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Der Frühling hatte gesiegt. Das Neue hatte sich Bahn gebrochen – und war doch nichts anderes als das verjüngte Alte. Die gärenden Säfte stiegen durch neue Keime; aber der Rausch war wie das Leben selbst, Und auch dieser Frühling ging dahin mit all seiner süßen Sehnsucht und ruhelosen Hoffnung. Die Herzen schlugen wieder ruhiger – es war von neuem Sommer geworden.
Bent war enttäuscht. Er hatte erwartet, daß in der herrlichen Zeit ein Wunder mit ihm geschehen würde. Er war ja allein und brauchte sich nicht zu verschließen. Als aber der Frühling vorbei und die Wärme beständig geworden war, schien alles wie sonst zu sein. Es war, als ob er zu einem strahlenden Fest gewesen sei, jetzt aber war die Musik zu Ende und das Fest vorbei.
Alles quälte ihn. Die unveränderte Ordnung und Ehrbarkeit der Zimmer, die peinliche Regelmäßigkeit der Mahlzeiten, die Wohlerzogenheit des sauber gekleideten Mädchens, und was Marthe in ihren Briefen von neuen Bekanntschaften, von Ediths Befinden und ihrer Sehnsucht schrieb.
Dieselben Gesichter jeden Tag. Kollegen, Vorgesetzte und Untergebene sagten dieselben Worte zur selben Tageszeit, in immer gleichem Ton der Höflichkeit.
Dieselben Menschen begegneten ihm auf der Straße an bestimmten Stellen. Sogar die Zeitungen schienen außer dem Datum nichts Neues zu bringen.
Eines Tages las er zufällig eine Notiz in einem Reisebüro: jetzt sei der Frühling zu Wärmlands tiefen Wäldern und funkelnden Seen gekommen.
Im selben Augenblick wußte er, was er wollte.
Mit dem Frühling nach Norden reisen – gab es etwas Selbstverständlicheres? Er mußte über sich selbst lächeln. War er nicht in den Frühling verliebt? Seine Flamme reiste, und er wollte ihr folgen.
Jetzt, wo es Sommer geworden war, konnte er ruhig seinen Urlaub fordern.
Kaum war der Entschluß gefaßt, als er sich wie erlöst fühlte. Eine Schleuse schien in seinem Innern geöffnet zu sein, sein Gemüt ergoß sich in schäumendem Fluß. Auf dem Wege zum Ministerium betrat er ein Reisebüro und lieh sich Prospekte und einen Führer geben; er kannte nur Stockholm und Gotenburg, war noch nie im Inneren des Landes gewesen.
Marthe –?
Im Augenblick des Entschlusses hatte er sie ganz vergessen. Er hatte sich an das Alleinsein gewöhnt und dachte eigentlich nur an sie, wenn er einen Brief von ihr bekam, oder wenn er schreiben mußte.
Er überlegte hin und her, aber es nützte nichts. Irgend etwas in ihm reckte sich verlangend und unwiderstehlich nach den Wäldern und Seen dort oben. So stark war das Verlangen, daß ihm schien, er würde sich selbst verleugnen, wollte er seinen Vorsatz aufgeben.
Ich schreibe ihr erst, wenn ich am Ziel bin, dachte er.
Dann reiste er und ließ sich die Post nachschicken.