Björnstjerne Björnson
Ein Fallissement
Björnstjerne Björnson

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Zur Einführung.

Selten wohl hat das Bild einer Zeit durch innere Kämpfe und äußere Erschütterungen eine so tiefgehende Wandlung erfahren wie das unserer durch die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens. Die gewaltige Ausdehnung privater industrieller Unternehmungen hat innerhalb der Staaten Gebilde geschaffen von einer selbständigen Größe und Macht, wie sie in früheren Zeiten undenkbar waren. Staaten im Staate mit eigenen Herren und Dienern, zwischen denen der alte Kampf um Macht und Recht mit einem Male neue eigene Formen gewinnt. Dort die Arbeitgeber, hier die Arbeiter, Menschenklassen, deren Schicksal in seinen höchsten Momenten ganz abhängig ist von den Schwankungen des wirtschaftlichen Kampfes, – die aus dem Boden dieses Kampfes scheinbar eine ganz eigene, eigenmächtige Stellung zum Weltganzen einnehmen.

Waren in früherer Zeit die Schicksale glücklicher und unglücklicher Fürsten wie die Kämpfe der Untertanen gegen den Eigenwillen der gekrönten Herren die ersten und mächtigsten Motive dichterischer Gestaltungen, so ist der gegenwärtigen Poesie ein neues Feld gewonnen in den Konflikten und Gegensätzen innerhalb der wirtschaftlichen Machtsphären. Glück und Unglück der Fürsten, Recht und Unrecht der Masse, – das sind auch hier die bewegenden Motive: der soziale Kampf der Arbeiter, der materielle Kampf der Kaufherren, Ringen um höhere Macht und um die Erhaltung der erworbenen Macht.

Ein Fallissement, – der wirtschaftliche Zusammenbruch einer großen Firma, der Sturz eines Mächtigen im Reiche des Handels von Glanz und Ansehen zu Armut und Schmach, – das ist Björnsons Vorwurf in diesem Drama, – ein Fürstenschicksal im wirtschaftlichen Leben, – das alte Königsdrama in neuer Gestalt. –

Freilich, die Schilderung eines Bankrotts kann nichts sein als die Veranschaulichung eines interessanten Ereignisses aus dem modernen Leben, – sie kann aber, wie in Björnsons Drama, zu einer Gestaltung voll tiefer, sittlicher Bedeutung werden. Nicht die Wahl eines Stoffes, sondern seine Behandlung, seine geistige Durchdringung kennzeichnen die überragende dichterische Persönlichkeit. – Ob ein Dichter das Schicksal eines Mannes von welthistorischer Bedeutung ober das eines Kaufmanns gestaltet, ob er seinen Stoff vergangenen Zeiten oder dem gegenwärtigen Leben entnimmt, – er genügt seiner Aufgabe nicht, wenn er ein Ereignis mit den Mitteln der Sprache zum Bilde gestaltet, – er muß vom Einzelnen zum Allgemeinen dringen, dem Ereignis seinen Sinn, seine Lebensbedeutung abgewinnen. Es kann der gewaltigste Vorgang im dichterischen Gebilde arm, bedeutungsleer erscheinen, es kann das kleinste Ereignis in den Händen des Dichters zu einer inhaltsschweren Verkündung werden. Ein erdichtetes Leben ist nicht nur, es bedeutet auch etwas.

Was uns Björnson in seinem »Fallissement« gibt, ist mehr als die Erzählung vom pekuniären Zusammenbruch des Kaufmanns Tjälde, – es ist die ernste Mahnung: »Baue dein Leben nicht auf einer Lüge auf. Wenn der unwahre Schein eines Tages zerrissen wird, dann sinkt der Boden unter deinen Füßen. – Du sollst nicht lügen in deinen Taten.« – Der menschliche Eigenwille muß sich beugen vor der Strenge der sittlichen Forderung, und an Stelle des erlogenen Glanzes gewinnt Tjälde ein stilles, heiteres Glück, das auf Wahrheit gegründet ist. Das »Fallissement«, der dem modernsten Leben entnommene Vorgang, wird zum Bilde des harten moralischen Kampfes eines reichbegabten Menschen, zum Symbol einer Erkenntnis, deren Wahrheit an keine Zeit gebunden ist. Das »Fallissement« ist in Björnsons Händen zu einem dichterischen Gebilde geworden, das mehr bedeutet als ein »Fallissement«: ein ernstes Kapitel aus dem Buche der menschlichen Kämpfe, Niederlagen und Siege in der Seele. Denn die zeitlichen Strömungen, die zeitlichen Wandlungen im Bilde der Welt sind am Ende nur der Hintergrund, von dem sich rein menschliche Schicksale abheben. Der eigentliche Stoff der Dichtung ist der Mensch in seinen Leiden und Leidenschaften, seinem Wollen und Handeln, seinem Begehren und Entsagen – und hier reichen sich die wahren Dichter aller Zeiten und Zonen die Hände, – und alle Könige und Herren sind nichts anderes als die Dienenden, als die, die im Schweiße des Angesichts ihr Brot essen: leidende, weinende, erliegende, – siegende und lachende Menschen.

Herbert von Berger.

Personen

Tjälde, Großkaufmann
Dora, seine Frau.
Walborg,
Signe

seine Töchter.
Hamar, Leutnant, Signes Bräutigam.
Sannäs , Prokurist bei Tjälde.
Jakobsen Braumeister in Tjäldes Brauerei
Berent, Obergerichtsadvokat.
Konsul Lind,
Konsul Finne,
Konsul Ring
 
Holm,
Knutzen,
Knudsen,
Falbe
Kaufleute.
Der Pastor der Stadt.  
Pram, Oberzollinspektor.
Konkursverwalter.  

Ort der Handlung: Eine kleine Stadt an der norwegischen Küste.

Anmerkung: Tjälde wird »Tälde«, Signe »Sine« ausgesprochen.


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