Otto Julius Bierbaum
Studentenbeichten
Otto Julius Bierbaum

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An
Michael Georg Conrad
in
herzlicher
Verehrung

Lieber Conrad, Sie haben schon manche Beichte von Studenten gehört, wenn sie zu Ihnen kamen und Ihnen erzählten, wie sie durchaus Dichter werden möchten; es gäbe keinen Ausweg mehr, denn der Drang sei zu schrecklich, und überdies hätten sie auch schon die schwere Menge von Erlebnissen erlebt, sodaß es die höchste Zeit sei, nun endlich gedruckt zu werden.

Ich kenne Ihr aufmerksames Lächeln, lieber Freund, mit der Sie solche Beichten hören, und ich weiß, mit was für großen, merkwürdig listigen Blicken Sie solchen Beichtlingen die Seele von den Mienen ablesen, sodaß Sie, glaube ich, zuweilen mehr erfahren, als was Sie hören. Ich war ja auch einmal so ein Student und Beichtkind von Ihnen.

Das ist nun schon fast zehn Jahre her, und mittlerweile hat sich mancherlei begeben, das Einem so vorkommt, als wären viel mehr als blos zehn Jahre darüber hingegangen. Wir litterarischen Füchse von damals, denen Sie immer ein so lieber prächtiger Fuchsmajor gewesen sind, und die wir nicht ganz unähnlich jenen alttestamentarischen Füchsen waren, die weiland Simson der Held mit brennenden Schwänzen unter die Philister schickte, wir sind nun auch schon so was wie Alte Herren geworden, und es fehlt unter denen, die nach uns gekommen sind, nicht an solchen, die jetzt uns für die Philister halten. Das ist der Lauf der Welt, und der geht heute sehr schnell.

Wollen wir klagen? Ich sehe Sie lächeln. Und ich denke, das Lächeln trauen Sie auch mir zu. Wir rennen nicht mehr brennend durch das Lager Philisterias, aber wir drehen auch keine Philistermühle, und, wenn es nicht wohl zu leugnen ist, daß wir uns zuweilen in Delilas Schooß gebettet haben, so dürfen wir uns doch rühmen, nicht allzuviel Haare gelassen zu haben.

Wir sind ruhiger geworden, gleichmütiger und gerechter. Daß wir die Philister liebten, da sei Gott vor! Aber wir fühlen nicht mehr das dringende Bedürfnis, sie gänzlich auszurotten. Wir finden vielmehr, daß sie im Haushalte der Menschheitswelt durchaus nicht zu entbehren sind. Sie sind die große graue Kontrastfläche, von der sich lebhaft und erfreulich alles das abhebt, was uns Freude macht. Ein Hintergrund muß sein; vorm reinen Lichte verschwömme alles Helle.

Ich rede als Mensch der Kunst, der sein Vergnügen an der Wirklichkeit hat unbeschadet zeitweiliger Ausflüge in purpurne Helligkeiten und Finsternisse, wie Sie selber eine so köstlich gemalt haben. Ich mag das Gewimmel der Lebendigen gerne, das sich von jenem Hintergrunde der Schweren abhebt. Darum blicke ich auch immer noch zuweilen mit Vergnügen auf die Zeit des Studentenlebens zurück, wo selbst manche von denen, die später zu den Schweren hinuntersinken, lustig eine Weile im heiteren Lichte leben.

Und nun bringe ich Ihnen ein paar solcher Studentengeschichten, wie sie mir nacheinander von früher her eingefallen sind, dar und möchte gerne, daß Sie darin ein äußeres Zeichen der herzlichen Gesinnung sähen, mit der ich zu Ihnen stehe. Hoffentlich lesen Sie sie mit Vergnügen und in guter Muße. Sollten Sie gerade im Reichstage sein, wenn das kleine Buch ankommt, so verabsäumen Sie doch ja nicht, es zur Einverleibung in die Reichstagsbibliothek vorzuschlagen. Es giebt unter Ihren Kollegen im Hohen Hause einige Herren, von denen ich glaube, daß sie es mit Frucht lesen könnten. Ein Antrag, es auf Reichskosten alljährlich an sämmtliche Abiturienten deutscher Gymnasien und Realschulen verteilen zu lassen, wäre meinen Verlegern nicht unangenehm, indessen ich zweifle bei den Schwierigkeiten, mit denen der Kultusetat zu kämpfen hat, daß er durchgehen würde, und Epitheta, wie es die waren, mit denen ein preußischer Kultusminister einmal Kellers Romeo und Julia auf dem Lande bedacht hat, kann ich auch so in den Zeitungen lesen. Und somit herzlichen Gruß!

Ihr

Otto Julius Bierbaum

Schloß Englar im Eppan, Südtirol, den 18. September 1897.

 


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