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Die Sammlungen nachantiker Plastik, die islamische und die ostasiatische Kunstabteilung

Da bei meiner Berufung an die Gemäldesammlung, wie ich schon früher erwähnte, eine Assistentenstelle nicht vorhanden war, wurde mir die grade unbesetzte Stelle eines Assistenten an der Abteilung der antiken Bildwerke zugewiesen. Graf Usedom erklärte mir, es sei ihm diese Doppelstellung für mich besonders erwünscht, da er mir als ersten Auftrag die Bildung einer umfassenden Sammlung von Abgüssen der italienischen Renaissanceplastik zugedacht habe. Originalwerke könne man in Italien nicht mehr kaufen, weder Bildwerke noch Gemälde; er habe sich deshalb die Aufgabe gestellt, eine möglichst vollständige Sammlung von Kopien nach den Meisterwerken der italienischen Malerei und von Abgüssen nach den wichtigsten Skulpturen machen zu lassen. Als ich vorsichtig einige Bedenken in bezug auf eine Sammlung von Kopien nach Bildern zu äußern wagte, überhörte er sie diplomatisch; er kenne den Kunsthandel in Italien aus eigener Erfahrung. Da mir selbst diese Kenntnis damals noch völlig abging – mein erster Aufenthalt in Italien 1871 hatte nur den Kunstwerken in öffentlichem Besitz gegolten – übernahm ich zunächst die Aufgabe der Bildung einer Sammlung von Abgüssen nach italienischen Bildwerken, für die ich während meiner ersten Dienstreise in Italien 1872/73 ein Programm aufstellte. Unerwarteterweise ermöglichte mir gleich diese erste Reise die Erwerbung eines tüchtigen Originals: die große Marmorbüste eines Barockmeisters, den Maler Maratti darstellend. Aber die Schwierigkeiten, die sich aus meiner Zwitterstellung ergaben, sollten sich bald zeigen. Zwei Jahre später fand ich im Florentiner Kunsthandel die Marmorbüste eines dornengekrönten Christus, deren Ankauf ich dem Generaldirektor warm empfahl. Da Graf Usedom durch Monate nicht antwortete, erteilte mir unser Protektor, der Kronprinz, der gerade in Florenz anwesend war, seinerseits die Erlaubnis, den Kauf abzuschließen. Ich stellte die Büste aus, fand sie aber am folgenden Tage mit einem Zettel des Direktors der Antikensammlung, die Büste gehöre nicht in die Sammlung, in meinem Zimmer vor. Ich antwortete darauf, die Büste sei im Einverständnis mit dem Herrn Protektor erworben, worauf der Direktor sie sofort ins Kronprinzenpalais bringen und dort auf die Treppe stellen ließ, mit einem Zettel dabei: S. kaiserliche Hoheit möge seine Erwerbungen gefälligst bei sich aufstellen! Gleichzeitig hatte er die Erwerbung von ein paar von mir vorgeschlagenen Madonnenreliefs des Quattrocento mit der Bemerkung abgelehnt, es befänden sich nach seiner Zählung schon zwanzig Madonnen in der Sammlung, daher sei ein weiteres Bedürfnis danach nicht mehr vorhanden.

Derselbe Beamte hatte die ersten Tafeln des großen Pergamon-Frieses, die Karl Humann dem Museum zum Geschenk gemacht hatte, um eine weitere Ausgrabung anzuregen, ohne jede Antwort sofort magaziniert, da sie nicht museumswürdig seien. Auf diese und ähnliche Leistungen wurde ihm der wohlverdiente Ruhestand nicht länger vorenthalten. Aber nun kamen die Schwierigkeiten, für die Abteilung der nachantiken Bildwerke Erwerbungen zu machen, wieder vom Generaldirektor Graf Usedom. Die Genehmigung zum Ankauf des reizend naiven Putto von Andrea della Robbia, der jetzt seit Jahrzehnten, ohne Anstoß zu erregen, die Abteilung schmückt, hatte er als »unanständig« verweigert. Stuckreliefs lehnte er prinzipiell ab: Stuck sei Gips, Stuckreliefs gehörten also nicht in die Sammlung der Originale: und in die Gipssammlung paßten sie gleichfalls nicht, da sie bemalt seien! Für den Ankauf von Büsten war er dagegen leicht zu gewinnen, da sie historisches Interesse hätten; hielt er sich doch für einen großen Geschichtsforscher. Aber auch hier ergab sich eine große Schwierigkeit: Usedom verlangte regelmäßig die Einsendung der von mir vorgeschlagenen Büsten, was von den Besitzern natürlich stets abgelehnt wurde. So entging uns Donatellos großartige Büste des Niccolo Uzzano, die ich damals um 13000 Lire für uns gesichert hatte. Einen gleich schweren Verlust verschuldete der Generaldirektor nicht lange darauf, indem er eine Depesche an mich, in der mir der Ankauf von Rossellinos herrlichem Sebastians-Altar in der Collegiata zu Empoli gemeldet wurde, mir vorenthalten hatte. Der Händler hatte die Depesche nämlich an den Generaldirektor Bode adressiert. »Generaldirektor bin ich,« hatte Graf Usedom, dem die Depesche zufällig vor Augen kam, bemerkt, hatte die Depesche aufgebrochen, beiseite gelegt und – vergessen. Als ich nach einem Monat davon erfuhr, war der Verkauf rückgängig gemacht worden.

Bei dem ersten wirklich hervorragenden Ankauf für die Abteilung der italienischen Originalbildwerke: den drei berühmten Florentiner Quattrocento-Büsten und der bronzenen Johannesstatue von Donatello im Palazzo Strozzi (1877) hatten wir dagegen keinen Widerstand Usedoms zu überwinden, da er in Florenz bei den Strozzis verkehrt hatte und die Kunstwerke im Palast zu kennen glaubte. Leicht war uns die Erwerbung aber doch nicht geworden; noch im letzten Augenblick wären sie uns fast entgangen. Unser Unterhändler hatte nämlich einen gelegentlichen Besuch von Baron Adolphe Rothschild in Florenz benutzt, um auch diesen auf die Schätze im Palazzo Strozzi aufmerksam zu machen. Glücklicherweise hat die Baronin einen kleinen, sehr kunstreich in Eisen geschnittenen Schlüssel, der traditionell als Arbeit Cellinis galt, den garstigen Fratzen der Büsten vorgezogen.

Eine ebenso bedeutende Erwerbung, um die wir gleichzeitig schon seit dem Besuch des Kronprinzenpaars in Oberitalien 1875 handelten, der Giovannino von Michelangelo, wäre uns fast durch Dazwischenkunft desselben kaufkräftigen Sammlers vereitelt worden. Nachdem wir durch unsern Florentiner Händler den Kauf um 130000 Francs abgeschlossen hatten, erhielt dieser eine Depesche von Adolphe Rothschild, er brauche sofort eine sehr gute lebensgroße Marmorstatue für sein neues Palais in der Rue Monceau. Unser wenig skrupulöser Unterhändler, der eben den Kauf für uns abgeschlossen hatte, machte trotzdem seinen Gönner auf die Statue aufmerksam und besichtigte sie mit ihm im Palast des Grafen Rosselmini in Pisa. Rothschild war sehr entzückt davon und war auch mit dem Preise von 500000 Francs, den ihm der Händler nannte, einverstanden. Während der Händler sofort nach Florenz zurückfuhr, blieb Baron Rothschild die Nacht über in Pisa und versuchte am folgenden Morgen vor seiner Abreise die Statue, die auf einem Treppenabsatz im Palast stand, noch einmal zu sehen. Der Portier sagte, daß er dazu die Erlaubnis des Conte einholen müsse. Der Baron gab daher seine Karte, worauf der Conte Rosselmini selbst erschien. Rothschild erwähnte beiläufig den Preis, der Besitzer aber sagte, seine Forderung sei nie eine halbe, sondern stets eine ganze Million gewesen. Entrüstet verabschiedete sich der Baron und sandte ein grobes, ablehnendes Telegramm an den Händler. Nach mehreren Monaten neuen Handelns erhielten wir die Statue um den achten Teil jener Forderung des Besitzers.

Als die Figur in Berlin ankam, war Graf Usedom endlich von seiner Stellung zurückgetreten; dadurch bekam ich fortan fast freie Hand in der mir jetzt allein unterstehenden Abteilung. Durch die häufigen Reisen nach Italien, behufs Herstellung guter Formen nach den hervorragendsten italienischen Bildwerken des Mittelalters und der Renaissance, hatte ich Gelegenheit gefunden, mich zu überzeugen, daß im Privatbesitz, namentlich in Italien, noch eine recht beträchtliche Zahl tüchtiger Originale aus nachantiker Zeit vorhanden war. Ich konnte daher den Versuch machen, systematisch an einen allmählichen Aufbau einer möglichst vielseitigen Sammlung von Bildwerken dieser Zeit heranzugehen. Ein guter Anfang war schon durch Waagen gemacht worden, der 1841/42 in Venedig mit der Sammlung Pajaro die Hauptstücke unserer Sammlung venezianischer Plastik und dann in Florenz einige treffliche Florentiner Büsten und Reliefporträts erworben hatte. Heute ist diese Sammlung soweit ausgebaut, daß sie für die Renaissance wie die Gotik die vielseitigste und nach verschiedenen Richtungen auch die reichste und wertvollste ist. Freilich konnten wir dies nur sehr allmählich erreichen, da die Werke dieser Zeit sehr vereinzelt und meist sehr versteckt in Privatbesitz waren ; zum größeren Teil sogar ihrem Wert nach den Besitzern selbst unbekannt. War doch die Kenntnis der italienischen Bildner vor einem Menschenalter noch recht schwach, so daß ich bei meinen Ankäufen zunächst vor allem auf Echtheit und Qualität achtgeben mußte. Aber das Leben auf Reisen, wie ich es durch mehrere Jahrzehnte fast ununterbrochen führen mußte, und die mir dadurch gebotene Gelegenheit, die Monumente an Ort und Stelle sowie die öffentlichen und privaten Sammlungen immer wieder zu studieren, gaben mir allmählich größere Sicherheit; ich lernte dabei die einzelnen Schulen und Meister unterscheiden, lernte auf ihre Entwicklung achten und erweiterte meine Kenntnisse gleichzeitig dadurch, daß ich meine Beobachtungen wissenschaftlich verarbeitete.

Was ich so gewann und vor den meisten Kollegen voraus hatte, konnte ich oft vorteilhaft für unsere Sammlungen verwerten; echte, wertvolle Stücke fand ich nicht selten namenlos oder als zweifelhaft im Handel und konnte sie billig erwerben. So wurde mir u. a. unser anmutigstes Madonnenrelief von Luca della Robbia, die Madonna mit dem Apfel, vom Verkäufer selbst als Fälschung bezeichnet; verschiedene unserer wertvollsten Bronzen konnte ich nur erwerben, weil sie als Fälschungen verschrieen waren; auch die vornehme, große, holzgeschnitzte Gruppe der Verkündigung kaufte ich von dem berüchtigtsten Fälscher in Florenz, von Bastianini. Solche und ähnliche ganz billige Erwerbungen hatten freilich die üble Folge, daß neidische Händler und Kollegen darauf aus waren, auch mir einmal den Ankauf einer recht eklatanten Fälschung nachzuweisen. Grade bei einer meiner wertvollsten Erwerbungen, der Wachsbüste der Flora aus Leonardos Werkstatt, schien sich diese Gelegenheit zu bieten. Auf die schwindelhafte Aussage eines Winkelhändlers wurde diese Büste durch Monate in aller Welt als Fälschung verkündet und lächerlich gemacht – ein trauriges Zeichen dafür, wie wenig Leute imstande sind, sich selbständig ein Urteil zu bilden, sobald es sich um ein Kunstwerk handelt, das außerhalb der alltäglichen Handelsware liegt.

An unsere Sammlung der Renaissanceskulpturen, zum Teil auch der gotischen Bildwerke Italiens, knüpfte sich in den letzten Jahrzehnten ein gut Teil des Fortschritts in der Erkenntnis von Kunst und Künstlern jener Epochen, abseits von ihren beglaubigten Hauptwerken in den Kirchen und öffentlichen Bauten Italiens. Wer konnte vor einem Menschenalter die Werke eines Luca und Andrea della Robbia und ihrer Werkstatt auseinanderhalten? Wie willkürlich wurden die Arbeiten eines Desiderio mit denen der beiden Rossellino, des Benedetto da Majano, Minos und ihrer Nachahmer durcheinander geworfen! Donatello und seine Nachfolger haben wir erst aus ihren Stuckreliefs als Meister der Madonnenkomposition kennen gelernt; und daß auch Ghiberti für die Entwicklung der Madonnendarstellung die größte Bedeutung hatte, konnte ich erst kürzlich aus zahlreichen frühen Ton- und Stuckarbeiten unserer Sammlung nachweisen. Die kleineren Meister: der Meister der unartigen Kinder, der Meister der Marmormadonnen, der Meister der Johannesstatuetten haben hier ihre Taufe erhalten. Die reiche Sammlung von Quattrocentoreliefs in Ton und Stuck, die namentlich den langen Oberlichtsaal im Oberstock des Kaiser Friedrich-Museums füllen, ist seit Jahren die hohe Schule für das Studium dieser Gattung der toskanischen Plastik gewesen; sie wird es noch für längere Zeit bleiben, da noch manche Fragen ungelöst sind oder gelegentlich wohl auch eine neue Lösung ermöglichen.

Am meisten ist unsere Sammeltätigkeit der Schule, die durch mehrere Jahrhunderte die Führung in Italien hatte, der toskanischen Schule, namentlich der Florentiner, zustatten gekommen, von den großen Pisaner Meistern seit Niccolo bis in das Cinquecento. Fast alle großen und manche kleinen Künstler sind bei uns in verschiedenen Werken, vielfach in wahren Meisterwerken vertreten. Daneben sind die – bis auf Quercia – stark von Florenz abhängigen sienesischen Quattrocentobildhauer, die außerhalb Sienas sonst fast überall fehlen, verhältnismäßig vollständig und aufschlußreich vertreten; die Paduaner wie die ferraresisch-bolognesische Schule ist hervorragend gut, die römische und süditalische wie die venezianische Schule reicher als sonst außerhalb Italiens vorhanden; schwächer dagegen die Lombarden, obgleich auch diese in der trefflichen Marmorbüste des alten Genueser Nobile Accelino Salvago von Tamagnini ein Hauptwerk aufzuweisen haben.

Die Reichhaltigkeit und die Bedeutung dieser Sammlung kommt jetzt im Kaiser Friedrich-Museum, den freilich überfüllten Saal der Stuckreliefs ausgenommen, wenig zur Geltung, da die Mehrzahl der Bildwerke als Dekoration zwischen den Gemälden aufgestellt sind. In den Erdgeschoßsälen am Kanal hatten sie ursprünglich einen günstigeren Platz, der ihnen hoffentlich nicht allzulange mehr vorenthalten bleiben wird.

Aus der Menge der anderen Bildwerke sind mit der Zeit die Bronzen als eigene Sammlung ausgesondert worden. Fast ohne einen Bestand aus älterer Zeit ist diese Sammlung begonnen und doch schon in wenigen Jahren zu einem gewissen Abschluß gebracht und seither nur gelegentlich nach der einen oder anderen Richtung noch bereichert worden. Auch hier war es der Generaldirektor Graf Usedom, der anfangs das Sammeln nach dieser Richtung verhinderte; solch kleiner Krimskrams gehöre nicht in eine öffentliche Sammlung, war seine Antwort, wenn ich Bronzestatuetten vorschlug. Nur wenn es sich um größere Stücke handelte, war er einverstanden; so konnte ich schon früh den Reiter von Riccio, die Gonzaga-Büste und den Johannes von Donatello erwerben, mußte aber Bertoldos Neger zu Pferd vom Löwen angefallen, seine Wilden Männer und andere Stücke Bekannten zu verschaffen suchen. Bei der Erwerbung der lebensgroßen Büste des Lodovico Gonzaga hatte ich besonderes Glück. Ich besuchte den bekannten Pariser Amateur-Marchand Friedrich Spitzer, der damals (1877) noch in einem Hause der Rue de Rivoli wohnte, und ließ mir seine Schätze zeigen, als sich unerwartet Baron Adolphe Rothschild, sein Gönner und bester Kunde, melden ließ, mit dem er mich aus irgendeinem Grund nicht zusammenzubringen wünschte. Er nötigte mich daher rasch in ein kleines Zimmer nach dem Hofe, mit allerhand Abraum. Am Boden lag eine Bronzebüste ohne Sockel, die meine Aufmerksamkeit erregte. Ich betrachtete sie genau, und Spitzer überraschte mich mit der Büste in der Hand, als er wieder eintrat und mich mit den Worten empfing: »die garstige Fälschung hätten Sie liegen lassen sollen; es ist eine Schande, daß ich mich damit habe anführen lassen.« Auf dieses Bekenntnis seinerseits behielt ich die Bemerkung, daß mir die Büste eine Studie Donatellos zu der von ihm geplanten Reiterstatue des großen Mantuaner Condottiere zu sein schiene, wohlweislich bei mir und konnte einige Wochen später die Fälschung um 3000 Francs durch einen Bekannten Spitzers erwerben.

Als ich bald darauf durch Usedoms Rücktritt im Sammeln frei wurde, hatte ich lange keine Aussicht auf Erwerbung guter kleiner Bronzen; das Interesse an Bronzestatuetten, das in den sechziger Jahren ein lebhaftes gewesen war, war damals sehr zurückgegangen; bei den niedrigen Preisen kamen sie nur ausnahmsweise in den Handel. Erst 1892 bot sich eine günstige Gelegenheit, deren Ausnutzung uns in wenigen Monaten eine reichhaltige Sammlung von italienischen Bronzestatuetten verschaffte. Ein alter Londoner Sammler, ursprünglich Händler, Isaak Falcke, bot dem mir bekannten Sammler Alfred Beit, der sich gleichzeitig in London und Hamburg ein eigenes Heim einrichtete, seine reichhaltige Sammlung von Kleinkunst allerart an. Da dieser sie nicht ganz übernehmen wollte, fragte er mich, ob ich Teile davon für die Museen brauchen könne. Ich wählte die etwa fünfzig Stück zählende Sammlung der Bronzestatuetten, nahm die Hälfte für unser Museum und benutzte den Rest, um aus dem Erlös einige hervorragende Stücke, die damals aus einer gerade aufgelösten alten Bronzesammlung der Familie Brambilla in den italienischen Kunsthandel kamen, zu erwerben; darunter die Schutzflehende von Francesco da Sant' Agata. Eine andere Gelegenheit bot sich mir fast gleichzeitig in England. Ein origineller, hochbetagter Sammler, Charles Butler in London, der seine Räume mit Kunstwerken allerart ganz vollgestopft hatte, besaß die Eigenheit, gegen das Frühjahr, wo er regelmäßig einen Anfall von Grippe bekam, aus dem Räume, in den er dann sein Bett stellen ließ, alle Kunstsachen entfernen zu lassen und einen Händler mit ihrem Verkauf zu betrauen. In diesem Jahre traf das Schicksal ein Zimmer, in dem zahlreiche Kleinbronzen von der ägyptischen Zeit bis zum Empire, Gutes und Schlechtes durcheinander aufgehäuft war. Jedes Stück war mit einem Preise versehen; ich hatte die erste Auswahl und konnte neben seltenen und trefflichen Exemplaren der verschiedenen badenden Frauen von Gian Bologna Stücke wie den großen Herkules von Bertoldo, den Knaben Herkules die Schlangen würgend und andere Bronzen für unsere Sammlung billig erwerben. Ein weiterer Zuwachs kam uns damals auch aus unserem Antiquarium, aus dem uns – nicht ohne langen Kampf – etwa ein halbes Dutzend tüchtiger Statuetten des Quattrocento, die im 18. Jahrhundert als antik erworben waren, überlassen wurden.

Auch sonst kam uns manches zustatten, um den Ausbau dieser Sammlung italienischer Bronzestatuetten rasch und nach allen Seiten hin zu fördern. So galten z.B. die Kleinbronzen von Gian Bologna und seiner Schule in Paris, wo sie seit der Zeit Ludwigs XIV. mit Vorliebe gesammelt und als gute Dekorationsstücke aufbewahrt waren, als Arbeiten des Empire. Sie waren dort vor etwa dreißig Jahren fast überall im Handel zu finden und wurden durchschnittlich mit 500 bis 1000 Francs bezahlt, selbst Gruppen, wie der Frauenraub und Tarquinius und Lucretia. Ich konnte daher in kurzer Zeit eine fast vollständige Sammlung der reichhaltigen Serie dieser anmutigen Bronzen in guten oder selbst ausgezeichneten Exemplaren zusammenbringen. Selbst eine der nur in wenigen Exemplaren angefertigten großen Gruppen, die nur ganz ausnahmsweise einmal in den Handel kamen und als prächtige Dekorationsstücke stets sehr gesucht waren, konnte ich gelegentlich in Rom um etwa 10000 Mark erwerben, weil sie als Fälschung verschrieen war, trotz einer kleinen Reparatur in Blei aus dem 17. Jahrhundert! Noch eines kam mir beim systematischen Sammeln besonders zustatten: Im täglichen Umgang mit der mehr und mehr anwachsenden Sammlung der Kleinbronzen, deren Reinigung und Nachpatinierung an der Luft (wenn sie ausnahmsweise nötig war) ich selbst besorgte, und im häufigen Vergleich derselben mit den reichen Bronzesammlungen im Bargello zu Florenz, im Wiener Hofmuseum, im Louvre und im Kensington Museum, wie bei unseren Konkurrenten, den Privatsammlern, die mehr und mehr aufkamen, gelang es mir, allmählich, aus dem Chaos meist unbestimmter oder willkürlich benannter Figürchen Gruppen bestimmter Meister zusammenzustellen, sie nach Schulen zu ordnen und für die hervorragenderen Stücke meist auch die Meister ausfindig zu machen: neben Donatello und Riccio, für deren Hauptwerke sich traditionell vielfach die richtigen Namen erhalten hatten, konnte ich Meister wie A. Pollajuolo, Bertoldo, Bellano, Antico, Francesco da Sant' Agata, Maffeo Olivieri als bestimmte Künstlerpersönlichkeiten mit einem mehr oder weniger umfangreichen Werk nachweisen. Dadurch wurde es mir möglich, vor andern unsere Sammlung systematisch auszubauen und wissenschaftlich zu nutzen.

In kaum zwölf Jahren – bis zur Eröffnung des Kaiser Friedrich-Museums 1904 – hat die Bronzesammlung im wesentlichen die Gestalt bekommen, in der sie sich heute darstellt und die in F. Goldschmidts Katalog von 1914 eine monumentale Veröffentlichung erhalten hat. Nur gelegentlich ist noch das eine oder andere Stück hinzuerworben, wie der wuchtige Herkules von A. Pollajuolo als Vermächtnis von Alfred Beit, und der merkwürdige große David, vielleicht von Paolo Savin, dem Schöpfer der , Mori auf dem Uhrturm des Markusplatzes; letztere ist ein Geschenk amerikanischer Freunde. Auch die hervorragendste Statuette unserer Sammlung, der tamburinschlagende Engel von Donatello, die ich billig erwerben konnte, weil sie allgemein als eine Fälschung abgelehnt war, wurde schließlich unserer Sammlung geschenkt.

Es lohnt, die kleine Geschichte ihrer Erwerbung zu erzählen als Illustration der Unsicherheit, welche noch vor 20 Jahren in den Kreisen der besten Kenner in bezug auf Bronzen herrschte, wenn sie über das Alltägliche hinausgingen. Überraschend erschien eines Abends in meinem Arbeitszimmer der mir seit Jahren gerade beim Ankauf von Bronzen behilfliche liebenswürdige englische Antiquar Murray Marks und stellte einen schweren Bronzeputto vor mir auf den Tisch. »Sehen Sie, was ich in London gefunden habe, und hören Sie, wie es mir damit ergangen ist,« so begrüßte er mich. In Bondstreet sei er einem ihm bekannten Aufkäufer mit dieser Figur begegnet, die derselbe gerade auf einer Möbelversteigerung um wenige Pfund Sterling erworben hatte. Er habe sie ihm sofort um 50 Pfund Sterling abgekauft und habe geglaubt, eine Bronze erworben zu haben, die mindestens aus der Nähe von Donatello stammen müsse; aber er sei überall ausgelacht worden, die einen hätten sie für Empire erklärt, die anderen gar für eine Fälschung; da habe er sich aufgemacht, um von mir zu erfahren, ob er wirklich ein Narr sei. Meine Entscheidung wolle er aber erst morgen hören, denn bei Licht könne man Bronzen nicht beurteilen. Ich fragte noch, ob die Figur denn käuflich sei, was er bejahte; nach allen Enttäuschungen fordere er nur 400 Pfund Sterling, würde sich aber von mir jede Reduktion gefallen lassen. Am folgenden Morgen hatte ich neben der Figur die Photographien des Taufbrunnens unter dem Dom in Siena mit den Putten von Donatello und der Lücke, an der sein Tamburinschläger vor ein paar Jahrhunderten gestanden hatte, ausgebreitet. Ich brauchte kein Wort hinzuzufügen. »Ich sehe jetzt,« sagte er halb traurig, halb erfreut, »daß meine Figur mit 400 Pfund Sterling verschenkt ist, aber sie gehört Ihnen, wenn Sie sie dafür behalten wollen; es freut mich wenigstens, dass in diesem Falle nicht ich der Narr gewesen bin.«

Zur Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums hatten wir mit der großartigen Stiftung der Renaissancesammlung von Dr. James Simon auch eine Anzahl guter Bronzestatuetten und namentlich eine reiche und hervorragende Sammlung von Medaillen und Medaillenmodellen zum Geschenk erhalten, welche zusammen mit der allmählich gebildeten Sammlung italienischer Plaketten unsere italienische Bronzesammlung nach der Richtung der Erfindung und Komposition im kleinsten Format aufs glänzendste ergänzte. Mit dem Ankauf einer Sammlung von 70 solcher kleinen Bronzetäfelchen in Florenz hatten wir 1880 den Anfang gemacht; bei der Eröffnung des neuen Museums 1904 war die Sammlung auf rund 1000 Stück angewachsen.

Die Gemäldesammlung, wie die Renaissancebildwerke, namentlich die reiche, einzigartige Sammlung von Büsten und die Bronzesammlungen übten auf das kunstliebende Publikum im Neubau durch ihre eigenartige Aufstellung, zusammen mit Ausstattungsstücken der Zeit, eine große Anziehung aus. Aber auch für die Gelehrten vom Fach brachte das Kaiser-Friedrich-Museum eine Überraschung in der umfangreichen neuen Abteilung der altchristlichen, byzantinischen und frühmittelalterlichen Altertümer. Anfänge dazu hatte der Ankauf der Sammlung Pajaro in Venedig 1841 durch eine Anzahl longobardischer und venezianischer Zierstücke gebracht; dazu waren allmählich seit dem Ende der siebziger Jahre mittelalterliche Marmorarbeiten aus Süditalien und aus der Schule der Pisani gekommen. Den Abschluß und eine hervorragende Erweiterung erhielt die Abteilung bei ihrer Aufstellung durch die sehr umfangreiche, von Professor Strzygowski mit außerordentlichem Geschick in Ägypten zusammengebrachte koptische Sammlung frühchristlicher Antiquitäten allerart und durch Aufstellung des Nischenmosaiks aus S. Michele in Affricisco in Ravenna, das Friedrich Wilhelm IV. für den geplanten Neubau eines Domes gekauft hatte. Die jetzt äußerst gedrängt in vier Sälen aufgestellte Abteilung wird hoffentlich in einigen Jahren den ganzen Spreeflügel des Erdgeschosses erhalten. Die frühchristlichen und byzantinischen Reliefs und die zahlreichen ober- und unteritalienischen Zierplatten, die Kapitale und andere Architekturstücke wie die toskanischen Statuen sind freilich meist nur Teile oder Fragmente größerer Monumente, aber sie geben die Kunst der Hauptschulen und vielfach selbst der Hauptmeister in charakteristischen Arbeiten wieder und vergegenwärtigen die Entwicklung so gut und reichhaltig wie keine andere Sammlung außerhalb Italiens. Arnolfo di Cambio, Niccolo Pisano, sein großer Sohn Giovanni, Andrea und Nino Pisano und ihre Werkstätten sind in einer größeren Zahl meist tüchtiger Bildwerke vertreten. Auch an den außerordentlich seltenen Büsten aus frühchristlicher bis spätmittelalterlicher Zeit besitzt die Abteilung eine ungewöhnliche Zahl. Sehr reichhaltig ist in der koptischen Kunst die Kleinplastik in Bein und Bronze vertreten, neben zahlreichen Geräten, Gefäßen und Stoffen.

Langsamer entstanden, in ihren Anfängen schon auf die alte kurfürstliche Kunstkammer zurückgehend, aber erst in den letzten Jahrzehnten zu einer der bedeutendsten Sammlungen ausgebildet, ist die Abteilung der deutschen Bildwerke. Aus der alten Kunstkammer stammen die silberne Madonnenstatuette von H. Hufnagel, die köstliche, kleine Buchsbüste von Conrad Meit und verschiedene Buchs- und Steinarbeiten. Nach Überweisung der Kunstkammerschätze an das Museum wurde die Sammlung aus dem Ankauf der Sammlung des Generalpostmeisters Nagler und durch Einzelerwerbungen des besonders dafür interessierten Generaldirektors von Olfers um eine Reihe ähnlicher tüchtiger Arbeiten der deutschen Kleinplastik bereichert. Unter den wenig zahlreichen größeren Stücken sind der bronzene Springbrunnen der Peter Vischer-Werkstätte, der silberne Patroklusschrein aus Soest, die schwäbische Schutzmantelmadonna aus Ravensburg, die fünfzehn Büsten der Fugger-Kapelle von Adolf Daucher, die beiden großen Imhof-Büsten von Johann Zar und das schwäbische Relief der Geburt Maria besonders bemerkenswert. Ein systematischer Ausbau dieser Abteilung konnte aber erst erfolgen, nachdem die Kunstkammer, welche auch die deutsche Plastik enthielt, aufgelöst und die kleine Zahl der deutschen Skulpturen bald nach 1880 der Abteilung der christlichen Bildwerke zugeteilt wurde.

Auch dieser deutschen Abteilung konnte ich von vornherein besondere Aufmerksamkeit zuwenden, da ich mir die Aufgabe gestellt hatte, gute Formen von den Hauptwerken der Plastik anfertigen zu lassen, und gleichzeitig eine Arbeit über die Geschichte der deutschen Plastik in Angriff genommen hatte. Aber einer raschen Vermehrung der Abteilung durch den Ankauf von Originalen stellten sich doch größere Schwierigkeiten entgegen. Im Handel kamen gute deutsche Bildwerke auch in Süddeutschland damals selten vor; da sich kaum Käufer dafür fanden und dann nur zu niedrigen Preisen, so hatten die Antiquare wenig Interesse, sich danach umzusehen. Ich bat daher die Former, die wir für die Herstellung der Abgüsse beschäftigten, mich gelegentlich auf käufliche Originale aufmerksam zu machen. So erwarb ich schon 1883 in Nürnberg die Steinfigur Kaiser Karls IV. und einige Jahre später auch drei Köpfe von den alten Skulpturen des Schönen Brunnens. In München war mir Alexander Günther, der damals jahrelang, hinter Lenbachs breitem Rücken, fast der Kunstpapst von München war, behilflich; freilich mehr um zugleich anderen zu helfen. So empfahl er mir ein paar sehr tüchtige, tadellos in ihrer alten Bemalung erhaltene Gruppen von einem oberrheinischen Meister um 1490: die Messe des hl. Gregor und das Martyrium der hl. Katherina, die sein stets in Geldnot befindlicher Freund Gedon besaß. Ich bezahlte sie mit dem damals außerordentlichen Preise von zusammen 3000 Mark. Aus Dankbarkeit dafür überließ mir Günther einige wertvolle Stücke seiner eigenen Sammlung, aus der er bei seiner Leidenschaft, immer Neues zu erwerben, von Zeit zu Zeit ganze Teile abgab. Wir gewannen so den sehr intimen schwäbischen Altar der Anbetung der Könige, einen eigenartigen hessischen Altar und vier Reliefs in Solenhofer Stein von Hans Daucher, zu denen ich kurz danach das Mittelstück entdeckte.

Der einzige deutsche Bildschnitzer, der schon in der Zeit der Romantiker, neben den klassischen italienischen Meistern, zur Geltung kam, ja zeitweilig selbst überschätzt wurde, Tilman Riemenschneider, war schon früh, namentlich in Würzburg, auch von Privatsammlern gesucht worden. Hier konnte mit gutem Erfolg das Sammeln einsetzen, und konnten wir seither nach der Richtung erfolgreich weitere Erwerbungen machen, so daß heute unsere Sammlung an Werken Riemenschneiders ebenso reich und mannigfaltig ist wie die des Münchener Nationalmuseums; sie besitzt etwa 20, meist eigenhändige Werke von ihm. Darunter wurden z. B. die vier Evangelisten, Hauptwerke seiner früheren Zeit, in Wien mit zusammen 1500 Gulden bezahlt, das Engelkonzert nur mit 400 Mark u. s. f. Selbst das große Relief mit Christus, der der Magdalena erscheint, kostete noch 1901 auf der Versteigerung Sattler (Meinberg) wenig mehr als 3000 Mark.

Verschiedene wertvolle Einzelankäufe, die uns zwischendurch von Zeit zu Zeit gelangen, stammten wieder meist aus dem Besitz von Künstlern, die sie bei gelegentlicher Beschäftigung in den Kirchen von den Böden heruntergeholt und erworben hatten. So die kolossale Schutzmantelmadonna, angeblich von H. Erhart, verschiedene Engelfiguren und Reliefs aus dem Besitz der Familie Seitz, zwei Statuen in der Art des Veit Stoß sowie eine Pietà aus dem Besitz des Bildhauers Heß u. a. m. Sogar aus Neu-Orleans konnten wir ein paar wertvolle Bildschnitzereien (darunter den Sippenaltar vom Meister des Ulmer Hochaltars) zurückerwerben, die ein bayerischer Herrgottschnitzer als Vorbilder für sein Handwerk mit nach Amerika hinübergenommen hatte. Auch aus rein gotischer Zeit gelangen allmählich vereinzelte Erwerbungen, die wertvollsten aus der Übergangszeit der Renaissance, wie die tief empfundene Pietà aus weichem Stein (aus Baden bei Wien), verschiedene Tiroler und bayerische Figuren; auch ein paar treffliche französische Madonnen, die eine eigentümlicherweise von einer Kapelle in Pisa stammend, die andere typisch burgundisch aus der Zeit des Duc de Berry.

Seit der Bau des Kaiser-Friedrich-Museums beschlossen war und damit ausreichender Platz auch für deutsche Plastik vorhanden schien, konnten wir daran gehen, nach zwei neuen Richtungen die Sammlung zu bereichern: durch Erwerbung größerer Monumente und durch Einbeziehung der Plastik des Barocks und Rokokos in unser Sammelgebiet. Nach ersterer Richtung ist uns unser vorgesetztes Ministerium, namentlich unter Exzellenz Schmidt-Ott sehr behilflich gewesen, sobald eine Kirche schadhafte Altäre oder andere große Bildwerke zu beseitigen und durch Kopien oder neue Kunstwerke ersetzt zu sehen wünschte. So haben wir die Gröninger Empore des 12. Jahrhunderts, den großen gotischen Altar aus Minden, die Reste des Lettners aus der Michaeliskirche in Naumburg und die Figuren von der Fassade der Liebfrauenkirche in Trier erwerben können. Daneben erwarben wir mehrere schwäbische, bayerische und Thüringer Altäre, den trefflichen großen Tiroler Altar aus Gmarr, einen dreiteiligen niederländischen Altar aus der Sammlung Weber und verschiedene große gotische Grabsteine. Dazu überwies Kaiser Wilhelm zur Ausstattung des Neubaues die trefflichen Statuen der Generale Friedrichs des Großen von Schadow und Tassaert, sowie Pigalles Marmorstatuen von Merkur und Venus im Treppenhaus. Als Hauptwerk des 18. Jahrhunderts wird noch der früher in Mannheim befindliche prächtige Hochaltar von Egel, der bis jetzt noch im Eingangsraum des Kunstgewerbemuseums untergebracht ist, hinzukommen. Aus dieser Zeit, namentlich aus dem Rokoko, konnten wir in den letzten beiden Jahrzehnten eine beträchtliche Zahl von charakteristischen und zum Teil ausgezeichneten Bildwerken der verschiedenartigsten Meister erwerben, in neuerer Zeit unter wesentlicher Beihilfe des Kollegen Dr. Demmler, der nach Beendigung des Krieges diese deutsche Abteilung als Direktor übernommen hat.

Der Menge und der Qualität nach sind unter diesen Bildwerken des Rokoko die Kleinplastiken in Buchs, Ton, Alabaster u. s. f. besonders ausgezeichnet, wie denn überhaupt die deutsche Kleinplastik, namentlich aus dem 16. Jahrhundert, in unserer Sammlung so reichhaltig und vortrefflich vertreten ist wie sonst nur im Wiener Hofmuseum und im Münchener Nationalmuseum. Nicht nur durch die mehr als 500 Stück zählende Sammlung deutscher Plaketten (die reichste in ihrer Art), sondern vor allem durch die Statuetten, kleinen Büsten und Reliefs in Buchs, Elfenbein und Solenhofer Stein von Hans Daucher, den beiden Hering, Victor Kaiser, Hans Leinberger, Friedrich Hagenauer und manchen bisher dem Namen nach noch unbekannten Künstlern. Um einzelne Stücke haben wir schwer kämpfen und sie teuer bezahlen müssen, die Mehrzahl konnte ich billig erwerben. So die dem Jan van Eyck nahestehende Buchsmadonna, das oberrheinische Steinrelief der Madonna mit Engeln vor der Rosenhecke (325 Mark), den frühen heiligen Christoph auf reichgeschnitztem Sockel (letzteren um 38 Mark) u. a. m. Besonderes Glück hatten wir mit den Werken von Leinberger. Schon vor 40 Jahren erwarb ich die große Bronzestatuette der Madonna aus Mosburg um 300 Mark. Nicht viel mehr kostete uns das treffliche kleine Kruzifix Leinbergers, und vor 20 Jahren konnten wir das treffliche Buchsrelief der Beweinung unter dem Kreuz um 400 Mark erwerben. Das Gegenstück, die Abnahme vom Kreuz, hatte mir gerade Adalbert von Lanna für den gleichen Preis weggekauft. Auf der Versteigerung seiner Sammlung in Berlin, sieben Jahre später, wurde es uns auf 32000 Mark getrieben, aber erfreulicherweise geschenkt. Der liebenswürdige Baron Lanna, dem ich beim Sammeln oft behilflich gewesen bin, war kaum je zu bewegen, ein Stück aus seiner Sammlung abzugeben. Ganz ausnahmsweise gelang mir einmal ein Tausch mit ihm ; für ein Modell König Ludwigs von Ungarn, das ihm in seiner fast vollständigen Sammlung von Habsburger Medaillen fehlte, konnte ich das Susannarelief von dem auch in zwei großen dekorativen Reliefs bei uns vertretenen Victor Kaiser erhalten; wohl die geistvollste Arbeit unter allen Solenhofer Reliefs der Hochrenaissance.

Eine außerordentliche Bereicherung erhielt die Abteilung der deutschen Plastik in neuester Zeit wieder durch Herrn Dr. James Simon, der seine mehrere hundert Bildwerke des 15. und 16. Jahrhunderts umfassende Sammlung vor vier Jahren dem Museum zum Geschenk machte. Dadurch hat unsere Abteilung von manchen Meistern, namentlich an Arbeiten der Kleinplastiker, sehr wichtigen Zuwachs erhalten. Die Sammlung wird, wie die durch den gleichen Gönner unserer Museen zur Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums gestiftete Sammlung primitiver italienischer Kunst, im neuen Deutschen Museum einen eigenen Saal erhalten, der durch alte Möbel, deutsche Wandteppiche und einige Bilder der gleichen Zeit die angemessenste, würdigste Ausstattung erhalten wird.

Der Ausbau der Gemäldegalerie und der Abteilung der Bildwerke christlicher Plastik war mir als Leiter dieser beiden Abteilungen amtliche Pflicht. Mein besonderes Privatvergnügen, freilich gemischt mit manchen Sorgen und Kämpfen, war mir nebenher die Begründung von ein paar neuen Abteilungen, welche auf meine Anregung zurückgehen und die heute schon zu den hervorragendsten Sammlungen ihrer Art gehören: die ostasiatische und die islamische Abteilung. Die islamische wurde begründet bei der Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums, durch die Schenkung meiner Teppichsammlung und die Aufstellung der Sammlung islamischer Altertümer aus dem Besitz von Herrn Professor Sarre, der zugleich die Leitung der damit begründeten Abteilung übernahm. Die Begründung der Abteilung ostasiatischer Kunst wurde gleichzeitig beschlossen; durch Stiftungen seitens verschiedener Gönner unserer Museen wurden den beiden tüchtigsten deutschen Kennern ostasiatischer Kunst, Professor Ernst Große und Dr. Otto Kümmel, ein mehrjähriger Aufenthalt in Japan und China ermöglicht, den sie in ausgiebigster Weise zum Ankauf von Werken alter Kunst benutzten. Zu ihren Erwerbungen kam die großartige Stiftung der Meier-Großeschen Sammlung und der des japanischen Konsuls Jacoby; dadurch ist diese junge Abteilung jetzt schon die bedeutendste und gewählteste Sammlung klassischer ostasiatischer Kunst in Europa.

Die islamische Sammlung steht der ostasiatischen nicht nach, hat aber noch eine besondere Bedeutung durch das gewaltigste und kunsthistorisch wichtigste Dekorationsstück der frühesten Zeit, die Fassade von M'schatta, die kurz vor Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums hier ankam und provisorisch hier ihren Platz finden mußte. Auf dieses Wunderwerk orientalischer Kleinarbeit in kolossalem Umfang wurde ich durch Professor Strzygowski aufmerksam gemacht; er teilte mir mit, daß die Steine dieses Wüstenschlosses zwei Tagereisen östlich vom Toten Meer von den Architekten der Mekkabahn zum Unterbau der Bahn benutzt würden, so daß sie nur durch sofortigen Eingriff seitens des Sultans gerettet werden könnten. Auf meine Vorstellung sandte Kaiser Wilhelm eine Depesche an den Sultan, der ihm in umgehender Rückantwort die in ihrem damaligen Zustande noch rund 40 m breite und bis zu 5m hohe Schmuckfassade zum Geschenk machte. Dank der energischen Beihilfe unserer Archäologen Geheimrat Wiegand und des Professor Puchstein, der auf der Rückreise von Palmyra die Abtragung und den Transport auf Kamelen bis zur Jaffabahn besorgte, und dank der Deckung der Unkosten des Transportes durch Gönner der Museen wurde dies Geschenk damals nicht, wie man befürchtete, zum Danaergeschenk; dazu scheint es erst jetzt das Debâcle unserer Neubauten zu machen.

Eine Sammlung altvorderasiatischer und persischer Teppiche hatte ich im Laufe der Jahre, neben ähnlichen Erwerbungen für das Kunstgewerbemuseum, zur Dekoration meines Hauses, meist in Italien zusammengebracht. Die Kirchen, in denen sie sich seit Jahrhunderten erhalten hatten, tauschten sie den Händlern gegen echte Brüsseler Teppiche um, weil die den Geistlichen schöner und dauerhafter erschienen; von den Antiquaren kauften sie aber damals fast nur die Maler und dann nur für sehr niedrige Preise. Den ersten Teppich, den in Farbe und Zeichnung wirkungsvollsten mir bekannten Gebetteppich vom Ende des 15. Jahrhunderts, erwarb ich schon gleich nach dem Kriege 1871 in Venedig um 35 Lire, einen etwa gleichaltrigen, sehr großen, sogenannten armenischen Teppich mit mongolischen Tiermustern, der aus einer der alten Kirchen der Inseln um Venedig stammte, noch acht oder zehn Jahre später um 120 Lire, den frühesten bisher bekannten maurischen Teppich (14. Jahrhundert) aus einer Tiroler Kirche im Münchener Kunsthandel um 60 Mark und nur wenig teurer noch manch anderes Stück; erst in den letzten Jahren vor der Schenkung mußte ich gelegentlich bis zu 500 und selbst 1000 Lire für ein intaktes Stück von neuer Zeichnung anwenden. Als ich mich zur Schenkung meiner Sammlung entschloß – sie wurde längere Zeit nicht angenommen, weil ich dabei die Gründung einer besonderen islamischen Abteilung zur Bedingung gemacht hatte, – machten mir eine Anzahl Bekannte, für die ich lange gesammelt hatte, die Freude, seltene Stücke aus ihrem Bestand alter Teppiche dieser Stiftung hinzuzufügen: Baron Heinrich Tucher, Dr. James Simon, Graf Hans Wilczek, Fürst Johannes Liechtenstein, Dr. W. von Dirksen. Zusammen mit einzelnen seltenen Stücken, die wir seither noch erwarben, steht unsere Teppichsammlung jetzt mit in erster Reihe unter den Sammlungen dieser Art. Der Vervollständigung der neuen Abteilung nach der Richtung der persischen. Fayencen, der Metallarbeiten, Glas-, Holz- und Lederarbeiten usw. hat sich seit der Begründung der islamischen Abteilung Dr. Sarre unterzogen, der Anfang dieses Jahres auch den Hauptteil seiner eigenen reichen und sehr wertvollen Sammlung der Art durch Schenkung mit unserer Museumssammlung vereinigt und diese auch sonst durch Erwerbungen im Orient, vor allem durch die epochemachenden Grabungen in Samarra, der Hauptstadt der Kalifen um die Mitte des 9. Jahrhunderts, wesentlich bereichert hat.

Nachdem Dr. Sarre neuerdings zum Direktor der Abteilung ernannt worden ist, deren freiwilliger Leiter er durch 17 Jahre war, hat er die Sammlung in den erweiterten Räumen teilweise neu aufgestellt, um allmählich die Überführung in einen eigenen Bau vorzubereiten. Wohin aber? Seit zwei Jahren tobt der Museumskrieg in Dahlem auch darüber, ob das im Äußeren nahezu fertige Asiatische Museum nur als Schuppen verwendet werden darf, und dann die Asiatischen Sammlungen an ganz verschiedenen Stellen aufs notdürftigste untergebracht werden sollen. Dies ist der Plan unseres Staatssekretärs Dr. Becker, unterstützt durch das Finanzministerium, das die Kosten der Einrichtung des Asiatischen Museums und seiner Erhaltung sparen will. Aber dieser Plan, der die Kunstwerke der Sammlungen im Kaiser-Friedrich-Museum weiter gefährdet, würde auch kaum Ersparnisse bringen, da die Unkosten für Umzug, Einrichtung und Bewachung, sowie auch etwaige Umbauten dabei nicht zu ersparen sind. Die Mittel zum Ausbau des Asiatischen Museums und zum Umzug der Asiatischen Sammlungen nach Dahlem sind aber, ganz abgesehen von den sehr beträchtlichen Summen, die das Reich an Preußen für Kunstwerke schuldet, reichlich vorhanden, durch die Erträge, welche die Abgabe der Tausende von überflüssigen Dubletten in den ethnographischen Abteilungen bei einem Verkauf bringen würde. Möge ein gnädiges Geschick unsere Museen vor weiteren unvorsichtigen Experimenten bewahren. Wir sehen an der uferlosen und um so kostspieligeren Hinzögerung der Inselbauten Hoffmanns, wohin der innere Kampf führt, und der Raub der Genter Altartafeln der Brüder van Eyck und der Bilder von Dirk Bouts ist uns das Menetekel, welche Gefahren uns von außen nach dieser Richtung noch drohen!


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