Felix Dahn und Therese Dahn
Walhall
Felix Dahn und Therese Dahn

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VIII. Swanhild und ihre Brüder.

Gudrun wanderte allein, bis sie das Meer erreichte, und stürzte sich in die Wogen, ihr Leben zu enden.

Sie ward aber von den Wellen ans Land getragen, dorthin, wo König Jonakur herrschte. Der führte sie in seine Burg. Hier fand sie ihre Tochter wieder. Nachdem sie nämlich in Alfs Halle geflohen war, gebar sie dort ein Mädchen, Sigurds Tochter, das Swanhild genannt wurde und, seit Gudrun Atli folgte, bei jenem König Jonakur erzogen worden war.

Jonakur nahm Gudrun zur Frau. Sie gewannen drei Söhne: Sörli, Hamdir und Erp. Die ersten zwei hatten dunkles Haar wie Gunnar und Högni, der dritte aber hatte rotes.

Swanhild hatte Sigurds scharfe Augen und goldene Locken und war von wunderbarer Schönheit. Das hörte ErmenrichNordisch: Jörmunrekr., der Gotenkönig, und sandte seinen Sohn Randwer und SibichNordisch: Bikki, d. i. Hund., seinen Ratgeber, zu Jonakur, um Swanhildens Hand zu werben.

"Es sei," sprach Jonakur, "das ist eine würdige Heirat und Ermenrich ein machtreicher König."

Und Swanhild wurde den Sendmännern mitgegeben.

Als sie über die See fuhren, sprach Sibich zu Randwer: "Besser geziemte sich’s, du gewönnest die schöne Swanhild zur Frau als dein Vater, der ein alter Mann ist."

Der Rat gefiel Randwer, er ging zu Swanhild und sprach freundlich mit ihr.

Als sie aber heimkamen, sagte Sibich zu Ermenrich, dass Randwer heimlich Swanhildens Gunst gewonnen habe.

Der König folgte stets zu seinem Unheil den Ratschlägen Sibichs und vermochte sich im Zorn nicht zu mässigen; darum befahl er, seinen Sohn an den Galgen zu knüpfen.

Und als Randwer unter dem Galgen stand, nahm er einen Habicht, rupfte ihm die Federn aus und sandte ihn seinem Vater.

Da der Vater den Habicht sah, kam ihm zu Sinn, dass, wie der Vogel unflügge und federlos, so auch sein Reich ohne Bestand, er selbst nun ohne Erben wäre. Und er entsandte einen Boten und befahl, Randwer vom Galgen zu nehmen.

Indessen hatte Sibich aber das Urteil schon vollstreckt und Randwer war tot. –

Abermals ging Sibich zum Könige und sprach: "Nur Swanhild ist an allem schuld. Lass sie mit Schmach sterben."

"So gescheh’s," antwortete Ermenrich.

Man band Swanhild auf der Erde am Burgtor fest und liess wilde Rosse auf sie einsprengen; wie sie aber ihre hellen Augen aufschlug, scheuten die Tiere und wagten nicht, auf sie zu treten. Sibich befahl da, ihr einen Sack übers Haupt zu ziehen; und so liess Sigurds Kind ihr Leben unter den Hufen der Hengste.

Gudrun erfuhr Swanhilds Schicksal; sie ging zu ihren Söhnen und sprach: "Warum sitzet ihr müssig hier? Ermenrich hat eure Schwester, jung an Jahren, auf dem Heerweg zerstampft durch weisse und schwarze, durch graue Rosse der Goten! Nicht Gunnars, nicht Högnis Art habt ihr geerbt! Einsam bin ich geworden wie die Espe im Walde, – entblösst der Freude wie die Föhre, die man der Zweige beraubt hat."

Ihr antwortete Sörli klugen Sinnes: "Was begehrst du, Mutter, das du vor grimmem Schmerz nicht zu sagen vermagst?"

Und Hamdir sprach mutvoll: "Einmütig wollen wir die Schwester rächen. Schaff uns Waffen."

Lachend flog Gudrun zur Rüstkammer und brachte ihnen Brünnen und Helme, die kein Eisen zerschnitt; aber vor Stein, warnte sie, sollten sie auf der Hut sein.

Kampfbereit ritten die Brüder zum Burgtor hinaus.

Gudrun aber ging weinend in die Halle und klagte: "Drei Feuer kannt’ ich, drei Herde hatt’ ich, dreien Gatten ward ich ins Haus geführt; Sigurd allein liebt’ ich. Ich ging zum Strand, gram war ich den Nornen, sterben wollt’ ich, aber die Wogen trugen mich ans Land; leben sollt’ ich. Wie ein freundlich blinkender Sonnenstrahl war Swanhild hier im Saal. Das ist mir das Härteste, dass sie Swanhilds lichte Locken in den Kot stampften; das Schmerzlichste, dass sie Sigurd erschlugen; das Grimmste, dass Gunnar die Nattern nagten; aber am schärfsten stach mir ins Herz, dass sie Högni lebendig zerschnitten. Nun lasst mich sterben. Säume nicht, Sigurd! Lenke dein schwarzes Ross hierher; gedenke, was du gelobtest: dass du kommen wollest aus der Halle Hels, mich heimzuholen. Schichtet mir den Scheiterhaufen, ihr Männer; das Feuer verbrenne mir das harmvolle Herz, die leidvolle Brust; in der Glut schmelze mir im Herzen der Harm. Männern sänftige es den Mut, Jungfraun lindr’ es die Schmerzen, wenn sie mein Gramlied zu Ende hören."

Da starb Gudrun und wurde verbrannt.

Die beiden Rächer fanden Erp auf ihrem Weg, auf einem Rosse reitend; er war klein von Gestalt und unschön, aber der Mutter Liebling. Ihn hatte es fortgetrieben zur Schwesterrache, noch ehe die Mutter dazu mahnte.

"Euch Blöde musste die Mutter erst mahnen," rief er vorwurfsvoll, "mich mahnte der Schwester Blut."

"Wie willst du, fuchsiger Knirps, uns Hilfe leisten?" fragte zornig Sörli.

"Wie eine Hand der andern, wie ein Fuss dem andern."

"Wie soll uns das helfen! Das dünkt mich verächtlich," rief Hamdir, und, ergrimmt ob seiner stolzen Vermahnung, erschlugen sie den Bruder.

Sie ritten weiter. Kurz darauf strauchelte Hamdir, er hielt sich mit der Hand und sagte: "Erp sprach wahr; hätte die Hand mich nicht gehalten, wäre ich gefallen."

Und nicht lange, so stolperte Sörli und glitt aus mit einem Fuss, doch stützte er sich noch mit dem andern. "Nun wär’ ich gefallen, hätte der Fuss mir nicht geholfen," sprach er, und sie gestanden sich, dass sie übel getan hatten, ihren Bruder zu erschlagen.

Sie kamen zu König Ermenrichs Burg und stürmten in seinen Saal, wo er beim Weine sass mit seinen Mannen und sich wenig vor den Rächern fürchtete. Streit und Kampf entbrannte; Hamdir hieb Ermenrich die Hände ab, Sörli die Füsse. "Abgehauen wäre nun auch Ermenrichs Haupt, wäre Erp hier, den wir erschlugen," sprach Hamdir.

Sie wehrten sich tapfer gegen die wilde Überzahl, kein Eisen verletzte sie. Da trat ein einäugiger Mann in Mantel und Schlapphut unter die Goten und rief: "Werft Steine auf sie."

Da fielen sie; Sörli an des Saales Schwelle, Hamdir an des Hauses Rücken.

Fortleben aber wird der Ruhm des Heldentrotzes der Wölsungen und Giukungen, wo immer Menschen davon hören.


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