mann, Herr Richter, sprach der Gefangene, ich habe diesen Menschen niemals vorher gesehen.

Da haben wir es, sprach der Richter zu dem Gerichtsfron, was sollen wir machen?

Ich muß mich wundern, sprach der Gerichtsdiener, als ich bei einem gewissen Hause war und dieser junge Mann vorbei ging, fing das Volk an zu schreien: Das ist der Hannes, das ist euer Mann! Worauf ihm die Leute nachliefen und ihn ergriffen.

Nun gut, sprach der Richter, haben denn die Leute etwas gegen ihn gehabt? Können sie beweisen, daß er die gesuchte Person ist? Der erste sagte nein, der zweite sagte nein, der dritte sagte nein, mit einem Wort: sie sagten alle nein. Nun fing der Richter an: Was ist hier zu tun? wir müssen den jungen Menschen wieder laufen lassen. Ich kann euch aber nicht verhehlen, Gerichtsfron, daß der junge Mann euch wegen eurer Übereilung Ungelegenheiten machen kann, wenn er es tun will. Allein, junger Mann, sagte der Richter zu mir, es ist euch keine Gewalt angetan worden, und der Gerichtsdiener, der sich geirrt hat, hat dabei keine böse Absicht gehabt, sondern wollte nur seiner Pflicht getreulich nachkommen. Ich dächte, ihr könntet es gut sein lassen.

Ich sagte ihm, ich wollte es dabei bewenden lassen, wie er mir geraten, möchte aber beantragen, daß der Gerichtsdiener und die übrigen Gerichtspersonen mit mir an den Ort zurückkehren sollten, wo sie mich auf so schimpfliche Weise angehalten hätten, und dort öffentlich bekannt machen, daß ich in allen Ehren wieder auf freien Fuß gesetzt worden und nicht der Täter gewesen sei. Der Richter sagte, dies wäre recht und billig; der Gerichtsfron mit seinen Helfern versprach es auch zu tun. Wir gingen also als gute Freunde wieder auseinander, und ich war zu meiner größten Freude freigesprochen.

Notabene: Dies war die Begebenheit, die ich oben erwähnt habe, da der Richter meinte, ich sei zu besseren Dingen geboren, und er schlösse aus dem, was ich zu meiner eigenen Verteidigung angeführt hätte, daß ich eine gute Erziehung gehabt haben müsse, und es täte ihm daher leid, daß mir solche Unannehmlichkeit begegnet wäre, wovon ich doch so rühmlich losgesprochen worden.

Obwohl sich der Richter in dem, was meine Erziehung betraf, irrte, so bewirkte es doch in mir den Entschluß, lesen und schreiben zu lernen, es mochte kosten, was es wolle, ich mochte nicht länger ein solch unwissendes Tier bleiben, das nicht einmal imstande wäre, einen schriftlichen Befehl zu lesen und zu sehen, ob ich die Person, die verhaftet werden sollte, sei oder nicht.

Allein es steckte doch mehr dahinter, als ich gemerkt hatte. Denn es klärte sich allmählich auf, daß mein Bruder, der Hauptmann Hannes, der mir so eifrig vorgehalten, ich sollte mich prüfen, ob ich zu der Diebesbande gehöre, selbst dazu gehörte und alle Ursache hatte die Flucht zu ergreifen, und zwar zu der Zeit, als er mich für vogelfrei erklären wollte.

Als mir dieses einfiel, ließ ich es mir angelegen sein ihn auszuforschen, um ihm Nachricht darüber zukommen zu lassen.

Da ich mich nun selber gänzlich in Sicherheit fühlte, hatte ich meinetwegen keinen großen Kummer mehr, sondern es wurde mir angst und bange um den armen Will, meinen Lehrmeister und Anführer, welcher zu Newgate in Ketten und Banden saß, während ich glücklich in Freiheit war. Daher verlangte es mich, ihn aufzusuchen und mit ihm zu sprechen.

Ich fand ihn in einem traurigen Zustande, mit schweren Fesseln beladen und ohne Trost und Hoffnung mit dem Leben davon zu kommen. Er sagte mir unverhohlen, daß er werde daran glauben müssen, aber ich sollte mir deswegen nur keine Sorgen machen. Ich könnte mich darauf verlassen, daß er mir keine Ungelegenheiten machen würde, da es ihm ja auch nichts hilfe, wenn er mich anklagte, da ich nur das eine Mal mit ihm auf Raub ausgewesen wäre. Der Galgenvogel, der sie alle verraten habe, könne mir auch nichts schaden, denn er habe mich in seinem Leben mit keinem Auge gesehen. Aber, Oberst Hannes, sprach er, ich will euch sagen, wer mit uns gewesen ist: nämlich dein Bruder, der Hauptmann Hannes, und jener Schelm hat ihn sicherlich namhaft gemacht, daher gib ihm, wenn du kannst, Nachricht, daß er sich aus dem Staube machen soll.

Hierauf fing er an mir eine sehr erbauliche Predigt zu halten, seinen Fußstapfen nicht länger nachzufolgen: Ich irrte mich sehr, mein lieber Hannes, sprach er, als ich dir sagte, ein berühmter Dieb sein hieße ein Edelmann sein!

Er hatte eine große Summe Geldes bei sich: es war das, was ich ihm zu dem Heuhaufen gebracht, und er hatte es so gut verborgen, daß die, welche ihn in Haft genommen, es nicht gewahr geworden waren. Er gab mir den größten Teil davon, damit ich es seiner Mutter brächte. Ich lieferte es ihr auch ehrlich ab und ging mit schwerem Herzen fort. Ich habe ihn auch nach dieser Zeit nicht wieder gesehen, denn er wurde gleich am nächstfolgenden Gerichtstag verurteilt und ungefähr drei Wochen danach gehenkt.

Meine größte Sorge ging nun darauf aus, wie ich den Hauptmann antreffen könnte, von welchem ich auch endlich, obgleich nicht ohne große Mühe, Nachricht einzog. Ich erzählte ihm die ganze Begebenheit, wie ich irrtümlich statt seiner verhaftet gewesen aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden wäre, und teilte ihm mit, daß noch immer ein Befehl auf ihn ausgestellt sei und überaus scharf nach ihm nachgeforscht würde.

Als ich ihm dies alles erzählte, verriet er sich bald selbst durch seine Bestürzung, daß er bei dem Diebstahl beteiligt gewesen war und den größten Teil der Beute in Verwahrung hatte. Er bat mich daher um meinen Rat, den ich ihm aber nicht geben konnte, da ich gar zu wenig von der Welt wußte. Da teilte er mir mit, daß er nach Schottland fliehen wollte, was wohl leicht zu bewerkstelligen wäre. Er fragte mich, ob ich mit ihm gehen möchte. Ich sagte: Von Herzen gern, wenn ich nur soviel hätte die Reisekosten zu zahlen.

Er hatte aber noch immer das alte Handwerk im Sinn. Ich versichere dir, sprach er, wir wollen es schon so anfangen, daß uns die Reise auch die Kosten einbringt. Nein, versetzte ich, wir dürfen nicht mehr daran denken, unser Leben auf diese Art aufs Spiel zu setzen. Überdies wenn uns ein Unglück träfe, dem wir nicht gewachsen wären, so würden wir uns nimmermehr wieder herausauswickeln können, und es würde dann gewiß um uns geschehen sein.

Ei, sprach er, man wird kein Mitleid mit uns haben, wo man uns auch erwischt, sie können uns außerhalb Londons auch nichts Schlimmeres antun. Ich bin entschlossen es noch einmal zu wagen.

Aber Hauptmann, sprach ich, hast du denn so schlecht Haus gehalten, daß du kein Geld hast, um dich aus solcher Not zu retten, in der du jetzt steckst?

Ich habe, sagte er, jetzt in der Tat sehr wenig, denn ich habe letzthin Unglück gehabt. Es war aber nicht so, denn er hatte einen großen Teil der Beute, die sie bei ihrem letzten Diebstahl erworben hatten, beiseite gebracht. Die andern hatten sich sogar beschwert, daß er und der Will fast alles davon genommen und die übrigen um ihren Anteil gebracht hätten, was sie um so eher bewogen hatte, die beiden zu verraten.

Trotzdem gestand er, ungefähr 22 Pfund Sterling bei sich zu haben und noch sonst manches, was man versilbern könne, was vielleicht Küchengeschirr war. Allein er wollte es mir nicht verraten, wo es läge und wo er es hätte, sondern sagte nur, er dürfe nicht hingehen es zu holen, wenn er nicht ergriffen werden wollte. Darum wollte er es liegen lassen und ohne jenes in die Welt hinausziehen. Wir werden schon noch zu gelegener Zeit zurückkommen, setzte er noch hinzu.

Ich zog alles Geld, was ich hatte, 16 Pfund Sterling und etliche Schillinge, hervor. Wenn wir gut haushalten und sparsam auf unserer Reise sind, sagte ich, wird uns dies schon außer Gefahr bringen. Denn wir glaubten beide, daß wir, wenn wir aus England heraus wären, beide in Sicherheit sein würden, so daß uns kein Mensch mehr etwas anhaben könnte, wenn man uns auch kennen sollte. Allein wir wußten damals beide noch nicht, daß dies viel Vorsicht und Behutsamkeit erfordert.

Ich redete mir ein, daß ich mich in ebenso großer Gefahr befände wie mein Bruder Hannes. Aber obgleich ich in ebensolcher Furcht schwebte wie er, so stand es doch nicht so schlimm um mich.

Ich will nicht vergessen zu erzählen, daß ich, während diese Dinge vorgingen, ganz allein einen Spaziergang auf das Feld hinaus machte, um nach Kentishtown zu gehen und der alten Muhme ihr Recht widerfahren zu lassen. Da geschah es, daß ich gerade an den Ort kam, wo ich die arme alte Frau und die Magd ausgeplündert hatte. Mein Gewissen hatte mir schon oft diese grausame Tat vorgehalten, ich hatte auch schon bei mir selbst gelobt, Mittel und Wege zu suchen, um ihnen ihr Geld wiederzugeben, wozu ich mir denn auch diesen Tag ausersehen hatte. Ich erschrak aber doch ein wenig, als ich mich plötzlich an dem Unglücksort befand, da er mich an die Schurkerei, welche ich dort begangen hatte, erinnerte, und ich hegte den heimlichen Wunsch – Gebet kann ich es nicht nennen, weil ich hiervon nichts wußte –, daß ich dieses verfluchte Handwerk aufgeben möchte. Ich wünschte ein ehrliches Gewerbe zu verstehen, durch das ich meinen Lebensunterhalt verdienen könnte, dann wollte ich niemanden mehr berauben!

Ich setzte meinen Weg nach Kentishtown fort und fragte eine arme Frau, die von dort war, ob sie eine Frau namens Smith kenne. Sie antwortete: Ja, sehr gut, sie ist keine ansässige Einwohnerin, sondern wohnt nur zur Miete, ist aber ein armes ehrliches und fleißiges Weib, das durch mühselige Arbeit einen kranken Mann ernähren muß, der vor einigen Jahren zu Schaden gekommen ist, so daß er sich selbst nicht helfen kann.

Ich fand ohne Mühe heraus, wo sie wohnte. Als ich ein kleines Mädchen vor der Tür nach der Frau fragte, hörte sie es drinnen und kam heraus. Ich redete sie an und sprach: Ehrliche Frau, seid ihr ungefähr vor einem Jahr, als ihr von London nach Hause ginget, ausgeplündert worden?

Ja freilich wurde ich geplündert, sagte sie, und bin vor Schreck bald umgekommen.

Wieviel wurde euch denn genommen, fragte ich.

Sie haben mir alles Geld weggenommen, was ich besaß, und was ich mir auch blutsauer verdient hatte, es war auch Geld dabei für ein Kind, das ich damals zu verpflegen hatte und wofür ich in London das Geld bekommen.

Wieviel war es denn? fragte ich.

Sie sagte: es waren 22 Schillinge, 6 Groschen, alles halbe Groschen, 21 Schillinge hatte ich mir erst geholt, das übrige hatte ich bei mir gehabt.

Hierbei stiegen mir die Tränen in die Augen, obgleich ich mir alle Mühe gab sie zu unterdrücken. Ihr armes Weib, sagte ich, es ist erbärmlich, daß solche Galgenvögel eine arme Frau, wie ihr seid, ausplündern und sie des ihrigen berauben. Nun, der Täter hat jetzt Zeit es zu bereuen.

Ich merke, daß ihr sehr mitleidig seid, mein Herr, sagte sie, ich wünsche, daß der Verbrecher die Zeit, die Gott ihm noch schenken will, recht wohl anwenden und sich bekehren möge.

Haltet eure Hand auf, sprach ich. Sie tat es. Da zählte ich ihr denn neun halbe Kronen in die Hand. Da, sagte ich, habt ihr eure 22 Schillinge und 6 Groschen wieder, die euch geraubt wurden.

Die Zeit über, als ich ihre Hand hielt, merkte ich, da ich ihr beständig ins Gesicht sah, daß sie bald weiß bald rot wurde vor äußerster Verwunderung, Bestürzung und Freude.

Gott vergelte es euch, sprach sie. Sie bewegte mich derart mit ihrem Wunsch, daß ich mit der Hand noch einmal in die Tasche griff.

Nun, sprach ich, da habt ihr noch etwas über euren Verlust! Und hiermit gab ich noch eine Krone mehr.

Dann fragte ich sie, wer diejenige gewesen, die gleich ihr geplündert worden wäre. Sie sagte, es sei eine Magd, die in der Stadt wohne, sie wäre aber aus ihrem Dienst getreten und sie wüßte nicht, wo sie sich aufhielte.

Nun, sprach ich, wenn ihr erfahret, wo sie wohnt, so hinterlasset Nachricht, wo sie anzutreffen ist. Und wenn ich euch dann wieder besuche, so will ich das Geld für sie auch wiederbekommen, ich denke, es wird nicht viel gewesen sein.

Nein, sprach sie, es waren nur fünf Shillinge und sechs Groschen.

Also versuchet es zu erfahren, wo sie ist, sagte ich. Sie versprach es mir und ich machte mich wieder fort.

Dies gab mir eine große Zufriedenheit. Allein die ganz natürliche Folge davon wäre gewesen, daß mir tiefsinnige Überlegungen kämen, und daß ich zu dem Schluß gebracht würde, daß ich nun allen, denen ich auf gleiche Weise Unrecht getan hätte, das ihrige zurückerstatten müßte. Aber wie sollte ich dies tun und wie hätte ich es anfangen sollen? Mit der Zeit verloren sich diese Gedanken, denn es war eben eine Unmöglichkeit, da ich doch gar kein Vermögen dazu hatte. Ich kannte ja auch niemanden von den Leuten, die ich geschädigt, und so schlug ich denn alles bald in den Wind.

Ich komme nun jetzt auf meine Reise mit dem Hauptmann Hannes. Wir begaben uns zu Fuß von London fort und wanderten den ersten Tag bis nach Ware. Denn wir hatten uns erkundigt, daß wir unsern Weg durch diese Stadt nehmen müßten. Wir waren müde genug, weil wir das Reisen noch gar nicht gewohnt waren. Trotzdem gingen wir einmal durch die Stadt hindurch, als wir dort angelangt waren.

Ich merkte bald, daß Hauptmann Hannes diesen Spaziergang durch die Stadt nicht zur Besichtigung und zur Befriedigung seiner Neugierde unternahm, sondern daß sein Zweck war, eine Gelegenheit zum Rauben ausfindig zu machen.

Es bot sich aber in Ware nichts, was nach seinem Sinn gewesen wäre, weil kein Markttag war. Was mich betraf, so war ich, obgleich ich mir kein Gewissen daraus machte, auf Kosten seiner Spitzbüberei zu essen und zu trinken, doch fest entschlossen, mich in nichts einzulassen und nicht das geringste fortzunehmen.

Als der Hauptmann merkte, wie ich hierin dachte, fragte er mich, wie ich zu reisen gedächte.

Ich fragte ihn wieder, was er sich dächte, da er doch gewiß gehenkt werden würde, sei das Verbrechen auch noch so klein, wenn er ergriffen würde.

Wie kann das sein, sprach er, sie kennen mich doch nicht auf dem Lande?

Ja, sagte ich, denkst du, es wird kein Steckbrief davon nach Newgate gesandt. Sobald ein Dieb auf dem Lande ergriffen wird, forschen sie nach, wer ihnen entflohen ist, damit er angehalten wird. Sei versichert, die Gefängnisse führen den genauesten Briefwechsel miteinander und wenn du hier nur einen Korb Eier stiehlst und dabei ertappt wirst, so wird bald ein Ankläger geschickt werden, um zu sehen, ob er dich kennt.

Dies schreckte ihn eine Weile ab und hieß ihn ein paar Tage ehrlich bleiben. Allein dies dauerte nicht lange. Denn er verübte später eine ganze Menge Spitzbubenstreiche ohne mich, bis er endlich auch sein Ende fand, was allerdings erst nach einer Reihe von Jahren geschah, wie man später erfahren wird. Da aber diese Diebshändel nicht in meine Geschichte eingreifen, sondern nur ihn betreffen, dessen Leben und Taten ein dickeres Buch ausfüllen würden als dieses ist, so will ich alles fortlassen, wobei ich nicht selber beteiligt gewesen bin.


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