Felix Dahn
Am Hof Herrn Karls
Felix Dahn

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II. Der Liebe Maß

Der
Freifrau von Heldburg
 
verehrungsvoll zugeeignet

 

I.

»Komm, kleine Frau Königin,« sprach Herr Karl in dem dämmerigen, nur von einer hangenden Ampel erhellten Schlafgemach im Palast zu Aachen, und er lupfte Frau Hildigard wie eine Feder mit dem rechten Arme auf seinen Schoß, »komm, laß uns noch eins plaudern vor dem Schlafengehen.« – »Na, Lieber, ich muß doch nach den Kinden sehen.« – »Die schlafen ruhig in ihren Bettlein, behütet von ihren Schutzengeln. Dafür sind die von Gott dem Herrn beamtet: wie meine Grafen von mir: weh ihnen – den Engeln und den Grafen! – muß man sie strafen. – Mein Schutzengel aber – verzeih'n es die Heiligen, ist es sündhaft zu sagen! – mein Schutzengel bist du, kindjunge Frau!«

»Ich?« lächelte sie anmutvoll und schlang beide Arme zärtlich um seinen breiten Nacken. »Wozu bin ich dir nütz'? Vierzehn Winter zählte ich kaum, als du mich fortführtest aus Schwabenland, wie der Adler ein Täublein.«

»Nun, hab' dich aber nicht zerrissen. Und seither hast du mir Jahr um Jahr ein prächtig Kind gebracht –, Gott lohn' es dir! Und hast mir aus deinem Kinderherzen manch guten Rat geschöpft, – immer zur Milde. Nie hat mich's gereut, wenn ich dir folgte: nicht vom besten meiner Räte, kaum von Held Gerold, deinem Bruder, mag ich das Gleiche rühmen, du holder Archikapellan in blonden Flechten.« Und er beugte das mächtige Haupt auf die Zarte herab und küßte das weizengelbe Haar, das sie in reichen aufeinandergetürmten Flechten wie eine Krone auf dem Haupte trug, während das übrige nach alamannischer Sitte, auf dem Wirbel zurückgekämmt, auf das flachsblütenfarbige Linnengewand der Schultern flutete. Nun faßte er sie mit beiden Händen unter den Schultern, schutzte sie ein wenig in die Höhe und ließ sie sänftlich wieder auf seine Kniee gleiten: sie erreichte von dem hohen Armsessel aus nicht den Estrich mit den Sohlen.

»Ich hab' dich lieb, Herr Karl: – das ist alles, was ich kann.« – »Doch nicht! Du kannst viel mehr: du gibst mir Friede: mehr als Papst und Metropolitan, verzeih' mir's beide! Sieh, in der Kirche, wann ich vor dem Altar kniee, – mitten im Vaterunser – ärger noch während der langen, – oft allzulangen! – Predigt kommen mir die weltlichen, die zornigen Gedanken über allerlei, über diese halsstarrigen Sachsen, die Christ-Verhaßten ...« – »Nit, nit!« bat die Schwäbin und strich leise mit der schmalen Hand die Zornfalte zwischen seinen Brauen hinweg. – »Über meine treulosen, pflichtlosen, gewalttätigen, rechtbrecherischen Herzöge und Grafen ...« – »Jetzt laß die einmal in Ruh für heut' Nacht! Jetzt kannst du sie doch nit grad' bannen: s'ist spät.« – »Aber wenn du,« fuhr er fort, »mit deinem leisen, doch silberhellen Stimmlein – wie des Rotkehlchens! – mir zum Guten, zum Verzeihen redest, dann kann ich nur auf deine Worte lauschen, die mir wie aus dem Himmelreich ertönen. Meinen Schutzengel und Sankt Denis meinen Schutzheiligen da droben hab' ich noch nie zu sehen gekriegt: statt dessen schau' ich in deine himmelblauen Äugelein. Ich schlafe friedlich, ich träume Liebes, hab' ich zuletzt noch dein leis Gelispel gehört.«

Und er drückte sie sanft an die Brust.

»Und heute kann ich's besonders brauchen, daß dein Wort beschwichtigend wie Sternenschein auf meine Seele träuft. Sie haben mich heute wieder ...« – »Fürchtig geärgert! Hab's schon gemerkt; 's ist allweil so, wenn so viele Boten einreiten in den Torhof, von früh bis spat. Oft ball' ich's Fäustelein in der Tasch', trabt schon wieder so einer daher; 's ist einmal zuviel, dein Geschäft.« – »Ja, ja,« sprach der König, mit dem Rücken der Hand über die Stirne streichend, »von Jerusalem bis Barcelona, vom Danewirk bis Benevent, ... irgendwo brennt es immer.« – »Und du? Du mußt nun einmal überall blasen, wo's brennt, wenn's auch dich kein bißchen nit brennen tut.« – Er lächelte: »Kleine Rebellin! Du hast recht. Aber ich muß: es läßt mich nicht anders.« – »Schlimmer noch als solche Boten verzürnen und verdüstern dich – und das ist noch ärger! – manche Leut', die du bei dir am Hof hast. Nit alle raten dir zum Guten.« – »Sankt Peter weiß!« grollte er. »Schau', da hat mir heut' während des ganzen Abendschmauses – vom Hasen bis zu den Äpfeln! – Abt Romanus von Farfa ...« – Da warf die junge Frau die kirschroten Lippen auf und fuhr hastig mit beiden Händen an die Stirn, die schweren Flechten höher hinaufzuschieben: »Schon gar nit ein kleines Stücklein mag ich ihn, den schwarzen Walen, Verzeih' mir's Sankt Gallus: – der Abt ist ein g'weihter Mann; aber arg weltlich.« – »Nun,« lachte Karl, »das sind gar viele von ihnen. Und mein Herr Großvater – der mit dem Hammer – und mein Herr Vater und nicht zum wenigsten meines Herrn Vaters Sohn, – wir haben alle drei dazu geholfen, sie zu verweltlichen. Ist doch viel feiner mit ihnen regieren, als mit den plumpen Laien.« – »Du, du! Mein Bruder Gerold, ist der vielleicht nit recht?« fragte sie drohend. – »Ja doch, du beste aller Schwestern, der ist treu wie Gold und ...« – »Gescheit ist er auch. Dem hat der Himmelvater auch mein Teil Verstand dazu gegeben.« – »Ei, ei, auf Herrn Gerold könnt ich eifersüchtig werden, – Der Abt hat in einem fort in mich hinein geredet,« – »Hab's gesehen. Ich dürft' nit so lang plauschen.« – »Er ist so zäh wie geschmeidig. Hat er sich was in seinen schlauen schwarzhaarigen Kopf gesetzt, – immer wieder kommt er darauf zurück mit seiner singenden Stimme.« – »Wie ein Sing-Schnak! Oft verscheucht fliegt er immer wieder an, und zuletzt sticht er doch.« – Karl lachte: »'s ist wahr, mit einem Stich endet er immer, wenn auch nicht in meine Haut. Jetzt liegt er mir tagelang in den Ohren, ich soll ...: aber das ist auch eine Tugend von dir: – fast übermenschlich für ein Weiblein! daß du gar nicht neugierig bist.« – »Kein Stücklein nit! Eure Sachen sind meist öd. Oder fürchtig scharf und wild.« – »Nun, diesmal geht's um eine verliebte Geschichte,« – er sah sie verschmitzt an. – »Wer? Wie? Wo? Was? Wieso?« – »Schau, schau, Kleine! Ja, die Liebessachen, die brennen euch Frauen.« – »Ei, 's ist unser Geschäft. Und ich helfe gern allen, die da treulich lieben.« – »Das weiß Sankt Denis! Nur allzu eifrig, – Nun rat' einmal, wer ist's?«

Gar ernsthaft zog Frau Hildigard die sanft geschwungenen blonden Brauen in die Höhe und legte den Zeigefinger an das kurze, ein klein wenig stumpfe Näslein: »Laß mich ein wenig sinnieren! Der Abt? Der darf ja nit selber! Aber er hat einen Neffen, den Grafen von Reims, Herrn Florentius. Ein schönes Stück von einem Welschen, das muß man sagen! Gar höfisch und fein in seinem dunkeln Kraushaar.« – »Und eine scharfe, rasche Klinge! Hei hat er die Avaren zugerichtet! Ihm allein dank' ich den stolzen Sieg dort an der Donau, wie man mir vom Schlachtfeld aus schrieb.« – »Ich mein', es war noch ein anderer dabei, nit? Herr Rothari von Montfalcon, dort im Friaul?« – »Ja,« nickte Herr Karl, »auch ein tapfrer junger Degen. Aber Florentius entschied und gewann den Tag.« – »Laß mich nur noch ein wenig nachdenken! Der Graf von Reims, wann war der doch zuletzt am Hof? Ei, zu Ostern, zugleich mit der verschwundenen Langobardin – wie hieß sie? Richtig: Adalgardis! Das war die hoch herrlichste von meinen Edeljungfrauen.« – »Glaub's gern,« unterbrach Herr Karl, nickend. »War doch ihre Mutter, Clementina von Tarent, die schönste Römerin über all Italien. Von der hat sie das herrliche dunkelbraune Haar geerbt und, hochgewölbet über den goldbraunen langobardischen Augen, die dunkeln, stolz geschweiften Brauen, ›Gloria Italiae‹ hieß die Mutter ...« – »Ei, so heißt ja auch die prächtige Rose, die dir der heilige Vater geschenkt hat. Und auch die Tochter könnte also heißen. – Wie war es doch? Ja, sie blieb am Hofe bis sie an das Sterbebett gerufen ward ihres Vaters, des Herzogs Adalrich von Friaul ...« – »Des alten Trotzkopfs!« grollte der König. »Wenig Liebe trug er mir bis an sein Ende. Als Gast lud ich seine Tochter, – aber als Geisel hielt ich sie hier fest.« – »Du viel Arger!« – »Der stolze Herzog! In seinem verstockten Herzen hielt er immer noch nicht mich, hielt den Mönch Modestus in meinem Kloster Marmoutiers dort an der Loire für seinen und aller Langobarden Herrn und König.« – »Ein treuer Held! Du solltest ihn drum loben.« – »Ei,« lachte Herr Karl, »mir ist's lieber, sind die treuen Helden mir getreu.«

»Ich hab's!« rief die Frau lebhaft. »Gar arg schön tat der schmucke Welsche der Schlanken, Und nun ist sie die reichste Erbin in Friaul. Und der Abt ist aufs Geld, wie der üble Höllenwirt auf eine arme Seele. Und nun soll sie gewiß seinem Neffen sich vermählen, die arme Adalgardis.« – »Arme? Warum? Was ist an meinem Grafen von Reims auszusetzen? Jung, schön, gescheit, edelsinnig, höfisch, wie's euch Weibern, tapfer, wie es mir gefällt, ... warum soll sie ihn nicht nehmen?« – »Warum? Weil sie ihn nicht liebt.« – »So? Weißt du das gewiß, du Herzenskundige?« spottete er. – »Ja, das weiß ich.« – »Hat sie dir's gesagt, die Kecke?« – »Keck ist die nit, kein Stücklein nit. Edelgemut, hochgemut, meintwegen trotzgemut. Nichts hat die Herbe, Verhaltene mir vertraut. Aber darauf versteh' ich mich: gar nichts von euren Plänen und Listen, doch auf Mädchenherzen gründlich! Und wie die Vielschöne dieses Grafen Werben, das unablässige, eifrig beflissene, gar nicht zu bemerken schien, wie sie stets, wann er ihr Auge suchte, an ihm vorbei, in die weite, weite Ferne schaute, als ob sie dort was – oder etwa gar wen? – mit der Seele suche,– das hat mir klar gezeigt, –: die will ihm nix, gewiß nit.«

Karl zog sie näher an sich: »Was doch die Schwabenmädchen gescheit sind! Nun ja: du hast recht: er hat um sie geworben – durch den Abt –: sie hat Nein gesagt.« – »Das g'freut mich.« – »Warum?« – »Ein rechtes Mädel muß tapfer Nein sagen, ist's ihr nicht ums Ja.« – »Nun mich freut's nicht. Denn nun plagt mich Romanus Tag für Tag, ich soll ...« – »Nun? Was noch? Sie hat Nein gesagt: also ist's aus.« – »Meinst du, gar weises Näslein? Ich bin auch noch da.« – »Ja, Dank sei Sankt Gallus! Und viel kann Herr Karl mit Schwert und Königstab. Aber ein Mädchenherz zwingen, daß es liebe, – das kann er nit, mit seinem höchsten Königsbann.« – »Ah was, lieben! Aber vermählen kann ich auch die Trotzigste.«

Da ließ die kleine Frau beide Arme von seinem Halse gleiten und sprang von seinem Schoß herunter auf ihre Füße: »Nein, Herr König, das kannst du auch nicht. Nicht mehr!« – »Wa ... was schwatzest du da?« sprach er ganz erstaunt. – »Die Wahrheit! Wenig kümmer' ich mich – du weißt es! – um eure Gesetze und Capitularien: – ich mein', es werden ihrer fast zu viele: man kann gar nicht alle merken ...« – »So scheint es,« meinte der König kleinlaut, »nach ihrer mangelhaften Befolgung!« – »Aber eins hab' ich mir scharf gemerkt, weil's mich am meisten gefreut hat.« – »So? Was für eines?« – »Abschreiben hab' ich mir's lassen von Freund Einhart, dem arg lieben Buben, mit seinem zierlichen Gekritzel. Dies Gesetz geht mich am nächsten an, die Königin der Franken, die Schützerin der Mädchen und der Witwen in diesem Reich.« – »Was für ein Gesetz?« – »Das von dem letzten Reichstag zu Diedenhofen, das abgeschafft hat jenes abscheuliche Recht, das die bösen Merowingen von den noch viel böseren römischen Imperatoren gelernt und geerbt, die Hand freier Jungfrauen und Witwen gegen deren Willen zu vergeben. Das ist das beste Gesetz, das du jemals verkündet hast, viel besser als die blutigen gegen die armen Sachsen ...« – »Du! das hat dir Meister Alkuin eingeblasen.« – »Ich laß' mir nix einblasen. – Jenes Recht war greulich Unrecht, Gewalt war's und Unrecht, Entweihung war's. Denn Ehe sonder Liebe« – sie erschauerte – »ist Sünde, ist ein Greuel vor Gott und Menschen, ist Schändung an Leib und Seele. Lieber dreimal sterben!«

Und noch viel schöner war sie nun in ihrem edeln Zorn als vorher in ihrer kindlichen Heitre. So schien es wohl auch Herrn Karl: gar liebevoll ruhte sein Blick auf ihr, wie sie hochaufgerichtet im vollen Schein der Häng-Ampel vor ihm stand mit blitzenden Augen. »Drum,« schloß sie, »sollte dich der zuwidere Pfaff nit plagen mit Unmöglichem.« – »Unmöglich? Warum? Ein Gesetz kann man aufheben.«

Ganz erschrocken trat sie einen Schritt von ihm zurück: »Das ...? Das wenn du tust ...! Ah, das tust du ja nit.« – »Ich habe große Lust.« – »Dann ... dann kriegst du im ganzen Leben keinen Kuß mehr.« – »Bah, nicht einen Tag hieltest du das aus!« lachte er, sprang auf vom Stuhl, griff die Widerstrebende mit beiden Armen und setzte sich wieder, sie auf seinen Schoß niederdrückend. »Merk auf, Kleine: ich habe dem Abt für seinen Neffen nach dem Avarensieg reichen Lohn versprochen: Adalgardis ist der Lohn, den Romanus verlangt.« – »Ein Mädchenherz ist ...«

Er verhielt ihr den Mund mit der Hand und fuhr fort: »In jenem Friaul gärt es noch immer. Graf Florentius ist mir treu ergeben: ich muß wünschen, daß er dort reich und mächtig walte und jene widerstrebenden Langobarden niederhalte. Das große Erbe der Herzogstochter ist dazu wie geschaffen und ...«

»Du darfst sie nicht zwingen, Karl,« sprach die Frau ernst feierlich, »wenn je du in meinen Armen gefühlt, was Eheliebe ist. Du darfst es nicht! Hör' auf mein warnend Wort.«

»Ja, lieber Schutzengel, ich versprech' es dir: ich werde sie nicht zwingen. Aber vielleicht tut sie's doch noch freiwillig. Ich hoffe darauf. Und nun laß uns schlafen gehn.«

»Guten Schlaf, du Lieber, hast du durch jenes Wort verdient.«

»Und auch das hat mir mein Schutzengel eingegeben.«

 

II.

In der gleichen Stunde dieser schwülen Sommernacht tauschte fern in dem Garten der Herzogsburg von Friaul, zu Cividale, ein andres Paar leise, aber heiß erregte Worte. Der Vollmond goß sein silbern Licht auf die tief dunkelgrünen, fast schwarzen Wipfel der hohen Pinien und Cypressen, die den schmalen Pfad zu den in seinem weißen Quadergestein hell erschimmernden Schloß umsäumten: auf der obersten Stufe der Porphyrtreppe standen links und rechts zwei Marmor-Statuen noch aus der heidnischen Zeit, da der Bau ein Römer-Kastell gewesen: Eros und Anteros waren es: ernst, bedeutungsvoll blickten sie auf das unten wandelnde Paar herab. Die schlanke Jungfrau war nicht um eines Haares Breite kleiner als der hochgewachsene Mann im braunen Reitermantel, der, während sie langsam auf- und niederschritten, den rechten Arm zärtlich um die stolze Gestalt geschlungen hatte, die nun stehen blieb und die linke Hand wie hemmend, abmahnend auf seine Schulter legte.

»Noch einmal,« sprach sie eindringlich, ernst, bittend, »noch einmal, Geliebter, fleh' ich dich an: laß ab! Es wird dein Verderben, dein Tod, dies tollkühne Wagnis. Ach nein: nicht das Wagnis, – deine Liebe zu mir: ich, ich selbst werde dein Verderben.« – »Und wenn, so sei's willkommen, weil für dich,« erwiderte er und zog sie enger an sich. »Hast du vergessen den alten Spruch:

So sind bestimmt des Mannes Lose:
Nur höchstem Mut wird höchster Preis;
Am Abgrund blüht die Alpenrose
Und dicht beim Tod das Edelweiß!

Ein Schwächling, ein Feigling, der nicht sein Leben, sein alles setzt an seine Liebe. Wär' ich es wert, daß dein herrlich Herz sich mir zugewandt, dürfte ich es wagen, den Blick zu Adalgardis, der Krone aller Jungfraun, zu erheben, könnt' ich bei dieser Wahl zweifeln oder zögern? Der einzige Weg, der zu dir führt, ich sollte zögern, ihn zu beschreiten?« – »Ach, ich fürchte, am Ende dieses Weges findest du nicht mich, sondern das Grab. Bedenke doch! Mein Vater hat dir ja nicht den Eid abgenommen, diesen Versuch zu wagen, nur ...« – »Nur unser Verlöbnis hat er an die Bedingung geknüpft, daß ich es versuche. So bin ich doch in der Ehre gebunden: ich muß es wagen! Gelingt es oder scheitert es, – erst dann darf ich deine Hand erfassen.« – »Du wirst aber das Scheitern nicht überleben! Und dann ... dann fällt dein Blut auf meine Seele.« – »Ach, dem Kühnen ist Frau Saelde hold! Oder mißtraust du meinem Mut, meiner Kraft, meinem Schwert?« – »Wie könnt' ich dich lieben, wärst du nicht ein Held? Das ist das Maß des Weibes, welchen Mann sie liebt, und nicht niedrig wahrlich schätz' ich mich ein, lieb' ich Held Rothari von Montfalcon.« – »Und deiner Liebe Maß, du Herrliche? Sie ist unermeßlich,« – »Dank für dies Wort, Geliebter! Stets will ich des gedenken!« Und sie blieb, ergriffen, begeistert stehn und küßte ihn – sie selber – auf den Mund: Eros und Anteros schauten feierlich im Mondenglanz hernieder auf das junge Paar.

»Aber,« fuhr sie fort, »bedenke: gegen wen hebst du Willen, Hand und Schwert? Gegen Herrn Karl, den Beherrscher der halben Welt! Ich fürchte ihn.« – »Ich fürchte nur eines: dir entsagen müssen.« – »Man raunt,« fuhr sie mit leisem Schauer fort, er ist des Herrn Christus auserlesen Rüstzeug, ein Schutzengel umschwebt und schützt ihn Tag und Nacht.« – »Ei,« lachte der Jüngling, »ich will ihm ja nichts zuleide tun. Treue hab' ich ihm nie geschworen: klüglich wußte dein Vater, mein Ohm und Muntwalt, der mich zu solchem Beginnen ausersehn, mich immer außer Landes zu schaffen, kamen seine Königsboten in unser Friaul, alle schwurmündig Gewordenen zu vereiden und ihre Verzeichnisse einzusenden: ich schwor ihm nie! So brech' ich ihm die Treue nicht, brech' ich seinen Willen. Aber da seien die Heiligen vor, daß ich das Schwert hebe gegen sein gewaltig Angesicht! Das wird nie nötig, hoff' ich. Deines Vaters Auftrag muß vollführt sein, bevor Herr Karl im fernen Aachen davon ahnt: sonst freilich! – – Aber bange nicht! Alle Vorkehrungen, alle Verabredungen sind genau getroffen: in einer nur den Eingeweihten lesbaren Geheimschrift – der Formata von Ticinum – hat der Arme Kenntnis von meinem Plan erhalten, in der gleichen Schrift schrieb er zurück: – in einem ausgehöhlten Pfeilschaft war der Zettel geborgen, den mir ein treuer Bote überbrachte: danach wird er bereit sein um Mitternacht des beredeten Tages: meine Gefährten, Waffengenossen im Avarenkrieg und Vassen deines Vaters, sind kühn und verschwiegen: es muß gelingen! Und ist es gelungen, du Heißgeliebte, ... schon liegt das Schiff bereit im Hafen von Tergeste, das uns nach Byzanz führt! Dann ...« – »Werd' ich dein Weib, selig über alle Maßen. Scheiterst du aber blutig ...« – »Ich weiß, nie wirst du eines andern. Das ist undenkbar! Eher fallen vom Himmel die ewigen Sterne. Ein Kloster! Über dich verfügt dein Muntwalt, der gute Bischof von Treviso. Viel gutes mag eine Äbtissin ...« – Aber das schöne Mädchen lächelte seltsam, wie es ihm, leise das Haupt schüttelnd, in die Augen sah: »Nein, Geliebter, nicht lebendig tot, wann dein blühend Leben ...! Sorge nicht um mich: im Leben wie im Tode folg' ich dir.«

 

III.

Wenige Tage darauf, in einer dunkeln Sturm- und Regennacht – selten trat der Mond aus dem zerrissen vorbeijagenden Gewölk hervor – hielt eine kleine Reiterschar in einem Tannenwäldchen südöstlich von dem Mönchskloster Sancta Crux, das weit entfernt von der nächsten Grafenstadt an dem Flüßlein Rapidus auf freiem Felde lag. Den etwa zwölf Gäulen waren die Eisen verkehrt auf die Hufe genagelt. Ganz lautlos saßen oder standen die wohl Gewaffneten. Nun winkte der Führer – ein hochgewachsener Jüngling – die dunkelblonden Locken fluteten aus der Sturmhaube auf den braunen Reitermantel über seine Schultern – zweien der Reiter, ihm zu folgen: sie führten ein viertes, sorgfältig gesatteltes Roß am Zügel mit: sie ritten langsam, geräuschlos an den äußersten nordwestlichen Saum des Tannichts, von wo sie die schwer und schwarz schattenden Mauern des nahen Klosters erkennen konnten. Der Führer spähte eine Weile nach oben gen Himmel: ziemlich lange: denn die ziehenden Wolken verhüllten meist Mond und Sterne. Endlich flüsterte er: »Da! der Heerwagen wendet abwärts! Und seht, plötzlich erlischt auch das Licht in der höchsten Zelle des Klosterturms, dicht unter dem Dach: die Mitternacht ist da! Jetzt gilt's. Ihr haltet vor der Mauer: bin ich nicht gleich zurück, so flieht rasch zu den andern und rettet euch in die Heimat. Das Kloster ist sturmfrei und zweihundert erlesene Scharmänner bewachen den Gefangenen. Also nichts von Gewalt. Vorwärts!«

Bald hielten die drei Reiter vor einer Ecke der Klostermauer, wo diese am niedrigsten ragte. Der Führer gebot flüsternd den beiden, sein Pferd fest und kurz am Zügel zu halten: das treue Tier stand ganz ruhig, als er sich nun aus den Bügeln hob und auf den Sattel stieg: jetzt faßte er mit beiden Händen die zackigen Zinnen der Mauer, hob sich so auf deren Krone und spähte scharf in den dunkeln, baum- und strauchreichen Klostergarten hinab. Da sah er aus einem dichten Rainweidengebüsch eine schwarze Gestalt auf den helleren weißsandigen Schmalpfad treten und langsam auf die Mauerecke zu schreiten: jetzt schlug der Mönch – denn nun ward bei flüchtigem Mondblick seine Benediktiner-Kapuze sichtbar – zweimal leise in die Hände.

»Er ist's!« frohlockte der Jüngling im Herzen, knüpfte ein langes Seil, das er aus dem Wehrgurt zog, fest um eine Zinnenzacke und glitt lautlos daran hinab. Er ging noch ein paar rasche Schritte dem Mönch entgegen, der mitten im Wege stehen geblieben war: er schien ängstlich zu zögern, er sah sich um, ob ihm niemand gefolgt sei ... – »Kommt, Herr König,« mahnte der Jüngling leise, »rasch! Alles ist sicher. Ihr zuerst zieht Euch an dem Seil hinauf. Ich harre hier, bis Ihr drüben und drunten seid bei den Pferden. Kommt, Herr König Desiderius!« Einen Schritt noch trat ihm der Mönch entgegen: dann rief er plötzlich: »Noch stehn die Toten nicht auf! Hierher, Herr Gerold! Greift den Verräter.« Damit haschte er den Befreier am Mantel. Wohl fuhr die Hand des Überraschten an den Schwertgriff, wohl zog er die gute Klinge halb heraus, aber weiter kam er nicht: ein Gewaffneter sprang klirrend hinter einem breiten Eschenstamm hervor und eine gewaltige Faust umklammerte eisern seine Rechte. Zugleich sprangen die Pforten des Klosters auf und heraus drangen bei hellem Fackelschein zahlreiche Speerträger.

»Gebt Euch in Güte, jung Rothari,« sprach sein Überwältiger. »Wir sind vierzig gegen einen,« – Der sah sich rings von Lanzen umstarrt: »Euch geb' ich mich, Herr Gerold von Bayerland. – Wo aber ist ...?« Er trat einen Schritt vor in das helle Licht der Fackeln: »Romanus!« rief er. »Wo ... wo ist König Desiderius?« – »In der Hölle,« höhnte der Abt, die Kapuze zurückschlagend. »Noch vor Euch hat ihn der Teufel abgeholt.«

 

IV.

Bald darauf standen zu Aachen in Herrn Karls Schreibgemach im Erdgeschoß vor diesem Herr Gerold, der »Präfekt« von Bayern, und Romanus, der Abt von Farfa. Der König durchmaß immer wieder den schmalen Raum mit ein paar seiner mächtigen Schritte, bald vor dem einen, bald vor dem andern seiner Unterredner Halt machend.

»Wie gesagt,« grollte der Kriegsmann, verdrießlich mit dem Rücken der Rechten die Schläfe reibend, die der jahrzehntelange Druck des Helmes weithin enthaart hatte, »mir fehlt in dieser Stunde, bei diesem Handel hier bitter meine Frau Schwester. Die Kleine würde Euch, Herr Karl, alles viel klarer zeigen – in besserem Licht! – und Euch das Richtige in den Mund streichen, glatt wie Honigseim.« Lächelnd legte der Herrscher die Hand dem Graubart auf die Schulter: »Schau, schau! So bekannt ist schon im Reich der Franken, wie dieses blonde Kind mit dem König anfängt, was es will? Gut, daß sie zu Sankt Denis gepilgert ist bei Paris, ein Gelübde zu lösen: so bin ich doch ein paar Tage wirklich König. Aber berichtet nun genauer wie all' das kam: – gemäß dem Zweck, den der Keckling angestrebt und je nach den Mitteln, die er gebraucht, muß ich sein Urteil, seine Strafe bei dem Pfalzgericht beantragen.« – »O je, Herr Schwager! Das Pfalzgericht, das heißt Herr Karl. Das weiß man schon. Was Ihr dort sagt, sagen alle nach.« – »Das ... das darf man – vielleicht – denken, aber nicht sagen. – Nun alles hübsch der Reihe nach. Beginne du, Abt: du kennst den Anfang, mein Schwager hat nur das Ende gemacht.«

Der schwarzhaarige und schwarzäugige Priester, dessen häufig zuckende Züge gar klug, aber wenig Vertrauen erweckend aussahen, legte die schmale, weiße Hand auf die Brust und hob an: »Daß ich die reine Wahrheit ...« – »Beim Strahl!« unterbrach polternd Gero, »versteht sich von selbst! Man lügt Herrn Karl nicht an!« – Gereizt fuhr der Alte fort: »Nun also, – nach des Präfekten Gebot! – ohne Beteuerung. Ihr wißt, von Gott erleuchteter Herr König, noch immer grollen Euch in meiner Heimat Italia, zumal im reichen Friaul, gar viele Langobarden um das, was Ihr dem Mönch Modestus angetan.« – »Eia,« meinte Karl, »seitdem er so heißt, hab' ich ihm nichts mehr zuleide getan.« – »Nun,« lachte Gerold und stieß das lange Schwert, das er im Wehrgurt trug, ein wenig auf den Estrich, »Ihr warft ihn von seinem Thronsitz zu Pavia und stecktet ihn in eine enge Klosterzelle: wenig gefiel's ihm und seinen Getreuen.« – »Vor allem: seiner Treuesten und Mächtigsten einem: Adalrich, dem Herzog von Friaul.« – »Ein wackrer Held!« rief der Kriegsmann dazwischen. »Hätten sich alle die Langbärte so tapfer geschlagen, wie der Ticinum verteidigt hat, – wir wären nicht sobald mit ihnen fertig geworden.« – »Sein Geschlecht, dem königlichen verschwägert, war schon vermöge seines großen Reichtums ...« – »Ja, der sticht dem in die Nase,« brummte Gero. – »Eine Hauptstütze dieser heimlichen Rebellen. Der alte Herzog nahm es sich schwer zu Herzen ...« – »Siech ward der Treue vor Gram!« unterbrach der Präfekt. – »Daß sein geliebter König in einem Kerker, wie der Greis meinte ...« – »War nicht viel anders,« rief Gero, die Schultern hebend. – »Getrennt von Weib und Kindern sein Leben vertrauern müsse. Ihn zu befreien war sein einziger, sein heißer Wunsch.«

»Jawohl!« rief Karl, unwillig vor ihm stehen bleibend, »und ihn wieder auf den Thron zu heben hinter den starken Mauern von Ticinum und mir einen neuen Langobardenkrieg zu entzünden.« – »Natürlich!« hetzte der Abt, nickend. – »Nein, mit Verlaub!« rief Gerold. »Das ist nicht natürlich: nicht wahr ist's! Ich werd's beweisen!« – »Ruhig, Schwager! Wird dir schwer werden! Weiter, Abt!« – »Ihn selbst hemmten Alter und Krankheit, den Gefangenen zu befreien. Aber sein Brudersohn, der junge Rothari von Montfalcon ...« – »Der richtige Bergfalk!« sprach der Krieger. – »Dem man die Fänge beschneiden muß!« drohte der König. – »Der schien dazu so recht geschickt. Und da der junge Fant in die schöne Adalgardis vergafft ist ... – der Frevler, in seine nächste Base! Nie würde die heilige Kirche solche Ehe verstatten.«

Der Alte blies leise durch den wallenden Bart: »Phüh! Hat's schon gar oft verstattet – gegen ein gut Stück Geld oder Rebland.« – »Ja, ja,« lächelte der König, »viel ist ihnen feil, den frommen Herrn. Sie dürsten nach Wein, doch mehr nach Gold, Land und Macht.« – »Also da der Kühne um der Tochter Hand warb, machte der Sterbende zur Bedingung des Verlöbnisses, daß der Neffe versuche, den Mönch zu befreien: auch wenn es scheitere, solle er die Braut heimführen.« – »Aus der Hochzeit wird nichts,« grollte der König, rascher ausschreitend.

»Alsbald machte sich der Frevler auf den Weg: eine Bande von Helfershelfern war leicht geworben. Einer aus ihnen fand wiederholt Eingang in dem obzwar stark von Euern Scharleuten besetzten Kloster: als Fischer verkleidet hat er wiederholt den frommen Brüdern für die Fasttage seinen Fang verkauft.« – »Die frommen Brüder wissen so genau, was für ihren Gaumen gut ist auf Erden wie was für ihre Seele im Himmel,« meinte Gerold. »Die Lachse des Rapidus sind die fettesten in deinem Reich, Herr Schwager.« – »So ward dem Mönch ein Brieflein, in den Fischkiemen verborgen, zugesteckt, geschrieben in der Geheimschrift der Cancelei zu Ticinum, die der Alte den Neffen gelehrt hatte.« – »Eia,« rief der König, »aber wir haben sie auch lesen gelernt, diese langobardische Geheimschrift.« – »Glücklicherweise.« – »Durch dein Verdienst, Romanus, ich erinnere mich jetzt.« – »So verabredeten die Verschworenen ...« – »Sie haben nicht geschworen,« widersprach der Präfekt. – »Das ist ihr Glück. Sonst ...!« drohte der Herrscher. – »Tag, Stunde, Ort und Art der Befreiung.« – »Aber, bei Sankt Denis, wie kamst du dahinter, schwarzer Schlaukopf?« – »Ist keine Kunst,« murmelte der Kriegsmann, »schnüffelt man in den Kleidern der Toten.« – »Durch Gottes Fügung, du Rüstzeug des Herrn, ja, durch Gottes Finger.« – »Wie soll ich das verstehn? Ein Miraculum ...?« – »Nichts anderes – zu Euren Gunsten haben die Heiligen schon manch' Wunder getan.« – Andächtig, tief gläubig, dankbar nickte König Karl mit dem Haupt.

»Kurz vor dem beredeten Tage – Sankt Laurentius sollte es sein – erkrankte plötzlich der Mönch an einem Anfall seines alten Herzleidens und starb. Die erschrockenen Brüder benachrichtigten sofort mich, ihren Abt, – denn deine Frömmigkeit, o von Gott Erleuchteter, hat mir außer Farfa auch dies Coenobium verliehen – den sie in dem nahen Orleans als Euren Sendboten tätig wußten, zugleich mit diesem gefeierten Helden ...« – »Nicht ausstehen können wir uns beide,« zürnte im stillen Gerold. »Was hat mich der falsche Pfaff' zu loben? Bloß damit er nicht aus der Übung kommt im Lügen!« – »Sofort eilte ich an das für deinen Staat so wichtige Totenbett. Ich überzeugte mich, daß der Gefangene nicht selbst Hand an sich gelegt: sonst hätt' ich die Leiche unter dem Galgen verscharren lassen,« – »Und ich, sobald ich nachkam, prüfte, ob ihn nicht fremde Hand getroffen. Schlimm wäre das gewesen für meines Königs Ehre im Gerede der Menschen.« – »Ich durchsuchte dabei auch seine Kutte, ob er nicht Gift darin geborgen. Da knisterte etwas unter meinen tastenden Fingern, eingenäht in die Kapuze: flugs trennte ich die Naht auf und fand darin zwei Zettel, die den ganzen Anschlag enthielten,« – »Der Unvorsichtige!« meinte der König. »Wozu verwahrte er sie?« – »Wohl, sie genau dem Gedächtnis immer wieder einzuprägen; auch hielt er ja die Schrift für unentzifferlich. – Sobald ich gelesen, traf ich meine Maßregeln – ganz im geheimen.« – »Jawohl, ganz hinter meinem Rücken!« grollte der Alamanne. – »Gewiß! Denn Held Gero wäre in seinem Ungestüm sofort offen gen Montfalcon ausgezogen, wobei ihm der Verräter leicht entwischen mochte.« – »Welch' Unglück dann!« schalt jener. – »Höre, Schwager,« zürnte der König, hart vor ihm stehen bleibend, »du tust gerade, als sei dir leid, daß du ihn ergriffen.«

Gero zuckte die Achseln und brummte in den breiten Bart, der ihm bis auf die Brünne wogte. Karl verstand davon nur: »Die Flucht war ja schon vereitelt.« – »Nein, nein!« fuhr der Abt in scharfem Tone fort, »auf handhafter Tat des Verbrechens mußte ich den Hochverräter ergreifen. So rief ich erst kurz vor jener Mitternacht die Scharmänner unter die Waffen und forderte erst jetzt meinen tapfern Mit-Boten auf, im letzten Augenblick das Netz, das ich allein gestellt, über dem schuldigen Haupte zusammenzuziehen, wozu er als weltlicher Königsbote verpflichtet war. Das Ende weißt du, gottgeliebter Herr und Herrscher.«

»Äbtlein,« sprach Karl, Halt machend, »du hast dich wieder einmal verdient gemacht um dieses Reich der Franken. Fordere deinen Lohn.« – Da funkelten die schwarzen Augen, aber streng verhalten sprach die singende Stimme: »Ich tat nur meine Pflicht; so verlange ich keinen Lohn.« – »Das ist das erste Wunder, das ich erlebe,« meinte Gerold staunend. – »Nur ...« – »Aha! jetzt kommt des Rätsels Lösung.« – »Nur an ein Versprechen wage ich demütig zu erinnern, das du, Sankt Peters Liebling, vor geraumer Zeit einem andern gegeben hast.«

Karl furchte leise die Brauen: »Florentius,« dachte er. »Aber nein, ich halte dir Wort, Hildigard.«

»Nach dem Avarensieg,« fuhr der Abt fort, »meinem Neffen. Und wie die Heiligen nunmehr in ihrer Weisheit und Güte alles gestaltet haben, nun ist ja ein Haupthindernis weggefallen, das zumal bei der Frau Königin – ich weiß! – entgegenstand ...« – »Auch das weiß der Spürhund,« murmelte deren Bruder, und auch der König staunte. – »Sie erachtet es ihres Amtes,« fuhr Romanus fort, »die Freiheit der Jungfrauen und Witwen bei der Gattenwahl zu schützen und ...« – »Und wohl steht dies meiner Schwester an, der Königin in diesem Reich der Franken!« – »Fern sei's, das zu bestreiten. Aber jetzt haben die Heiligen selbst jeden Zweifel gelöst. Die Beneficien weiland Herzogs Adalrich sind wegen seines Hochverrats – denn er hat den Neffen zu dieser infidelitas angestiftet – der Krone heimgefallen: du, Herr König, kannst sie leihen oder zu eigen schenken, wem du willst. Aber auch die Allodien, all' sein Erbe kannst du einziehn.« – »Soll ich eine Waise berauben?« zürnte Herr Karl, »Die Waisen beschützen gebietet meine Königspflicht.« Und Gerold nickte eifrig dazu. – Aber der Priester zuckte die schmalen Achseln: »Bei wie vielen Sachsen hast du das getan!« – »Ja, die Sachsen! Diese gottverhaßten Heiden! Nicht nur mir, dem Herrn Christus haben sie die oft beschworne Treue gebrochen ...« – »So sei's darum,« gab jener geschmeidig nach. »Aber der Hochverräter Rothari! Auch all sein Eigen ist verfallen. Die Einziehung begleitet stets die Hinrichtung.« – »Hinrichtung?« rief der Präfekt. »Was spricht er da?«

Auch der König machte Halt in seinem Wandeln und sah den Ankläger stutzend an. »Was ich sage? Die Wahrheit und das Recht. Ist's etwa nicht infidelitas, was der Langobarde verbrochen?« – »Nein! Mit Vergunst, Herr König, laßt einmal – zur Abwechslung! – mich reden. Dieser Schriftgelehrte hat mir die aufgestöberten Zettel vorgelesen: sie bestätigen, sie erheben über jeden Zweifel die Versicherung, die mein Gefangener mir gegeben: nicht das war der Zweck, Desiderius wieder auf den Thron zu heben, nur, ihn aus dem Klosterkerker zu befreien: der gebrochene Mönch hat ausdrücklich geschrieben, für immer hab' er dem Königsstab entsagt: er sei kronmüde, weltmüde: er wünsche nur, sein Leben in Freiheit zu beschließen: schon war das Schiff gemietet, das ihn zu Tergeste aus deinen Reichen nach Byzanz zu seinem Sohn Adelchis bringen sollte.«

Karl warf einen scharfen Blick auf den Abt: »Ist das wahr? Steht das in den Briefen?« – Romanus schwieg. – Aber Gerold fuhr fort: »Ei, ich sage ja, er hat mir's selbst draus vorgelesen. Ich – ich kann besser fechten als lesen, und vollends Geheimschrift ...« – »Gleichviel,« unterbrach der Priester. »Auch Befreiung eines Gefangenen ist infidelitas, weil Bruch des Treue-Eides.« – »Den aber hat der Bub nie geschworen!« rief der Präfekt dazwischen. – »Was? wirklich?« forschte der König eifrig. Das machte großen Eindruck auf ihn: denn erst dieser Eid begründete – nach seiner freilich falschen Auffassung – die Treuepflicht. – »Wahr und wahrhaftig!« versicherte der Präfekt. »Laß die Schwur-Listen von ganz Friaul nachsehen –, du wirst seinen Namen nicht darin finden. Sein Oheim ...« – »Der alte Fuchs!« zürnte Karl.– »Hat ihn stets außer Landes geschafft, wann wir Sendboten kamen.« – »Das ändert viel,« sprach der Herrscher nachdenklich. – »Alles, Schwager! Gedenke, wie du vor kurzem jene Thüringe nicht strafen wolltest – konntest –, weil sie dir nie geeidet. Und doch hatten Graf Hardrad und die Seinen sich in Waffen gegen dich erhoben: der gute Bub hat nur aus Mitleid gehandelt.« – »Und aus Liebe,« sprach Karl zu sich selbst. »Wie würde das Frau Hildigard verwerten!« – »Gleichviel!« wiederholte der Abt: »Einen Staatsgefangenen befreien ...« – »Hat er das getan? Wo ist er denn, der Befreite? – Und nun kommt die Hauptsache, Herr König, pass' gut auf! – Die ganze Welt rühmt ›Herrn Karls Recht‹: das heißt: seine weise Gerechtigkeit im Richten und Urteilfinden: schon gehn davon Sagen und Märlein im Volk. Und ein wenig rühmt sich dessen auch Herr Karl selbst!« – »Kann's nicht leugnen,« schmunzelte der. »Nun, wohlan, gib Antwort, du gerechter Richter! Vor wenigen Monden hatte dein Pfalzgericht eine seltsame Tat zu richten: der Forstwart Frikko von Hagenau ...« – »Ah, ich gedenke!« – »Fand seinen Todfeind, den Grafen Wilbert vom Saarburggau, im Wasgenwald am Saum des Tannichts in der Mittagsschwüle eingeschlafen, wie er wähnte. Er schlich hinzu und stieß ihm sein Weidmesser mitten ins Herz. Aber der arme Graf war – so stellte sich später heraus: dein Pfalzarzt, der kluge Jude Alexander, hat's bewiesen – schon vorher mausetot gewesen: auf der Wolfsjagd hatte ihn ein Gehirnschlag niedergestreckt. Die Jäger jedoch des so zweimal Gestorbenen waren hinzugelaufen, bevor der Mörder seine Waffe aus der blutenden Wunde hatte ziehen können: so ward er gegriffen auf handhafter Tat. Der Sohn des Grafen klagt vor dir um Mord: und du ...« – »Ich sprach den Angeklagten frei. Wie kann man einen Toten töten?« – »Eia, Herr Karl, und wie kann man einen Toten befreien?«

Der König stutzte: »Höre,« sprach er dann, »Schwager, du wirst mir zu feinsinnig hier am Hof: ich muß dich wieder ausschicken, Tschechenschädel spalten.« – Zornig fiel der Abt ein: »Das sind Spitzfindigkeiten! Der Entführer wollte doch den Lebenden entführen.« – »Und jener Forstwart wollte doch den Lebenden ermorden!« erwiderte der Herrscher. »Nein, damit, Pfäfflein, kommst du nicht durch! Laßt mich jetzt allein. Ich muß mir's überlegen.« – »Was ist da noch zu überlegen?« drängte der Kriegsmann. »Jung Rothari ist nicht schuldig.« – »Doch,« entgegnete der König ernst. »Und gerade diese Pläne haben aufs neue gezeigt, wie wichtig es ist, in jenen Landen den Grollenden, Unverlässigen Reichtum und Macht zu nehmen und sie Treuverlässigen zu geben. Soll jenes Mädchen, die Tochter eines Unversöhnten, die weiten Güter ihres Vaters ...? Nein! Es dämmern mir allerlei Gedanken auf. Der wackere Florentius soll jenes Erbe gewinnen und – ohne Zwang! – der schönen Jungfrau Hand. Dein Schützling aber, du listiger Rechtsverschieber, soll – gerade dann! – doch – vielleicht! – am Leben bleiben. Aber all' das ist noch nicht reif, nicht klar. Laßt mich allein!«

 

V.

Am folgenden Morgen drang der Präfekt von Bayern eilfertig in das Schlafgemach Karls, wo dieser, wie er pflag, gleich nach dem Aufstehn und dem Frühbad, während des Ankleidens mit einigen seiner vertrautesten Räte Staatsgeschäfte erledigte. »Jetzt, Herr König,« rief der Schwager schon auf der Schwelle, »darf ich in meine Ostmark zurückeilen: bin hier nicht mehr nötig als Anwalt des Langobarden! Denn jetzt ist seine beste Fürsprecherin gekommen.« – »So ist Hildigard zurück?« rief Herr Karl, und seine Augen leuchteten. »Wo steckt sie? Warum ...?« – »Nein, eine andere. Die ist – mein Schwesterlein in Ehren! – beinahe noch schöner.« – »Das gibt's nicht. – Aber ich ahne! Adalgardis ...« – »Getroffen! Sowie sie im fernen Friaul durch die geflüchteten Gefolgen des Geliebten Gefangenschaft erfuhr, eilte sie, Tag und Nacht, ununterbrochen, über Berg und Tal hierher, deine Gnade anzuflehen. Heute Nacht kam sie hier an; ihr Muntwalt, Bischof Wernfrid von Cividale, in den Tagen seiner Weltlichkeit mein wackerer Waffenbruder, hat sie begleitet. Er weckte mich vor Hahnenkraht. Deine Gnade ...« – »Ob die ihr werden wird,« unterbrach Karl sehr ernst, »das liegt in ihrer eigenen Hand. – Du aber mach' nun wirklich, daß du heimkommst nach Bayerland! Gestern Abend spät kamen von dort her üble Briefe. Wieder einmal sind sie stehlend, raubend, sengend und mordend eingebrochen, deine schlimmen Nachbarn von Böheim her ...« – »Die Tschechen?« rief der graue Held, und alles Blut schoß ihm zu Kopf. »Dieses Erzdiebsgesindel! Arbeiten können und wollen sie nicht, aber stehlen können sie wie die Meisterdiebe. Nun wartet, ihr Stülpnasen, ich komme! Leb' wohl, Herr König! Grüße mein Schwesterlein, He, hollah, mein Hengst, mein Hengst!« Und er stürmte hinaus.

»Den wär' ich los,« lachte Herr Karl vergnüglich vor sich hin, »Und Frau Hildigard ist noch nicht zurück: halt' sie nur noch ein Weilchen fest vor deinem Altar, Sankt Dionys!« Da hob ein Türwart den Vorhang des Gemaches und meldete: »Der ehrwürdige Herr Bischof von Cividale und seine Mündel bitten dringend um Gehör.« – »Eilt es der schönen Braut so sehr? Ei, sie weiß noch gar nicht, wessen Braut sie ist, – Gleich nach meinem Frühstück führe mir die beiden zu: aber nicht hierher, auch nicht in den Empfangsaal: – in den Pfalzgarten! Ich muß nach meinen Edelrosen sehn. Der Gewittersturm dieser Nacht hat sie gewiß arg getroffen. Ich muß sie aufrichten.«

 

VI.

Nachdem das Unwetter der Nachtstunden sich ausgetobt, breitete ein strahlender Sommermorgen seine Klarheit, seinen Frieden über Stadt und Pfalz und zumal über den schönen, sorglich gepflegten Garten, der, in römischem Stil angelegt, von hohen Steinmauern umfriedet, das Palatium auf den drei der Stadt abgewendeten Seiten weithin umgab. Auf den zierlich geschlungenen, mit weißem, rotem und gelbem Sand bestreuten Pfaden, welche die vom Regen erfrischten Wiesen- und Blumen-Beete durchschnitten, wandelte langsam die mächtige Gestalt: – siebenmal maß er den eigenen Fuß. Der riesenhafte, breitbrustige und breitschultrige Mann beugte gar sorglich das mächtige Haupt hernieder auf die Stockrosen, die, aus den grünen Rasenstreifen ragend, auf beiden Seiten den schmalen Gartenweg begleiteten.

Leise kopfschüttelnd band er die vom heftigen Regen und Sturm der Nacht niedergedrückten mit weißgelbem Bast, dessen er einen dicken Knäuel im breiten Gürtel trug, in beflissener Mühung an dem Stock wieder auf: nicht leicht ward es den großen Händen, den derben, an Schwertgriff und Schildriem gewohnten Fingern die erforderlichen dünnen Schleifen und Knötlein zu schürzen: aber er ließ nicht ab: drei- und viermal versuchte er es von neuem, bis es gelungen war. Wohlgefällig betrachtete er nun sein Werk an einer hochragenden, prachtvollen, dunkelroten Rose, aus deren zusammengesponnenen Herzblättern er säuberlich mit zwei gespitzten Fingern eine Spinne zog, die er auf den Sand warf und mit dem schweren Fuße zertrat: nun band er ihren herabgesunkenen Zweig auf und sprach väterlich, wie zu einem Kinde: »Nein, gloria Italiae, schöne Tochter Welschlands, dir soll kein Leid bei mir geschehen, weder von Gewittersturm noch von häßlichem Geziefer.« Und er zerriß das Gewebe der Spinne.

 

VII.

Da knarrte die Türe, die aus dem Hofe des Palatiums in den Garten führte, und das erwartete Paar näherte sich Karl, der sich auf das Geräusch hin gewendet hatte. Gar verschieden war der beiden Schritt. Stürmisch strebte die Jungfrau voran: ihr schwarzer Schleier, ihre dunkelbraunen Locken flogen im Morgenwind. Ihr Muntwalt, der Bischof, konnte ihr kaum folgen: er haschte sie an dem schwarzen Seidenmantel, der die Schlanke und Hohe in dem enganliegenden schwarzen, lang nachschleppenden Gewand umhüllte.

»Langsam, Kind!« mahnte er. »Um Gott! Nur keinen Ungestüm! Er ist bei aller Herzensgüte leicht erzürnlich. Und dann, – dann ist er schreckbar, der Herr Karl. Nur keinen Widerspruch! Und vergiß nicht! – sobald du zu bitten beginnst, –: auf die Knie'!« – »Herzog Adalrichs Tochter knieet nur vor Gott!« erwiderte sie, warf das Haupt in den Nacken zurück, riß sich los und eilte dem Bischof weit voraus gerad' auf den König zu. Der musterte scharf die Heranstürmende: mit kundigem Blick maß er das erglühende Antlitz, die stolze hochbusige Mädchengestalt: er war ein vielerfahrener Kenner von Weibesschöne und er hatte auch diese Langobardin gut im Gedächtnis: allein so, so hatte er sie nie gesehen, wie sie jetzt edelste Bewegung verklärte: »Weiß Gott, das Weib ist wunderschön,« sprach er vor sich hin. »Schwer ist es, ihr Nein sagen. Aber erst – erst die Probe. Wo, wo endet ihrer Liebe Maß? Wird sie bestehen? – Und schau' nur, welcher Hochmut in diesen Zügen! Schlecht steht er der Flehenden.« Er furchte leise die Brauen. »Warte, der soll dir vergehen.«

Er verschränkte die Arme, fest in den dunkelblauen Mantel gehüllt, auf der Brust, und blieb regungslos, wie aus Fels gehauen, stehen, das unbedeckte Haupt ein wenig erhoben. So ließ er die Eilende herankommen. Er hatte erwartet, als sie nun dicht vor ihm stand, die königliche Gestalt zu seinen Füßen sinken zu sehen: aber Adalgardis blieb stehen: nur die rechte Hand hob sie, weit geöffnet, gegen sein Antlitz empor und nicht leise bat sie, laut, recht laut rief sie: »Gnade, Gnade Herr König!« Der sah ihr schweigend in die goldbraunen Augen.

Nun war der Bischof heran: – die gedrungene Gestalt, die gutmütigen, wohlwollenden Züge hatten immer noch mehr vom ehemaligen Kriegsmann als vom Priester: »O König Karl,« sprach er, »du bist mir immerdar ein guter Herr gewesen, so wirst du auch jetzt ...« – Aber da traf ihn ein Blick ...: er verstummte. – Auch die Langobardin hatte den Blick gesehen: sie trat einen Schritt zurück. »Jungfrau Adalgardis, was hast du mir zu sagen?« – Nicht zornig, nicht drohend, aber streng, rauh wie Erz, kam das heraus. Jedoch das Mädchen hatte sich gefaßt: »O Herr König, ... ich habe ja schon alles gesagt ... das eine Wort: ›Gnade‹.« – »So? Weiter nichts? – Keine Begründung? Keine Entschuldigung?« das klang schon herber. – »Wie kommst du, ein Mädchen dazu, für den Verbrecher zu bitten? Warum?« – »Ihr wißt ja: weil ich ihn liebe.« – »So? Und mit welchem Recht?« – »Ich bin seine Braut.« – »So? So?« zürnte jetzt Karl und strich mit der Hand über den leis ergrauten Bart, seine wachsende Erregung bemeisternd. »Ei, ei, Herr Muntwalt: seid schon so lang' Bischof und kennt immer noch so schlecht die Canones? Immer noch besser Speerwerfen, eh? Ihr habt Eure Mündel ihrem Vetter verlobt?« – »Nicht ich, Herr König: ihr Vater.« – »So, so, so? Der?« Leichte Röte stieg in seine Wangen. – »Ja,« sprach das Mädchen fest. »Kurz vor seinem Tode.« – »Ah, ich weiß, ich weiß jetzt,« nickte er finster, »Unter einer Bedingung, nicht?« – »Ja. Aber sie ist erfüllt, die Bedingung.« – »Freilich,« ergänzte der König, noch immer zurückhaltend, aber mit unheimlicher Ruhe. »Er sollte ja nur versuchen – einmal versuchen! – den Gefangenen zu befreien. Wohlan: er hat's versucht. Und daß es mißlang, – das – das war nicht seine Schuld.« – »Gewiß nicht,« sagte das Mädchen. – »Ah, Verwegene, Wahnwitzige,« brach es aus des Königs Mund und zornig trat er gegen sie heran: seine grauen Augen loderten drohend. Der Bischof wollte sie am Arm zurückziehen: aber sie blieb stehen.

»Hohn? Eitel Hohn mir ins Angesicht? Wahrlich, Langobardin, du lügst nicht!« – »Niemals. ›Immer die Wahrheit‹ lehrte mich der Vater.« – Karl hatte sich wieder in der Gewalt; kühl, gelassen sprach er: »Wohl, so höre denn die Wahrheit so tapfer wie du sie sagst. Die Verlobung ist gegen der Kirche Verbot, sie ist nichtig. – Übrigens,« – er hielt inne, blickte sie durchdringend an und schloß zögernd: – »jede Verlobung löst der Tod.« – »Herr König!« schrie sie auf und wankte zurück, »Ihr werdet ihn nicht morden?« – »Nein, aber hinrichten.« Eiskalt ward das gesprochen. Sie fuhr mit einer Bewegung, deren Zweck beiden Männern unverständlich blieb, an die Öffnung ihres Busengewandes: da stockte die Hand: »Nein,« hauchte sie vor sich hin, »noch nicht: noch atmet er.« Alle Farbe war aus dem vor kurzem noch so hoch erglühten Antlitz gewichen: sie öffnete weit den Mund: aber die Stimme versagte ihr. Alle drei schwiegen.

»Und,« wagte der Bischof, tief erschrocken, endlich zu fragen, »für welches Verbrechen?« – Der König ließ sich jetzt gemach auf eine Gartenbank nieder, die, neben jener Edelrose, im Grase stand: »Das will ich Euch sagen, Bischof von Cividale,« antwortete er ganz langsam. »Ein Fürsprech – klüger sprach er für ihn als diese Tollkühne!« und abermals verdüsterte sich seine Stirn – »mein eigner Schwager hat ihn in manchen Stücken geschickt verteidigt: mit dem Treubruch ist es nichts, weil er mir Treue nie geschworen, – das ward gestern erhärtet aus den Listen – mit dem Befreiungsversuch ist es nichts, weil der Mönch schon vorher gestorben war ...« – »Also!« rief Adalgardis hoch aufatmend. – Und der Bischof sprach mit feuchten Augen: »Gott und Sankt Martin segne dich, Freund Gerold.« – »Er konnte ihn doch nicht retten,« sprach Karl langsam das Haupt schüttelnd. – »Was hat er sonst verbrochen? Nichts!« rief das Mädchen; fast drohend klang die Stimme.

Aber das erzürnte Herrn Karl aufs neue: er sprang auf und hob die Rechte: »Geschöpf! Man streitet nicht mit mir.« – Er atmete nun und hielt inne: dann setzte er sich langsam wieder. »Er hat das Schwert gezückt – halb aus der Scheide! – wider einen Sendboten des Königs.« – Da erbleichte Herr Wernfried: »Der Unselige!« stöhnte er. »Er ist verloren. Darauf steht der Tod: – nach anderer noch grausamerer Pein.« – Aber das Mädchen gab noch nicht nach: »Das geschah in Notwehr.« – »Schau, wie rechtskundig sie plötzlich alle sind, – zu sein glauben! Nein, Rabulistin: der ergriffene Verbrecher hat das Recht der Notwehr nicht. Rothari hat das Leben verwirkt. Er stirbt.« – Da stürzte die Jungfrau, wie vom Blitze niedergeschlagen, ihm zu Füßen und reckte beide Arme flehend zu ihm empor: »O Gnade, Gnade! Begnadige ihn, Herr König.«

Eine leise Befriedigung flog über seine Züge: unmerkbar nickte er auf sie herab. – Er ließ sie eine Weile knieen, bevor er langsam sprach: »Erhebe dich, Herzog Adalrichs Tochter.« – Da schnellte sie auf, hob die heißen, tränenlosen Augen gen Himmel und flüsterte: »Vater, Vater verzeih ...: es geschah für ihn!« – Der König hatte den Rückfall in den Trotz wohl bemerkt: er war aufs neue gereizt. »Herr Bischof,« sprach er, »Ihr würdet wohl daran tun, Eures Mündels, – des Hochverräters Kindes! – Hochflug herabzudrücken. – Du aber, Adalgardis, höre deines Königs gnädig Wort.« Sie öffnete hoffend die Lippen. »Ob jung Rothari lebt oder stirbt, – ich leg's in deine Hand.« – »In meine?« jubelte sie. »O so lebt er, lebt.«

»Ich – hoffe es: aber ... ich weiß doch noch nicht,« sprach er zögernd mit prüfendem Blick in ihre Augen. – »Höre mich ruhig an: unterbrich mich nicht wieder, rate ich! das macht mich wild, wilder als mir lieb. Jene Verlobung also ist nichtig: deine Hand ist frei. Das Wohl des Reichs verlangt, daß diese Hand und deines Vaters reiches Allod – die Beneficien sind verwirkt – eines verlässigen und verdienten Mannes werde.« Sie warf den Kopf in den Nacken und schüttelte die dunkeln Locken, aber auf eine warnende Bewegung des Bischofs fing sie einen trotzigen Ausruf auf den Lippen. »Ich könnte dich nun zwingen ...« – »Nein, das könnt Ihr nicht mehr!« kam es nun doch heftig zum Ausbruch.

Herr Karl zog die Brauen stark zusammen, aber sie achtete des nicht und fuhr fort: »Rothari hat es gesagt: – ein neu Gesetz ...« – »Schweig, Unsinnige!« herrschte er sie an. »Du redest ihn und dich in das Verderben. Ich will dich nicht zwingen, weil ... nun, weil ich nicht will. Frei sollst du dich entscheiden. Merke Wohl: Du wirst des Grafen Florentius Weib oder Rothari stirbt.« – »Nie! Niemals! Nimmerdar!«

Der König erhob sich und maß sie mit langem, prüfendem Blick: doch war dieser Blick auf die Trotzende diesmal nicht ungnädig, nicht zürnend: »Du hast gewählt,« sprach er dann gelassen und schritt an ihr vorbei, dem Palaste zu.

Da faßte sich Herr Wernfrid ein Herz und trat ihm in den Weg: »Geduld, Herr Karl! Laß ihr Bedenkzeit! Ich gelobe dir, ich will in sie dringen, bis sie nachgibt. Denn was ist schließlich die Liebe zwischen Mann und Weib? In ein paar Jahren verblüht sie, – der tote Rothari aber bleibt tot. Schad' um sein junges Leben! – Kind, Graf Florentius ist ein wackerer, ja – ich kenne ihn gut! – ein edler Mann. Und bedenke: Rotharis, Leben! Du kannst ihn retten und du willst nicht? Geht das über deiner Liebe Maß?«

Der König war stehen geblieben, die Ringende scharf musternd, die mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin starrte, die beiden Hände an die beiden bleichen Schläfe gepreßt.

»Meiner Liebe Maß?« wiederholte sie tonlos. »Die Liebe – meine Liebe! – kennt kein Maß.« – »Du bist schuld – du allein –: die Liebe zu dir hat ihn dahin gebracht.« – »Ja, ja, ich, ich allein, ich Unselige.« – »Und bedenke,« fuhr der Bischof näher tretend, fort: »nicht in freudiger klirrender Schlacht, nicht Speertod, schimpflicher Tod, Galgentod ...« – »Ah,« stöhnte sie. »Und alles um meinetwillen.« – »Und vorher: ... die rechte Hand! ... Und Blendung ...« – »Halt, halt! Ich tu's. Ich tu's« schrie sie schrill auf und verzweifelnd, sinnlos, bewußtlos stürzte sie auf das Antlitz nieder auf den Rasen unter der Rose.

Der Bischof ließ sich neben ihr nieder, hob ihr Haupt in die Höhe und legte es auf seine Kniee: ihre Augen blieben geschlossen: »Ihr habt's erreicht, Herr König,« sprach er vorwurfsvoll. »Sie hat Ja gesagt.«

Herr Karl warf noch einen Blick auf das edle, jetzt so verstörte Antlitz: dann wandte er sich und schritt langsam dem Paläste zu: aber er schien nicht zufrieden: denn er schüttelte leise das Haupt.

 

VIII.

Nicht lange darauf ward der Vorhang eines kleinen einfenstrigen Gemaches in einem Nebengebäude der Pfalz heftig aufgerissen und herein stürmte mit dem gellenden Ruf: »Rothari!« eine schwarze Gestalt. »Geliebte! Du hier?« erwiderte der Jüngling, wandte sich rasch von dem Fenster, durch das er sehnsuchtvoll hinausgeblickt hatte auf die grünen Wipfel der Gartenbäume, und fing die Wankende, Sinkende auf in seinen Armen. Aber wie erschrak er, als er die Verstörung in dem marmorbleichen Gesicht, das unaussprechliche, versteinte Weh in den starrenden Augen wahrnahm. »Adalgardis! Was ist dir geschehen? Oder bangst du so sehr um mich? Ohne Grund! Getrost! Du siehst, ich bin wohlbehalten. Der gütevolle König ...« – Die Jungfrau fuhr zusammen. – »Nahm mir nur das Wort ab, nicht zu entspringen. Dann wurden mir die Fesseln gelöst, ich ward hierher geführt: du siehst, nicht Schloß noch Riegel, – nur dieser Vorhang – sperrt den Ausgang. Und Herr Gerold hieß mich, bevor er abritt, gutes Mutes sein: er habe meine Sache geführt mit siegendem Erfolg und ...« – »O Rothari, Rothari!« antwortete sie schluchzend, warf sich an seine Brust und ihre Tränen fluteten, – »Bei allen Heiligen! Fasse dich! Was droht dir? Oder mir?« – »Weh, uns beiden!« – »Wie? Woher? Warum kamst du?«

»Ich eilte hierher, durch meine Bitten dein Leben zu retten: ah, es ist gerettet!« – »Dank, Dank dir, du Vielgetreue. Heißen Dank! Ja, ich hänge am Leben, mit aller Macht des Wunsches, zäh, gierig: ich leugne es nicht. Es wäre doch hart, grausam in der Vollbrust der Jugendkraft« – er schauerte – »sterben.«

Da machte sie sich los von seinem Halse, bog sich zurück und sah ihm tief in die Augen: über ihre todestraurigen Züge flog ein seltsamer, hellerer Schimmer: »So lebst du gern, mein Geliebter?« forschte sie dringend, mit wehmutweicher, rührender Stimme. »So ist es wirklich wahr? Dich vom Tode loskaufen, – es ist nach dem Wunsch deines Herzens?« – »Aber gewiß doch! Leb' ich doch nicht allein, – nein, mit dir, für dich. Erfüllt ist mein Versprechen: tot liegt der arme König: kein Mensch mehr kann ihn befreien, den Toten im finstern Grabe! Du bist jetzt meine Braut, – bald mein süßes Weib ...« – »Oh!« seufzte sie und sank auf den Schemel unter dem Fenster. Der Jüngling kniete neben ihr und faßte die beiden kalten Hände: »Was, ... was ist dir? Was kann uns drohen?« – »Das Untragbare. Höre! Höre alles! Du bist – du warst dem Tode – dem schimpflichen, dem grausamsten Tode« – sie erbebte – »verfallen.« – Er erbleichte: »Du ... du sagtest doch ...?« – »Ja, der König hat dir das Leben geschenkt ...« – »Nun also!« – »Aber gegen einen Preis ...« – »Jeden! Was soll ich zahlen?« – »Nicht du! – Ich.« – »Du? Die Unschuldige?« – »Ja, ich! – Ich versprach's.« Sie sprang auf. »Ich mußte! Ich muß. Du wirst frei und ich ... ah,« schrie sie auf, »ich werde des Grafen Florentius Weib.« Da warf sie sich mit ausgestreckten Armen auf das Pfühl des Gefangenen, das Gesicht in den Kissen vergrabend.

»Nie! Niemals! Nimmerdar! Nein, lieber zehnmal sterben!« schrie Rothari wild, daß die Wände dröhnten. Er sprang hinzu und rüttelte sie unsanft auf: mühsam erhob sie sich. – »Das? Das hast du versprochen? Nie hast du mich geliebt.« – »Ich glaube doch,« hauchte sie und schloß die Augen. – »Das ist nicht die wahre Liebe«: rief er überlaut, »Hier endet und wendet der Liebe Grenze. Für mich sterben, ... das hätt' ich verstehen können ...« »O wie gern! Aber mein Tod rettet dich nicht!« – »Aber das? Nein! Und du konntest wähnen – auch nur einen Augenblick glauben! – ich werde das Opfer annehmen?« – »Armer Freund! Annehmen? Du wirst nicht gefragt. O schilt nicht! Es zwang mich das Entsetzen. Denke doch nur: das Diebesholz, der Galgen! Und diese liebe, liebe Hand!« Sie umfaßte wie schützend seine Rechte mit beiden Händen. »Und diese lichten Augen! O Grauen!« Und sie verstummte vor Weh.

Allein er konnte nur immer wieder das Eine denken, fragen: »Und du hast es wirklich versprochen? – »Ich gab mein Wort.« – »Du darfst's nicht halten!« schrie er, faßte sie ungestüm an beiden Schultern und sprach ihr dicht in das Antlitz: »Unselige! Unsinnige! Du weißt ja nicht, ahnst ja nicht, was du damit getan. Was weiß, was ahnt ein Mädchen, eine Jungfrau wie du von der Ehe! Wisse denn: Ehe sonder Liebe ist des Weibes äußerste Schmach. Das Brautbett ohne Liebe ist das Bett der Dirne!« – »Halt!« rief sie und tastete an der Wand, sich zu halten, »Welche Worte!« – Jedoch der Verzweifelte fuhr fort: »Denke doch! Lerne, was dir droht. Nicht deine Seele kann er dir nehmen: aber dieser Leib, dieser herrliche, einem Tempel gleich heilige, dieser keusche, jungfräuliche Leib, – er wird des ungeliebten Mannes von jedem Haar deines Hauptes an. Dulden mußt du, wie ein gebunden Schlachtlamm, alles, was immer die schonungslose Glut seines Verlangens begehrt, ihm lassen, ihm geben alles, was mir gehört, mir allein. Denk' dich – o denk' dich mit ihm allein – hinter verriegelter Tür – allein mit ihm in dem dämmerdunkeln Brautgemach – fühl' es, wie er dich trotz allem Sträuben in die Arme zwingt, wie er dir den Schleier vom Haupte zerrt und den Gürtel von den Hüften, denk deine Ehre geschändet ...« – »Nein! Nein!« schrie sie wild auffahrend und auf den Eingang zu fliegend. »Hör' es! König Karl! Ich tu's nicht. Ich kann's nicht. Rein oder tot. Lieber stirb, mein Geliebter, gleich mir. Nach mir!«

Und nun hart vor dem wallenden Türvorhang stehend, riß sie aus dem Busengewand einen kleinen Dolch und zückte ihn hoch, bevor Rothari hinzuspringen konnte.

 

IX.

Hell blitzte die schmale Klinge: aber sie erreichte nicht die wogende Brust.

Aus dem Vorhang trat Herr Karl, haschte ihre Faust, entwand ihr mit ehernem Griff die Waffe und steckte sie in seinen Gurt. »Halt, rasche Jungfrau,« sprach er ernst, aber ruhig, ohne Zorn. »Lebe.«

»Aber nicht geschändet, Herr König!« –

»Und du, meine Adalgardis, du konntest glauben, auch nur einen Augenblick hätt' ich deine Ehre überlebt? Nutzlos, bei Gottes Treue hättest du sie geopfert.« – »Schilt sie nicht zu hart darum,« mahnte der König, »sieh, wie gebrochen sie auf das Bett dort sinkt. In jenem Augenblick, da ich so schwer sie prüfte, wußte sie nicht mehr, was sie sprach, was sie tat: so überschritt sie denn der Liebe Maß. – Und so hast du,« sprach er nun gütevoll, an sie herantretend, »so hast du, trotzig Kind, wirklich geglaubt, König Karl werde dich mit dem Tod des Geliebten bestrafen dafür, daß du ihm Treue hieltst? Eia, ich hätte Frau Hildigard nicht mehr in die Augen schauen können. Mich schmerzte es tief in der Seele, als du riefst: ›ich tu's‹. Und froh schlug mir das Herz hinter diesem Vorhang, – wie gern gewährte ich deine Bitte, ihn allein zu sprechen! – als ich hörte, wie ihr beide – er zuerst und dann so tapfer auch du – den Tod wähltet statt des Bruches der Treue. Das wird eine Ehe, wie Frau Hildigard sie will. Ja, ja, glaubt es nur. Ich selber setze die Erlaubnis durch bei meinem Freund Papst Hadrian: er schuldet mir noch mehr als das an Dank. Du bist frei, Langobarde.«

Da sanken beide – auch die stolze Adalgardis – vor Herrn Karl auf die Kniee: »O mein König,« rief Rothari, »wie bist du groß und gut. Woher all diese Gnade?«

»Steht auf, dann sollt ihr's hören. Nicht mir allein: – diesen beiden habt ihr viel zu danken.«

Er trat an den Vorhang und schlug ihn zurück.

»Frau Königin!« rief das Mädchen.

»Florentius!« rief Rothari.

Die beiden traten herein, ein freudiges, ein schönes Lächeln auf den Lippen.

»Wie ... wie kam all das?« forschten die Liebenden.

»Das kam so,« erklärte mit holdseliger Freundlichkeit die Königin. »Auf dem Rückweg von Sankt-Denis traf mich nahe vor Aachen – dieser wackre Held, der auf dem Wege war, spornstreichs hierher zu eilen, um ... nun redet Ihr, Graf.«

»Um eine Lüge aufzudecken und ein Unheil zu verhüten,« sprach mit edelm Ausdruck der dunkeläugige Romane, den jede Schönheit seiner Rasse zierte. Mein Oheim war von hier nach Reims gereist, mir seinen Plan und dessen, wie er beteuerte, sicheres Gelingen mitzuteilen, mich zur Mitwirkung zu mahnen. Beim Bau dieses Plans hatte er nur einen festen Grund« – er zögerte, dann kam es anmutvoll heraus ... »die tiefe, echte Liebe, die ich für diese edle Jungfrau trage: ihre Hand wäre die Krönung all' meiner höchsten Wünsche gewesen. Als er mir nun aber enthüllte, – enthüllen mußte – mit welchen Mitteln er mir diese Hand zuwenden wollte, da rief ich zornig: nie nehm ich ein Weib, dessen Herz eines andern ist, das sich opfert, meinen tapfersten Waffengenossen, den Montfalcon, zu retten. Und – so fragte ich staunend – wie kann der König um jener Befreiungs-Wagnis willen den Helden töten, dem er den herrlichsten Sieg verdankt? Da mußte denn mein Ohm gestehn, er habe damals in seinem gleich auf dem Schlachtfeld verfaßten Bericht an den König nicht dem wahren Sieger, Rothari, sondern mir das Verdienst der Entscheidung zugeschrieben.«

»Ja,« unterbrach der Herrscher, »nun wissen wir's: du, junger Bergfalk, tatst damals den Siegesflug, Du hast den Reiterangriff der Langobarden befohlen und geführt, der die stark schwankende Schlacht entschied: dafür steh' ich tief in deiner Schuld – schon lang. Der Abt aber, der König Karl belogen, ist schon unterwegs in die leere Zelle des Mönchs Modestus.«

»Der brave Bub, der Florentius da,« fiel die Königin ein, »ist kein Falsch nit an ihm. Er bat mich, ihm beizustehen, dem Liebespaar zu Hilf zu eilen. Nu, er hat mich nit lang bitten müssen! Wir trabten hierher, was nur die Rößlein springen konnten. Und mein Mann« – hier traf den ein zärtlicher Blick – »der Herr König, sprech' ich – ich muß ihn loben! – der war auch gar bald herum geredet. Warum? Ich mein' allweil, es war ihm schon leid, daß er dem schönen Mädchen so hart geredet hat.«

»Ja, und König Karl wird's gut machen,« schloß dieser. »Rothari, Herr Herzog von Friaul, du schwörst mir jetzt Treue und wirst sie mir, ich weiß es, fortan wacker wahren.«

»Bis zum Tod, mein König.«

»Zur Hochzeit schenk ich dir all die verwirkten Güter. – Du aber, schöner Trotzkopf, kennst du noch diese Rose?«

Er griff in den Brustlatz seines Wamses. »Sie stand dabei, als du so schwer littest: es wäre alles nicht so scharf geworden, – ich wollte nur das Maß der Liebe prüfen – hättest du mich nicht immer wieder durch Stolz und Widerspruch gereizt –.«

»Ja, den kann er halt einmal nit vertragen,« lächelte Frau Hildigard.

»Nimm jetzt dafür, diese Rose zum Pfande meiner königlichen Huld für alle künft'gen Tage. Ich habe selbst sie aufgerichtet nach dem Gewittersturm und sie gelöst aus häßlichem Gespinst: da nimm sie hin, die gloria Italiae!«


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