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Vierter Teil

siehe Bildunterschrift

Sandsteinbildnis im linken Seitenschiff der Neumünsterkirche zu Würzburg von Tilmann Riemenschneider, dem größten Sohn Osterodes. (* um 1460 zu Osterode a. H., † am 7. Juli 1531 zu Würzburg.)

 

Madonna auf der Mondsichel.

Meine Seele singet leise
eines Himmels Wunderweise,
und ein ungeahntes Glück
fühle ich in deinem Blick,
Madonna!

Losgelöst von ird'schem Sehnen
jauchze ich im Bann des Schönen.
Bist du auch aus kaltem Stein,
Gott blies dir den Odem ein,
Madonna!

Ich lob' alle guten Geister!

Ich lob' Tilmann, unsern Meister!
Seine wahre Frömmigkeit
fand zu dir den Weg nicht weit,
Madonna!

.

Osterode am Harz.

Kleine Mädchen auf den Straßen
tanzen Ringelreihn.
Kecke Buben tollen, spaßen,
mischen sich darein.

Aus den Fenstern Frauen schwatzen
mit der Nachbarin.
In der Sonne blinzeln Katzen
zwischen Dachgerinn.

Laue Frühlingslüfte wehen
von den Bergen her.
Alte Wetterfahnen drehen
auf dem Häusermeer. –

Lieblich Städtchen, in die Ferne
muß so bald ich zieh'n.
Bleiben möcht' ich hier so gerne,
bis die Rosen blühen.

 

Die erste Zigarette.

Die erste Zigarette
raucht ich im Sösebette
mit meinem Freund zu zwei'n;
der eine schaut' zur Seite,
der andre in die Weite,
ob wir auch ganz allein.

Die blaue Quartamütze
war hierbei garnichts nütze,
Verräter könnt' sie sein.
Drum legten wir sie beide
schnell unter eine Weide
und schauten sicher drein,

um tüchtig loszudampfen. –
Da hörten wir wen stampfen;
der Pender kommt daher.
Sein Hund indes, der böse,
schwimmt eilig durch die Söse.
Wie ward das Herz uns schwer.

Der Mann im grünen Rocke
droht' zornig mit dem Stocke.
Wir stieben schnell davon.
Teils liefen und teils sprangen
wir jungen, dummen Rangen –
Da war'n zu Haus wir schon.

Wir hin und her nun sannen,
den Tabaksdunst zu bannen,
der uns umfing so lieb.
Die Kaffeebohnendose,
das »Zahnwasser von Lohse«,
ihn glücklich von uns trieb.

Und doch, was konnt' es nützen!
»Wo habt ihr eure Mützen?«
fragt' Vaters Angesicht.
Da waren wir verraten.
Der Lohn für unsre Taten? –
Darüber spricht man nicht.

.

 

.

Junger Liebe Leid.

Blaue Mützen – rote Mützen,
jugendfrisch die Mägdelein,
Stadtkapelle auf dem Marktplatz
spielt ein Lied im Sonnenschein.

Flüchtig Grützen, heiß Erröten,
Fritz und Liesbeth schau'n sich an.
Doch der Fritz ist viel zu schüchtern
und so spricht er sie nicht an.

Seine jäh erwachte Liebe
wagt er nicht, ihr zu gestehn,
sieht nur einmal seufzend seitwärts,
um dann schnell vorbeizugehn.

Tags darauf trägt der Magister
im Pennal sein Pensum vor.
Ach, wie ist das Montags öde!
Niemand hat dafür ein Ohr.

Niemand hört die vielen Zahlen,
womit er die Rede spickt.
Blöden Blickes ist Sekunda
selig schlummernd eingenickt.

Nur der Fritz ist heute munter,
Liesbeths Liebe hält ihn wach,
und er denkt zum ersten Male
ob des Lenzes Triebe nach:

»Wozu sind denn nur die Mädchen
und die Liebe auf der Welt?
Warum möcht' ich Liesbeth küssen?
Nur, weil sie mir gut gefällt?

Nur, weil ihre Augen strahlen
und ihr rotes Mündchen lacht,
weil der Herrgott ihre Glieder
hat so fein, so zart gemacht?«

... Und das Blut steigt Fritz zu Kopfe,
und es hämmert und es pocht. –
Der Magister kündet wichtig,
wer im Jahre 1000 focht. –

Fritz kann plötzlich nicht mehr denken,
– denken führt ihn doch nicht weit –,
drum greift er zum Taschenmesser
und vertreibt damit die Zeit.

Ricks, knacks, knacks die Späne fliegen.
Welch ein kühn geschwungenes Herz!

Ricks, knacks, knacks die Späne fliegen.
Welch ein kühn geschwungenes Herz!
Ach, das Traumbild seiner Sinne
meistert hier der Liebesschmerz.

Oben Fritze, unten Liesbeth
und darum der Herzensschnitt,
aus der Kerbe steigen Flammen,
und ein Pfeil durchbohrt die Mitt'.

Unschuldsvoller Liebesfrühling
sprießet aus der alten Bank,
und ihr Knarren wird zum Klingen
eines Liedes sehnsuchtsbang.

Doch das Klingen dieses Liedes
tönt allein in Fritzes Ohr.
Denn der Bankschmuck kommt den Lehrern
ein klein wenig anders vor. –

Grober Unfug in der Stunde
bringt zwei Stunden Karzer ein.
Hobeln kostet 2 Mark 20 –
Und die Bank ist wieder rein.

Dieses mußte Fritz erleiden
für sein Herz von Lieb' entbrannt,
darum, Schüler, laßt die Mädchen,
bis Ihr tragt zur Mütz' ein Band!

.
Das Osteroder Rathaus

Das Osteroder Rathaus

Ich bin das Herz der Stadt,
und stets mit frischem Leben
durchflute ich den Ort,
der mir durch Bürgerhuld
als Körper ist gegeben.

Der Zeiten rastlos Lauf
ließ oft mich heftig schlagen,
wenn Zwietracht, schwere Not,
ein Fieber heiß gebar
in unheilvollen Tagen.

Auch trag' ich manchen Schmerz.
Ihr seht ihn eingegraben;
der toten Helden Tat
kling ewig fort und fort,
soll alles überragen.

.

 

Moosrose Osterode.

Den Harz liebt Ihr alle.
Drum liebt Ihr auch mich,
wenn Ihr mich nur einmal geschaut.
Die Ros' ist zum pflücken.
Die Rose bin ich. –
Ist's niemand, der das sich getraut?

Ich blühe am Wege
in üppiger Pracht.
Hell leuchtet mein rosenrot Kleid.
Was steht Ihr von Ferne?
O, gebt auf mich acht!
Ich bin zum Empfange bereit.

Habt Ihr von der Höhe
ins Tal erst geblickt,
dann ist es um alle gescheh'n.
Ihr könnt nicht vergessen.
Das Herz ist entzückt.
Ihr werdet vor Sehnsucht vergeh'n.

.

Den Einband entwarf der Verfasser.

 


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