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Arnaldo verkauft Periander, als Frau verkleidet, auf der Insel der Barbaren.
Als die Barke dem Ufer nahte, drängten die Barbaren sich herzu, und jeder war begierig zuerst zu erfahren, wer in ihr herbeikäme. Zum Zeichen, daß die Heranrudernden friedlich und ohne Feindschaft aufgenommen werden sollten, ließen sie viele Tücher im Winde flattern, schossen eine Menge Pfeile in die Luft und sprangen mit unglaublicher Behendigkeit hin und her.
Das Boot konnte nicht am Ufer anlegen, weil das Meer seicht war; denn es steigt und fällt in jenen Gegenden eben so wie bei uns; aber ungefähr zwanzig jener Inselbewohner wateten durch den feuchten Sand und kamen dem Schiffe so nahe, daß sie sich beinahe mit den Händen fassen konnten. Sie trugen eine Frau von ihrem Volke, die aber sehr schön war, auf den Schultern, und welche, ehe noch Jemand Etwas gesagt hatte, die Ankommenden in polnischer Sprache also anredete:
»Euch, wer ihr auch sein möget, läßt unser Fürst, oder vielmehr unser Befehlshaber, bitten, daß ihr ihm kund thut, wer ihr seid, weshalb ihr kommt, und was ihr begehrt. Führt ihr vielleicht eine Jungfrau bei euch, die ihr verkaufen wollt, so wird sie euch gut bezahlt werden; habt ihr aber andere Kaufmannsgüter, so bedürfen wir ihrer nicht; denn in dieser unsrer Insel, dem Himmel sei Dank! besitzen wir Alles, was zum menschlichen Leben erforderlich ist, und haben nicht nöthig, es anderswo zu suchen.«
Arnaldo verstand ihre Sprache und fragte sie, ob sie eine Eingeborne, oder vielleicht eine von den gekauften Frauen auf der Insel sei? worauf sie erwiderte:
»Beantworte Du mir Das, was ich gefragt habe; denn meine Gebieter lieben es nicht, wenn ich mit Gesprächen hier verweile, die nicht zu unserem Geschäft gehören.«
Arnaldo beantwortete ihre Frage, und sprach: »Wir sind Dänen, reisen als Kaufleute und Corsaren umher, vertauschen allerlei Waaren, verkaufen, was man uns abnehmen will, und suchen wieder los zu werden, was wir erbeuten. Unter andern Gewinnsten fiel auch diese Jungfrau in unsre Hände,« hier deutete er auf Periander, »welche wir, da sie eine der schönsten, oder vielmehr die allerschönste auf der ganzen Welt ist, euch herbringen; denn wir wissen, weshalb die Jungfrauen auf dieser Insel gekauft werden: und wenn sich die Wahrsagung eurer Weisen bestätigen sollte, so mögt ihr wohl hoffen, daß euch aus einem so reizenden Körper und so edlen Gemüthe schöne und tapfre Kinder entspringen.«
Einige der Barbaren, die seine Worte gehört hatten, fragten die Frau, was er gesagt habe. Sie verdolmetschte es ihnen, und sogleich entfernten sich viere, um, wie es schien, dem Befehlshaber Bericht abzustatten.
Unterdeß ihre Rückkehr erwartet wurde, fragte Arnaldo die Frau, ob gekaufte Weiber auf der Insel seien, und ob sich unter ihnen vielleicht eine befinde, welche an Schönheit dieser gleichkomme, die sie zum Verkauf hergebracht hatten.
»Nein,« sprach die Frau, »zwar sind viele hier, aber keine von ihnen kann sich mit mir vergleichen, und ich bin in der That eine jener Unglücklichen, aus denen die Königin dieser Barbaren gewählt werden soll, was wohl das größte Unheil ist, was mir begegnen könnte.«
Die, welche landeinwärts gegangen waren, kehrten zurück, noch von einer großen Anzahl, so wie von ihrem Fürsten begleitet, den man an seinen kostbaren Kleidern erkannte.
Periander hatte sich das Angesicht mit einem feinen, durchsichtigen Schleier bedeckt, um dann plötzlich, wie mit einem Blitzstrahl, mit dem Lichte seiner Augen die der Barbaren zu treffen, welche ihn alle aufmerksam betrachteten.
Der Befehlshaber sprach mit der Dolmetscherin, und diese sagte Arnaldo, ihr Fürst lasse ihn bitten, er möge jener Dame befehlen, daß sie den Schleier zurückschlage. Es geschah; Periander erhob sich, enthüllte sein Gesicht, richtete die Augen zum Himmel, wie in Schmerz über sein Geschick versunken, und verbreitete dann die Strahlen seiner sonnenhellen Blicke nach allen Seiten, welche, so wie sie denen des Barbarenhäuptlings begegneten, diesen sogleich zum Sklaven machten; er zeigte dies wenigstens, indem er auf die Knie fiel, und auf seine Weise das schöne Bild anbetete, das er für ein Weib hielt. Darauf sprach er mit der Dolmetscherin, berichtigte den Kauf mit wenigen Worten, und gab so viel wie Arnaldo verlangen wollte, ohne die mindeste Einwendung.
Die Barbaren kehrten nun alle nach der Insel zurück und kamen gleich darauf wieder, indem sie eine große Anzahl Goldstangen und lange Schnüre der feinsten Perlen mitbrachten, was sie Alles ungezählt und in ungeordneten Massen Arnaldo einhändigten, der nun Periander bei der Hand ergriff, ihn den Barbaren übergab und zu der Dolmetscherin sprach: Sie möge ihrem Herrn sagen, er werde nach einigen Tagen wiederkommen, und ihm noch eine Jungfrau bringen, die, wenn sie auch nicht eben so schön sei, doch wohl verdiene, gekauft zu werden.
Periander umarmte Alle, die im Boote waren, und seine Augen standen voll Thränen, die nicht aus einem weibischen Herzen, sondern aus der Betrachtung aller der Leiden, die er schon erduldet hatte, entsprangen.
Arnaldo gab dem Schiffe ein Zeichen, auf daß die Kanonen abgefeuert würden, und der Barbar winkte den Seinigen, daß sie in ihre Hörner stießen, und in einem Augenblick hallte der Himmel den Kanonendonner und die Kriegsmusik der Barbaren wieder, und die Lüfte ertönten von verworrenen und mannichfachen Klängen. Unter diesem Freudengetön erreichte, auf den Schultern der Barbaren getragen, Periander das Ufer.
Arnaldo kehrte mit seinen Begleitern zum Schiffe zurück; er hatte mit Periander verabredet, sich, wenn der Wind ihm günstig sei, nicht weiter von der Insel zu entfernen, als nöthig war, um nicht von den Barbaren entdeckt zu werden; dann wolle er zurückkehren, um, wenn es sein müßte, Taurisa zu verkaufen. Periander solle ihm alsdann ankündigen, ob er Auristela gefunden habe. Wäre sie nicht auf der Insel, so würde sich wol ein Mittel finden, Periander wieder zu befreien, und sollte er auch mit seiner ganzen Macht und seinen verbündeten Freunden einen Krieg gegen die Barbaren erheben.