Paul Bornstein
Memoiren Cagliostros
Paul Bornstein

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VIII. Der Halsbandprozeß.

Böhmer – das war der Name eines jüdischen Juweliers, der sein sächsisches Vaterland längst mit der Metropole Frankreichs vertauscht hatte, weil er dort bessere Geschäfte zu machen hoffen durfte, welche Hoffnung ihn nicht betrogen hatte. Als Geschäftskompagnon des würdigen Monsieur Bassange, eines tüchtigen, praktischen Mannes, bewandert in der Schätzung aller Edelsteine, im Anstellen und Beaufsichtigen der Arbeiter, in der Beurteilung ihrer Leistungen, sieht er sich schon unter den Vornehmsten seiner Gilde, ja, er glaubt schon unter allen Geschäftsgenossen den ersten Rang einzunehmen – denn er hat sich für schweres Geld den Titel eines Hofjuweliers gekauft und genießt demzufolge zu jeder Zeit Zutritt beim Könige, wahrend alle anderen Juweliere und selbst unzählige vornehme Herren im Vorzimmer warten müssen. Mit den kostbarsten Schmucksachen in der Tasche, oder während ihm dieselben von aufmerksamen Lehrlingen nachgetragen werden, sieht der glückliche Böhmer prachtvolle Salons und geheiligte Gemächer sich wie durch den Zauber eines Talismans öffnen und die schönsten Augen der Welt noch schöner erglänzen; ihm allein offenbart sich der Unnahbare in geheimnisvollem Negligee, Rat gebend und annehmend. Preisen ihn nicht seine Werke an allen Galatagen und Galanächten? Auf den prachtvollen Staatsgewändern, auf Hofkleidern und Stirnen, am Schwanenhals aller Schönheiten ist das blendende Farbenspiel Böhmers Werk.

Hätte sich Böhmer nicht mit diesem Ruhme begnügen können? Allein er tat es nicht, denn sein unseliger Ehrgeiz gab ihm den Gedanken ein – als Hofjuwelier des Königs von Frankreich, eigentlich also als erster Juwelier der Welt ein Schmuckstück zu schaffen, welches in der Welt nicht seines Gleichen haben sollte. – Gesagt, getan! Es werden Pläne entworfen, Beratungen gehalten, Modelle gemacht; durch Geld oder Kredit werden die kostbarsten Diamanten herbeigeschafft, geschickte Arbeiter schneiden und fassen sie, und eines Tages sieht Böhmer zu unaussprechlicher Freude ein Schmuckstück vor sich liegen, das seine höchsten Erwartungen durch Pracht und geschmackvolle Schönheit weit übertrifft. »Eine Reihe von siebzehn prachtvollen Diamanten, fast so groß wie Haselnüsse, umgeben nicht allzu dicht den Hals zum ersten Male. Weiter auseinander und graziös dreimal an diesen befestigt, umgiebt ihn ein dreifaches Feston mit einer Menge einfach birnförmiger, vielfach sternförmiger oder gruppenweis gestaltlos gefaßter Gehänge zum zweiten Male. Am lockersten von allen, sanft von hinten herumgezogen, fallen zwei breite dreifache Reihen herab, scheinen sich um eine wahre Diamantenkönigin zu verschlingen und schlängeln sich dann getrennt aufwärts; sogar die Quasten daran wären für manche Menschen ein kolossaler Reichtum gewesen. Und nun zuletzt vereinigen sich zwei andere, unaussprechlich dreifache Reihen ebenfalls mit ihren Quasten, wenn das Halsband angelegt und befestigt ist, hinten zu einer doppelt unaussprechlichen sechsfachen Reihe und strömen zusammen oder getrennt über den Nacken herab – gleich einem züngelnden Zodiacal- oder Nordlicht.«

Kosten tat das Kollier nur die Kleinigkeit von 1 800 000 Francs, und nicht all und jeder dürfte in der Lage sein, seiner Angebeteten zu Liebe das Sümmchen zu zahlen. Nur eine Fürstin konnte sich dies erlauben, und nur auf die Kundschaft gekrönter Häupter hatte Böhmer spekuliert, allein die Folge sollte ihn lehren, daß mitunter auch Fürsten eine solche Summe nicht disponibel haben, oder selbst, wenn sie sie haben, daß sie sie nicht immer für ein Kollier zum Fenster hinauswerfen. – Böhmer bot sein Halsband allen Höfen zum Verkauf an, allein er wurde überall zurückgewiesen. – Sein eigener Herrscher hätte es gern gekauft, allein er hat Ueberfluß an Geldmangel, und seine stolze Königin antwortet auf seine Offerte stolz und königlich: »Wir brauchen Kriegsschiffe nötiger, als Halsbänder.« Da steht nun Böhmer mit seinem Halsband und einer sehr langen Nase. – Dies ist der erste.

Prinz Ludwig de Rohan ist einer jener erwählten Sterblichen, die zu Ehren geboren sind, aber leider auch – wie alle Menschen – zu Leiden und Kümmernissen. Seine Herkunft läßt sich bei Fleiß und Mühe ein Paar Jahrhunderte zurückverfolgen, dann aber verschwimmt sie mit dem königlichen Geblüt. Seine Ahnen – und er macht keine Ausnahme – haben immer eine natürliche Anlage zur Bekleidung von Kardinalswürden und Komturtiteln verraten, denn das sind stille Geschäftchen, bei denen es nichts zu tun giebt. – Und nur, wo es nichts zu tun giebt, ist auch Ludwig am Platz, denn was konnte er wohl leisten? Mit Verschmitztheit genug begabt, um Vieles zu durchschauen, mit Kraft genug, um vieles zu verachten, aber unglücklicherweise nicht mit Energie genug, es von sich abzustoßen und sich auf immer zu befreien, mit solchem Charakter lebt dieser Mann inmitten eines der zügellosesten Hofe der Welt, die Folgen kann man sich unschwer denken. – Er war der Müßigsten einer und dachte an nichts, als an Weiber, Pferde Hunde u.s.w., kurz er stand etwa auf dem geistigen Niveau eines modernen Gardelieutenants. – Natürlich verfügte er über die glänzendsten Titulaturen, welche ihm teils als gebratene Tauben in den Mund flogen, teils auch ihm durch seinen ihm treuergebenen Sekretär, den Abbé Georgel, durch Intrigue verschafft waren, er war Koadjutor von Straßburg, Erzbischof von Straßburg, Großalmosenier von Frankreich, Kommandeur des Ordens vom heiligen Geist, Kardinal, Komtur von St. West d'Arres, einer der fettesten Pfründen der Welt, und bei alledem der vollkommenste Nichtstuer und Tagedieb, den man sich denken kann. Eine dreifach mit Ohren, rotem Sammet und bürgerlichen und kirchlichen Garnituren aller Art bekleidete Gestalt, ist er doch an und für sich wenig mehr als ein formloses Konglomerat von Widersprüchen, Schlafsucht und Gewalttätigkeit und niedrigen Leidenschaften. Ja, liegt nicht die Summe aller möglichen Widersprüche in der einen Tatsache, daß er, Prinz Ludwig de Rohan, zum Priester, zum Kardinal der Kirche ernannt wird? – Ein sittenloser, ausschweifender Sterblicher wird Kirchenkardinal, die symbolische Angel oder der Eckstein des unsichtbaren Heiligtums in dieser Welt. Ein Bewohner des Saturn, der dies sähe, könnte sich darüber tot lachen, wenn er nicht vor Mitleid und Entsetzen ohnmächtig würde. – Das ist der zweite Mann! –

Rohan geht nun als Gesandter nach Wien, mit vierundzwanzig Pagen, alle von edler Geburt, alle in scharlachroten Hosen, und einem äußerst prächtigen Gefolge. – Die Geschäfte der Gesandtschaft besorgt der Abbé Georgel, während Se. Eminenz, wie gewöhnlich, auf die Jagd nach Wild und schönen Weibern gehen und die köstlichsten Soupers geben, die je in Wien gesehen wurden. – Abbé Georgel schreibt wie wir uns leicht denken können, alle vierzehn Tage in seinem Namen eine Depesche, erwähnt in einer von diesen, daß »Maria Theresia allerdings mit dem Schnupftuch in der einen Hand dasteht, um Polens Unglück zu beweinen. Aber auch mit dem Schwerte in der andern, bereit, Polen in Stücke zu schneiden und sich ihren Anteil anzueignen,« ein unzeitiger Scherz, der dem armen Kardinal beinahe den Verstand kosten sollte. – Denn der Minister teilte ihn dem Könige mit, dieser der du Barri, die Sache wird Hofwitz, die junge Kronprinzessin Marie Antoinette merkt sich diese unehrerbietige Aeußerung des Kardinals und trägt sie ihm nach. – Und es war noch nicht einmal sein Esprit! – Armer Mann! –

Inzwischen starb Ludwig XV., und zur Regierung kommt Ludwig XVI. und Marie Antoinette wird Königin. Eminenz Rohan ist von Wien wieder nach Hause, um zu kondolieren und zu gratulieren. Er bringt einen Brief von Maria Theresia mit und hofft, daß die Königin alte Freunde nicht vergessen werde. Himmel und Erde! Die Königin will ihn nicht sehen, sondern befiehlt, daß der Brief ihr übersendet werde. Der König selbst läßt ihm kurz bedeuten, er werde ihn rufen, wenn er ihn brauche.

Ein mitfühlendes Gemüt kann sich denken, daß die Wirkung dieses unerwarteten Sturzes auf den Prinzen eine schreckliche war, denn was war Rohan ohne den königlichen Hof? Ein Nichts. Hofluft war die einzige Atmosphäre, in der er gedeihen konnte. – Er war völlig vernichtet, und nur im Stande, einen einzigen Gedanken zu fassen: »Ich muß wieder an den Hof, ich muß wieder zu Gnaden aufgenommen werden, coûte que coûte. Und nun – wie viele Wege versucht er, wie viele Tage und Nächte verbringt er mit Konjekturen und Konsultationen. Wie vielen Soupers hat er beigewohnt, wie viele gegeben! – Alles umsonst. – Seht ihn sogar mit seinen roten Strümpfen bei der Abenddämmerung in dem Garten von Trianon. Er hat den Pförtner bestochen; er will die Königin der Etiquette und dem Schicksal zum Trotz sehen; vielleicht wird sie aus Mitleid mit seinem langen und schmerzhaften Uebel ihn heilen. Vergebens, der Wagen der Majestät schießt mit hochbefiederten Häuptern darin rasch vorüber; man erkennt die Eminenz an ihren roten Strümpfen, aber man sieht sie nicht an, sondern lacht sie bloß aus und läßt sie stehen, wie eine Salzsäule.

So vergehen zehn Jahre, in welchen der Kardinal fortwährend zwischen Paris und seinem Landgut bei Zabern hin- und herreiste, und wir wissen, daß er bei einer dieser Gelegenheiten unsern Freund Cagliostro kennen lernte, für den er in seiner verzweifelten Stimmung ein nur zu willkommenes Opfer war, und durch den er völlig um den Verstand gebracht wurde.

Und nicht minder verzweifelt, als der Kardinal, ist auch der arme Böhmer, der noch immer mit seinem Halsband dasteht und keinen Käufer finden kann. Auch ihn treibt die Verzweiflung zu einem letzten Schritt. Er drängt sich, da er Hofjuwelier ist, in die Nähe der Königin, wirft sich ihrer Majestät zu Füßen und bittet sie mit gefalteten Händen und unter strömenden Tränen eins von beiden zu tun: Entweder sein Halsband zu kaufen oder aber ihm gnädigst ihre königliche Erlaubnis zu gewähren, daß er in die Seine springen dürfe. – Die Königin deutet ihm sehr ruhig und klar einen dritten Ausweg an: » dépécez votre collier, nehmen Sie das Ding auseinander!, und sie fügt hinzu, daß er, wenn er durchaus ins Wasser springen wolle, dies auch ohne ihre Mitwirkung könne.«

Böhmer nahm aber nicht auseinander und sprang auch nicht.

Gebt acht, das Schicksal wird noch zwischen Böhmer und Rohan, den beiden Verzweifelten, einen Zusammenhang schaffen, es fehlte nur noch das verbindende Mittelglied und auch dies sollte nicht auf sich warten lassen. Dies Mittelglied aber war ein Weib – und das sagt genug. – Wir kommen nunmehr zur Heldin des Halsbandprozesses.

Jeanne de Saint-Remi oder, wie man sie auch sonst nennt, die Gräfin von Valois war zur Zeit der Ereignisse, welche wir kennen, 27 Jahr alt, und hatte ein nicht allzu bequemes Leben geführt. Auch ihr Geschlecht geht auf die Krone von Frankreich zurück, sintemalen sie von einem außerehelichen Sohne Heinrichs II. im sechsten Gliede abstammte. Allein dies hochadelige Geschlecht war immer mehr und mehr verarmt, teils durch eigene, teils durch fremde Laster, und der Vater unserer Jeanne starb im Hospital, ohne seiner kleinen Tochter auch nur einen Sou zu hinterlassen. Eine mitleidige Gräfin Boulainvilliers, welche an dem kleinen zerlumpten Kinde Gefallen fand, nimmt sich ihrer an und erzieht sie dergestalt, daß sie nach Abschluß dieser pädagogischen Exerzitien ein mixtum compositum von Putzmacherin, Zofe, Hofbettlerin, feiner Dame und königlichem Sprößling ist. Eitelkeit und Hunger, eine Prinzessin von Geblüt, deren Vater im Hospital starb, ungewiß ob Pflegetochter einer liebreichen Gräfin oder überzählige Soubrette, mit einem Worte, Vornehmheit ohne die Mittel dazu – eine der traurigsten und bejammernswertesten Lagen der Welt. Dabei ist sie eigensinnig, kokett, launenhaft, verschlagen und grenzenlos leichtsinnig und oberflächlich. – So sitzt oder hüpft vielmehr ihr hastiger Geist in der Mitte eines grenzenlosen Strudels von Goldflittern, Papierschnitzeln und günstigen Zufällen. – So findet sie ein Herr de la Motte, ein völlig verarmter und verkommener Adliger, der sich in ihr pikantes Gesichtchen verliebt und ihr seine Hand anbietet. Sie denkt: »Besser, denn keiner«, und giebt sie ihm, und da er nichts hat und sie nichts hat, so hungern sie beide um die Wette. – Das aber soll auf die Dauer unerträglich werden. – Man wendet sich um Rat an die freundliche Gräfin Boulainvilliers, diese meint, man müsse dem Sprößling aus königlichem Geblüt eine kleine Hofpension ohne Schwierigkeiten verschaffen können, und bescheidet das Ehepaar zu sich nach Straßburg. – Als sie daselbst ankommen, war die Gräfin indessen zu Besuch auf das nachbarliche Gut des Prinzen von Rohan gefahren, unsere beiden Petenten fahren nach, und, – Achtung – die Fühlung nach rechts ist gewonnen, die Gräfin de la Motte-Valois lernt hier den Prinzkardinal Rohan kennen. – Und er sie lieben. – Denn das ging schnell bei ihm, und da sie sich von dieser Bekanntschaft ungemeinen Nutzen versprach, auch vernommen hatte, wie leicht unser Freund Cagliostro am Prinzen sein Geld verdiene, so war sie über seine Zuneigung durchaus nicht böse, vielmehr beschloß sie, als Teilhaberin in das Geschäft Cagliostros einzutreten, und so mästet sich denn von nun an die Firma Cagliostro und Kompagnie tapfer aus dem prinzlichen Säckel. Natürlich waren Cagliostro und Frau de la Motte ungemein giftig aufeinander, denn jeder glaubte sich vom andern übervorteilt, jeder betrachtete das, was vom andern dem Prinzen gestohlen wurde, als ihm gestohlen. – Schönes Verhältnis.

Frau de la Motte hatte den Kardinal verlassen, um sich mit Hilfe der Gräfin um eine Pension zu bemühen, und war zu dem Zwecke nach Paris mit ihr gefahren. Vergebens, kein Minister hatte auch nur einen Pfennig übrig, und da sie aus der Entfernung unmöglich den Prinzen anbetteln konnte, denn so weit war sie noch nicht mit ihm, so hungerte sie in Paris erbärmlich. Dabei mußte sie aus einem Vorzimmer ins andere, ein Popanz werden für die Beamten und die Frauen, die Einfluß haben, sich in Tränen und Danksagungen erschöpfen, immer anständig, ja nobel gekleidet sein, und das kostet Geld. – Zu ihrem Unglück starb nun auch noch die Gräfin Boulainvilliers, und nun war die Not am höchsten; aber auch die Hilfe am nächsten. – Denn nun kam wieder einmal Prinz Rohan, von irgend einer vagen Hoffnung getrieben, nach Paris, um irgend einen neuen Versuch zu riskieren.

Bei ihrem häufigen Verkehr mit dem Hofgeschmeiß hat unsere wackere Gräfin mehr als einmal von Böhmer, von seinem Halsband und gedrohten Wassertod reden hören. Darin liegt für ein gewöhnliches Auge nichts besonderes. Aber Frau de la Motte hatte kein gewöhnliches Auge, sondern das des Genius, wenn auch nur zum Schwindeln und Betrügen. – Unsere Physiologen sind zum Glück aller spekulierenden Metaphysiker noch nicht so weit, den Ursprung des Gedankens nachweisen zu können, und auch wir können den unglaublichen Gedanken nicht bis in seine einzelnen Teile zerlegen, den die Gräfin de la Motte faßte, genug, er war da und sollte dem Prinzen, ihr und Cagliostro blutige Tränen kosten.

Die Gräfin faßte den Plan, einen Hauptcoup auszuführen, sich in den Besitz des Halsbandes zu setzen, dieses durch ihren Gatten in England zerstückeln zu lassen und sich so mit einem Schlage in den Besitz eines fürstlichen Reichtums zu setzen. – Der arme Kardinal sollte das Opferlamm werden. – Um diesen scheinbar wahnwitzigen Plan zu verwirklichen, ersann die Gräfin das verruchteste, aber auch das genialste Lügengewebe, das je einem menschlichen Kopf entsprang, und gegen welches die infamsten, abgefeimtesten Hofintriguen ein unschuldiges Kinderspiel sind.

In den ersten Tagen des Januar 1784 deutet die Gräfin geheimnisvoll und unter dem Siegel der Verschwiegenheit Seiner Eminenz an, daß sie mit ihrem großen Talent als Anekdotenerzählen sich Zugang zum Ohr der Königin selbst verschafft habe. – Diese schlau ersonnene Erzählung, so wie sie von der geschickten Bühnenkünstlerin ersonnen, anhören, die Worte derselben erwägen, sie begierig einsaugen und trunken davon werden, was anderes konnte Se. Eminenz tun? – Er faßt neue Hoffnung, und seine fixe Idee steigt ihm aufs neue stark zu Kopfe. – Die geheime Freundschaft der Königin ist nicht eine Sache, die man einschlafen lassen kann. Fortwährend finden nun Unterredungen im Palaste statt, aber stets in verstohlenster Weise, denn man ist belauscht, und endlich hat man auch Gelegenheit, bei einer derselben von Monseigneur de Rohan zu sprechen. – Glückliche Eminenz, die Königin ist bereit, ein entschuldigendes Schreiben von Dir in Empfang zu nehmen; unser Schutzengel, die Gräfin, selbst wird die Ueberbringerin sein! Am 21. März geht jener lange, flehende Entschuldigungsbrief ab. Es ist der erste Brief, der von dem Kardinal an die Königin abging. Auf ihn folgen im Laufe der Zeit »über zweihundert andere«, die gnädig durch mündliche Botschaften, ja endlich durch königliche Autographen auf vergoldetem Papier beantwortet werden. Alles dies wird von der Gräfin überbracht. Die Dinge sind im besten Gang. Die Kronprinzessin nahm allerdings einmal etwas übel, aber die Königin hat es nun so ziemlich wieder vergessen. Sie ist ja überhaupt so gutherzig, meint die Gräfin, nur leidet sie mitunter an Geldmangel, und das sei doch für eine Königin schlimm.

Und die Gräfin de la Motte hatte sich also wirklich in das Vertrauen der Königin eingeschmeichelt? Jene Autographen auf Goldpapier waren wirklich von der Hand der Königin? – Lieber Leser, wir sagen weiter nichts, als daß ein guter Freund des Herrn Grafen, ein großer Halunke, namens Villette de Reteaux, es trefflich versteht, Handschriften nachzuahmen. – Und was ihre Connaissanzen im Palast anlangt – hm, möglicherweise kennt sie wirklich den Türhüter im Trianon, vielleicht auch noch den Kammerdiener der Königin. Möglich ist alles.

Inzwischen gehen die Dinge ihren gleichmäßigen Gang weiter, auch Freund Cagliostro ist nunmehr in Paris angekommen, und das alte Spiel beginnt von neuem. – Die Gräfin meint, Cagliostro könne ihr nützlich werden, Cagliostro meint, er könne von der Gräfin vielleicht Vorteile haben, und in der Obhut der heiteren, bezaubernden Gräfin und des Charlatans aller Charlatane ist der arme Kardinal de Rohan glücklich geborgen. Nur einige königliche Autogramme rütteln ihn aus seiner süßen, hoffnungsfrischen Ruhe auf. – Er hat ja die Gräfin, sie wird schon alles zum besten wenden.

Inzwischen erfährt auch Herr Böhmer, der unglückliche Juwelier, durch den Herrn Grafen la Motte, der bei ihm eine Kleinigkeit kauft, so ganz nebenbei und zufällig, in wie hoher Gunst seine Gemahlin bei der Königin stehe. – Der Mensch tut viel, ehe er sich ersäuft. – Er stürzt zur Gräfin, er will von dem ersten, ohnedies sehr billigen Preise noch viel ablassen; er will der edelmütigen Tochter aus königlichem Geblüt gern tausend Louisd'ors zum Geschenk machen, wenn sie die Königin zum Ankaufe des Halsbandes beredet. Die Zudringlichkeit des Mannes wird unserer Gräfin ordentlich lästig, sie erzählt in ihrer redseligen Weise, wie sie gelangweilt worden – unter anderem erzählt sie dies auch Monseigneur.

Monseigneur hat natürlich inzwischen seinen Schutzengel aufs reichlichste unterstützt, denn er kann nicht mitansehen, wie sie Not und Mangel leidet, aber er hat nicht nur die Gräfin unterstützt, nein, auch die Königin hat ihm die Ehre angetan, sich von ihm mit einigen größeren Summen unterstützen zu lassen, wenn sie gerade in Geldnot war, und immer war die gute Gräfin liebenswürdig genug, diese Summen zu überbringen. – Armer Rohan! – Du bist wirklich ein Esel.

In den wachen Träumen, welche den Kardinal tausendgestaltig umspielen, taucht von Zeit zu Zeit auch das Bild des zudringlichen Böhmer und seines Halsbandes auf. Trägt die Königin in ihrem Herzen Verlangen danach und ist sie gleichzeitig doch zu arm, um es zu kaufen? Unser Schutzengel, die Gräfin, antwortet unbestimmt und geheimnisvoll, bekennt endlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß die Königin sich mehr als alles andere eben dieses Halsband wünscht, aber wegen ihres knauserigen Gemahls nicht wagt, es zu kaufen. Sie wolle sich noch weiter danach erkundigen.

Der 28. Juli des Jahres 1784 ist gekommen und mit ihm der entzückungsvollste Tumult in Monseigneurs Herz. Unaussprechliche Spannung regt seine Seele bis in ihre tiefsten Tiefen auf. Nach dem Schloß, nach dem Park von Trianon! Diese Nacht will die Königin Dir begegnen, die Königin selbst; so weit hat es die Gräfin, unser Schutzengel, gebracht. – Das Dunkel der Nacht ist endlich da, fiebernd erwartete es Monseigneur, – nun macht er sich mit seinem getreuen Knappen Planta auf den Weg, der bestochene Pförtner schläft, man tritt in den Park, der Kardinal in blauem Ueberrock mit tief herabgezogenem Hute. Es war eine wundervolle Nacht. Ihr duftigen, balsamischen Gesträuche, ihr gespenstigen Zedern, du geheiligtes Bosket von Hagedorn, ihr düstern Pavillons flüstert nicht! Mond, liege stumm und verborgen in deiner Höhle, kein Stern blicke herab, um zu rufen: Halt, halt! – Der schwarze Domino? Ja, ja! Mit festen Schritten geht Monseigneur vorwärts. Der schwarze Domino brauchte bloß leise und eilig zu flüstern: »In der Hagedornlaube.« Und nun, Kardinal, o nun! – Ja, ja, da schwebt die Weiße, Himmlische, feiner als Mondschein ist ihr Gewand, eine Juno an Gestalt und Haltung – dort in jenem Bosket! Monseigneur, nieder auf Deine Kniee, niemals können rote Hosen besser verdorben werden. – O, er möchte das königliche Schuhband küssen! Nicht Worte, nur gebrochene Seufzer und bebende, gemurmelte Laute verraten, was er sagen will. Aber ach, siehe, unser schützender, schwarzer Domino kommt eilig herbei und flüstert eifrig: on vient. Die weiße Juno läßt die schönste Rose fallen mit den ewig denkwürdigen Worten: vous savez ce que cela veut dire, Sie wissen, was das heißt, und verschwindet in dem Dickicht, während der schwarze Domino sie mit dem ängstlichen Geflüster: » vite, vite, fort, fort« zur Eile antreibt, denn der Schall von Tritten kommt immer näher. Monseigneur hebt seine Rose auf, eilt davon und rennt beinahe den armen Planta über den Haufen, dessen Gelächter ihn überzeugt, daß er nichts zu fürchten hat.

Du staunst, guter Leser, und weißt Dir keine Erklärung für dieses Rendezvous. – Tröste Dich, der schwarze Domino, unsere Gräfin, weiß um so besser Bescheid. – Der Pförtner von Trianon war bestochen; und ein armes Mädchen, das einige Aehnlichkeit der Gestalt nach mit der Königin hatte, ohne daß es selbst davon etwas wußte, in die Affaire hineingezogen worden. – Der Graf de la Motte sah dieses junge Mädchen, sie schien ihm zu seinem Plane wohl geeignet, er machte sich an sie heran und erschien eines Tages in der Behausung dieser durchaus respektablen Dame, die allein stand. – Er spricht davon, eine große Hofdame einzuführen, durch deren Vermittelung sie sogar der Königin einen so wichtigen Dienst leisten könne, daß diese sich ihrer sicherlich annehmen würde, ja, die Belohnung würde unaussprechlich sein.

– Das arme Mädchen ist berauscht von dieser Aussicht. – Frau de la Motte erscheint als Hofdame und – – der Leser weiß Bescheid.

Böhmer indessen harrt voll Zuversicht der Dinge, die da kommen sollen. Die Gräfin will allerdings von seinem törichten Geschenk nichts wissen, dies hat sie ihm rund heraus erklärt, aber dennoch hat sie ihm zu verstehen gegeben, so ganz, ganz zufällig, daß Monseigneur de Rohan der rechte Mann ist, und das genügt ihm einstweilen vollkommen. Wenn nur Monseigneur bald käme!

Die Königin will das Halsband haben, sie kann es auch bezahlen, in Terminen; aber wenn nur der knauserige Gemahl nicht wäre! Ein für alle Male will sie bei dem Geschäft nicht beteiligt scheinen. Nun also: wäre es einem Sterblichen nicht erlaubt, dieses Geschäft heimlich an ihrer Statt abzuschließen? Das ist eben die Frage. Wenn es irgend einem Sterblichen erlaubt ist, so ist Monseigneur dieser Sterbliche. Unsere Gräfin hat sogar gewagt, an der geeigneten Stelle von weitem auf Monseigneur hinzudeuten, aber man zieht seine Diskretion in Zweifel. – Heiliger Brama, seine Diskretion – und der Park von Trianon? – Ja da soll doch gleich. – Beruhige Dich, Eminenz, die Gräfin wird sich angelegen sein lassen, der Königin eine bessere Meinung von Dir beizubringen. Ja, die Gräfin, wo sie nur bleiben mag?

Endlich ist sie da, und mit ihr trifft in Zabern ein vergoldetes Autogramm ein: »Nach Paris, wegen eines kleinen, delikaten Geschäfts, welches unsere Gräfin erklären wird.« – Nach Paris! rasch! Pferde, Postillone, Lakaien! Und so rollt die wieder zum Leben erweckte Eminenz, in Pelze eingewickelt, in der angenehmsten Kälte über die pfeifenden, festgefrorenen Heerstraßen dahin.

Die Gräfin indessen, die von Geschäftssachen nichts versteht, erklärt, sich bei Leibe nicht in den Handel einmischen zu wollen, sondern überläßt alles ihrer Majestät und den vergoldeten Autographen. Der emsige Böhmer hat nichtsdestoweniger eifrige Konferenzen mit Monseigneur. Die Schwierigkeit ist Ihrer Majestät grillenhafter Eigensinn, ihre Unbekanntschaft mit Geschäften; sie will durchaus nicht ein vergoldetes Autograph schreiben, durch welches Seine Eminenz autorisiert wird, den Handel abzuschließen, sondern schreibt vielmehr in verdrießlichem Tone, daß die Sache weiter nichts auf sich habe und ebenso gut unterbleiben könne.

Endlich nach wütendem Hin- und Herfahren der Gräfin zwischen Paris und Versailles wird am 29. Januar ein Ausweg gefunden. Der vorsichtige Böhmer soll auf feinstem Papier seine Bedingungen aufsetzen, die wirklich gar nicht unbillig sind. Sechszehnhunderttausend Livres, die in fünf Raten gezahlt werden sollen, die erste in sechs Monaten, die anderen vier in je drei Monaten. Dies ist die Übereinkunft, an welcher die Hofjuweliere Böhmer und Bassange einerseits und der Prinz Kardinal Komtur Ludwig de Rohan andrerseits durch ihre Namensunterschrift fest zu halten sich verpflichteten. Diesen beschriebenen Bogen vom feinsten Papier muß unsere arme Gräfin wieder in ihre Obhut nehmen und damit abermals nach Versailles eilen, von wo sie, nachdem sie unsägliche Mühe gehabt – die natürlich nur der treue Villette teilt – wieder zurückkehrt und die kostbare Randbemerkung » bon – Maria Antoinette de France« von der Autographenhand mitbringt. – Glücklicher Kardinal, man acceptiert Deine Gefälligkeit, bald erstrahlt Dir der Hof in schönstem Glanze. – Wie wirst Du dann strahlen!

Böhmer soll mittlerweile, verschwiegen, wie das Grab, keinem Menschen erzählen, daß er sein Halsband verkauft hat, oder, wenn man ihn allzudringend auffordert, es vorzuzeigen, bekennen, daß es an die damalige Favorit-Sultanin des Großtürken verkauft worden.

Der erste Februar war der große Tag der Übergabe. Böhmer erschien, geheimnisvoll lächelnd, mit einem Kästchen im Palais de Straßbourg, und Monseigneur werden die Herablassung haben, diese Empfangsbescheinigung zu unterzeichnen, alles übrige ist bereits abgemacht. – So hat denn Monseigneur endlich das Halsband erobert und rollt nun damit in geheimnisvoller Geschwindigkeit fort nach Versailles.

Die nächste, große Vorstellung unserer dramaturgischen Gräfin findet schon am nächstfolgenden Abend in ihrem eigenen Zimmer zu Versailles statt. Es ist ein geräumiges Zimmer mit einem Alkoven, und der Alkoven hat eine Glastür. Monseigneur tritt ein; ein Diener folgt ihm, der ein geheimnisvolles Kästchen trägt, es behutsam auf den Tisch setzt und sich dann ehrerbietig wieder entfernt. Es ist das Halsband selbst in all seinem Glanze. Die Gräfin und Monseigneur können nun mit Muße den königlichen Schmuck bewundern und sich Glück wünschen, daß sie ihn erobert haben.

Aber still! es wird an die Tür gepocht – leise, aber entschieden, jedenfalls in höherem Auftrage. Monseigneur und die Gräfin ziehen sich in den Alkoven zurück und beobachten von hier aus alles durch das Glasfenster. Wer kommt? Die Tür wird aufgerissen – de par la reine. Betrachte ihn wohl, Kardinal; er tritt mit ernster, ehrerbietiger, aber amtlicher Miene ein. – Es ist der Kammerdiener der Königin – alles, wie verabredet. Und dennoch, trotzdem er die Livrée der Königin trägt, will mich bedünken, als ob der Geselle die größte Ähnlichkeit mit dem Halunken Villette hätte. – Aber Halunke oder Kammerdiener, er nimmt das Kästchen mit unveränderlich ernster, ehrerbietiger, aber amtlicher Miene, macht eine tiefe Verbeugung und verschwindet. – Pfeif' ihm nach, Monseigneur!

Still, sanft und schweigend, wie ein Traum, ist unser massives Halsband verschwunden. – Wohin?

Der Graf de Lamotte nahm einen Teil und ging damit nach England, wo er ihn verkaufte und sich vortrefflich damit amüsierte, und Vilette de Reteaux sollte mit dem andern nach Amsterdam gehen, zog es aber vor, sich damit nach Genf zu begeben, und verpraßte es daselbst in einem wüsten Leben. Unrecht Gut gedeihet nicht. Gräfin Lamotte, Du bist eine betrogene Betrügerin. – Du bist selbst ein Halunke, nun begaunern Dich Deine Kollegen.

Doch zurück nach Paris. – Eben kommt Freund Cagliostro von Lyon nach Paris zurück. Nun gehts ans Prophezeien und Weihräuchern und Geisterzitieren, – nun wird sicherlich alles zu Monseigneurs Ruhme, zum Wohle Frankreichs und der Menschheit und wahrscheinlich auch der ägyptischen Maurerei ausfallen. Dabei fließt der Tokayer wie Wasser, unsere gute Gräfin ist heiterer, wie je und verschönt durch Witz und Sonstiges diese Göttergelage.

Dies ist ja alles recht schön, aber Teufel, warum empfängt Dich die Königin noch immer nicht, Eminenz? Mich will bedünken, sie hätte nunmehr alle Veranlassung dazu. – O, wer kennt alle die Kabalen, denen sie mit dem Mute einer Löwin entgegenarbeitet. – In öffentlicher Audienz darf sie es noch nicht wagen, aber sie wird Dir ein nur Dir allein verständliches Zeichen ihrer Gunst zukommen lassen. Sie läßt Dich durch die Gräfin für morgen ins œil de bœuf bitten und wird Dir ihren innigsten Dank durch eine Neigung des Kopfes aussprechen. – Der Kardinal leistet selig Folge. Sie kommt, sie sieht zu ihm hin, zu ihm, der unter der gaffenden Menge in der Galerie des Palastes von Versailles steht, und sich – sie winkt, sie winkt wirklich. Ihm gilt dieser Gruß, ihm allein. – So sagt die Gräfin Lamotte. Daß dies aber eine Gewohnheit der Königin ist, daß kaum ein Tag vergeht, ohne daß sie dies tut – davon sagte die Gräfin natürlich nichts.

Toll war bei alledem nur das eine, daß die Königin mit der leichtsinnigen Undankbarkeit ihres Geschlechtes Monseigneur nach wie vor zu fliehen scheint und, weit entfernt, seinen verabscheuten und ihn verabscheuenden Nebenbuhler, den Minister Breteuil, zu entfernen und Monseigneur öffentlich zu honorieren, ihm kaum einige vergoldete Autographen zukommen läßt, deren Inhalt noch dazu ein sehr verdächtiger und ungemein launenhafter ist. – Auf einige Zuschriften erhält man keine Antwort, der Kardinal weiß nicht mehr, was er nun der ganzen Sache halten soll. Und mittlerweile naht der erste Zahltag, und mit ihm der Krach!

Ein Krach, von dem ganz Europa widerhallte, ein kolossaler, unglaublicher Krach.

Am 30. Juli war die erste Rate fällig. – Siehe, am 19. dieses Monats kommt das kürzeste, nachlässigste Autograph, mit zehntausend Livres baren Geldes darin zur Deckung der Zinsen für die erste Terminzahlung, weil die Kapitalzahlung von mehr als 300 000 Livres momentan nicht geleistet werden kann. Der hungrige Böhmer macht große Augen bei diesem Vorschlag und will das Geld wohl nehmen, aber blos als Abschlagszahlung. Dabei bleibt er unbedingt stehen, und ein Gerichtshof, wenn es kein anderes Mittel giebt, soll ihm zu dem übrigen Gelde verhelfen.

Ein Generalpächter will sehr gern die nötige Summe vorstrecken um der Königin willen, glaubt aber, es wäre gut, erst mit der Königin zu sprechen. – Und die Gräfin erklärt, diese lasse sich in der Sache nicht mehr sprechen. – Böhmer hatte sich verpflichtet, kein Wort über die ganze Sache zu sprechen, aber legt einmal einem Unglücklichen Schweigen auf, der ein so immenses Kapital auf dem Spiel zu stehen hat. – Er kann sich nicht helfen, er muß wissen, woran er ist, und so will er denn nur hinten herum einmal anpochen und fragen, wie es steht. – Davon brauchen ja Se. Eminenz und die Gräfin nichts zu wissen. – So läuft er denn zur Kammerfrau der Königin, Madame Campan, die er nach der Zahlung für sein Halsband fragt. – »Halsband? Die Frau sieht Böhmer an, wie einen Verrückten, Halsband? – Königin? »Ja, Sie wissen doch, daß ihre Majestät den Ankauf Ihres Halsbandes entschieden refüsiert haben?« Böhmer stammelt etwas, wie Rohan und Lamotte.

»Nichts, alles nichts, Ihre Majestät haben kein Halsband erhalten.« Inzwischen strömt der Regen in Strömen auf die beiden Sprechenden nieder – die Szene spielt im Park von Versailles – aber keiner von beiden achtet darauf, so vom Donner gerührt sind sie. – Böhmer erzählt nun alles. – Zum Minister, das ist der Rat der Madame Campan, Böhmer stürzt zum Baron von Breteuil in wahnsinniger Verzweiflung, denn er beginnt Schreckliches zu ahnen, der Minister eilt bestürzt zum Könige. Dieser in der Meinung, die Königin habe gegen sein Verbot durch Intriguen den Schmuck ohne sein Wissen in ihren Besitz gebracht, ist empört und begiebt sich augenblicklich zur Königin, der er mit den heftigsten Vorwürfen entgegentritt. – Die Königin ist entsetzt, beteuert unter Tränen, nichts von alledem zu wissen. – Böhmer wird gerufen und in Gegenwart sämtlicher Minister, des Königs und der Königin in fraglicher Sache vom Polizeipräfekten von Paris inquiriert, und nun kam der unheimliche, immense Betrug mit allen seinen Einzelheiten an's Licht. – Aber die Beteiligten wußten noch immer nichts davon, denn Böhmer wurde bis zum Austrag der Sache in Ehrenhaft im königlichen Palais gehalten.

Inzwischen, einige Tage vor dem eben Erzählten, kam die Gräfin Lamotte verstört zu Seiner Eminenz; sie war, wie sie sagte, soeben in Versailles gewesen. Die Königin erkläre mit einer frivolen Launenhaftigkeit, sie wolle leugnen, jemals das Halsband bekommen oder jemals mit Se. Eminenz in irgend einer Unterhandlung gestanden zu haben.

Der Kardinal war wie vom Donner getroffen, stand da, sperrte Mund und Nase auf, und wußte nicht, was er sagen sollte.

Wir haben Mariä Himmelfahrt, den 15. August. – Lege Deine Ponteficalia an, Kardinal; verbanne diese erbärmlichen, irdischen Dinge aus Deinen Augen. Auf jeden Fall glätte Dein Antlitz, damit es heiter scheine. Du hast etwas zu verrichten was man Gottesdienst nennt und wobei Du die eiste Rolle spielen sollst.

Stolz und froh begiebt sich der Kardinal in das Schloß zu Versailles; er wird zum Könige gerufen. – Wie lange geschah das nicht, er ist auf der Höhe seines Glückes. – Er kommt ins Vorzimmer. – Die Tür zum Zimmer des Königs öffnet sich, Herr von Breteuil tritt heraus, groß in dem Stolz seiner Würde, in diesem dem triumphierendsten Augenblick seines Lebens. Mit einem einzigen strahlenden Blick winkt Breteuil den diensthabenden Offizier heran, mit einem zweiten fixiert er Monseigneur: » De par le roi, Monseigneur – Sie sind Arrestant; Herr Lieutenant, Sie haften mit Ihrem Kopfe für den Gefangenen!«

Monseigneur taumelt und wankt und droht zusammenzubrechen. – Er richtet sich auf, er verlangt wenige Minuten, sich zu sammeln; sie werden gewährt. – Dann begiebt er sich unter Bedeckung nach seinem Hotel in Versailles, um dort noch einiges zu arrangieren.

Aber warum reitet dieser Heiduck, als ob alle Teufel ihn hetzten? Es ist Monseigneur's Heiduck; Monseigneur sprach an der Tür seines Hotels in Versailles drei deutsche Worte zu ihm und steckte ihm dabei einen Zettel zu, den er unterwegs mit einem geborgten Bleistift geschrieben. Nach Paris! Nach dem Palais Cardinal! Das Pferd stürzt, noch ehe es den Stall erreicht, tot nieder, der Heiduck wird auf der Schwelle des Kabinets ohnmächtig, aber der Zettel entfällt seiner Hand – » et me voilà, und ich war da« sagt Abbé Georgel in seinen Memoiren. Das Portefeuille mit den vergoldeten Autographen wird sogleich verbrannt. – Es entging den Händen der Polizei, die dicht hinter dem Boten her war und wenige Minuten später alles unter Siegel legte.

Monseigneur kam in die Bastille, Cagliostro nebst Gemahlin folgte ihm nach, wenige Tage später die Gräfin Lamotte, die aus Bar-sur-Aube geholt worden war, wohin sie sich begeben, nachdem sie ihr Spiel zu Ende glaubte, endlich auch Villette de Reteaux aus seiner schweizerischen Zurückgezogenheit in den Kneipen von Genf.

Die Bastille öffnete ihren eisernen Schoß ihnen allen.


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