Casanova
Erinnerungen
Casanova

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Fünfundzwanzigstes Kapitel

Pittoni. – Zaguri. – Der Procuratore Morosini. – Der venetianische Konsul. – Görz. – Der französische Konsul. – Madame Leo. – Ich leiste dem Tribunal der Staatsinquisitoren wichtige Dienste. – Strasoldo. – Die Krainerin. – General Burghausen.

Der Wirt fragte mich nach meinem Namen. Ich verabredete mit ihm die Preise und fand mich gut untergebracht, schöne Zimmer mit gutem Bett. Am nächsten Morgen ging ich auf die Post und fand dort Briefe, die seit einem Monat auf mich warteten. In einem Briefe an Herrn Dandolo fand ich ein unversiegeltes Schreiben des Patriziers Marco Dona an den Polizeimeister Baron Pittoni. Ich las ihn und fand, daß ich darin warm empfohlen wurde. Ich ging sofort zu dem Beamten und übergab ihm meinen Brief. Er nahm ihn, las ihn aber nicht, sondern sagte mir, Herr Dona habe ihn bereits benachrichtigt, und ich könne darauf rechnen, daß er mich bei jeder Gelegenheit mit der größten Rücksicht behandeln werde.

Von Pittoni ging ich zum Juden Moses Levi, um ihm einen Brief von seinem Freunde Mardochai zu überbringen. Ich hatte keine Ahnung, daß dieser Brief irgendwelchen Bezug auf mich hatte, und begnügte mich daher damit, ihn in seinem Geschäftslokal einem der Angestellten zu übergeben.

Levi war ein kluger, liebenswürdiger und sehr wohlhabender Mann. Er machte mir gleich am nächsten Tage einen Besuch und bot mir in der freundlichsten Weise seine Dienste an. Er reichte mir den Brief seines Freundes und bat mich, ihn zu lesen. Mit Überraschung und Dankbarkeit sah ich, daß nur von mir die Rede war. Der gute Mardochai schrieb ihm: falls ich Geld nötig haben sollte, so bitte er ihn, mir zu geben, was ich wünsche. Er komme für hundert Zechinen auf.

Dieses Vorgehen Mardochais erfüllte mich mit tiefer Dankbarkeit und versöhnte mich sozusagen mit den Juden. Ich hielt mich für verpflichtet, ihm einen Danksagungsbrief zu schreiben und ihm für vorkommende Fälle, meinen Einfluß in Venedig zur Verfügung zu stellen.

Unwillkürlich verglich ich den kalten und förmlichen Empfang des Barons Pittoni mit Levis Benehmen. Welcher Unterschied!

Der Baron war zehn oder zwölf Jahre jünger als ich. Er war ein geistreicher und wissenschaftlich gebildeter Mann, liebenswürdig, zu Scherzen aufgelegt und gänzlich ohne Vorurteil. Er hatte kein Gefühl für das Mein und Dein, verstand es nicht, zu sparen, und überließ die Sorgen um sein Hauswesen seinem Kammerdiener, der ihn bestahl; er wußte dies, aber er machte sich nichts daraus. Ein grundsätzlicher Freund des Zölibats, war er galant gegen alle hübschen Frauen und ein großer Gönner aller Lebemänner. Im übrigen war er faul und gleichgültig und häufig in einem unverzeihlichen Grade zerstreut; dies ging so weit, daß er oft sogar wichtige Amtsgeschäfte vergaß.

Er stand im Rufe, ein Lügner zu sein, jedoch mit Unrecht; denn ein Lügner ist man nur, wenn man wissentlich Falsches sagt; wenn aber Pittoni nicht die Wahrheit sagte, so geschah dies nur, weil er sie vergessen hatte. Ich schrieb diese Charakterschilderung des seltsamen Menschen einen Monat nach dem Beginn unserer Bekanntschaft nieder. Wir wurden bald gute Freunde und sind es noch.

Nachdem ich meinen Freunden in Venedig meine Ankunft in Triest angezeigt hatte, verbrachte ich, in meinem Zimmer eingeschlossen, zehn Tage damit, alle auf die polnischen Ereignisse seit dem Tode der Elisabeth Petrowna bezüglichen Papiere zu ordnen, die ich von Warschau mitgebracht hatte. Ich wollte die Geschichte der Unruhen des unglücklichen Landes bis zu der Zerstückelung, die damals vorgenommen wurde, ausführlich behandeln.

Dieses Ereignis, das ich in Wort und Schrift vorausgesagt hatte, als der polnische Reichstag bei der Wahl des Königs Poniatowski die Zarin Katharina als Kaiserin aller Preußen und den Kurfürsten von Brandenburg als König in Preußen anerkannt hatte, regte mich zu dem Unternehmen an, die ganze Geschichte der Unruhen bis zur Teilung zu schreiben. Ich habe jedoch nur die ersten drei Bände veröffentlicht, weil der spitzbübische Drucker die vereinbarten Bedingungen nicht einhielt. Man wird nach meinem Tode das Manuskript der letzten vier Bände vorfinden, und wer meine Papiere erhält, kann sie veröffentlichen, wenn er Lust hat. Mir ist dies wie so vieles andere gleichgültig geworden, seitdem ich gesehen habe, wie die Herrschaft der Dummheit ihren Höhepunkt erreicht hat.

Polen, das heute nicht mehr vorhanden ist und das vielleicht vom Schicksal dazu bestimmt ist, niemals wieder eine Stelle unter den Nationen einzunehmen – Polen würde noch jetzt so vorhanden sein, wie es beim Tode des Kurfürsten von Sachsen, August des Dritten, war, wenn nicht die stolze und ehrgeizige Familie der Czartoryski von dem Grafen Brühl, dem Premierminister des Königs August, gedemütigt worden wäre.

Die erlauchte Familie dachte nur noch an Rache, und um diese zu erlangen, richtete der Woiwode von Rußland, Fürst August Czartoryski, sein unglückliches Vaterland zugrunde.

Die Leidenschaft machte diesen klugen Mann blind, und er vergaß, daß gewisse Grundsätze unerschütterlich sein müssen, besonders in der Politik.

Czartoryski beschloß, um sich für die Beleidigungen zu rächen, nicht nur das Haus Sachsen bei der nächsten Wahl vom polnischen Thron auszuschließen, sondern sogar den regierenden Herrscher vom Thron zu stoßen. Weil er, um seinen Zweck zu erreichen, die Freundschaft der Zarin und des Kurfürsten von Brandenburg nötig hatte, ließ er vom Reichstag die eine als Kaiserin aller Preußen und den andern als König in Preußen anerkennen.

Diese beiden Herrscher, die untereinander vollkommen einig waren, konnten mit der Republik nicht verhandeln, so lange diese Anerkennung noch nicht erfolgt war. Die Republik hatte jedoch vollkommen recht, wenn sie diese Titel nicht bewilligen wollte; denn sie besaß die hauptsächlichsten Preußen selber und war der wirkliche König von Preußen, da der Kurfürst von Brandenburg nur das Herzogtum Preußen besaß.

Von Rachsucht verblendet, überredete der Woiwode von Rußland, Czartoryski, den Reichstag, daß diese Anerkennung nur eine inhaltsleere Höflichkeitsformel sei, da der Bewerber weiter nichts wünschte, als die Ehre des Titels, und sich verpflichtete, diesen niemals verwirklichen zu wollen.

Die Herrscherin von Rußland und ihr Kollege, der Kurfürst von Brandenburg, baten allerdings nur um einen Titel, wie einst die Hündin nur um eine Hütte bat, um ihre Jungen werfen zu können; die Hündin erhielt die Hütte von ihrer gutmütigen Freundin, und die Republik bewilligte den Titel. Als aber die Kleinen der Hündin groß waren, zeigte die Mutter die Zähne. Bekanntlich haben Rußland und Preußen das Beispiel der Hündin befolgt, und Gott weiß, wie weit sie noch gehen werden! Weitsichtige und urteilsfähige Beobachter konnten voraussehen, daß der Besitz des Titels früher oder später dazu führen würde, von dem ganzen Lande Besitz zu ergreifen.

Der Woiwode von Rußland, den sein Vaterland verfluchen muß, hatte das Vergnügen, den Sohn seiner Schwester Constanze, Stanislaus Poniatowski, auf dem Throne zu sehen.

Ich sagte damals dem Woiwoden: der bewilligte Titel gebe ein wirkliches Recht, und das Versprechen, niemals davon Gebrauch machen zu wollen, sei illusorisch; die beiden Mächte würden niemals sich um den Titel beworben noch das Versprechen gegeben haben, wenn sie nicht die volle Bedeutung des ersten und die vollkommene Wertlosigkeit des zweiten erkannt hätten.

Lachend – denn ich konnte dem Fürsten von diesem Gegenstand nur im scherzhaften Ton sprechen, wie der Narr, der Weisheit feil hält – lachend fügte ich hinzu, infolge dieser Anerkennung könne von jetzt an ganz Europa die Republik Polen nur als zeitweiligen Inhaber der drei Reußen, des roten, weißen und schwarzen, und des Königreichs Preußen ansehen; spätestens die nächsten Nachfolger der anerkannten Fürsten würden der Republik die Last dieser Inhaberschaft abnehmen.

Es waren nicht die Nachfolger der Titelinhaber, die meine Prophezeihung wahr machten: die beiden anerkannten Fürsten ließen ihnen keine Zeit dazu; sie haben Polen mit ihren eigenen Händen zerstückelt. Sie haben allerdings nicht nötig gehabt, sich auf ihre Titel zu berufen; den die Politik, die im Äußerlichen stets den Anschein der Höflichkeit aufrecht erhält, hat sie von der Notwendigkeit entbunden, davon Gebrauch zu machen. Dieselben Herrscher, die damals Polen zerstückelten, haben im vorigen Jahr das Ganze an sich genommen.

Der zweite Fehler, den Polen damals beging, und zwar ein Hauptfehler, woran Czartoryski, damals die Seele der polnischen Politik, schuld war, bestand darin, duß man nicht an die Geschichte von dem Pferde dachte, das den Menschen zu seinem Beschützer erwählte.

Die römische Republik wurde die Herrin der damaligen bekannten Welt, indem sie die Königreiche beschützte, die sie später einverleibte.

Sieht man jemals regierende Fürsten einen Augenblick zögern, Ländern ihren erbetenen Schutz zu gewähren? Nein; denn sie wissen sehr gut, daß dies der erste Schritt ist, und daß das andere von selbst kommt. Kaum ist man Vormund, so macht man sich zum Vater und dann zum Herrn seines Mündels, wäre es auch nur, um die Erbschaft zu verwalten. So wurde meine teure Gebieterin, die Republik Venedig, Herrin des Königreichs Zypern, das später der Großtürke ihr fortnahm, um sich des guten Zypernweines zu bemächtigen, obgleich der Koran ihm die Benützung verbietet.

Venedig existiert heute nur noch zu seiner ewigen Schande.

Ehrgeiz, Rachsucht und Dummheit richteten also Polen zugrunde, vor allem aber die Dummheit.

Diese Dummheit, die zuweilen aus Güte und Gleichgültigkeit entsteht, verschuldete auch den Anfang von Frankreichs Untergang, als der schwache und unglückliche Ludwig der Sechzehnte auf den Thron kam. Jeder entthronte König muß dumm gewesen sein und verdiente seine Entthronung; denn eine Nation, die einen König hat, hat ihn nur, weil er die Gewalt hat; an und für sich ist ja die Kraft der Nation größer.

Ludwig der Sechzehnte ist also durch seine Dummheit zugrunde gegangen. Hätte er die Klugheit und die weise Vorsicht besessen, die der König eines geistreichen Volkes besitzen muß, so wäre er noch auf dem Throne und hätte Frankreich die Greuel erspart, die die rasende Wut einer Bande von Schurken, die Feigheit und Verderbtheit des Adels und die Habsucht einer despotischen, fanatischen und übermächtigen Geistlichkeit über das Land gebracht haben.

Die Krankheit, die in Frankreich herrscht, wäre überall anderswo leicht zu heilen; aber bei den Franzosen ist sie vielleicht unheilbar.

Die Nachwelt wird es erfahren, ich bin zu alt dazu.

Die französischen Emigranten können vielleicht gewissen Leuten leid tun, deren Mitleid bei jeder Gelegenheit erregt wird; ich aber erkläre hiermit, daß sie mir nur Verachtung einflößen; denn wenn sie standhaft sich um den Thron geschart hätten, so hätten sie der Gewalt Gewalt entgegensetzen und die Unruhestifter vernichten können, bevor diese Zeit gehabt hätten, zu Mördern ihrer Nation zu werden; ihre Pflicht, ihr eigener Nutzen und ihre Ehre schrieben ihnen vor, ihren König zu retten, oder sich von den Trümmern des Thrones begraben zu lassen. Statt dessen sind sie mit ihrem Stolz und ihrer Schande im Ausland umherstolziert, ohne Nutzen für sie selber und zum größten Schaden derer, die sie ernähren müssen.

Was wird aus Frankreich werden? Das kann ich nicht sagen; aber das weiß ich: ein Körper ohne Kopf kann nur ein Eintagsdasein führen, denn der Kopf ist der Sitz der Vernunft.

Am 1. Dezember ließ der Baron mich bitten, bei ihm vorzukommen; ich würde in seinem Hause jemanden finden, der eigens von Venedig herübergekommen wäre, um mich zu sehen.

Sehr neugierig zog ich mich in aller Eile an, und der Baron stellte mir einen elegant gekleideten schönen Mann von fünfunddreißig bis vierzig Jahren vor, der mich mit lachendem Gesicht und lebhafter Teilnahme ansah.

»Mein Herz sagt mir, daß Eure Exzellenz der Herr von Zaguri sind.«

»Ganz recht, mein lieber Casanova; sobald mein Freund Dandolo mir sagte, daß Sie hier wären, beschloß ich, Sie zu umarmen und Ihnen zu Ihrer demnächstigen Rückkehr in die Heimat Glück zu wünschen; diese wird, wenn nicht schon in diesem, spätestens im nächsten Jahre stattfinden; denn ich hoffe, zu Staatsinquisitoren zwei Männer ernannt zu sehen, von denen ich weiß, daß sie nicht taub und auch nicht dumm sind. Ich bin hierher gekommen, um Sie zu sehen, obwohl das Gesetz nicht erlaubt, daß ein im Amt befindlicher Avogador sich aus der Hauptstadt entfernt; dies muß Ihnen ein sicherer Beweis meiner Freundschaft sein. Wir werden heute und morgen den ganzen Tag beisammen sein.«

Ich antwortete ihm mit herzlichem Dank, indem ich besonders die hohe Ehre hervorhob, die sein Besuch für mich bedeute. Hierauf sagte Pittoni zu mir, ich möchte doch entschuldigen, daß er mich nicht aufgesucht hätte, er hätte es vergessen. Ein schöner alter Herr bat Seine Exzellenz, mich zum Mittagessen bei ihm einzuladen, obgleich er nicht die Ehre hätte, mich zu kennen.

»Wie?« rief Zaguri; »Casanova ist seit zehn Tagen in Triest, und der venetianische Konsul kennt ihn nicht?«

Ich beeilte mich, das Wort zu ergreifen, und sagte: »Das ist meine Schuld; ich hätte den Herrn zu beleidigen geglaubt, wenn ich ihm einen Besuch gemacht hätte, denn der Konsul von Venedig hätte mich für Schmuggelware halten können.«

Er antwortete mir witzig, von diesem Augenblick an werde er mich als Durchgangsware ansehen, die bis zur Wiedereinführung in ihr Heimatland in Quarantäne liege; sein Haus werde mir stets offen stehen, wie das des venetianischcn Konsuls in Ancona mir offen gestanden habe.

Durch diese Antwort gab der Konsul mir zu verstehen, daß meine Verhältnisse ihm bekannt waren, und dies war mir nicht unangenehm.

Marco Monti, so hieß der Konsul, war ein geistvoller und weltkluger Mann, ein liebenswürdiger, fröhlicher Gesellschafter, der ganz ausgezeichnet zu erzählen wußte und seine Zuhörer zum Lachen brachte, ohne selber zu lachen. Er konnte sich bei passenden Anlässen über gewisse Personen lustig machen, ohne doch diese zu verletzen, und er war die Seele aller Gesellschaften, in denen er verkehrte.

Da ich ebenfalls ein wenig das gleiche Talent besaß, so gefielen wir einander bald und wurden Nebenbuhler im Anekdotenwettkampf. Obgleich er dreißig Jahre älter war als ich, wußte ich seiner Weisheit auf angenehme Art die Spitze zu bieten, und wenn wir in einer Gesellschaft zusammen waren, dachte kein Mensch ans Spiel, um die Zeit zu töten.

Daß ich mir die Freundschaft dieses wackeren Mannes zu gewinnen wußte, war mir während meines zweijährigen Aufenthaltes in Triest sehr nützlich, und ich habe stets geglaubt, daß er viel zu meiner Begnadigung beigetragen hat, die damals der einzige Gegenstand meiner Wünsche war, weil ich von der Krankheit ergriffen war, die die Schweizer und Deutschen Heimweh nennen.

Für die Schweizer und Slawonier ist das Heimweh eine tödliche Krankheit, eine wahre Pest, die sie schnell hinwegrafft, wenn man sie nicht unverzüglich ihren Penaten wieder zuführt. Die Deutschen leiden ebenfalls leicht an Heimweh; denn sie sind Ofenhocker; von allen Völkern leiden die Franzosen und nach ihnen die Italiener am wenigsten an Heimweh.

Es gibt jedoch keine Regel ohne Ausnahme, und ich war eine solche Ausnahme. Hätte ich mich über die Krankheit hinweggesetzt, so wäre ich vielleicht nicht gestorben und jedenfalls hatte ich nicht neun Jahre meines Lebens bei meiner grausamen Stiefmutter Venedig verloren.

Ich speiste also mit Herrn Zaguri und zahlreicher anderer Gesellschaft beim Konsul und wurde für den nächsten Tag zum Gouverneur, dem Grafen Auersperg, eingeladen.

Dieser Besuch eines venezianischen Avogador verschaffte mir sehr große Achtung. Man konnte mich nicht mehr als einen Verbannten ansehen. Man behandelte mich wie einen Mann, dessen Auslieferung die venetianische Regierung nicht einmal verlangen könnte; denn da ich mein Vaterland nur verlassen hatte, um einem Gefängnis zu entfliehen, worin ich in widergesetzlicher Weise festgehalten wurde, so konnte die Regierung, deren Gesetze ich nicht übertreten hatte, mich nicht als schuldig ansehen.

Am dritten Tage begleitete ich Herrn Zaguri nach Görz, wo er drei Tage verweilte, da er sich den Ehrenbezeigungen des in jener Gegend sehr vornehmen Adels nicht entziehen konnte. Ich erhielt ebenfalls meinen Teil oder vielmehr die Hälfte von allen Höflichkeiten, die man ihm erwies, und ich sah, daß ein Fremder in Görz sehr ungezwungen leben und alle die Annehmlichkeiten der Gesellschaft genießen konnte.

Ich lernte dort einen Grafen Cobenzl kennen, der vielleicht noch lebt, einen weisen, freigebigen, vollkommen anspruchslosen Mann von tiefer Gelehrsamkeit. Er gab Herrn von Zaguri ein großes Diner, und ich lernte dabei vier Damen kennen, die in jeder Beziehung meine Huldigungen verdienten. Ferner machte ich die Bekanntschaft des Grafen Torres, dessen Vater, ein Spanier von Geburt, als Generalleutnant in österreichischen Diensten stand. Er hatte sich im Alter von sechzig Jahren mit einer sehr fruchtbaren Frau verheiratet, die ihm fünf Kinder schenkte, welche sämtlich ebenso häßlich waren wie er. Seine ausgezeichnet erzogene Tochter war trotz ihrer Häßlichkeit sehr liebenswürdig; denn sie glich an Geist und Charakter ihrer Mutter. Der älteste Sohn war häßlich und schielte; er war ein geistreicher Mensch, aber beinahe verrückt; außerdem war er Wüstling, Prahlhans, Lügner, Schwätzer und Verleumder. Trotz allen seinen Fehlern und Lastern sah man ihn gern in den Gesellschaften, weil er sehr gut und auf eine komische Art erzählte. Hätte er studiert, so wäre er ein sehr gelehrter Mann geworden, denn er hatte ein wunderbares Gedächtnis. Er übernahm, leider vergeblich, die Bürgschaft für den Vertrag, den ich mit dem Buchdrucker Valerio Valeri wegen der Veröffentlichung der Geschichte von Polen abschloß. Ferner lernte ich während dieser beiden Tage einen Grafen Coronini kennen, der wegen einiger Werke, die er in lateinischer Sprache über diplomatische Gegenstände veröffentlicht hatte, für einen Gelehrten galt. Kein Mensch las diese Werke und man gab ihm lieber freiwillig den Titel eines Gelehrten, als daß man sich die Mühe machte, nachzuforschen, ob er ihn wirklich verdiente.

Außerdem wurde ich einem jungen Edelmann namens Morelli vorgestellt. Er hatte eine Geschichte von Görz geschrieben und stand im Begriff, den ersten Band derselben zu veröffentlichen. Er gab mir sein Manuskript mit der Bitte, es in meinen Mußestunden in Triest zu lesen und etwaige Mängel, die ich fände, zu verbessern. Ich führte diesen Wunsch zu seiner Zufriedenheit aus, denn ich schickte ihm sein Werk zurück, ohne etwas hinzugefügt oder gestrichen zu haben. Hierdurch machte ich mir ihn zum Freunde. Das wäre jedenfalls nicht der Fall gewesen, wenn ich mir die Mühe gemacht hätte, kritische Bemerkungen zu schreiben.

Ich faßte eine große Zuneigung zum Grafen Franz Karl Coronini, einem sehr begabten jungen Mann. Er hatte eine Belgierin geheiratet; da er sich jedoch nicht mit ihr vertragen konnte, so lebte sie in ihrer Familie, und er hatte sich auf sein Schloß zurückgezogen, wo er seine Zeit mit kleinen Liebschaften, Jagdpartien und mit dem Lesen einer Menge von politischen und literarischen Zeitungen verbrachte. Er lachte über die Leute, welche behaupteten, es gäbe auf dieser Welt keine Glücklichen. Denn er war glücklich, und er begründete diese Behauptung mit einem Satz, auf den sich nichts erwidern ließ: »Ich fühle mich glücklich.« Er hatte recht; er ist jedoch im Alter von fünfunddreißig Jahren an einem Geschwür im Kopfe gestorben, und die Schmerzen, die ihn getötet haben, werden wahrscheinlich seine Meinung geändert haben.

Es ist nicht wahr, daß es auf der Welt einen Menschen gibt, der beständig glücklich oder beständig unglücklich ist. Ob einer mehr glücklich oder mehr unglücklich ist, kann von niemandem festgestellt werden; denn Glück und Unglück sind relativ und hängen vom Charakter, vom Temperament und von den äußeren Umständen ab.

Ebensowenig ist es wahr, daß die Tugend den Menschen glücklich macht; denn es gibt Tugenden, deren Ausübung Leiden verursachen muß; jedes Leiden aber schließt das Glück aus.

Meine Leser werden wohl begreifen, daß ich nicht zu denen gehöre, die das moralische Glück über alles stellen; wir sind zu sehr Leib, als daß die geistige Befriedigung allen Ansprüchen genügen könnte. Mag auch das Genießen noch so ruhig sein, so begreife ich doch nicht, wie es glücklich machen kann, wenn man Hunger hat oder wenn von einem Kolikanfall sich die Eingeweide zusammenziehen.

Ich begleitete meinen prächtigen Avogador Zaguri in Gesellschaft des Barons Pittoni bis an die Grenze des venetianischen Gebietes und kehrte mit dem letzteren nach Triest zurück.

In der Begleitung des liebenswürdigen Venetianers befand sich der Abbate Pini, ein geistiger Advokat, der eine große Geschicklichkeit in Scheidungsangelegenheiten besaß.

Innerhalb drei oder vier Tagen stellte Pittoni mich in allen vornehmen Familien vor und führte mich im Kasino ein, zu welchem nur die ersten Kreise der Stadt Zutritt hatten. Dieses Kasino befand sich in demselben Gasthof, wo ich wohnte.

Unter den Damen fand ich am bemerkenswertesten eine evangelische Venetianerin, die Tochter eines deutschen Bankiers und Gattin des in Triest ansässigen Kaufmanns Pickelin aus Schwaben.

Pittoni war in sie verliebt und blieb es bis zu ihrem Tode. Er liebte sie zwölf Jahre lang, wie Petrarca seine Laura liebte; er seufzte und hoffte unaufhörlich und erlangte niemals etwas. Diese seltene Frau, namens Zanetta, deren Gatte keine Eifersucht kannte, war schön, sang entzückend zum Klavier und stand aufs beste ihrem Hause vor. Was sie aber noch mehr auszeichnete als alle Vorzüge der Natur und Erziehung, das war die Sanftmut ihres Charakters und eine unerschütterliche, ewig gleich bleibende gute Laune. Ich brauchte nur drei Tage lang mit ihr zu verkehren, um zu erkennen, daß sie nicht zu erobern war. Ich sagte dies, jedoch vergeblich, dem armen Pittoni, den sie stets vor ihren andern Anbetern auszeichnete, ohne sich jedoch jemals von der ehelichen Treue zu entfernen, die sie ihrem Gatten und gewiß noch mehr sich selber gelobt hatte.

Was ihr wahrscheinlich die Tugend weniger schwer machte, war eine sehr zarte Gesundheit. Man hätte dies nicht geglaubt, wenn man sie sah; aber die Tatsache war in der ganzen Stadt bekannt; die reizende Frau ist denn auch wirklich in jungen Jahren eines sanften Todes gestorben.

Einige Tage nach der Abreise des Herrn Zagun erhielt ich vom Konsul briefliche Nachricht, daß der Herr Prokurator Morosini während der Nacht in Triest angekommen sei und im selben Gasthof wie ich wohne; wenn ich ihn kenne, so rate er mir, die Gelegenheit zu benutzen und ihm meine Aufwartung zu machen.

Ich war dem guten Konsul für seine Mitteilung und seinen Rat unendlich dankbar; denn Herr von Morosini war eine der ersten Persönlichkeiten von Venedig, nicht nur, weil er die erlauchte Würde eines Prokurators von San Marco bekleidete, sondern auch wegen seiner hohen Weisheit. Er kannte mich seit meiner Kindheit, und der Leser erinnert sich vielleicht, daß er mich im Jahre 1750 in Fontainebleau dem Marschall Richelieu vorstellte, als die angebliche Querini auf die Eroberung Ludwigs des Fünfzehnten ausging.

Nachdem ich in aller Eile sorgfältig Toilette gemacht hatte, wie wenn ich mich einem Monarchen vorstellen sollte, begab ich mich in sein Vorzimmer und schickte zu meiner Anmeldung ein Briefchen hinein. Er ließ mich nicht warten; er kam selber heraus, rief mich hinein und sprach in den freundlichsten Ausdrücken sein Vergnügen aus, mich wiederzusehen.

Nachdem ich ihm gesagt hatte, warum ich mich in Triest aufhielt, und daß ich nach einem so wechselreichen Leben den sehnlichsten Wunsch hätte, in meine Heimat zurückzukehren, versicherte er mir, er werde alles tun, was in seinen Kräften stehe, um mir die Gnade des gestrengen Tribunals zu erwirken; er glaube, daß ein Mann wie ich, nach siebzehn Jahren, wohl Anspruch darauf habe. Er dankte mir für meine Freundlichkeit, daß ich mich in Florenz seines Neffen angenommen hätte, und behielt mich den ganzen Tag bei sich, um ihm in allen Einzelheiten die interessanten Abenteuer meines Lebens zu erzählen.

Er freute sich, als er hörte, daß Herr von Zaguri alles für mich tun wolle, und bat mich, an ihn zu schreiben, er möchte sich dieserhalb mit ihm in Verbindung setzen. Er empfahl mich lebhaft dem Konsuls und da dieser mit dem Sekretär des Tribunals der Staatsinquisitoren in ununterbrochener schriftlicher Verbindung stand, so war es ihm eine ganz besondere Freude, melden zu können, mit welcher Achtung der Prokurator mich behandelt hätte, und daß er, der Konsul, dadurch genötigt wäre, mich mit der größten Rücksicht zu behandeln.

Nach Herrn von Morosinis Abreise begann ich in Triest mein Leben zu genießen, aber in einer Weise, wie sie meinen Mitteln entsprach; ich mußte sparsam sein, denn meine sicheren Einnahmen betrugen nur fünfzehn Zechinen im Monat.

Ich spielte niemals und speiste jeden Tag bei denen, die mich ein für allemal eingeladen hatten und mich, wie ich wußte, gerne sahen. Dies waren außer mehreren anderen der venetianische Konsul, der französische Konsul, ein etwas grober, aber anständiger Mann, der einen guten Koch hatte, und Pittoni, in dessen Hause man gut speiste, dank seinem Kammerdiener, der keine Ausgaben scheute, weil er dabei selber am besten seine Rechnung fand. Freuden der Liebe genoß ich nur hie und da, lediglich um das Bedürfnis zu befriedigen; ich nahm meine Börse und noch mehr meine Gesundheit in acht.

Gegen Ende des Karnevals war ich auf einem Maskenball im Theater, und ein Harlekin stellte mir seine Harlekine vor. Die beiden neckten mich, und die Harlekine gefiel mir so, daß ich heftige Lust bekam, sie kennen zu lernen. Nach vielen Nachforschungen sagte der französische Konsul, Herr de St.-Sauveur, mir: »Der Harlekin ist ein adeliges Fräulein; die Harlekine dagegen ist ein hübscher Junge. Wenn Sie wünschen, werde ich Sie der Familie Harlekins vorstellen, und ich bin überzeugt, sobald Sie ihn in ein Mädchen verwandelt sehen, wird er Sie viel mehr interessieren als seine Kameradin, ein so hübscher Junge sie auch ist.«

Während die beiden Masken mich bis zum Ende des Balles unaufhörlich neckten, konnte ich, ohne den Anstand allzu schwer zu verletzen, mich überzeugen, daß der Konsul mir nichts Falsches gesagt hatte. Als wir uns trennten, forderte ich ihn auf, sein Wort zu halten, und er versprach mir, mich am Aschermittwoch vorzustellen.

Auf diese Weise machte ich die Bekanntschaft der Frau Leo, einer klugen und liebenswürdigen Dame, die in ihrer Jugend fröhlich gelebt hatte, trotzdem abe»noch schön war. Sie hatte ihrem Gatten einen Sohn und sechs Töchter geschenkt, die alle recht hübsch waren;

besonders aber der verkleidete Harlekin, der mir sehr gefiel. Natürlich verliebte ich mich in das junge Mädchen; da ich jedoch um dreißig Jahre älter war als sie, und besonders, da ich ihr anfangs nur eine väterliche Zärtlichkeit gezeigt hatte, so hielt mich ein Gefühl von Scham, das bis dahin meinem Charakter ganz fremd gewesen war, davon zurück, irgend etwas zu unternehmen, was sie auf den Gedanken bringen konnte, daß ich sie wie ein Liebhaber liebte. Ich verlangte daher niemals etwas von ihr, was über die Grenzen einer väterlichen Liebe hinausgeht. Erst vier Jahre später erfuhr ich von ihr selber, daß meine Neigung ihr nicht entgangen war und daß sie oft über meine dumme Zurückhaltung gelacht hatte.

Die Natur ist eine geschickte Lehrerin, von der ein junges Mädchen durch seinen Instinkt mehr lernt, als uns Graubärte die Erfahrung eines langen Lebens lehrt.

Nach dem Osterfest des Jahres 1773 wurde der Stalthalter von Triest, Graf Auersperg, nach Wien berufen, und an seine Stelle kam der Graf von Wagensperg. Seine älteste Tochter, Gräfin Lantieri, war so schön wie ein Stern; sie flößte mir eine Leidenschaft ein, die mich unglücklich gemacht haben würde, wenn ich nicht Kraft genug besessen hätte, meine Liebe mit dem Schleier der größten Ehrfurcht zu umhüllen.

Zur Feier der Ankunft des neuen Statthalters ließ ich ein Gedicht drucken, worin ich die Verdienste des Vaters pries und auch den seltenen Vorzügen der Tochter eine glänzende Huldigung darbrachte.

Da diese Aufmerksamkeit gut aufgenommen wurde, begann ich eifrig in dem Hause des Statthalters zu verkehren. Der Graf wurde mein Freund und bezeigte mir seine Freundschaft durch vertrauliche Mitteilungen. Er wünschte, daß ich diese zu meinem Vorteil verwendete; er sagte es mir zwar nicht ausdrücklich, aber es war leicht zu erraten, daß dies seine wohlwollende Absicht war.

Der venetianische Konsul hatte mir mitgeteilt, er bemühe sich seit vier Jahren bei der Statthaltere! in Triest, daß die Schnellpost, die wöchentlich einmal von Triest nach Mestre fuhr, ihren Weg um eine einzige Post verlängerte und Udine, die Hauptstadt des venezianischen Friaul, berührte.

»Wenn die Schnellpost nach Udine führe,« sagte der Konsul zu mir, »so wäre dies für den Handel beider Staaten von großem Vorteil; der Stadtrat von Triest widersetzt sich jedoch dieser Maßregel aus einem ebenso gesuchten wie unverschämten Grunde. Die Triester Handelsrichter behaupten als große Politiker, wenn die Republik Venedig diese Maßregel so eifrig wünsche, so wäre dies ein offenbarer Beweis, daß sie für Venedig nützlich und folglich für Triest schädlich sein würde.«

Der Konsul versicherte mir, die Staatsinquisitoren würden eine sehr gute Meinung von mir bekommen, wenn ich diese Sache in Ordnung bringen könnte; wenn ich für diesen wichtigen Dienst nicht durch meine Begnadigung belohnt würde, so würde ich mich zum mindesten ihrer Achtung würdig machen; ich könnte mich auf seine Freundschaft verlassen, daß er meine Leistung in das richtige Licht stellen würde, so daß der ganze Verdienst mir zufallen würde.

Ich hatte dem Konsul versprochen, daran zu denken.

Da ich nun sah, daß der Statthalter eine sehr gute Meinung von mir hatte, sprach ich eines Tages mit ihm über diese Angelegenheit. Er kannte sie und sagte mir, er finde die Halsstarrigkeit des Stadtrates lächerlich und sogar skandalös. Leider könne er jedoch nichts dabei tun, da der Beschluß nicht von ihm abhänge.

»Der hartnäckigste von allen«, sagte der wohlwollende Graf, »ist der Stadtrat Rizzi, und er versteht es, durch sophistische Gründe seine Meinung in der Versammlung durchzusetzen. Reichen Sie nur eine Denkschrift ein, worin Sie logisch nachweisen, daß die Erfüllung des Wunsches der Republik Venedig viel vorteilhafter für den Freihafen und die große Handelsstadt Triest sein wird, als für Udine, dessen Handel winzig klein ist. Ich werde dem Stadtrat diese Denkschrift übersenden, ohne zu sagen, von wem ich sie erhalten habe; ich werde mich den angeführten Gründen anschließen und die gegnerischen Räte auffordern, Ihre Gründe durch überzeugende Gegengründe zu widerlegen. Schließlich werde ich vor versammeltem Rate erklären, daß ich die Angelegenheit mit meinen Erläuterungen nach Wien berichten werde, wenn sie nicht im Sinne der gesunden Vernunft entschieden wird.«

Da ich meiner Sache sicher war, so ging ich sofort ans Werk und hatte bald eine Denkschrift fertig, gegen die man nur Scheingründe anführen konnte.

Der Erfolg war vollständig. Der Stadtrat beschloß die gewünschte Abänderung des Fahrplans, und Graf Wagensperg übergab mir eine Abschrift des Beschlusses, die ich eilends dem venezianischen Konsul überbrachte. Auf dessen Rat schrieb ich an den Sekretär deS Tribunals, ich schätze mich glücklich, daß ich dem Tribunal eine Probe meines Eifers habe geben können; es sei mein Wunsch, mich meinem Vaterlande nützlich zu machen und die gnädige Erlaubnis zur Rückkehr zu erhalten, sobald Ihre Exzellenzen mich derselben würdig erachteten.

Der Statthalter veröffentlichte mir zuliebe die neue Fahrordnung erst nach acht Tagen, so daß man in Undine die glückliche Änderung durch das Tribunal von Venedig erfuhr, bevor die Stadt Triest etwas davon wußte. Man glaubte allgemein, das Tribunal von Venedig, das alles im geheimen abmacht, habe den Erfolg durch Geld erlangt. Der Sekretär antwortete mir nicht, schrieb jedoch dem Konsul einen Brief, den dieser mir zeigte. Hierin befahl er dem Konsul, mir eine Belohnung von hundert Silberdukaten auszuzahlen, das sind vierhundert Franken, und mir mitzuteilen, dies solle mich ermutigen, der Republik gut zu dienen, und ich könne von der Milde des Tribunals alles erhoffen, wenn ich in der großen Angelegenheit der Armenier Erfolg hätte.

Der Konsul teilte mir in einer Viertelstunde mit, worum es sich bei dieser Angelegenheit handelte. Ich war sofort der Meinung, daß ich meine Zeit und Mühe verlieren würde; trotzdem beschloß ich den Versuch zu machen.

Vier armenische Mönche waren aus dem Kloster San Lazzaro in Venedig entflohen, weil ihnen die Tyrannei ihres Abtes unerträglich geworden war. Sie hatten sehr reiche Verwandte in Konstantinopel und verlachten daher den Bannfluch ihres Tyrannen, der sie für Abtrünnige erklärte. Sie waren nach Wien gegangen und hatten um sichere Zuflucht gebeten. Sie versprachen sich dem Staat nützlich zu machen, indem sie auf ihre Kosten eine armenische Druckerei einrichteten, die die sämtlichen armenischen Klöster in dem ganzen großen türkischen Reich mit Büchern versehen würde. Sie verpflichteten sich, eine Summe von einer Million Gulden aufzuwenden, um an dem Ort, wo Ihre k. k. Majestät ihnen die Niederlassung gestatten werde, die geplante Druckerei in großem Stil zu begründen und ein Haus zu kaufen oder bauen zu lassen, wo sie in klösterlicher Gemeinschaft, jedoch ohne Oberhaupt, zu leben gedächten.

Wie zu erwarten war, erfüllte die österreichische Regierung ohne Zögern ihren Wunsch; sie bewilligte ihnen sogar Privilegien.

Es galt den Platz Venedig dieses einträglichen Handels zu berauben und ihn nach dem kaiserlichen Staat zu verpflanzen. Der Wiener Hof schickte infolgedessen die armenischen Mönche nach Triest mit einer dringenden Empfehlung an den Statthalter. Sie hielten sich seit sechs Monaten dort auf.

Die Inquisitoren hatten natürlich den lebhaften Wunsch, die Mönche nach Venedig zurückzubringen. Nachdem sie vergeblich versucht hatten, auf geradem Wege ihr Ziel zu erreichen, indem ihr Abt ihnen die weitgehendste Genugtuung anbot, versuchten sie durch alle möglichen Geheimmittel den Mönchen Hindernisse zu bereiten, ihnen die Niederlassung in Triest zu verleiden.

Der Konsul sagte mir ganz offen, er habe sich an diese Sache nicht herangemacht, weil ihm ein Gelingen in jeder Beziehung unmöglich erschienen sei; er sagte mir voraus, ich würde mein Latein dabei verlieren, wenn ich den Versuch machte.

Ich fühlte die Nichtigkeit dieser Prophezeihung des ehrenwerten Konsuls um so mehr, da ich bei diesem Anlaß nicht auf die Freundschaft des Statthalters rechnen durfte, denn ich konnte mir nicht einmal erlauben, mit diesem zu sprechen. Es war mir im Gegenteil sofort klar, daß ich sorgfältig alles vermeiden mußte, um den hohen Beamten ahnen zu lassen, daß ich die Mönche von ihren Plänen abzubringen versuchen wollte. Er mußte alles, was in seinen Kräften stand, aufbieten, um dem Plan der vier Flüchtlinge zum Gelingen zu verhelfen, nicht nur, weil er als kaiserlicher Diener diese Pflicht hatte, sondern auch weil ihn ein ganz besonderer Eifer für den Handel von Triest beseelte.

Trotz allen diesen Erwägungen trieb mich mein Heimweh, mich mit den Mönchen bekannt zu machen. Ich besuchte sie unter dem Vorwande, mir die armenischen Typen anzusehen, die sie bereits hatten gießen lassen, und die Waren aus kostbaren Metallen und Edelsteinen zu besichtigen, die sie aus Konstantinopel hatten kommen lassen. In acht bis vierzehn Tagen war ich ihr vertrauter Freund geworden. Eines Tages sagte ich zu ihnen, ihre Ehre verlangte, daß sie zu dem Gehorsam zurückkehrten, den sie ihrem Abt geschworen hätten, wäre es auch nur, damit der über sie verhängte Kirchenbann aufgehoben würde.

Einer von den vieren, und zwar eben der, der am meisten erbittert war, antwortete mir, der Abt selber hätte zuerst das Band zerrissen, das sie früher vereinigt hätte, denn er hätte sich wie ein Tyrann benommen und nicht wie ein Vater; was den Kirchenbann betreffe, so habe ein boshafter Priester nicht das Recht, ehrliche Christen darast zu verhindern, daß sie mit dem Heiland aller Menschen verkehrten; übrigens sei er überzeugt, daß ihr Patriarch sie vom Bann lösen und ihnen mehrere levantinische Mönche zusenden werde, um sich zur Begründung eines neuen Klosters in Triest mit ihnen zu vereinigen.

Ich fand, daß ich gegen derartige Gründe nicht ankämpfen konnte; trotzdem fragte ich sie an einem anderen Tage, welche Bedingungen ihr früherer Abt erfüllen müßte, damit sie nach Venedig zurückkehrten.

Der Vernünftigste von ihnen antwortete mir, die erste Bedingung würde sein, daß der Abt sich vom Marchese Serpos vierhunderttausend Dukaten zurückzahlen ließe, die er ihm zu vier Prozent geliehen hätte.

Diese vierhunderttausend Dukaten bildeten das Grundvermögen des Klosters San Lazzaro, das die armenischen Basilianer seit dreihundert Jahren in Venedig unterhielten. Dieses Vermögen war von der Nation hergegeben worden, und der Abt konnte nicht einmal unter Zustimmung der Mehrheit seiner Mönche darüber verfügen. Wenn der Marchese Serpos Bankerott gemacht hätte, so wäre das Kloster mittellos gewesen, und es war nicht zu leugnen, daß der Abt dies beträchtliche Kapital seinem eigentlichen Zwecke entfremdet hatte.

Marchese Serpos, ein armenischer Kaufmann, der in Venedig ein großes Juwelengeschäft betrieb, war ein intimer Freund des Abtes.

Auf meine Frage nach den anderen Bedingungen antworteten meine Armenier, diese beträfen nur die Klosterordnung und es würde sich darüber ohne Schwierigkeit eine Einigung erzielen lassen; sie würden mir diese anderen Bedingungen schriftlich mitteilen, sobald ich ihnen die Gewißheit geben könnte, daß Serpos nicht mehr das Klostervermögen in Händen hätte.

So hatte also meine Unterhandlung in aller Form begonnen. Ich schrieb alles nieder, und der Konsul sandte meinen Bericht dem Tribunal. Sechs Wochen darauf erhielt ich die Antwort, der Abt würde imstande sein, die streitige Summe auf der Bank zu hinterlegen, wollte jedoch vorher im einzelnen wissen, worin die Abänderungen der Klosterordnung bestehen sollten.

Als ich diesen Bescheid las, der genau das Gegenteil von dem war, was ich geschrieben hatte, beschloß ich, die Sache aufzugeben. Zu diesem Entschluß veranlaßten mich hauptsächlich auch einige Worte, welche Graf Wagensperg mir im Vertrauen sagte: »Ich weiß, daß Sie die vier Mönche mit ihrem Abt aussöhnen wollen, und dies ist mir schmerzlich; denn wenn Ihnen ihr Plan gelingt, so müssen Sie dem Lande schaden, worin Sie sich zurzeit aufhalten und dessen Freund Sie sein müssen, weil man Sie hier achtet und Sie dementsprechend behandelt.«

Ohne Zögern erklärte ich ihm mit voller Aufrichtigkeit den ganzen Zusammenhang. Ich versicherte ihm, ich würde die Angelegenheit niemals in die Hand genommen haben, wenn ich nicht die innere Überzeugung gehabt hatte, daß sie nicht gelingen könnte. Ich hätte nämlich aus Venedig, und zwar aus einer ganz zuverlässigen Quelle erfahren, daß es dem Marchese Serpos vollständig unmöglich wäre, die von dem Abt erhaltenen vierhunderttausend Dukaten zurückzuerstatten.

Diese Erklärung verscheuchte auch die letzte Wolke der Verdrießlichkeit.

Die Armenier kauften für dreißigtausend Gulden das Haus des Stadtrates Rizzi und richteten sich darin ein. Ich besuchte sie von Zeit zu Zeit, aber von Venedig wurde nicht mehr gesprochen.

Bald darauf gab mir Graf Wagensperg, der leider im Herbst desselben Jahres kaum fünfzig Jahre alt starb, wieder einen neuen Beweis seiner Güte.

Als ich eines Morgens bei ihm war, zeigte er mir ein dickes Aktenstück, das er soeben von Wien erhalten hatte, und sagte: »Es ist schade, daß Sie nicht Deutsch verstehen; ich hätte Sie gerne dieses Aktenstück lesen lassen. Doch einerlei, ich werde Ihnen den Inhalt desselben sagen. Sie haben hier, mein lieber Casanova, eine Gelegenheit, bei den Behörden Ihrer Heimat Ehre einzulegen, ohne daß Sie das Mißfallen derer zu erregen brauchen, die von Amts wegen verpflichtet sind, unserem Handel jeden möglichen Vorteil zuzuwenden. Es versteht sich von selbst, daß Sie niemals meinen Namen nennen dürfen. Ich will Ihnen etwas anvertrauen, was Ihnen großen Vorteil bringen muß, einerlei, ob Sie mit Ihrem Schritt Erfolg haben oder nicht; denn auf alle Fälle wird man genötigt sein, Ihre Vaterlandsliebe anzuerkennen; man wird Ihnen dankbar sein für die Schnelligkeit, womit Sie diese Nachricht mitteilen, und wird Ihnen die Geschicklichkeit, womit Sie sie entdeckt haben, als Verdienst anrechnen. Nur dürfen Sie niemals enthüllen, wie Ihnen die Angelegenheit bekannt geworden ist; sagen Sie weiter nichts, als daß Sie für die Wahrheit Ihrer Meldung bürgten, und daß Sie dieselbe nicht machen würden, wenn Sie ihrer Richtigkeit nicht vollkommen sicher wären. Es handelt sich um folgendes: Alle Waren, die wir nach der Lombardei schicken, nehmen den Weg durch das venetianische Gebiet und über Venedig selbst, wo man sie auf dem Zollamt in Empfang nimmt und als Durchgangsgut in Speichern aufstapelt. Dies ist immer so gewesen, ist noch jetzt so und kann noch lange so bleiben, wenn die venetianische Regierung sich entschließt, die Lagergebühren für unsere Waren mindestens auf die Hälfte herabzusetzen. Die vier Prozent, die wir jetzt bezahlen, bilden eine ungeheuerliche Abgabe. Nun ist ein Plan vorgelegt worden, den der Wiener Hof sofort gebilligt hat. Hier habe ich den Befehl, diesen Plan sofort ausführen zu lassen, ohne auch nur die venetianische Regierung vorher zu benachrichtigen; denn dieser Plan ist nicht derart, daß wir verpflichtet wären, ihn einer befreundeten Regierung vorher mitzuteilen. Wenn es sich nur um einen Durchgangsverkehr handelt, so bezahlt man für die Waren, die man schickt; wenn man keine schickt – und dazu ist man ja nicht verpflichtet – so braucht man nichts zu bezahlen, und niemand hat ein Recht, sich zu beklagen, wenn ein Staat oder auch ein einfacher Privatmann diesen Weg oder einen anderen wählt. So liegt die Sache in diesem Falle. Von jetzt an wird alles, was wir nach der Lombardei schicken, hier eingeschifft und in Mezzola ausgeladen werden, ohne in Zukunft das Gebiet der Republik zu berühren. Mezzola gehört dem Herzog von Modena und liegt Triest gegenüber. Die Fahrt über die Adria erfordert nur eine Nacht und unsere Waren werden in Speichern gelagert werden, die man sofort bauen lassen wird. Wie Sie sehen, kürzen wir auf diese Weise die überfahrt um die Hälfte ab, was schon an sich einen bedeutenden Gewinn ausmacht. Ferner wird die Regierung von Modena sich mit einem kleinen Wiegegeld begnügen, das kaum ein Viertel von dem beträgt, was die venetianische Behörde verlangt. Trotzdem bin ich überzeugt, daß man ein Anerbieten Ihrer Republik annehmen wird, wenn sie nach Erwägung dieser Gründe dem Finanzministerium und dem Handelsgericht in Wien mitteilen läßt, daß sie bereit sei, die bisher bezogenen Gebühren um die Hälfte zu vermindern; denn Neuerungen machen stets Arbeit und sind durchaus nicht nach dem Geschmack der österreichischen Regierung, weil sie außerordentliche Ausgaben erfordern und infolge von Ereignissen und Umständen, die sich nicht voraussehen lassen, zu Unordnungen Anlaß geben können. Ich werde diese Angelegenheit erst in vier bis fünf Tagen der Handelskammer vortragen, denn wir haben es durchaus nicht eilig. Sie dagegen müssen sich beeilen; denn sobald ich den Entschluß meiner Regierung bekannt mache, wird Ihre Regierung durch Ihren Konsul und durch alle venetianischen Kaufleute davon in Kenntnis gesetzt werden. Ich würde mich freuen, wenn Sie die Veranlassung wären, daß ich in dem Augenblick, wo ich die Sache in die Hand nähme, von Wien den Befehl erhielte, sie noch aufzuschieben.«

Ich begriff sofort, welchen Vorteil es mir bringen könnte, wenn ich diese Neuigkeit unverzüglich den Staatsinquisitoren übermittelte; denn es ist die Marotte dieses gestrengen und schrecklichen Tribunals, die Welt dadurch in Staunen zu setzen, daß es alles auf irgendeine unerklärliche Art bereits vorher weiß. Diese unerklärlichen Mittel können natürlich nichts anderes sein, als ein ungeheures Spioniersystem, das mit reichlichem Golde unterhalten wird.

Ich sprach dem Grafen meine tiefste Dankbarkeit aus und sagte ihm, ich würde sofort den Bericht niederschreiben und diesen, nachdem er ihn gelesen hätte, durch einen besonderen Boten den Staatsinquisitoren senden.

»Gut, ich werde ihn mit Vergnügen lesen.«

Voller Freude ging ich nach Haus. Ich speiste an diesem Tage nicht zu Mittag, sondern schrieb in vier oder fünf Stunden Entwurf, Reinschrift und Abschrift und brachte dann das Ganze Seiner Exzellenz dem Herrn Statthalter, der von meiner Schnelligkeit ganz entzückt war. Er fand alles vortrefflich, und ich begab mich sofort zum Konsul, den ich ohne alle Vorrede bat, meine Schrift zu lesen.

Als er sie gelesen hatte, sah er mich ganz erstaunt an und sagte: »Sind Sie wirklich sicher, daß diese ganze Geschichte kein Märchen ist? Mir erscheint sie unmöglich, denn ich weiß kein Wort davon, so wenig wie irgendein anderer Mensch in Triest.«

»Ich bürge mit meinem Kopfe für die Wahrheit des von mir Berichteten; aber ich bitte Sie, nicht von mir zu verlangen, daß ich Ihnen die Quelle dieser wichtigen Nachricht bekannt gebe.«

Er dachte einige Augenblicke nach und sagte dann: »Wenn ich dieses Schriftstück als einen Bericht, von dem ich Kenntnis genommen habe, nach Venedig schicken soll, kann ich ihn nur an die Fünf Weisen des Handelsgerichts adressieren, deren Untergebener ich bin, und nicht an die Staatsinquisitoren, es sei denn, daß Sie mich ausdrücklich ersuchen, dies zu tun. Da es nun in Ihrem Interesse liegt, dieses Schriftstück den Staatsinquisitoren selber zuzusenden, so rate ich Ihnen, es mir versiegelt zu übergeben und mir dazu einen höflichen Brief zu schreiben, worin Sie mich bitten, es dem Tribunal zu überschicken, und Ihnen nicht übe! zu nehmen, daß Sie es mir nicht offen übergeben.«

»Warum soll ich denn Ihnen ein solches Mißtrauen bezeigen?«

»Wenn man von mir annehmen könnte, daß ich den Inhalt kenne, so müßte ich für die Wahrheit Ihrer Meldung einstehen. Dann würden die Fünf Weisen des Handelsgerichtes mich einer Pflichtversäumnis schuldig finden; denn ich bin hier in ihrem Dienst und nicht in dem der Staatsinquisitoren, gegen die ich keine Verpflichtungen habe. Gestatten Sie also, daß ich in Ihrem eigenen Interesse die Sache ignoriere, bis sie bekannt gemacht wird. Wenn sie wahr ist, so muß, wie mir scheint, Seine Exzellenz der Herr Statthalter sie erfahren, und dann wird sie nach einer Woche für niemanden mehr ein Geheimnis sein. Alsdann werde ich meinen Fünf Weisen Bericht erstatten und damit habe ich meine Pflicht getan.«

»Dann könnte ich ja das Schriftstück durch einen eigenen Boten schicken, ohne es durch Ihre Hände gehen zu lassen.«

»Ich bitte um Verzeihung: erstens würde man Ihnen nicht glauben, zweitens würde ich Schaden davon haben; denn unter einer so mißtrauischen Regierung, wie die der Republik es ist, muß man beständig auf der Hut sein; ich bin überzeugt, daß man mich sicherlich der Nachlässigkeit beschuldigen würde, wenn ich später die Nachricht mitteilen könnte. Es ist noch ein drittes >Weil< dabei: meine verehrte vorgesetzte Behörde würde Ihnen keine Zechine geben, würde Ihnen vielleicht nicht einmal danken. Wenn Sie Ihrer Nachricht sicher sind, wie ich gerne glauben will, so ist es ein sehr geschickter Schachzug von Ihnen, indem Sie sie an das Tribunal adressieren; denn Sie können nicht nur auf Anerkennung rechnen, sondern auch auf eine Belohnung in Geld, die die sicherste Bürgschaft solcher Anerkennung ist. Wenn die Tatsache wahr ist, so wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen Glück dazu; wenn Sie sich aber irren, dann, mein Lieber, sind Sie verloren; denn indem Sie das gestrenge, unfehlbare Tribunal zu einem Irrtum verleiten, es der Gefahr aussetzen, einen schweren Fehler zu begehen, machen Sie es sich zum unversöhnlichsten Feinde. Sie können sich darauf verlassen: eine Stunde, nachdem das Tribunal der Inquisitoren von Ihrem Bericht Kenntnis genommen hal, wird die Handelsbehörde eine Abschrift davon in Händen haben.«

»Warum eine Abschrift?«

»Weil Sie Ihren Namen nennen und weil niemand die Namen der Vertrauten Ihrer unfehlbaren und schweigsamen Exzellenzen wissen darf.«

»Ich begreife.«

Ich verfuhr nach dem Rate meines weisen und vorsichtigen Freundes. Ich schrieb an ihn sofort einen Brief, wie er ihn wünschte, versiegelte meinen Bericht und überschrieb ihn an den Sekretär des Tribunals, Herrn Marcantonio Businello, einen Bruder desjenigen, während dessen Amtsdauer ich vor siebzehn Jahren aus den Bleikammern entflohen war.

Der Herr Statthalter war hocherfreut, als ich ihm am anderen Morgen meldete, daß alles vor Mitternacht fertig gewesen sei. Er versicherte mir von neuem, der venetianische Konsul würde vor dem nächsten Sonntag nichts erfahren. In der Zwischenzeit tat mir der Konsul wegen seiner Unruhe wirklich leid. Aus Zartgefühl sagte er mir nichts, und es bekümmerte mich, ihn nicht beruhigen zu können.

Am Samstag teilte Rat Rizzi mir im Kasino freudestrahlend diese Nachricht mit, indem er bemerkte, der Handelsplatz Triest werde sich um den Verlust bereichern, den Venedig durch diese Veränderungen erleiden werde. Der Konsul trat ein, während wir uns über diese Neuigkeit unterhielten; er sagte uns, für Venedig würde der Verlust nicht nennenswert sein und durch den ersten Schiffbruch würde Triest mehr verlieren, als das Lagergeld in zehn Jahren kostete.

»Außerdem werden die deutschen Spediteure das Frachtgeld für die Waren verlieren, die von Mezzola nach der venetianischen Lombardei und nach allen unseren Messen und Märkten gefahren werden müssen.«

Mit einem Wort, der Konsul machte sich über die Neuerung lustig, anstatt darüber betrübt zu erscheinen; aber das gehörte zu seinem Geschäft. In allen kleinen Handelsstädten, wie Triest, macht man ein großes Aufheben um kleine Dinge.

Ich speiste zu Mittag bei dem Konsul, der, sobald er sich mit mir allein sah, sein Herz erleichterte und mir seine Unruhe und seine Zweifel gestand.

Auf meine Frage, was nach seiner Meinung die Venetianer tun würden, um diesen Schlag abzuwenden, antwortete er mir: »Sie werden sehr gelehrte und sehr systematische Beratungen halten; hierauf werden sie nichts beschließen, und die Österreicher werden ihre Waren auf dem Wege schicken, der ihnen gut dünkt.«

»Aber die Regierung ist doch so weise!«

»Oder hält sich dafür.«

»Sie glauben also, daß sie von der Vergangenheit zehrt?«

»Wie alle wurmstichigen Einrichtungen, die nur noch dank ihrer früheren Bedeutung weiter bestehen. Die meisten heutigen Regierungen gleichen jenen alten Dämmen, deren Grundgerüst völlig verfault ist und die nur noch vermöge ihres eigenen Gewichtes an ihrer Stelle bleiben.

Der Konsul hatte richtig geraten. Er meldete die Neuigkeit am selben Tage seiner vorgesetzten Behörde und erhielt im Laufe der folgenden Woche die Antwort, Ihre Exzellenzen seien bereits seit mehreren Tagen auf außerordentlichem Wege davon unterrichtet gewesen. Man trug ihm auf, sich für den Augenblick darauf zu beschränken, die Behörde auch fernerhin von jeder neuen Wendung dieser Angelegenheit in Kenntnis zu setzen.

»Habe ich es nicht gesagt?« sagte der Konsul zu mir. »Ich weiß doch, was von der Weisheit unserer sogenannten Weisen zu halten ist!«

»Ich denke, Sie würden nicht übel nach Bedlam oder Charenton passen,«

Erst drei Wochen später empfing der wackere Konsul vom Sekretär des Tribunals brieflich den Befehl, mir abermals eine Belohnung von hundert Silberdukaten auszuzahlen und mir monatlich zehn Zechinen zu geben, um mich zu neuem Eifer für den Dienst des Tribunals zu ermutigen.

Von nun an zweifelte ich nicht mehr daran, daß ich im Laufe des Jahres begnadigt werden würde. Aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht; denn man gestattete mir die Rückkehr erst im folgenden Jahre, wie ich an seinem Ort erzählen werde.

Diese neue Belohnung und das Monatsgeld von zehn Zechinen machten mich wieder ein bißchen flott; denn mit dem, was ich sonst hatte, kam ich nicht aus, weil gewisse Vergnügungen, die ich nicht entbehren konnte, mir viel Geld kosteten. Es war mir durchaus nicht unangenehm, im Solde desselben Tribunals zu stehen, das mich meiner Freiheit beraubt und dessen Macht ich Trotz geboten hatte. Ich erblickte darin einen Triumph für mich und hielt es für Ehrensache, ihm in allem nützlich zu sein, was nicht gegen die Naturgesetze und das Völkerrecht verstieße.

Ein kleines Erlebnis, worüber die ganze Stadt Triest lachte, scheint mir darnach angetan zu sein, meinen Lesern Spaß zu machen.

Es war zu Beginn des Sommers. Ich hatte am Meeresufer Sardinen gegessen und kam gegen zehn Uhr abends nach Haus, da sah ich in mein Zimmer ein Mädchen eintreten, in welchem ich die Magd des jungen Grafen Strasoldo erkannte.

Dieser Graf war ein sehr hübscher junger Mann, aber arm wie fast alle Strasoldos; er liebte kostspielige Vergnügungen und hatte infolgedessen viele Schulden. Er hatte eine kleine Anstellung, die ihm jährlich sechshundert Gulden eintrug, und es wurde ihm nicht schwer, sein Gehalt in drei Monaten auszugeben, übrigens war er ein höflicher und freigebiger Mensch, und ich hätte mehrere Male in Pittonis Gesellschaft bei ihm zu Abend gespeist. Er hatte in seinem Dienst eine überaus hübsche Krainerin, die seine Freunde natürlich kannten, der aber niemand den Hof zu machen wagte, weil er verliebt und eifersüchtig war. Ich hatte mich den Umständen angepaßt, hatte sie gesehen, bewundert, gelobt, aber stets nur in Gegenwart ihres Herrn, den ich glücklich nannte, daß er einen solchen Schatz besäße; im übrigen aber hatte ich niemals ein einziges Wort mit ihr gesprochen.

Strasoldo wurde durch den Grafen Auersperg nach Wien berufen; dieser mochte ihn gerne leiden und hatte ihm bei seiner Abberufung versprochen, er wolle an ihn denken. Strasoldo sollte als Bezirkshauptmann nach Polen versetzt werden; er hatte seine Möbel verkauft, sich überall verabschiedet und war zur Abreise bereit. In Triest hielt man es allgemein für ganz selbstverständlich, daß er seine schöne Krainerin mitnehmen würde. Ich glaubte dies ebenfalls, denn ich hatte am selben Morgen ihm gute Reise gewünscht. Man stelle sich also meine Überraschung vor, als ich sein hübsches Mädchen, das mich bis dahin kaum einmal angesehen hatte, zu solcher Stunde in meinem Zimmer sah.

»Was wünschen Sie, mein schönes Kind?«

»Sie werden mir verzeihen, mein Herr, aber ich will nicht mit Strasoldo reisen, und da ich nicht weiß, wo ich mich verstecken soll, so habe ich gedacht, ich wäre nirgendswo so sicher wie bei Ihnen. Kein Mensch wird ahnen können, wo ich bin, und wenn Strasoldo mich nicht findet, wird er allein abreisen müssen. Sobald er fort ist, werde ich Triest verlassen und zu meiner Familie zurückkehren. Werden Sie so grausam sein, mich hinauszujagen?«

»Nein, meine Liebe.«

»Ich verspreche Ihnen, mich morgen zu entfernen; denn Strasoldo muß bei Tagesanbruch abreisen. Sein Reisewagen ist schon gepackt, wie Sie vielleicht von Ihren Fenstern aus schon gesehen haben.«

»Reizende Leuzika, gewiß würde Ihnen kein Mensch eine Zuflucht verweigern, am wenigsten ich, da ich Sie immer anbetungswürdig gefunden habe. Sie sind hier sicher; denn ich bürge Ihnen dafür, daß, solange Sie hier sind, kein Mensch ohne Ihre Erlaubnis mein Zimmer betreten wird. Ich danke dem Zufall oder meinem guten Glück, das Sie veranlaßt hat, an mich zu denken; aber wenn es wahr ist, daß der Graf, wie alle Welt behauptet, in Sie verliebt ist, so sollen Sie sehen, er wird nicht abreisen. Er wird mindestens morgen noch den ganzen Tag hierbleiben, in der Hoffnung, Sie ausfindig zu machen.«

»Selbstverständlich wird er mich überall suchen, nur nicht hier. Versprechen Sie nur, mich nicht zur Mitreise zu nötigen, selbst wenn er erraten sollte, daß ich bei Ihnen bin?«

»Ich schwöre es Ihnen.«

»Dann bin ich zufrieden.«

»Aber, meine reizende Leuzika, Sie begreifen wohl, daß Sie nicht werden umhin können, mein Bett zu teilen.«

»Wenn ich Sie nicht belästige, bin ich gern dazu bereit.«

»Sie sprechen von belästigen, schöne Krainerin? Sie werden sehen. Schnell, schnell ziehen Sie sich aus! Aber wo sind denn Ihre Sachen?«

»Alles was ich habe, befindet sich in einem Köfferchen, das der Graf bereits hinten auf seinen Wagen hat aufschnallen lassen; aber daraus mache ich mir nichts.«

»Der arme Graf; er muß jetzt wütend sein.«

»Noch nicht; denn er kommt erst um Mitternacht nach Hause. Er speist heute Abend bei Frau Bissolotti, die in ihn verliebt ist.«

Während dieses Gespräches zog Leuzika sich aus und legte sich zu Bett. In einem Augenblick war ich an ihrer Seite und nach einer harten Entbehrungszeit von acht Monaten verbrachte ich in ihren Armen eine köstliche Nacht, denn seit Lia hatte ich nur flüchtige Freuden gehabt, die nur eine Viertelstunde dauern und stets einen unangenehmen Nachgeschmack haben.

Leuzika war eine vollendete Schönheit, würdig in einem Hirschpark zu herrschen; wäre ich reich gewesen, so hätte ich mir einen Haushalt eingerichtet, um sie in meinen Dienst zu behalten.

Wir erwachten erst um sieben Uhr. Sie stand auf, und als sie den Wagen noch vor Strasoldos Tür halten sah, sagte sie mit trauriger Miene, ich hätte richtig geraten.

Ich tröstete sie, indem ich ihr die Versicherung gab, sie könnte bei mir bleiben, so lange sie wollte.

Es tat mir leid, daß ich keine Kammer hatte; denn ich konnte sie nicht vor dem Kellner verstecken, der uns den Kaffee bringen mußte.

Wir verzichteten auf das Frühstück, aber ich mußte daran denken, wie ich ihr etwas zu essen besorgen könnte. Ich glaubte dazu genügend Zeit zu haben, aber ich täuschte mich.

Gegen zehn Uhr sah ich Strasoldo und seinen Freund Pittoni in den Gasthof eintreten, wo ich wohnte. Ich öffnete meine Tür und sah, daß sie mit dem Wirt sprachen. Einen Augenblick darauf traten sie ins Kasino ein; sie kamen gleich wieder heraus, und ich sah sie in verschiedene Zimmer eintreten und wieder herauskommen.

Ich erriet, was dies bedeutete, und sagte lachend zu Leuzika, man suche sie und werde uns ohne Zweifel bald einen Besuch machen.

»Sie werden sich Ihres Versprechens erinnern, nicht wahr?«

»Sie können ruhig sein.«

Der feste Ton meiner letzten Worte beruhigte sie; zugleich aber begriff sie, daß ich ihnen nicht den Eintritt verbieten könnte, ohne daß sie die Wahrheit erraten würden.

»Nun,« sagte sie, »mögen sie kommen! Sie haben nichts zu gewinnen.«

Als ich sie kommen hörte, ging ich hinaus, schloß meine Türe hinter mir und bat sie, mich zu entschuldigen, wenn ich sie nicht einladen könnte, bei mir einzutreten, da ich ein Stück Schmuggelware bei mir hätte.

»Sagen Sie mir nur,« sagte Strasoldo zu mir mit kläglichem Gesicht, »ob es nicht meine liebe Krainerin ist, die Sie bei sich haben. Wir sind sicher, daß sie heute Nacht in diesen Gasthof gegangen ist; denn die Schildwache vor der Tür hat sie gegen zehn Uhr eintreten sehen.«

»Das stimmt ganz genau; die schöne Krainerin ist in meinem Zimmer, und ich habe ihr mein Wort gegeben, daß niemand ihr Gewalt antun wird. Sie können sich darauf verlassen, daß ich ihr mein Versprechen halten werde.«

»Ich will ihr ganz gewiß keine Gewalt antun, aber ich bin sicher, daß sie freiwillig kommen wird, wenn ich mit ihr sprechen kann.«

»Ich werde sie fragen, ob sie darin einwilligt, Sie zu sehen. Warte!«

Leuzika hatte das Ohr an der Tür gehabt und alles gehört; sobald ich öffnete, sagte sie zu mir, ich könne die Herren eintreten lassen.

Kaum erschien Strasoldo, so fragte sie ihn in stolzem Ton, ob sie irgendwelche Verpflichtung gegen ihn habe, ob er sie beschuldigen könne, in ihrem Dienste irgend etwas auf die Seite gebracht zu haben, und ob es ihr nicht freistehe, ihn zu verlassen.

Der arme Graf erwiderte ihr freundlich: »Im Gegenteil, ich bin dir ein ganzes Jahr Lohn schuldig und habe alle deine Sachen in meinem Besitz; aber du hast unrecht, mich auf solche Weise ohne irgendeinen Grund zu verlassen.«

»Ich habe keinen anderen Grund als meinen Willen, aber dieser ist sehr fest. Ich will nicht nach Wien gehen. Das habe ich vor acht Tagen schon gesagt. Wenn Sie ein anständiger Mann sind, werden Sie mir meinen Koffer herausgeben, und meinen Lohn können Sie mir nach Laibach an meine Tante schicken, wenn Sie jetzt kein Geld haben.«

Strasoldo tat mir wirklich leid, denn nachdem er sich zu den demütigsten Bitten herabgelassen hatte, weinte er zuletzt wie ein Kind. Dies war mir widerlich, aber Pittoni hätte mich beinahe ernstlich aufgebracht, als er sich erlaubte, mir zu sagen, ich müßte ein solches Weibsstück aus meinem Zimmer jagen.

»Sie sind nicht der Mann,« sagte ich in entschiedenem Ton zu ihm, »um mich zu lehren, meine Pflicht zu tun; da ich das junge Weib bei mir aufgenommen habe, sollten Sie Ihre Ausdrücke ein wenig mäßigen!«

Als er mich so aufgebracht sah, schlug er einen anderen Ton an und sagte zu mir, ob es wirklich möglich wäre, daß ich mich in so kurzer Zeit in sie verliebt hätte.

Strasoldo unterbrach ihn und sagte, er sei fest überzeugt, daß sie nicht bei mir geschlafen habe.

»Da täuschen Sie sich sehr!« rief Leuzika; »denn es ist nur ein Bett da, und ich habe nicht auf der Erde geschlafen.«

Da sie weder durch Bitten noch durch Vorwürfe etwas erlangen konnten, so entfernten sie sich gegen Mittag; meine schöne Krainerin wußte gar nicht, wie sie mir ihren Dank aussprechen sollte.

Dns Geheimnis war nun doch einmal enthüllt, und ich ließ daher das Mittagessen für zwei auftragen. Da der Wagen des Grafen immer noch vor der Tür hielt, so versprach ich ihr, bei ihr zu bleiben, solange Strasoldo noch in Triest wäre, und sie keinen Augenblick zu verlassen.

Um drei Uhr kam der venetianische Konsul und sagte mir, der Graf habe sich an ihn gewandt, er möchte mich zu überreden versuchen, daß ich ihm seine geliebte Leuzika herausgebe.

»Sie müssen sich, mein würdiger Konsul, an sie selber wenden; denn sie befindet sich hier nicht als meine Gefangene, sondern auf ihren eigenen Wunsch.«

Als mein ehrenwerter Freund aus dem Munde des jungen Mädchens die Wahrheit erfahren hatte, sagte er, wir hätten beide recht, und entfernte sich.

Gegen Abend brachte ein Dienstmann den Koffer des jungen Mädchens in mein Zimmer; sie war davon gerührt, empfand aber keine Reue.

Leuzika aß mit mir zu Abend und teilte zum zweiten Male mein Lager. Bei Tagesanbruch reiste der Graf endlich ab.

Sobald ich seiner Abreise sicher war, nahm ich einen Wagen und brachte meine reizende Leuzika bis zur zweiten Poststation auf dem Weg nach Laibach; nachdem ich gut mit ihr zu Mittag gespeist hatte, übergab ich sie einer Frau, die sie kannte.

In Triest wurde mein Verhalten allgemein gebilligt, und Pittoni selber sagte mir, er würde es an meiner Stelle ebenso gemacht haben.

Der arme Strasoldo nahm ein übles Ende. In seinem neuen Amte in Lemberg machte er neue Schulden, beging Kassenunterschlagungen und flüchtete, um seinen Kopf zu retten, nach der Türkei, wo er den Turban nahm.

Um jene Zeit kamen der venetianische General de Palmanova, Patrizier aus der Familie Rota, und der Prokurator Erizzo nach Triest, um dem Statthalter Grafen Wagensperg einen Besuch zu machen. Am Nachmittag stellte der Graf mich Ihren Exzellenzen vor, die sehr überrascht waren, mich in Triest zu sehen.

Auf die Frage des Prokurators, ob ich mich ebensogut amüsierte, wie ich es vor sechzehn Jahren in Paris getan hätte, antwortete ich ihm, die sechzehn Jahre mehr und die hunderttausend Franken weniger nötigten mich zu einer anderen Lebensweise. Während wir plauderten, trat der Konsul ein und meldete, die Feluke sei bereit. Frau von Lantieri und ihr Vater, der Graf, sagten mir, ich müßte die Partie mitmachen. Die drei edlen Venetianer – der dritte war mir unbekannt – stimmten ein.

Nachdem ich eine Kopfneigung gemacht hatte, die weder ja noch nein sagte, fragte ich den Konsul, was dies für eine Partie mit der Feluke sei. Er antwortete mir, man wolle ein venetianisches Kriegsschiff besichtigen, das am Eingang des Hafens vor Anker liege und dessen Befehlshaber der anwesende dritte Herr sei. Ich sagte hierauf der liebenswürdigen Gräfin mit lachendem Gesicht, aber in bescheidenem Ton, eine alte Schuld zwinge mich, mich des Glückes zu berauben, ihr bei dieser Schiffspartie meine Huldigungen darzubringen. »Es ist mir verboten, gnädige Frau, den Fuß auf venetianischen Boden zu setzen.«

Von allen Seiten rief man: »Oh! Oh! Sie haben nichts zu befürchten; Sie sind ja bei uns. Wir sind anständige Leute, und Ihr Zweifel ist ja geradezu beleidigend.«

»Das ist alles recht schön und gut, meine Herren und Damen, und ich gebe sehr gerne Ihrer Bitte nach, wenn eine von Ihren Exzellenzen dafür bürgen kann, daß die Staatsinquisitoren nicht, vielleicht morgen schon, erfahren werden, daß ich die Kühnheit gehabt habe, an dieser schönen Partie teilzunehmen, die im übrigen eine außerordentliche Ehre für mich ist.«

Auf diese Worte hin verstummten alle; jeder sah den andern an, und niemand wagte, einen Einwand zu machen.

Der edle Befehlshaber des Schiffes, der mich nicht gekannt hatte, unterhielt sich einige Minuten lang mit den anderen; hierauf entfernten sie sich.

Am nächsten Tage sagte der Konsul mir, der Schiffskommandant hätte es sehr vorsichtig von mir gefunden, daß ich auf das Vergnügen verzichtet hätte; denn wenn man ihm zufällig meinen Namen genannt hätte, während ich auf dem Schiffe gewesen wäre, so würde er es für seine Pflicht gehalten haben, mich an Bord zurückzuhalten.

Als ich dem Statthalter von Triest berichtete, was der Konsul mir gesagt hatte, antwortete er mir in ernstem Ton, er würde dem Kriegsschiff nicht erlaubt haben, die Anker zu lichten. Der Prokurator Erizzo, den ich am selben Abend sah, beglückwünschte mich wegen meiner Vorsicht und sagte mir, er werde dafür sorgen, daß mein Verhalten zur Kenntnis des Tribunals komme; es sei ein Zeichen meiner Ehrfurcht vor den Entscheidungen der Inquisitoren und werde gewiß dazu beitragen, die Erfüllung meiner Wünsche zu beschleunigen.

Ich sah in jenen Tagen in Triest eine der schönsten Venetianerinnen, die damals von sich sprechen machte. Sie befand sich mit mehreren von ihren Anbetern auf einer Vergnügungspartie. Sie stammte aus der patrizischen Familie Bon, und hatte einen Grafen Romili von Bergamo geheiratet, der ihr volle Freiheit ließ, dabei aber ihr bester Freund war. Ihrem Triumphwagen folgte der General Graf Burghausen, ein alter Gichtkrüppel, berühmter Lebemann und großer Schuldenmacher, der seit etwa zehn Jahren dem Kriegsgott Valet gesagt hatte, um den Rest seines Lebens um so freier der Venus widmen zu können. Dieser reizend liebenswürdige Weltmann blieb in Triest und war so freundlich, meine Bekanntschaft zu suchen. Zehn Jahre später war er mir nützlich, wie meine Leser im folgenden Bande sehen werden, der vielleicht der letzte sein wird.


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