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Zweiter Teil. Die Kunstkritik

I. Die frühromantische Theorie der Kunsterkenntnis

Die Kunst ist eine Bestimmung des Reflexionsmediums, wahrscheinlich die fruchtbarste, die es empfangen hat. Die Kunstkritik ist die Gegenstandserkenntnis in diesem Reflexionsmedium. In der folgenden Untersuchung ist also darzustellen, welche Tragweite die Auffassung der Kunst als eines Reflexionsmediums für die Erkenntnis ihrer Idee und ihrer Gebilde sowie für die Theorie dieser Erkenntnis hat. Die letzte Frage ist durch alles Vorhergehende soweit gefördert, daß es nur einer Rekapitulation bedarf, um die Betrachtung von der Methode der romantischen Kunstkritik zu deren sachlicher Leistung überzuführen. Selbstverständlich wäre es völlig verfehlt, bei den Romantikern nach einem besonderen Grund zu suchen, aus dem sie die Kunst als ein Reflexionsmedium betrachten. Für sie war diese Deutung alles Wirklichen, also auch der Kunst, ein metaphysisches Credo. Es ist, wie schon in der Einleitung angedeutet wurde, nicht der zentrale metaphysische Grundsatz ihrer Weltanschauung gewesen, dazu ist sein spezifisch metaphysisches Gewicht bei weitem zu gering. Aber wie sehr auch dieser Zusammenhang darauf angewiesen ist, diesen Satz nach Analogie einer wissenschaftlichen Hypothese zu behandeln, ihn nur immanent klar zu legen und an seiner Leistung für die Auffassung der Gegenstände zu entfalten, so ist nicht zu vergessen, daß in einer Untersuchung der romantischen Metaphysik, des romantischen Geschichtsbegriffs, diese metaphysische Anschauung alles Wirklichen als eines Denkenden noch andere Seiten an den Tag legen würde, als es mit Beziehung auf die Kunsttheorie geschieht, für welche ihr erkenntnistheoretischer Gehalt vor allem ins Gewicht fällt. Seine metaphysische Bedeutung dagegen wird in dieser Abhandlung nicht eigentlich erfaßt, sondern nur in der romantischen Kunsttheorie berührt, welche freilich ihrerseits unmittelbar und mit ungleich größerer Sicherheit die metaphysische Tiefe des romantischen Denkens erreicht.

An einer Stelle der Windischmannschen Vorlesungen ist noch der schwache Nachklang des Gedankens zu vernehmen, der Schlegel zur Athenäumszeit mächtig bewegte und seine Theorie der Kunst bestimmte. »Es gibt ... eine Art des Denkens, die etwas produziert und daher mit dem schöpferischen Vermögen, das wir dem Ich der Natur und dem Welt-Ich zuschreiben, große Ähnlichkeit der Form hat. Das Dichten nämlich; dies erschafft gewissermaßen seinen Stoff selbst«. Vorlesungen 63.. An jener Stelle hat der Gedanke keine Bedeutung mehr. Er ist jedoch der klare Ausdruck von Schlegels älterem Standpunkt, daß nämlich die Reflexion, welche er früher als Kunst dachte, absolut schöpferisch, inhaltlich erfüllt sei. So kannte er denn in der Zeit, auf welche sich diese Untersuchung bezieht, auch noch nicht jenen Moderantismus im Reflexionsbegriff, demzufolge er in den Vorlesungen der Reflexion den sie begrenzenden Willen gegenüberstellt (s.o. p.37). Früher kannte er nur eine relative, autonome Begrenzung der Reflexion durch sich selbst, die, wie sich ergeben wird, in der Kunsttheorie eine wichtige Rolle spielt. Die Schwäche und Gesetztheit des späteren Werkes beruht auf der Einschränkung der schöpferischen Allmacht der Reflexion, welche einst für Schlegel in der Kunst sich am deutlichsten offenbart hatte. Mit ähnlicher Deutlichkeit, wie an jener Stelle der Vorlesungen, hat er in der Frühzeit die Kunst als ein Reflexionsmedium nur in dem berühmten 116. Athenäumsfragment bezeichnet, in dem es von der romantischen Poesie heißt, daß sie »am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden Der Dichter und sein Gegenstand sind hier als Reflexionspole zu denken.] frei von allem ... Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen« kann. Von dem produktiven und rezeptiven Verhältnis zur Kunst sagt Schlegel: »Das Wesen des poetischen Gefühls liegt vielleicht darin, daß man sich ganz aus sich selbst affizieren ... kann«. Das heißt: Der Indifferenzpunkt der Reflexion, an dem diese aus dem Nichts entspringt, ist das poetische Gefühl. Ob in dieser Formulierung eine Beziehung auf Kants Theorie vom freien Spiel der Gemütsvermögen liegt, in welchem der Gegenstand als ein Nichts zurücktritt, um nur den Anlaß einer selbsttätigen, inneren Stimmung des Geistes zu bilden, wird sich schwer entscheiden lassen. Übrigens liegt die Untersuchung des Verhältnisses der frühromantischen zu der Kantischen Kunsttheorie nicht im Rahmen dieser Monographie über den romantischen Begriff der Kunstkritik, weil von hier aus jenes Verhältnis nicht erfaßt werden kann. – In vielen Wendungen hat auch Novalis zu verstehen gegeben, daß die Grundstruktur der Kunst die des Reflexionsmediums sei. Der Satz: »Dichtkunst ist wohl nur willkürlicher, tätiger, produktiver Gebrauch unserer Organe – und vielleicht wäre Denken selbst nicht viel etwas anderes – und Denken und Dichten also einerlei« Schriften herausgegeben von Minor III, 14. ähnelt sehr dem oben angezogenen Schlegelschen Ausspruch in den Vorlesungen, und weist in jene Richtung. Ganz deutlich faßt Novalis die Kunst als das Reflexionsmedium χατ' έξοχήν auf, verwendet das Wort Kunst geradezu als terminus technicus für dasselbe, wenn er sagt: »Der Anfang des Ich ist bloß idealisch ... der Anfang entsteht später als das Ich; darum kann das Ich nicht angefangen haben. Wir sehen daraus, daß wir hier im Gebiet der Kunst sind«. Schriften 496. Und wenn er fragt: »Gibt es eine Erfindungskunst ohne Data, eine absolute Erfindungskunst?«, Schriften 478. so ist dies einerseits die Frage nach einem absoluten neutralen Ursprung der Reflexion und andererseits hat er selbst in seinen Schriften oft genug die Dichtkunst als jene absolute Erfindungskunst ohne Data gekennzeichnet. Er legt gegen die Theorie der Brüder Schlegel von der Künstlichkeit Shakespeares Verwahrung ein und erinnert sie, daß die Kunst »gleichsam die sich selbst beschauende, sich selbst nachahmende, sich selbst bildende Natur ist«. Schriften 277. Dabei ist weniger die Meinung, daß die Natur das Substrat der Reflexion und der Kunst sei, als daß die Integrität und Einheit des Reflexionsmediums gewahrt bleiben solle. Für diese scheint Novalis an dieser Stelle Natur ein besserer Ausdruck als Kunst, und so soll man es nach ihm auch für die Erscheinungen der Poesie bei dieser Bezeichnung, die doch nur für das Absolute steht, belassen. Oft aber wird er ganz übereinstimmend mit Schlegel die Kunst für den Prototyp des Reflexionsmediums halten und dann sagen: »Die Natur zeugt, der Geist macht. II est beaucoup plus commode d'être fait que de se faire lui-même (sic!)«. Schriften 490.. Also ist Reflexion das Ursprüngliche und Aufbauende in der Kunst wie in allem Geistigen. So entsteht Religion nur, indem »das Herz ... sich selbst empfindet«, Schriften 278 f. und für die Poesie gilt, daß sie »ein sich selbst bildendes Wesen ist«. Schriften 331.

Die Erkenntnis in dem Reflexionsmedium der Kunst ist die Aufgabe der Kunstkritik. Für sie gelten alle diejenigen Gesetze, welche allgemein für die Gegenstandserkenntnis im Reflexionsmedium bestehen. Die Kritik ist also gegenüber dem Kunstwerk dasselbe, was gegenüber dem Naturgegenstand die Beobachtung ist, es sind die gleichen Gesetze, die sich an verschiedenen Gegenständen modifiziert ausprägen. Wenn Novalis sagt: »Was zugleich Gedanke und Beobachtung ist, ist ein kritischer ... Keim«1, Schriften 440. so spricht er – zwar in tautologischer Rede, denn die Beobachtung ist ein Denkprozeß – die nahe Verwandtschaft zwischen Kritik und Beobachtung aus. Kritik ist also gleichsam ein Experiment am Kunstwerk, durch welches dessen Reflexion wachgerufen, durch das es zum Bewußtsein und zur Erkenntnis seiner selbst gebracht wird. »Die echte Rezension sollte ... das Resultat und die Darstellung eines philologischen Experiments und einer literarischen Recherche sein.« Wiederum nennt Schlegel eine »sogenannte Recherche ... ein historisches Experiment«, und im Rückblick auf seine kritische Tätigkeit, den er 1800 anstellte, sagte er: »ich werde es mir nicht versagen, mit den Werken der poetischen und der philosophischen Kunst, wie bisher, so auch ferner für mich und für die Wissenschaft zu experimentieren«. Jugendschriften II, 423. Das Subjekt der Reflexion ist im Grunde das Kunstgebilde selbst, und das Experiment besteht nicht in der Reflexion über ein Gebilde, welche dieses nicht, wie es im Sinn der romantischen Kunstkritik liegt, wesentlich alterieren könnte, sondern in der Entfaltung der Reflexion, d. h. für den Romantiker: des Geistes, in einem Gebilde.

Sofern Kritik Erkenntnis des Kunstwerks ist, ist sie dessen Selbsterkenntnis; sofern sie es beurteilt, geschieht es in dessen Selbstbeurteilung. Die Kritik geht in dieser letzten Ausprägung über die Beobachtung hinaus, es zeigt sich in dieser die Verschiedenheit des Kunstgegenstandes von dem der Natur, der keine Beurteilung zuläßt. Der Gedanke der Selbstbeurteilung auf der Grundlage der Reflexion ist auch außerhalb des Gebietes der Kunst den Romantikern nicht fremd. So liest man bei Novalis: »Die Philosophie der Wissenschaften hat ... drei Perioden. Die thetische der Selbstreflexion der Wissenschaft, die andere der entgegengesetzten, antinomischen Selbstbeurteilung der Wissenschaft und die synkritische Selbstreflexion und Selbstbeurteilung zugleich«. Schriften 441. Was die Selbstbeurteilung in der Kunst betrifft, so heißt es in der für Schlegels Theorie der Kritik bezeichnenden Rezension des »Wilhelm Meister«: »Glücklicherweise ist es eben eins von den Büchern, welche sich selbst beurteilen«. Jugendschriften II, 172. Novalis sagt: »Rezension ist Complement des Buchs. Manche Bücher bedürfen keiner Rezension, nur einer Ankündigung; sie enthalten schon die Rezension mit«. Schriften 460.

Eine Beurteilung ist allerdings diese Selbstbeurteilung in der Reflexion nur uneigentlich zu nennen. Es ist nämlich in ihr ein notwendiges Moment aller Beurteilung, das Negative, durchaus verkümmert. Zwar erhebt sich der Geist in jeder Reflexion über alle früheren Reflexionsstufen und negiert sie damit – gerade dies gibt der Reflexion zunächst die kritische Färbung –, aber das positive Moment dieser Bewußtseinssteigerung überwiegt das negative bei weitem. Diese Einschätzung des Reflexionsvorgangs spricht aus Novalis' Worten: »Der Akt des sich selbst Überspringens ist überall der höchste, der Urpunkt, die Genesis des Lebens ... So hebt alle Philosophie da an, wo der Philosophierende sich selbst philosophiert, d. h. zugleich verzehrt ... und wieder erneuert ... So hebt alle lebendige Moralität damit an, daß ich aus Tugend gegen die Tugend handle; damit beginnt das Leben der Tugend, durch welches vielleicht die Kapazität ins Unendliche zunimmt«. Schriften 318. Genau ebenso positiv bewerten die Romantiker die Selbstreflexion im Kunstwerk. Für die Bewußtseinssteigerung des Werkes durch Kritik hat Schlegel einen höchst bezeichnenden Ausdruck in einem Witz gefunden. In einem Briefe an Schleiermacher bezeichnet er nämlich seinen Athenäumsaufsatz »Über Goethe's Meister« kurz als den »Übermeister«, Aus Schleiermachers Leben III, 75. ein vortrefflicher Ausdruck für die letzte Intention dieser Kritik, welche mehr als jede andere mit seinem Begriff Kunstkritik überhaupt zusammenhängt. Auch sonst gebraucht er gern ähnliche Prägungen, ohne daß man entscheiden könnte, ob dabei die gleiche Stimmung zugrunde liegt, weil sie nicht in einem Worte geschrieben sind. Caroline I, 257. Aus Schleiermachers Leben III, 138. Das Moment der Selbstvernichtung, die mögliche Negation in der Reflexion kann also nicht ins Gewicht fallen gegenüber dem durch und durch Positiven der Erhöhung des Bewußtseins im Reflektierenden. So führt eine Analysis des romantischen Kritikbegriffs alsbald auf jenen Zug, der sich in ihrem Fortgang immer deutlicher zeigen und vielseitiger begründen wird: die völlige Positivität dieser Kritik, in der sie von ihrem modernen Begriff, welcher in ihr eine negative Instanz erblickt, sich radikal unterscheidet. Jede kritische Erkenntnis eines Gebildes ist als Reflexion in ihm nichts anderes, als ein höherer selbsttätig entsprungener Bewußtseinsgrad desselben. Diese Bewußtseinssteigerung in der Kritik ist prinzipiell unendlich, die Kritik ist also das Medium, auf die Unendlichkeit der Kunst bezieht und endlich in sie in dem sich die Begrenztheit des einzelnen Werkes methodisch übergeführt wird, denn die Kunst ist, wie es sich von selbst versteht, als Reflexionsmedium unendlich. Novalis hat die mediale Reflexion, wie oben angeführt, allgemein als Romantisieren bezeichnet und dabei gewiß nicht nur an die Kunst gedacht. Doch ist, was er so beschreibt, genau das Verfahren der Kunstkritik. »Absolutierung, Universalisierung, Klassifikation des individuellen Moments ... ist das eigentliche Wesen des Romantisierens.« Schriften 499. »Indem ich ... dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.« Schriften 304. Auch vom Kritiker aus, denn als solcher ist der »wahre Leser« der folgenden Bemerkung aufzufassen, bezeichnet er die kritische Aufgabe: »Der wahre Leser muß der erweiterte Autor sein. Er ist die höhere Instanz, die die Sache von der niederen Instanz schon vorgearbeitet erhält. Das Gefühl ... scheidet beim Lesen wieder das Rohe und Gebildete des Buchs, und wenn der Leser das Buch nach seiner Idee bearbeiten würde, so würde ein zweiter Leser noch mehr läutern, und so wird ... die Masse endlich ... Glied des wirksamen Geistes«. Schriften 34. Das heißt, es soll das einzelne Kunstwerk im Medium der Kunst aufgelöst werden, dieser Prozeß kann aber durch eine Vielheit einander ablösender Kritiker nur dann sinngemäß dargestellt sein, wenn diese nicht empirische Intellekte, sondern personifizierte Reflexionsstufen sind. Es liegt auf der Hand, daß die Potenzierung der Reflexion im Werk auch als solche in seiner Kritik bezeichnet werden kann, welche ja selbst unendlich viele Stufen hat. In diesem Sinne heißt es bei Schlegel: »Jede philosophische Ein Beiwort, mit dem vermutlich ihre Dignität, nicht ihr Gegenstand bezeichnet werden soll. Rezension sollte zugleich Philosophie der Rezensionen sein«. – Niemals kann dieses kritische Verhalten in Konflikt mit der ursprünglichen, rein gefühlsmäßigen Aufnahme des Kunstwerkes geraten, denn es ist, wie die Steigerung des Werkes selbst, so auch die seines Erfassens und Empfangens. In der Kritik des »Wilhelm Meister« sagt Schlegel: »Es ist schön und notwendig, sich dem Eindruck eines Gedichtes ganz hinzugeben ... und etwa nur im Einzelnen das Gefühl durch Reflexion zu bestätigen und zum Gedanken zu erheben und ... zu ergänzen ... Aber nicht minder notwendig ist es, von allem Einzelnen abstrahieren zu können, das Allgemeine schwebend zu fassen«. Jugendschriften II, 169. Dies Erfassen des Allgemeinen heißt schwebend, weil es Sache der unendlich sich erhöhenden Reflexion ist, die sich in keiner Betrachtung dauernd niederläßt, wie es im 116. Athenäumsfragment (s. o. p. 63) von Schlegel angedeutet wird. So erfaßt die Reflexion gerade die zentralen, d.h. allgemeinen Momente des Werkes und versenkt sie in das Medium der Kunst, wie es eben in der Kritik des »Wilhelm Meister« sichtbar sein soll. Bei genauer Betrachtung will Schlegel dort in der Rolle, welche in der Bildung des Helden die verschiedenen Kunstarten spielen, eine Systematik verborgen angedeutet finden, deren deutliche Entfaltung und Einordnung ins Kunstganze eine Aufgabe der Kritik des Werkes sei. Dabei soll diese nichts anderes tun, als die geheimen Anlagen des Werkes selbst aufdecken, seine verhohlenen Absichten vollstrecken. Im Sinne des Werkes selbst, d.h. in seiner Reflexion, soll es über dasselbe hinausgehen, es absolut machen. Es ist klar: für die Romantiker ist Kritik viel weniger die Beurteilung eines Werkes als die Methode seiner Vollendung. In diesem Sinne haben sie poetische Kritik gefordert, den Unterschied zwischen Kritik und Poesie aufgehoben und behauptet: »Poesie kann nur durch Poesie kritisiert werden. Ein Kunsturteil, welches nicht selbst ein Kunstwerk ist,... als Darstellung des notwendigen Eindrucks in seinem Werden D.i. als Entfaltung der dem Kunstwerk immanenten Reflexion.,... hat gar kein Bürgerrecht im Reiche der Kunst«. »Jene poetische Kritik... wird die Darstellung von Neuem darstellen, das schon Gebildete noch einmal bilden wollen... wird das Werk ergänzen, verjüngen, neu gestalten.« Jugendschriften II, 177. Diese poetische Kritik, die zufolge der Meisterrezension allein Sache der »Dichter und Künstler« sein soll, ist meist Schlegels eigene, sie ist die von ihm am höchsten geschätzte Art der Kritik. Zu ihrer Abgrenzung gegen die Charakteristik, wie sie die zitierte Stelle enthält, ist die folgende Bemerkung in der Woldemar-Rezension zu vergleichen: »Nur eine Philosophie, welche auf einer notwendigen Bildungsstufe des philosophischen Geistes ein Höchstes ganz oder beinahe erreichte, darf man systematisieren und durch weggeschnittene Auswüchse und ausgefüllte Lücken in sich zusammenhängender und ihrem eigenen Sinn getreuer machen. Eine Philosophie hingegen, ... deren Grund, Ziel, Gesetze und Ganzheit selbst nicht philosophisch, sondern persönlich sind, läßt sich nur charakterisieren.« (Jugendschriften II, 89 f.) Die Charakteristik ist also einerseits dem mittelmäßigen Werk gegenüber am Platze, sie ist andererseits nach der Meisterrezension überhaupt das Verfahren des unpoetischen Kritikers. – Mit Recht erkennt Haym (227) in jenem Systematisieren und Ergänzen Kritik, wie sie nach Schlegels Meinung auch der Dichtkunst gegenüber als poetische Kritik im oben definierten Sinn beschaffen ist. Der Titel »Charakteristiken und Kritiken«, den die Brüder Schlegel der Sammlung ihrer Rezensionen gegeben haben, stellt also die nichtpoetische und die poetische Kritik einander gegenüber. Die erste, d.h. die Charakteristik, hat mit dem Wesentlichen an Schlegels Begriff der Kunstkritik nichts zu tun. Denn das Werk ist unvollständig: »Nur das Unvollständige kann begriffen werden, kann uns weiter führen. Das Vollständige wird nur genossen. Wollen wir die Natur begreifen, so müssen wir sie als unvollständig setzen«. Schriften 104 f. Vgl. oben 1. Teil, Kap. 4: Der Gegenstand wird in der Erkenntnis gesteigert, ergänzt, kann also nur, wenn er unvollständig ist, erkannt werden. Diese Anschauung hängt mit dem Problem des Lernens, der άνάμνησις, des noch nicht bewußten Wissens und seinen mystischen Lösungsversuchen zusammen, nach welchen der fragliche Gegenstand gerade ein solcher unvollständiger, und zwar innerlich gegebener ist. Das gilt auch vom Kunstwerk, aber es gilt nicht als Fiktion, sondern in Wahrheit. Jedes Werk ist dem Absolutum der Kunst gegenüber mit Notwendigkeit unvollständig, oder – was dasselbe bedeutet es ist unvollständig gegenüber seiner eigenen absoluten Idee. »Daher sollte es kritische Journale geben, die die Autoren kunstmäßig medizinisch und chirurgisch behandelten und nicht bloß die Krankheit aufspürten und mit Schadenfreude bekannt machten ... Echte Polizei ... sucht die kränkliche Anlage zu verbessern.« Schriften 30. Beispiele solcher vollendenden, positiven Kritik schweben Novalis vor, wenn er von einer gewissen Art von Übersetzungen, welche er mythische nennt, sagt: »Sie stellen den reinen, vollendeten Charakter des individuellen Kunstwerks dar. Sie geben uns nicht das wirkliche Kunstwerk, sondern das Ideal desselben. Noch existiert, wie ich glaube, kein ganzes Muster derselben. Im Geist mancher Kritiken und Beschreibungen von Kunstwerken trifft man aber helle Spuren. Es gehört ein Kopf dazu, in dem sich poetischer Geist und philosophischer Geist in ihrer ganzen Fülle durchdrungen haben«. Schriften 16 f. Vielleicht denkt Novalis, indem er Kritik und Übersetzung einander nahe rückt, an eine mediale stetige Überführung des Werkes aus einer Sprache in die andere, eine Auffassung, die bei der unendlich rätselhaften Natur der Übersetzung von vornherein ebenso statthaft ist, wie eine andere. »Wenn man das Charakteristikum des modernen kritischen Geistes in der Verleugnung alles Dogmatismus, in der Achtung vor der alleinigen Souveränität der produktiven Schöpferkraft des Künstlers und Denkers sehen will und muß, so haben die Schlegel diesen modernen kritischen Geist geweckt und ihn auch zur prinzipiell höchsten Offenbarung gebracht.« Bei diesen Worten hat Enders die ganze literarische Familie der Schlegel im Sinn. Friedrich Schlegel ist vor allen anderen Mitgliedern seiner Familie die prinzipielle Überwindung des ästhetischen Dogmatismus zu verdanken und dazu – was Enders hier nicht erwähnt – die ebenso wichtige Sicherung der Kunstkritik gegen die skeptische Toleranz, die aus dem schrankenlosen Kultus der schaffenden Kraft als bloßer Ausdruckskraft des Schöpfers zuletzt hervorgeht. In jener Hinsicht hat er die Tendenzen des Rationalismus, in dieser die zersetzenden Momente, welche in der Theorie der Stürmer und Dränger angelegt waren, überwunden, und in dieser letzten Rücksicht ist die Kritik des 19. und 20. Jahrhunderts durchaus wieder von seinem Standpunkt herabgesunken. Er hat die Gesetze des Geistes in das Kunstwerk selbst gebannt, anstatt dieses zum bloßen Nebenprodukt der Subjektivität zu machen, wie ihn die modernen Autoren dennoch, dem Zuge ihres eigenen Denkens folgend, so überaus oft mißverstanden haben. Es ist nach dem oben Ausgeführten abzuschätzen, welcher geistigen Lebendigkeit und doch auch welcher Zähigkeit es bedurfte, diesen Standpunkt zu sichern, der teilweise, als Überwindung des Dogmatismus, das mühelose Erbe der modernen Kritik geworden ist. Von deren Gesichtskreis aus, den keine Theorie, sondern allein eine deteriorierte Praxis noch bestimmt, ist freilich nicht zu ermessen, welche Fülle positiver Voraussetzungen in die Negierung der rationalistischen Dogmen eingearbeitet ist. Sie übersieht, daß diese Voraussetzungen neben ihrer befreienden Leistung einen Grundbegriff sicherten, der theoretisch vordem mit Bestimmtheit nicht eingeführt werden konnte: den des Werkes. Denn nicht nur die Freiheit von heteronomen ästhetischen Doktrinen errang Schlegels Kritikbegriff vielmehr ermöglichte er diese erst dadurch, daß er ein anderes Kriterium des Kunstwerkes aufstellte, als die Regel, das Kriterium eines bestimmten immanenten Aufbaues des Werkes selbst. Er tat das nicht mit den Allgemeinbegriffen der Harmonie und Organisation, die bei Herder oder Moritz nicht zur Stiftung einer Kunstkritik hatten führen können, sondern mit einer, wenn auch in Begriffen absorbierten, eigentlichen Theorie der Kunst: als eines Reflexionsmediums, und des Werkes: als eines Zentrums der Reflexion. Damit sicherte er von der Objekt- oder Gebilde-Seite her diejenige Autonomie im Gebiete der Kunst, welche Kant der Urteilskraft in ihrer Kritik verliehen hatte. Der Kardinalgrundsatz der kritischen Betätigung seit der Romantik, die Beurteilung der Werke an ihren immanenten Kriterien, ist auf Grund romantischer Theorien gewonnen, welche gewiß in ihrer reinen Gestalt keinen heutigen Denker völlig befriedigen. Schlegel überträgt die Betonung seines schlechthin neuen Grundsatzes der Kritik auf den »Wilhelm Meister«, indem er ihn das »schlechthin neue und einzige Buch, welches man nur aus sich selbst verstehen lernen kann«, Jugendschriften II, 171. nennt. Novalis ist auch in diesem Grundsatz mit Schlegel einig: »Formeln für Kunstindividuen finden, durch die sie im eigentlichsten Sinn erst verstanden werden, macht das Geschäft eines artistischen Kritikers aus, dessen Arbeiten die Geschichte der Kunst vorbereiten«. Schriften 13 Vom Geschmack, auf den sich der Rationalismus für seine Regeln berief, soweit sie nicht rein historisch begründet werden, sagt er: »Der Geschmack allein beurteilt nur negativ«. Schriften 80.

Ein genau bestimmter Begriff des Werkes wurde also durch diese romantische Theorie zu einem Korrelatbegriff des Begriffs der Kritik.

II Das Kunstwerk

Die romantische Theorie des Kunstwerks ist die Theorie seiner Form. Die begrenzende Natur der Form haben die Frühromantiker mit der Begrenztheit jeder endlichen Reflexion identifiziert und durch diese einzige Erwägung den Begriff des Kunstwerks innerhalb ihrer Anschauungswelt determiniert. Ganz analog zu dem Gedanken, mit welchem in seiner ersten Schrift zur Wissenschaftslehre Fichte die Reflexion an der bloßen Form der Erkenntnis sich manifestieren sieht (s.o. p.20 f.) bekundet den Romantikern das reine Wesen der Reflexion sich an der rein formalen Erscheinung des Kunstwerks. Die Form ist also der gegenständliche Ausdruck der dem Werke eigenen Reflexion, welche sein Wesen bildet. Sie ist die Möglichkeit der Reflexion in dem Werke, sie liegt ihm also a priori als ein Daseinsprinzip zugrunde; durch seine Form ist das Kunstwerk ein lebendiges Zentrum der Reflexion. Im Medium der Reflexion, in der Kunst, bilden sich immer neue Reflexionszentren. Je nach ihrem geistigen Keim umfassen sie größere oder kleinere Zusammenhänge reflektierend. Die Unendlichkeit der Kunst kommt zunächst allein in einem solchen Zentrum als in einem Grenzwert zur Reflexion, d.h. zur Selbsterfassung und damit zur Erfassung überhaupt. Dieser Grenzwert ist die Darstellungsform des einzelnen Werkes. Auf ihr beruht die Möglichkeit einer relativen Einheit und Abgeschlossenheit des Werkes im Medium der Kunst. – Weil aber jede einzelne Reflexion in diesem Medium nur eine vereinzelte, eine zufällige sein kann, ist auch die Einheit des Werkes gegenüber der der Kunst nur eine relative; das Werk bleibt mit einem Moment der Zufälligkeit behaftet. Diese besondere Zufälligkeit als eine prinzipiell notwendige, d.h. unvermeidliche einzugestehen, sie durch die strenge Selbstbeschränkung der Reflexion zu bekennen, ist die genaue Funktion der Form. Praktische, d.h. bestimmte Reflexion, Selbstbeschränkung bilden Individualität und Form des Kunstwerks. Denn damit die Kritik, wie oben (s. o. p. 67) ausgeführt wurde, Aufhebung aller Begrenzung sein könne, muß das Werk auf dieser beruhen. Ihre Aufgabe erfüllt die Kritik, indem sie, je geschlossener die Reflexion, je strenger die Form des Werkes ist, desto vielfacher und intensiver diese aus sich heraustreibt, die ursprüngliche Reflexion in einer höheren auflöst und so fortfährt. In dieser Arbeit beruht sie auf den Keimzellen der Reflexion, den positiv formalen Momenten des Werkes, die sie zu universal formalen auflöst. So stellt sie die Beziehung des einzelnen Werkes auf die Idee der Kunst und damit die Idee des einzelnen Werkes selbst dar.

Friedrich Schlegel gibt zwar, besonders um 1800, auch über den Inhalt des wahren Kunstwerks Bestimmungen, sie beruhen jedoch auf jenen schon genannten Überdeckungen und Trübungen des Grundbegriffs des Reflexionsmediums, in denen er seine methodische Kraft verliert. Wo er das absolute Medium nicht mehr als Kunst, sondern als Religion bestimmt, erfaßt er das Kunstwerk von der Seite seines Inhalts nur unklar, er vermag sich seine Ahnung von einem würdigen Inhalt trotz aller Mühe nicht zu verdeutlichen, dieser bleibt Tendenz; er verlangt in ihm Vgl. die »Rede über die Mythologie«, Jugendschriften II, 357. die eigentümlichen Züge seines religiösen Kosmos wiederzufinden, während zugleich, zum Zeichen jener Unklarheit, seine Idee der Form um nichts gewinnt. Mit Beziehung auf die formalen, methodischen Momente durfte daher Haym (481) von der Schlegelschen Religionsphilosophie um 1800 sagen: Diese »bestand, bei Lichte besehen, lediglich darin, daß er seine auf dem Gebiete der Aesthetik ausgebildeten Lieblingskategorien von der Poesie auf die Religion übertrug.« Die ganze Tendenz dieser Religionsphilosophie ist jedoch damit nicht hinreichend charakterisiert. Vor dieser Veränderung seines Weltbildes und wo die älteren Lehren noch ferner wirksam blieben, hat er gemeinschaftlich mit Novalis einen strengen Begriff des Werkes in Verbindung mit einem Formbegriff, der auf der Philosophie der Reflexion beruht, als neue Errungenschaft im Namen der romantischen Schule vertreten: »Was Ihr in den philosophischen Büchern von der Kunst und von der Form gesagt findet, reicht ungefähr hin, um die Uhrmacherkunst zu erklären. Von höherer Kunst und Form findet Ihr auch nirgends nur die leiseste Ahnung«. Jugendschriften II, 427. Die höhere Form ist die Selbstbeschränkung der Reflexion. In diesem Sinne handelt das 37. Lyzeumsfragment von »Wert und ... Würde der Selbstbeschränkung, die doch für den Künstler wie für den Menschen ... das Notwendigste und das Höchste ist. Das Notwendigste: denn überall, wo man sich nicht selbst beschränkt, beschränkt einen die Welt; wodurch man ein Knecht wird. Das Höchste: denn man kann sich nur in den Punkten und an den Seiten selbst beschränken, wo man unendliche sc. reflektierende. Kraft hat; Selbstschöpfung und Selbstvernichtung ... Ein Schriftsteller ..., der sich rein ausreden will und kann, ... ist sehr zu beklagen. Nur vor ... Fehlern hat man sich zu hüten. Was unbedingte Willkür ... scheint und scheinen soll, muß dennoch im Grunde auch wieder schlechthin notwendig ... sein; sonst ... entsteht Illiberalität, und aus Selbstbeschränkung wird Selbstvernichtung«. Diese »liberale Selbstbeschränkung«, die Enders mit Recht »eine strenge Forderung romantischer Kritik« Enders 357. nennt, leistet die Darstellungsform des Werkes. Nirgends findet sich das Wesentliche dieser Anschauung klarer ausgesprochen als in einem Fragment des Novalis, welches sich nicht auf die Kunst, sondern auf die staatliche Sitte bezieht: »Da nun in der höchsten Belebung der Geist zugleich am wirksamsten ist, die Wirkungen des Geistes Reflexionen sind, die Reflexion aber, ihrem Wesen nach, bildend ist, mit der höchsten Belebung also die schöne oder vollkommene Reflexion verknüpft ist, so wird auch der Ausdruck des Staatsbürgers in der Nähe des Königs Ausdruck der höchsten zurückgehaltenen Kraftfülle, Ausdruck der lebhaftesten Regungen, beherrscht durch die achtungsvollste Besonnenheit ... sein«. Schriften 39.. Hier ist nur für den Staatsbürger das Kunstwerk, für den König das Absolutum der Kunst einzusetzen, um aufs klarste gesagt zu finden, wie die bildende Kraft der Reflexion die Form des Werkes nach der Anschauung der Frühromantik prägt. Der Ausdruck »Werk« ist für das also bestimmte Gebilde von Friedrich Schlegel mit Betonung gebraucht worden. Der »Lothario« des »Gesprächs über die Poesie« spricht von dem Selbständigen, Insichvollendeten, wofür er »nun eben kein anderes Wort finde, als das von Werken, und es darum gern für diesen Gebrauch behalten möchte«. Jugendschriften II, 366. Im gleichen Zusammenhang liest man die folgende Wechselrede: »Lothario: ... Nur dadurch, daß es Eins und Alles ist, wird ein Werk zum Werk. Nur dadurch unterscheidet sich's vom Studium. Antonio: Ich wollte Ihnen doch Studien nennen, die dann in Ihrem Sinne zugleich Werke sind«. Ebenda. Hier enthält die Antwort einen berichtigenden Hinweis auf die Doppelnatur des Werkes: es ist nur eine relative Einheit, bleibt ein Essay, in welchem Ein und Alles sich angelegt findet. Noch in der Anzeige von Goethes Werken aus dem Jahre 1808 heißt es bei Schlegel: »... an Fülle der inneren Durchbildung geht der ›Meister‹ vielleicht jedem andern Werke unseres Dichters vor, keines ist in dem Grade ein Werk«. Kürschner 389. Zusammenfassend bezeichnet Schlegel die Bedeutung der Reflexion für Werk und Form mit folgenden Worten: »Gebildet ist ein Werk, wenn es überall scharf begrenzt, innerhalb der Grenzen aber grenzenlos ... ist, wenn es sich selbst ganz treu, überall gleich und doch über sich selbst erhaben ist«. Wenn kraft seiner Form das Kunstwerk ein Moment des absoluten Mediums der Reflexion ist, so hat Novalis' Satz: »Jedes Kunstwerk hat ein Ideal a priori, eine Notwendigkeit bei sich, da zu sein« Schriften herausgegeben von Minor II, 231. – In diesem Ausspruch deckt sich der Terminus »Ideal« durchaus mit dem im folgenden (s. u. p. 110 f.) als »Idee« eingeführten Begriff. nichts Unklares an sich; eine Formulierung, in der die prinzipielle Überwindung des dogmatischen Rationalismus in der Ästhetik vielleicht am deutlichsten ist. Denn dies ist ein Standpunkt, zu dem eine Einschätzung des Werkes nach Regeln niemals führen konnte, ebensowenig wie eine Theorie, welche das Werk nur als Produkt eines genialischen Kopfes verstand. »Halten Sie es etwa für unmöglich, zukünftige Gedichte a priori zu konstruieren?« Jugendschriften II, 384. fragt ganz übereinstimmend der Ludoviko bei Schlegel.

Neben der Shakespeareübersetzung ist die bleibende dichterische Leistung der Romantik die Eroberung der romanischen Kunstformen für die deutsche Literatur gewesen. Ihr Streben war mit vollem Bewußtsein auf die Eroberung, Ausbildung und Reinigung der Formen gerichtet. Doch war ihr Verhältnis zu ihnen ein ganz anderes als das der vorhergehenden Generationen. Die Romantiker faßten nicht, wie die Aufklärung, die Form als eine Schönheitsregel der Kunst, ihre Befolgung als eine notwendige Vorbedingung für die erfreuliche oder erhebende Wirkung des Werkes auf. Die Form galt ihnen weder selbst als Regel noch auch als abhängig von Regeln. Diese Auffassung, ohne welche das wahrhaft bedeutende italienische, spanische und portugiesische Übersetzungswerk A. W. Schlegels undenkbar ist, hat sein Bruder philosophisch intentioniert. Jede Form als solche gilt als eine eigentümliche Modifikation der Selbstbegrenzung der Reflexion, einer andern Rechtfertigung bedarf sie nicht, weil sie nicht Mittel zur Darstellung eines Inhalts ist. Das romantische Bemühen um Reinheit und Universalität im Gebrauch der Formen beruht auf der Überzeugung, in der kritischen Auflösung ihrer Prägnanz und Vielfältigkeit (in der Absolutierung der in ihnen gebundenen Reflexion) auf ihren Zusammenhang als Momente im Medium zu stoßen. Die Idee der Kunst als eines Mediums schafft also zum ersten Male die Möglichkeit eines undogmatischen oder freien Formalismus, eines liberalen Formalismus, wie die Romantiker sagen würden. Die frühromantische Theorie begründet die Geltung der Formen unabhängig vom Ideal der Gebilde. Die ganze philosophische Tragweite dieser Einstellung nach ihrer positiven und negativen Seite zu bestimmen, ist eine Hauptaufgabe der vorliegenden Abhandlung. – Wenn also Friedrich Schlegel von der Denkweise über die Gegenstände der Kunst verlangt, daß sie »absolute Liberalität mit absolutem Rigorismus vereinigt« enthalte, so darf man diese Forderung auch auf das Kunstwerk selbst, hinsichtlich seiner Form, beziehen. Eine solche Vereinigung hieße ihm in »dem edleren und ursprünglichen Sinne des Worts korrekt, da es absichtliche Durchbildung ... des Innersten ... im Werke nach dem Geist des Ganzen, praktische d. i. bestimmte (s. o. p. 73). Reflexion des Künstlers bedeutet«. A 253.

Dies ist die Struktur des Werkes, für das die Romantiker eine immanente Kritik verlangen. Dieses Postulat birgt eine eigentümliche Paradoxie in sich. Denn es ist nicht abzusehen, wie ein Werk an seinen eigenen Tendenzen kritisiert werden könnte, weil diese Tendenzen, soweit sie einwandfrei feststellbar, erfüllt, und soweit sie unerfüllt, nicht einwandfrei feststellbar sind. Diese letzte Möglichkeit muß im extremen Falle die Gestalt annehmen, daß innere Tendenzen überhaupt fehlen und sonach die immanente Kritik unmöglich werden würde. Der romantische Begriff der Kunstkritik ermöglicht die Auflösung dieser beiden Paradoxien. Die immanente Tendenz des Werkes und demgemäß der Maßstab seiner immanenten Kritik ist die ihm zugrunde liegende und in. seiner Form ausgeprägte Reflexion. Diese ist jedoch in Wahrheit nicht sowohl der Maßstab der Beurteilung, als zuvörderst und in erster Linie die Grundlage einer völlig anderen, nicht beurteilend eingestellten Art von Kritik, deren Schwergewicht nicht in der Einschätzung des einzelnen Werkes, sondern in der Darstellung seiner Relationen zu allen übrigen Werken und endlich zu der Idee der Kunst liegt. Friedrich Schlegel bezeichnet es als die Tendenz seines kritischen Werkes »trotz eines oft peinlichen Fleißes im einzelnen ... dennoch alles im ganzen nicht sowohl beurteilend zu würdigen, als zu verstehen und zu erklären«. Jugendschriften II, 423. Kritik ist also, ganz im Gegensatz zur heutigen Auffassung ihres Wesens, in ihrer zentralen Absicht nicht Beurteilung, sondern einerseits Vollendung, Ergänzung, Systematisierung des Werkes, andrerseits seine Auflösung im Absoluten. Beide Prozesse fallen letzten Endes, wie sich noch zeigen wird, zusammen. Das Problem der immanenten Kritik verliert seine Paradoxie Eine solche besteht selbstverständlich nicht im Gebiet der Wissenschaft, wohl aber in dem der Kunst. in der romantischen Definition dieses Begriffs, nach welchem er nicht eine Beurteilung des Werkes meint, für die einen ihm immanenten Maßstab anzugeben widersinnig wäre. Kritik des Werkes ist vielmehr seine Reflexion, welche selbstverständlich nur den ihm immanenten Keim derselben zur Entfaltung bringen kann. Diese Theorie der Kritik erstreckt ihre Folgerungen allerdings auch auf die Theorie der Beurteilung der Werke. In drei Grundsätzen lassen diese Folgerungen sich aussprechen, welche ihrerseits die unmittelbare Entgegnung auf die oben aufgeworfene Paradoxie des Gedankens der immanenten Beurteilung geben. Diese drei Grundsätze der romantischen Theorie der Beurteilung von Kunstwerken lassen sich formulieren als das Prinzip von der Mittelbarkeit der Beurteilung, von der Unmöglichkeit einer positiven Wertskala und von der Unkritisierbarkeit des Schlechten.

Das erste Prinzip, eine klare Folgerung aus dem Dargelegten, besagt, daß die Beurteilung eines Werkes niemals eine explizite, sondern stets eine im Faktum seiner romantischen Kritik (d.h. seiner Reflexion) implizierte sein muß. Denn der Wert des Werkes hängt einzig und allein davon ab, ob es seine immanente Kritik überhaupt möglich macht oder nicht. Ist diese möglich, liegt also im Werke eine Reflexion vor, welche sich entfalten, absolutieren und im Medium der Kunst auflösen läßt, so ist es ein Kunstwerk. Die bloße Kritisierbarkeit eines Werkes stellt das positive Werturteil über dasselbe dar; und dieses Urteil kann nicht durch eine gesonderte Untersuchung, vielmehr allein durch das Faktum der Kritik selbst gefällt werden, weil es gar keinen andern Maßstab, kein Kriterium für das Vorhandensein einer Reflexion gibt, als die Möglichkeit ihrer fruchtbaren Ent! faltung, die Kritik heißt. Jene implizite Beurteilung der Kunstwerke in der romantischen Kritik ist zweitens dadurch bemerkenswert, daß ihr keine Wertskala zur Verfügung steht. Ist ein Werk kritisierbar, so ist es ein Kunstwerk, andernfalls ist es keines – ein Mittleres zwischen diesen beiden Fällen ist undenkbar, unerfindlich aber auch ein Kriterium der Wertunterscheidung unter den wahren Kunstwerken selbst. Das meint Novalis mit den Worten: »Kritik der Poesie ist ein Unding. Schwer schon ist zu entscheiden, doch einzig mögliche Entscheidung, ob etwas Poesie sei oder nicht«. Schriften 379 f. Und Friedrich Schlegel formuliert das gleiche, wenn er sagt, daß der Stoff der Kritik »nur das Klassische und schlechthin Ewige sein kann«. Das Fragment zeigt in seinem Zusammenhang eine mystisch-terminologische Verschmelzung des ästhetischen mit dem philologischen Kritikbegriff. In dem Grundsatz von der Unkritisierbarkeit des Schlechten liegt eine der charakteristischsten Ausprägungen der romantischen Konzeption der Kunst und ihrer Kritik vor. Am deutlichsten hat ihn Schlegel im Abschluß des Lessingaufsatzes ausgesprochen: Es »kann ... wahre Kritik gar keine Notiz nehmen von Werken, die nichts beitragen zur Entwicklung der Kunst ...; ja es ist sonach eine wahre Kritik auch nicht einmal möglich von dem, was nicht in Beziehung steht auf jenen Organismus der Bildung und des Genies, von dem, was fürs Ganze und im Ganzen eigentlich nicht existiert«. Jugendschriften II, 424 f.»Es wäre illiberal, nicht vorauszusetzen, ein jeder Philosoph sei ... rezensibel; ... Aber anmaßend wäre es, Dichter ebenso zu behandeln; es müßte denn einer durch und durch Poesie und gleichsam ein lebendes und handelndes Kunstwerk sein,« heißt es im 67. Athenäumsfragment. Der romantische terminus technicus für das Verhalten, welches nicht nur in der Kunst, sondern auf allen Gebieten des Geisteslebens dem Grundsatz der Unkritisierbarkeit des Schlechten entspricht, heißt »annihilieren«. Er bezeichnet die indirekte Widerlegung des Nichtigen durch Stillschweigen, durch seine ironische Lobpreisung oder durch die Lobeserhebung des Guten. Die Mittelbarkeit der Ironie ist im Sinne Schlegels der einzige Modus, unter dem die Kritik dem Nichtigen geradezu entgegenzutreten vermag.

Es soll wiederholt werden, daß die Frühromantiker diese wichtigen sachlichen Bestimmungen über die Kunstkritik nicht im Zusammenhange gegeben haben, daß ihnen die geprägten Formulierungen in ihrer systematischen Schärfe zum Teil gewiß fern lagen, daß keiner der drei Grundsätze in ihrer Praxis streng befolgt worden ist. Hier handelt es sich weder um die Untersuchung ihrer kritischen Gepflogenheiten, noch um die Zusammenstellung dessen, was in diesem oder jenem Sinne bei ihnen über Kunstkritik zu finden ist, sondern um die Analysis dieses Begriffs nach seinen eigensten philosophischen Intentionen. Kritik, welche für die heutige Auffassung das Subjektivste ist, war für die Romantiker das Regulativ aller Subjektivität, Zufälligkeit und Willkür im Entstehen des Werkes. Während sie sich nach heutigen Begriffen aus der sachlichen Erkenntnis und der Wertung des Werkes zusammensetzt, ist es das Auszeichnende des romantischen Kritikbegriffs, eine besondere subjektive Einschätzung des Werkes im Geschmacksurteil nicht zu kennen. Die Wertung ist der sachlichen Untersuchung und Erkenntnis des Werkes immanent. Nicht der Kritiker fällt über dieses das Urteil, sondern die Kunst selbst, indem sie entweder im Medium der Kritik das Werk in sich aufnimmt oder es von sich abweist und eben dadurch unter aller Kritik schätzt. Die Kritik sollte mit dem, was sie behandelt, die Auslese unter den Werken herstellen. Ihre objektive Intention hat sich nicht allein in ihrer Theorie ausgesprochen. Wenigstens ist, wenn in ästhetischen Dingen die historische Geltungsdauer der Einschätzungen einen Hinweis auf das, was man allein sinngemäß ihre Objektivität nennen kann, gibt, die Geltung der kritischen Urteile der Romantik bestätigt worden. Sie haben die Grundeinschätzung der historischen Werke Dantes, Boccaccios, Shakespeares, Cervantes', Calderons ebenso wie die der ihnen gegenwärtigen Erscheinung Goethes bis auf die Gegenwart bestimmt. Diese Bestimmung vollzogen u.a.: für Dante A. W. Schlegels Übersetzungsfragmente aus der »Göttlichen Komödie« und dem »Neuen Leben« nebst seiner Arbeit über diesen Dichter; für Boccaccio Friedrich Schlegels »Nachricht von den poetischen Werken des Johannes Boccaccio«, für Shakespeare und Calderon (neben der Calderon-Übersetzung von Gries) A. W. Schlegels Übersetzungen; für Cervantes (neben der Soltaus) diejenige Tiecks, die auf Anregung der Schlegel geplant und von ihnen begrüßt wurde; für Goethe besonders Friedrich Schlegels Rezension des »Wilhelm Meister«, seines Bruders Besprechung von »Hermann und Dorothea«.

Die Kraft der objektiven Intentionen in der Frühromantik ist von den meisten Autoren gering eingeschätzt worden. Da Friedrich Schlegel selbst von der Epoche seiner »revolutionären Objektivitätwut«, von der unbedingten Verehrung des griechischen Kunstgeistes sich bewußt abgewandt hatte, suchte man in den Schriften seiner reiferen Zeit vor allem nach den Dokumenten der Reaktion gegen diese Jugendideen, und man fand sie im reichsten Maße. So zahlreiche Belege einer übermütigen Subjektivität sich aber in diesen Schriften in der Tat finden, so ist doch schon die Erwägung der ultraklassizistischen Anfänge und des streng katholischen Ausgangs dieses Schriftstellers geeignet, die Betonung der subjektivistischen Formeln oder Formulierungen aus der Zeit von 1796 bis 1800 zu mäßigen. Denn um bloße Formulierungen handelt es sich in seinen subjektivsten Aussprüchen zum Teil in der Tat; es sind Prägungen, die man nicht immer für bare Münze zu nehmen hat. Man hat den philosophischen Standpunkt Friedrich Schlegels zur Athenäumszeit meist durch seine Theorie der Ironie gekennzeichnet. Sie ist an dieser Stelle einmal darum zu behandeln, weil unter ihrem Titel prinzipielle Einwendungen gegen die Betonung der objektiven Momente seines Denkens nahe liegen; ferner aber, weil jene Theorie in einer bestimmten Hinsicht mit diesen Momenten, weit entfernt, ihnen zu widersprechen, in einem engen Zusammenhang steht.

Zahlreiche Elemente sind in den verschiedenen Auslassungen über die Ironie zu unterscheiden, ja es dürfte zum Teil ganz unmöglich sein, diese verschiedenartigen Elemente in einem Begriff ohne Widersprüche zu vereinigen. Der Ironiebegriff hat eben für Schlegel seine zentrale Bedeutung nicht nur durch seine Beziehung auf bestimmte Sachverhalte in einem theoretischen Sinn, sondern mehr noch als eine lediglich intentionale Einstellung erhalten. Als solche hatte diese Einstellung nicht einen Sachverhalt im Auge, sondern lag als Äußerung einer stets lebendigen Opposition gegen herrschende Ideen und häufig als Maske der Hilflosigkeit ihnen gegenüber in Bereitschaft. Nicht in seiner Bedeutung für die Individualität, wohl aber für das Weltbild Schlegels kann daher der Ironiebegriff leicht überschätzt werden. Die klare Einsicht in diesen Begriff wird endlich dadurch erschwert, daß auch da, wo er unstreitig auf gewisse Sachverhalte anspielt, unter den mannigfachen Beziehungen, die er eingeht, es nicht immer leicht ist, die im einzelnen Fall gemeinten, und sehr schwer, die allgemein maßgebenden festzustellen. Soweit diese Sachverhalte nicht die Kunst, sondern Erkenntnistheorie und Ethik betreffen, müssen sie hier unberücksichtigt bleiben.

Für die Kunsttheorie hat der Ironiebegriff eine doppelte Bedeutung, in deren einer er in der Tat Ausdruck eines reinen Subjektivismus ist. Allein in dieser ist er bisher in der Literatur über die Romantik aufgefaßt und eben infolge dieser einseitigen Auffassung als Zeugnis des besagten Subjektivismus durchaus überschätzt worden. Die romantische Poesie anerkennt »als ihr erstes Gesetz ..., daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide«, heißt es scheinbar ganz unzweideutig. Allein bei genauer Betrachtung erhebt sich die Frage, ob mit diesem Satz eine positive Aussage über die Rechtssphäre des schaffenden Künstlers oder nur eine überschwengliche Formulierung der Forderung, welche die romantische Poesie an ihren Dichter stellt, gegeben sein soll. In beiden Fällen wird man sich entschließen müssen, interpretierend den Satz sinnvoll und verständlich zu machen. Vom zweiten Fall ausgehend, hätte man zu verstehen, daß der romantische Dichter »durch und durch Poesie« sein solle, wie Schlegel es an andrer Stelle als paradoxes Ideal ungläubig aufstellt. Ist der Künstler die Poesie selbst, so duldet allerdings seine Willkür kein Gesetz über sich, weil sie nichts anderes ist als eine dürftige Metapher der Autonomie der Kunst. Der Satz bleibt leer. Im ersten Falle dagegen wird man den Satz als ein Urteil über den Machtbereich des Künstlers begreifen, muß sich aber dann entschließen, unter dem Dichter etwas anderes zu verstehen als ein Wesen, das etwas macht, das es selbst ein Gedicht nennt. Man muß unter dem Dichter den wahren, den urbildlichen Dichter verstehen und hat damit unmittelbar die Willkür als Willkür des wahren Dichters verstanden, die begrenzt ist. Der Autor echter Kunstwerke ist in denjenigen Beziehungen eingeschränkt, in denen das Kunstwerk einer objektiven Gesetzlichkeit der Kunst unterworfen ist; wenn man nicht (wie im andern Fall der Interpretation) den Autor als die bloße Personifikation der Kunst verstehen will, was vielleicht in diesem Falle und jedenfalls an mehreren andern Stellen Schlegels Meinung war. Die objektive Gesetzlichkeit, welcher das Kunstwerk durch die Kunst unterworfen ist, besteht, wie dargelegt worden, in dessen Form. Die Willkür des wahren Dichters hat also ihren Spielraum allein im Stoff, und sie wird, soweit sie bewußt und spielerisch waltet, zur Ironie. Dies ist die subjektivistische Ironie. Ihr Geist ist der des Autors, der sich über die Stofflichkeit des Werkes erhebt, indem er sie mißachtet. Es spielt dabei übrigens bei Schlegel der Gedanke hinein, daß etwa der Stoff selbst in solchem Verfahren »poetisiert«, veredelt werden mag, wenn es auch wohl dazu nach seiner Ansicht noch anderer, positiver Momente, der Ideen der Lebenskunst, bedarf, welche im Stoffe dargestellt werden. Richtig nennt Enders Ironie die Fähigkeit, »sich unmittelbar von dem in der Erfindung Dargestellten zum darstellenden Zentrum zu bewegen und von da das erstere zu betrachten«, Enders 358.] ohne jedoch zu berücksichtigen, daß dieses Verhalten allein dem Stoffe gegenüber nach der romantischen Anschauung stattfinden kann.

Dennoch gibt es, wie ein Blick auf die poetische Produktion der Frühromantik zeigt, eine Ironie, welche nicht nur die Stoffe angreift, sondern auch über die Einheit der dichterischen Form sich hinwegsetzt. Diese Ironie ist es, welche die Meinung von einem romantischen Subjektivismus sans phrase An dieser Meinung hat eine ganz falsche Modernisierung der romantischen Doktrinen ihren Anteil, die weit verbreitet ist, wenn sie sich auch selten so entstellend äußert wie in der folgenden Behauptung: »die ästhetische Freiheit macht das Wesen des Menschen aus und so muß er in seinen Werken durchaus in den Vordergrund treten – Schlegel nennt dies romantisch –, das Werk selbst gewinnt nur Wert als Spiegel der Persönlichkeit, diese schafft und zerstört in ewigem Spiele.« (Lerch 13.) begünstigt hat, weil die vollständige Verschiedenheit dieser Ironisierung der Kunstform von der des Stoffes nicht mit genügender Klarheit erkannt worden ist. Diese beruht auf einem Verhalten des Subjekts, jene stellt ein objektives Moment am Werke dar. Wie an den meisten Unklarheiten, welche über ihre Lehren bestehen, tragen auch an dieser die Romantiker ihren Anteil. Sie selber haben die sachlich deutliche Scheidung als eine solche niemals zum Ausdruck gebracht. – Die Ironisierung der Form besteht in ihrer freiwilligen Zerstörung, wie sie unter den romantischen Produktionen, und wohl in der ganzen Literatur überhaupt, Tiecks Komödien in der extremsten Form zeigen. Die dramatische Form läßt sich im höchsten Maße und am eindrucksvollsten unter allen ironisieren, weil sie das höchste Maß von Illusionskraft enthält und dadurch die Ironie in hohem Grade in sich aufnehmen kann, ohne sich völlig aufzulösen. Von der Zerstörung der Illusion in der aristophanischen Komödie sagt Schlegel: »Diese Verletzung ist nicht Ungeschicklichkeit, sondern besonnener Mutwille, überschäumende Lebensfülle und tut oft gar keine üble Wirkung, erhöht sie vielmehr, denn vernichten kann sie die Täuschung doch nicht. Die höchste Regsamkeit des Lebens ... verletzt ..., um zu reizen, ohne zu zerstören«. Jugendschriften I, 18. Denselben Gedanken gibt Pulver wieder, wenn er schreibt: »Fassen wir zusammen, was Friedrich Schlegel zur höchsten Wertschätzung einer vollkommen gedachten Komödie bewog, so ist es« ihr »schöpferisches Spiel mit sich selbst, ihr rein ästhetischer Staat, den keine Durchbrechung und Verletzung der Illusion zu zerstören vermag«. Pulver 8. Die Ironisierung der Form greift also nach diesen Äußerungen dieselbe an, ohne sie doch zu zerstören, und auf diese Irritation soll die Illusionsstörung in der Komödie es absehen. Dieses Verhältnis zeigt eine auffallende Verwandtschaft mit der Kritik, welche unwiderruflich und ernsthaft die Form auflöst, um das einzelne Werk ins absolute Kunstwerk zu verwandeln, zu romantisieren.

Ja, auch das Werk, das teuer erkaufte, es
bleibe Dir köstlich;
Aber so Du es liebst, gib ihm Du selber
den Tod,

Haltend im Auge das Werk, das der Sterblichen
keiner wohl endet:
Denn von des Einzelnen Tod blüht ja des
Ganzen Gebild. Jugendschriften II, 431.

»Wir müssen uns über unsre eigne Liebe erheben und, was wir anbeten, in Gedanken vernichten können, sonst fehlt uns ... der Sinn für das Unendliche«. Jugendschriften II, 169. In diesen Äußerungen hat Schlegel sich über das Zerstörende in der Kritik, über ihre Zersetzung der Kunstform deutlich ausgesprochen. Weit entfernt, eine subjektive Velleität des Autors darzustellen, ist also diese Zerstörung der Form die Aufgabe der objektiven Instanz in der Kunst, der Kritik. Und andererseits macht Schlegel genau das gleiche zum Wesen der ironischen Äußerung des Dichters, wenn er die Ironie als eine Stimmung bezeichnet, »welche alles übersieht und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst, Tugend oder Genialität«. Es ist also bei dieser Art der Ironie, welche aus der Beziehung auf das Unbedingte entspringt, nicht die Rede von Subjektivismus und Spiel, sondern von der Angleichung des begrenzten Werkes an das Absolute, von seiner völligen Objektivierung um den Preis seines Untergangs. Diese Form der Ironie stammt aus dem Geiste der Kunst, nicht aus dem Willen des Künstlers. Es versteht sich von selbst, daß sie, wie die Kritik, sich nur in der Reflexion darstellen kann. Der reflexive Charakter der Ironie ist in Tiecks Dramen besonders deutlich. Bekanntlich spielen in allen Literaturkomödien die Zuschauer, der Autor, das Theaterpersonal mit. Pulver weist eine vierfache Reflexion an einer Stelle nach: das »Gemüt des Genießenden« bezeichnet die erste Spiegelung, der »Zuschauer auf der Szene« die zweite; dann »beginnt der Schauspieler über sich selbst in seiner Eigenschaft als Mime« zu reflektieren, und endlich »versinkt« er »in ironische Selbstbetrachtung«. (Pulver 21.)] Reflexiv ist auch die Ironisierung des Stoffes, doch beruht diese auf einer subjektiven, spielerischen Reflexion des Autors. Die Ironie des Stoffes vernichtet diesen; sie ist negativ und subjektiv, positiv und objektiv dagegen die der Form. Die eigentümliche Positivität dieser Ironie ist zugleich ihr unterscheidendes Merkmal von der ebenfalls objektiv gerichteten Kritik. Wie verhält sich die Zerstörung der Illusion in der Kunstform durch die Ironie zur Zerstörung des Werkes durch die Kritik? Die Kritik opfert um des Einen Zusammenhanges willen das Werk gänzlich. Dasjenige Verfahren dagegen, welches unter Erhaltung des Werkes selbst dennoch seine völlige Bezogenheit auf die Idee der Kunst zu veranschaulichen vermag, ist die (formale) Ironie. Sie zerstört nicht allein das Werk nicht, das sie angreift, sondern sie nähert es selbst der Unzerstörbarkeit. Durch die Zerstörung der bestimmten Darstellungsform des Werkes in der Ironie wird die relative Einheit des Einzelwerkes tiefer in die der Kunst als des Universalwerkes zurückgestoßen, sie wird, ohne verloren zu gehen, völlig auf diese bezogen. Denn nur graduell ist die Einheit des Einzelwerkes von der der Kunst, in welche sie sich jederzeit in Ironie und Kritik verschiebt, unterschieden. Die Romantiker selbst hätten die Ironie nicht als künstlerisch empfinden können, wenn sie in ihr die absolute Zersetzung des Werkes gesehen hätten. Daher betont Schlegel in der genannten Bemerkung (s.o. p.84) die Unzerstörbarkeit des Werkes. – Um dieses Verhältnis abschließend deutlich zu machen, ist ein doppelter Formbegriff einzuführen. Die bestimmte Form des einzelnen Werkes, die man als Darstellungsform bezeichnen möge, wird das Opfer ironischer Zersetzung. Über ihr aber reißt die Ironie einen Himmel ewiger Form, die Idee der Formen, auf, die man die absolute Form nennen mag, und sie erweist das Überleben des Werkes, das aus dieser Sphäre sein unzerstörbares Bestehen schöpft, nachdem die empirische Form, der Ausdruck seiner isolierten Reflexion, von ihr verzehrt wurde. Die Ironisierung der Darstellungsform ist gleichsam der Sturm, der den Vorhang vor der transzendentalen Ordnung der Kunst aufhebt und diese und in ihr das unmittelbare Bestehen des Werkes als eines Mysteriums enthüllt. Das Werk ist nicht, wie es Herder betrachtete, wesentlich eine Offenbarung und ein Mysterium schöpferischer Genialität, die man wohl ein Mysterium der Substanz nennen dürfte, es ist ein Mysterium der Ordnung, Offenbarung seiner absoluten Abhängigkeit von der Idee der Kunst, seines ewigen unzerstörbaren Aufgehobenseins in derselben. In diesem Sinne kennt Schlegel »Grenzen des sichtbaren Werkes«, Jugendschriften II, 177. jenseits deren der Bereich des unsichtbaren Werkes, der Idee der Kunst sich öffnet. Der Glaube an die Unzerstörbarkeit des Werkes, wie er in Tiecks ironischen Dramen, in Jean Pauls zerfetzten Romanen sich ausspricht, war eine mystische Grundüberzeugung der Frühromantik. Nur aus ihr wird es verständlich, warum die Romantiker sich nicht mit der Forderung der Ironie als einer Gesinnung des Künstlers begnügten, sondern sie im Werke dargestellt zu sehen verlangten. Sie hat eine andere Funktion als Gesinnungen, die, so wünschenswert sie sein mögen, eben weil sie nur in Hinsicht auf den Künstler zu fordern sind, im Werk nicht selbständig hervortreten dürfen. Die formale Ironie ist nicht, wie Fleiß oder Aufrichtigkeit, ein intentionales Verhalten des Autors. Sie kann nicht, wie es üblich ist, als Index einer subjektiven Schrankenlosigkeit verstanden, sondern muß als objektives Moment im Werke selbst gewürdigt werden. Sie stellt den paradoxen Versuch dar, am Gebilde noch durch Abbruch zu bauen: im Werke selbst seine Beziehung auf die Idee zu demonstrieren.

III. Die Idee der Kunst

Die romantische Kunsttheorie gipfelt im Begriff der Idee der Kunst, in dessen Analysis die Bestätigung aller übrigen Lehren und der Aufschluß über deren letzte Intentionen zu suchen ist. Weit entfernt, lediglich ein schematischer Beziehungspunkt der einzelnen Theoreme über die Kritik, das Werk, die Ironie usw. zu sein, ist dieser Begriff sachlich auf das bedeutendste ausgestaltet. Erst in ihm ist Das zu finden, was als innerste Eingebung die Romantiker in ihrem Denken über das Wesen der Kunst geleitet hat. Methodisch beruht die gesamte romantische Kunsttheorie auf der Bestimmung des absoluten Reflexionsmediums als Kunst, genauer gesagt als der Idee der Kunst. Da das Organ der künstlerischen Reflexion die Form ist, so ist die Idee der Kunst definiert als das Reflexionsmedium der Formen. In diesem hängen alle Darstellungsformen stetig zusammen, gehen in einander über und vereinigen sich zur absoluten Kunstform, welche mit der Idee der Kunst identisch ist. Die romantische Idee der Einheit der Kunst liegt also in der Idee eines Kontinuums der Formen. Beispielsweise würde also die Tragödie für den Schauenden kontinuierlich mit dem Sonett zusammenhängen. Ein Unterschied zwischen dem Kantischen Begriff der Urteilskraft und dem romantischen der Reflexion läßt sich in diesem Zusammenhang unschwer andeuten: die Reflexion ist nicht, wie die Urteilskraft, ein subjektiv reflektierendes Verhalten, sondern sie liegt in der Darstellungsform des Werkes eingeschlossen, entfaltet sich in der Kritik, um sich endlich im gesetzmäßigen Kontinuum der Formen zu erfüllen. – Im »Herkules Musagetes« heißt es mit Hindeutung auf jenen Unterschied, der in den Termini Darstellungsform und absolute Form oben bezeichnet wurde, vom Dichter: »Ihm wird jegliche Form ... sein eigen, | Sinnreich kann er ... | Höher die Formen verbinden zur Form in leichtem Gewebe«. Jugendschriften II, 431. Ausführlicher wird es im 116. Athenäumsfragment als Bestimmung der romantischen Poesie bezeichnet, »alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen ... Sie umfaßt alles, was nur poetisch ist, vom größten wieder mehrere Systeme in sich enthaltenden Systeme der Kunst, bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang ... Die romantische Dichtart ist die einzige, die mehr als Art und gleichsam die Dichtkunst selbst ist«. Klarer konnte das Kontinuum der Kunstformen kaum bezeichnet werden. Zugleich beabsichtigt Schlegel, dieser Kunsteinheit, indem er sie als die romantische Poesie oder Dichtart bezeichnet, die bestimmteste sachliche Charakteristik zukommen zu lassen. Diese romantische Dichtart hat er im Sinne, wenn er sagt: »Man hat schon soviele Theorien der Dichtarten. Warum hat man noch keinen Begriff von Dichtart? Vielleicht würde man sich dann mit einer einzigen Theorie der Dichtarten behelfen müssen«. Die romantische Poesie ist also die Idee der Poesie selbst; sie ist das Kontinuum der Kunstformen. Schlegel hat sich aufs intensivste bemüht, die Bestimmtheit und Fülle, in der er diese Idee dachte, zum Ausdruck zu bringen. »Haben die Ideale für den Denker nicht soviel Individualität, wie die Götter des Altertums für den Künstler, so ist alle Beschäftigung mit Ideen nichts als ein langweiliges und mühsames Würfelspiel mit hohlen Formeln«. Insbesondere: »Sinn für Poesie ... hat der, für den sie ein Individuum ist«. Und: »Gibt es nicht Individuen, die ganze Systeme von Individuen in sich enthalten?« Die Poesie wenigstens, als das Reflexionsmedium der Formen, muß ein solches Individuum sein. Man möchte bestimmt annehmen, daß Novalis an das Kunstwerk denkt, wenn er sagt: »Ein unendlich charakterisiertes Individuum ist Glied eines Infinitoriums«. Schriften 505. Jedenfalls spricht er für Philosophie und Kunst das Prinzip eines Kontinuums der Ideen aus; die Ideen der Poesie sind nach romantischer Auffassung die Darstellungsformen. »Der Philosoph, der in seiner Philosophie alle einzelnen Philosopheme in ein einziges verwandeln, der aus allen Individuen derselben Ein Individuum machen kann, erreicht das Maximum in seiner Philosophie. Er erreicht das Maximum eines Philosophen, wenn er alle Philosophien in eine einzige Philosophie vereinigt ... Der Philosoph und Künstler verfahren organisch, wenn ich so sagen darf ... Ihr Prinzip, ihre Vereinigungsidee ist ein organischer Keim, der sich frei zu einer unbestimmte Individuen enthaltenden, unendlich individuellen, allbildsamen Gestalt entwickelt, ausbildet – eine ideenreiche Idee.« Schriften 84 f. »Alles befaßt die Kunst und Wissenschaft, von einem aufs andere, und so von einem auf alles, rhapsodisch oder systematisch zu gelangen; die geistige Weisekunst, die Divinationskunst.« Diese Weisekunst ist selbstverständlich die Kritik, die von Friedrich Schlegel auch die »divinatorische« genannt wird.

Um die Individualität der Kunsteinheit zum Ausdruck zu bringen, hat Schlegel seine Begriffe überspannt und nach einer Paradoxie gegriffen. Anders war der Gedanke, das höchste Allgemeine als Individualität auszusprechen, unvollziehbar. Dieser Gedanke hat jedoch seinerseits zum letzten Motiv keineswegs eine Absurdität oder auch nur einen Irrtum; vielmehr hat Schlegel in ihm ein wertvolles und gültiges Motiv lediglich falsch interpretiert. Dies Motiv war das Bestreben, den Begriff der Idee der Kunst vor dem Mißverständnis zu bewahren, er sei eine Abstraktion aus den empirisch vorgefundenen Kunstwerken. Er wollte diesen Begriff als eine Idee im platonischen Sinn, als ein πρτερον τή φύσει, als den Realgrund aller empirischen Werke bestimmen, und er beging die alte Vermengung von abstrakt und allgemein, wenn er ihn darum zu einem individuellen machen zu müssen glaubte. Nur in dieser Absicht bezeichnet Schlegel wieder und wieder mit Nachdruck die Einheit der Kunst, das Kontinuum der Formen selber als ein Werk. Dieses unsichtbare Werk ist es, welches das sichtbare, von dem er an anderer Stelle spricht (s.o. p.86), in sich aufnimmt. Am Studium der griechischen Poesie war Schlegel diese Konzeption aufgegangen, von dort hatte er sie auf die Poesie überhaupt übertragen: »Der systematische Winckelmann, der alle Alten gleichsam wie einen Autor las, alles im ganzen sah und seine gesamte Kraft auf die Griechen konzentrierte, legte durch die Wahrnehmung der absoluten Verschiedenheit des Antiken und des Modernen den ersten Grund zu einer materialen Altertumslehre. Erst wenn der Standpunkt und die Bedingungen der absoluten Identität des Antiken und Modernen, die war, ist oder sein wird, gefunden ist, darf man sagen, daß wenigstens der Kontur der Wissenschaft sc. der Kunstphilosophie. fertig sei und nun an die methodische Ausführung gedacht werden könne«. . »Alle Gedichte des Altertums schließen sich eins an das andere, bis sich aus immer größern Massen und Gliedern das Ganze bildet ... Und so ist es wahrlich kein leeres Bild zu sagen: die alte Poesie sei ein einziges unteilbares, vollendetes Gedicht. Warum sollte nicht wieder von neuem werden, was schon gewesen ist? Auf eine andere Weise versteht sich. Und warum nicht auf eine schönere, größere?« Jugendschriften II, 358. »Alle klassischen Gedichte der Alten hängen zusammen, unzertrennlich, bilden ein organisches Ganzes, sind richtig angesehen nur Ein Gedicht, das einzige, in welchem die Dichtkunst selbst vollkommen erscheint. Auf eine ähnliche Weise sollen in der vollkommenen Literatur alle Bücher nur Ein Buch sein. »So muß auch das Einzelne der Kunst, wenn es gründlich genommen wird, zum unermeßlichen Ganzen führen! Oder glaubt ihr in der Tat, daß wohl alles andere ein Gedicht und ein Werk sein könne, nur die Poesie selbst nicht?« Jugendschriften II, 424; s. auch Jugendschriften II, 427. Für die werdende Einheit der Poesie als des unsichtbaren Werkes ist die Ausgleichung und Versöhnung der Formen der sichtbare und maßgebende Vorgang. – Letzten Endes steht die mystische These, daß die Kunst selbst ein Werk sei, – Schlegel hat sie um 1800 besonders in den Vordergrund seiner Gedanken gerückt – in genauem Zusammenhang mit dem Satz, welcher die Unzerstörbarkeit der Werke behauptet, die in der Ironie geläutert sind. Beide Sätze erklären, daß Idee und Werk in der Kunst nicht absolute Gegensätze sind. Die Idee ist Werk und auch das Werk ist Idee, wenn es die Begrenztheit seiner Darstellungsform überwindet. Bemerkenswert bleibt es, daß der Sprachgebrauch in einem Falle durch das Wort »Werk« eine »unsichtbare« Einheit bezeichnet, die analog der von Schlegel gemeinten Einheit der Kunst ist, nämlich den Inbegriff der Schöpfungen eines Meisters, vor allem eines bildenden Künstlers.

Die Darstellung der Idee der Kunst im Gesamtwerk hat Schlegel zur Aufgabe der progressiven Universalpoesie gemacht; diese Bezeichnung der Poesie weist auf nichts anderes als jene Aufgabe hin. »Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie... Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann.« Von ihr gilt: »... eine Idee läßt sich nicht in einen Satz fassen. Eine Idee ist eine unendliche Reihe von Sätzen, eine irrationale Größe, unsetzbar, Jedoch gewiß nicht unreflektierbar. Eine Anspielung gegen Fichte. inkommensurabel ... Das Gesetz ihrer Fortschreitung läßt sich aber aufstellen«. Schriften 159. – An den Begriff der progressiven Universalpoesie kann das modernisierende Mißverständnis sich besonders leicht heften, wenn sein Zusammenhang mit dem des Reflexionsmediums unbeachtet bleibt. Es würde darin bestehen, die unendliche Progression als eine bloße Funktion der unbestimmten Unendlichkeit der Aufgabe einerseits, der leeren Unendlichkeit der Zeit andrerseits, aufzufassen. Aber es ist schon darauf hingewiesen worden, wie sehr Schlegel um Bestimmtheit, um Individualität der Idee, welche der progressiven Universalpoesie die Aufgabe stellt, rang. Die Unendlichkeit der Progression darf also den Blick von der Bestimmtheit ihrer Aufgabe nicht ablenken, und wenn schon in dieser Bestimmtheit nicht eigentlich Schranken liegen, so könnte doch die Formulierung, daß es für »diese werdende Poesie ... keine Schranken des Fortschritts, der Weiterentwicklung ... gibt«, Huch 112. irreführen. Denn sie legt den Ton nicht auf das Wesentliche. Wesentlich ist vielmehr, daß die Aufgabe der progressiven Universalpoesie in einem Medium der Formen als dessen fortschreitend genauere Durchwaltung und Ordnung auf das bestimmteste gegeben ist. »... die Schönheit ... ist ... nicht bloß der leere Gedanke von etwas, was hervorgebracht werden soll, ... sondern auch ein Faktum, nämlich ein ewiges transzendentales.« Dies ist sie als Kontinuum der Formen, als ein Medium, dessen Versinnlichung durch das Chaos als den Schauplatz ordnender Durchwaltung schon bei Novalis (s. o. p. 38) begegnet ist. Auch in der folgenden Bemerkung Schlegels ist das Chaos nichts anderes, als das Sinnbild des absoluten Mediums: »Aber die höchste Schönheit, ja die höchste Ordnung ist denn doch nur die des Chaos, nämlich eines solchen, welches nur auf die Berührung der Liebe wartet, um sich zu einer harmonischen Welt zu entfalten ...«. Jugendschriften II, 35S. Also nicht um ein Fortschreiten ins Leere, um ein vages Immer-besser-dichten, sondern um stetig umfassendere Entfaltung und Steigerung der poetischen Formen handelt es sich. Die zeitliche Unendlichkeit, in der dieser Prozeß stattfindet, ist ebenfalls eine mediale und qualitative. Dies folgt aus dem romantischen Messianismus und kann hier nicht begründet werden. Daher ist die Progredibilität durchaus nicht das, was unter dem modernen Ausdruck »Fortschritt« verstanden wird, nicht ein gewisses nur relatives Verhältnis der Kulturstufen zu einander. Sie ist, wie das ganze Leben der Menschheit, ein unendlicher Erfüllungs-, kein bloßer Werdeprozeß. Wenn trotzdem nicht zu leugnen ist, daß in diesen Gedanken der romantische Messianismus nicht in seiner vollen Kraft wirkt, so sind sie doch kein Widerspruch gegen Schlegels prinzipielle Stellung zur Ideologie des Fortschritts, die er in der »Lucinde« ausgesprochen hat: »Was soll also das unbedingte Streben und Fortschreiten ohne Stillstand und Mittelpunkt? Kann dieser Sturm und Drang der unendlichen Pflanze der Menschheit, die im Stillen von selbst wächst und sich bildet, nährenden Saft oder Gestaltung geben? Nichts ist es, dieses leere unruhige Treiben, als eine nordische Unart« Lucinde 28..

Der vielumstrittene Begriff der Transzendentalpoesie ist in diesem Zusammenhange unschwer, dennoch genau, zu erklären. Er ist, wie der der progressiven Universalpoesie, eine Bestimmung der Idee der Kunst. Stellt dieser in begrifflicher Konzentration deren Beziehung zur Zeit dar, so verweist der Begriff der Transzendentalpoesie zurück auf das systematische Zentrum, aus dem die romantische Kunstphilosophie hervorgegangen ist. Er stellt also die romantische Poesie als die absolute poetische Reflexion dar; die Transzendentalpoesie ist in der Gedankenwelt Friedrich Schlegels zur Athenäumszeit genau das, was der Begriff des Ur-Ich in den Windischmannschen Vorlesungen ist. Um das zu beweisen, hat man nur den Zusammenhängen, in denen der Begriff des Transzendentalen bei Schlegel und Novalis steht, genau nachzugehen. Man findet, daß sie überall auf den Begriff der Reflexion führen. So sagt Schlegel über den Humor: »sein eigentliches Wesen ist Reflexion. Daher seine Verwandtschaft mit ... allem, was transzendental ist« . »Die höchste Aufgabe der Bildung ist, sich seines transzendentalen Selbst zu bemächtigen, das Ich seines Ichs zugleich zu sein« Schriften 8., d. h. sich reflektierend zu verhalten. Die Reflexion transzendiert die jeweilige geistige Stufe, um auf die höhere überzugehen. Daher sagt Novalis mit Beziehung auf den Reflexionsakt in der Selbstdurchdringung: »Jene Stelle außer der Welt ist gegeben, und Archimedes kann nun sein Versprechen erfüllen« Schriften 27.. Der Ursprung der höheren Dichtung aus der Reflexion findet sich im folgenden Fragment angedeutet: »Es gibt gewisse Dichtungen in uns, die einen ganz anderen Charakter als die übrigen zu haben scheinen, denn sie sind vom Gefühle der Notwendigkeit begleitet, und doch ist schlechterdings kein äußerer Grund zu ihnen vorhanden. Es dünkt dem Menschen, als sei er in einem Gespräch begriffen und irgend ein unbekanntes geistiges Wesen veranlasse ihn auf eine wunderbare Weise zur Entwicklung der evidentesten Gedanken. Dieses Wesen muß ein höheres Wesen sein, weil es sich mit ihm auf eine Art in Beziehung setzt, die keinem an Erscheinungen gebundenen Wesen möglich ist. Es muß ein homogenes Wesen sein, weil es ihn wie ein geistiges Wesen behandelt und ihn nur zur seltensten Selbsttätigkeit auffordert. Dieses Ich höherer Art verhält sich zum Menschen wie der Mensch zur Natur oder der Weise zum Kinde« Schriften 61.. Die Dichtungen, welche aus der Tätigkeit des höheren Ich entspringen, sind die Glieder der Transzendentalpoesie, deren Charakteristik sich mit der im absoluten Werk ausgeprägten Idee der Kunst deckt. »Die bisherigen Poesien wirken meistenteils dynamisch, die künftige transzendentale Poesie könnte man die organische heißen. Wenn sie erfunden ist, so wird man sehen, daß alle echten Dichter bisher, ohne ihr Wissen, organisch poetisierten – daß aber dieser Mangel an Bewußtsein ... einen wesentlichen Einfluß auf das Ganze ihrer Werke hatte – so daß sie größtenteils nur im einzelnen echt poetisch, im ganzen aber gewöhnlich unpoetisch waren.« Schriften 82. Die Poesie des ganzen Werkes ist eben nach Novalis' Ansicht von der Erkenntnis des Wesens der absoluten Kunsteinheit abhängig. – Die Einsicht in diese klare und einfache Bedeutung des Terminus »Transzendentalpoesie« ist durch einen besonderen Umstand außerordentlich erschwert worden. In demjenigen Fragment nämlich, das nach seinem Grundgedanken durchaus als der Hauptbeleg für den erörterten Ideengang anzusehen ist, hat Schlegel den fraglichen Ausdruck anders definiert Vielleicht ist in diesem Fragment eine allererste und aus diesem Grunde mit dem späteren Sprachgebrauch nicht einstimmige Auseinandersetzung mit dem Terminus »Transzendentalpoesie« zu erblicken; andernfalls hätte man eine bewußte, spielerische Äquivokation anzunehmen. und ihn von einem Terminus, mit dem er nach seinem eigenen und Novalis' Sprachgebrauch gleichbedeutend sein muß, unterschieden. »Transzendentalpoesie« bedeutet in der Tat bei Novalis – und sollte es sinngemäß auch bei Schlegel – die absolute Reflexion der Poesie, welche Schlegel in dem fraglichen Fragment als »Poesie der Poesie« von ihr unterscheidet: »Es gibt eine Poesie, deren Eins und Alles das Verhältnis des Idealen und des Realen ist, und die also nach der Analogie der philosophischen Kunstsprache Transzendentalpoesie heißen müßte ... So wie man aber wenig Wert auf eine Transzendentalphilosophie legen würde, die nicht kritisch wäre, nicht auch das Produzierende mit dem Produkt darstellte, und im System der transzendentalen Gedanken zugleich eine Charakteristik des transzendentalen Denkens enthielte, so sollte wohl auch jene Poesie die in modernen Dichtern nicht seltnen transzendentalen Materialien und Vorübungen zu einer poetischen Theorie des Dichtungsvermögens mit der künstlerischen Reflexion und schönen Selbstbespiegelung ... vereinigen und in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen und überall zugleich Poesie und Poesie der Poesie sein«. Enders versteht den Schluß des Fragments nicht richtig, wenn er meint, daß »Poesie der Poesie ... im Grunde nichts anderes, als eine Steigerung und gleichbedeutend mit romantischer Poesie gegenüber nicht-romantischer« sei. Er übersieht, daß der Ausdruck »Poesie der Poesie« nach dem Schema der Reflexion (Denken des Denkens) gebildet und demgemäß zu verstehen ist. Auch identifiziert er (377) ihn fälschlich mit dem Ausdruck »poetische Poesie« auf Grund von A 247, wo er diesem nur prädiziert wird. Die ganze Schwierigkeit, die der Begriff der Transzendentalpoesie der Darstellung romantischer Philosophie bereitet, die Unklarheit, mit der er behaftet erschien, rührt daher, daß im obigen Fragment dieser Ausdruck nicht mit Hinsicht auf das reflexive Moment in der Poesie, sondern mit Hinblick auf die ältere Fragestellung Schlegels nach dem Verhältnis der griechischen zur modernen Poesie gebraucht wird. Da die griechische als real, die moderne als ideal Vgl. die Invektiven gegen Schillers andersartigen, nicht geschichtsphilosophisch orientierten Gebrauch des Wortes »Ideal«. von Schlegel bezeichnet wurde, so prägt er, mit mystizistischer Anspielung auf den ganz andersartigen philosophischen Streit zwischen metaphysischem Idealismus und Realismus und dessen Lösung durch die transzendentale Methode bei Kant, den Terminus »Transzendentalpoesie«. Im letzten Grunde kommt hier allerdings dennoch Schlegels Sprachgebrauch mit dem, was Novalis Transzendentalpoesie und er selbst Poesie der Poesie nennt, überein. Denn die Reflexion, welche in den beiden letzten Bezeichnungen gemeint ist, ist eben die Methode der Lösung für die »transzendentale« ästhetische Aporie Schlegels. Durch die Reflexion im Kunstwerk selbst wird, wie ausgeführt wurde, seine strenge formale Geschlossenheit (griechischer Typus), welcher relativ bleibt, einerseits gebildet, andererseits aber aus ihrer Relativität erlöst und ins Absolutum der Kunst durch Kritik und Ironie erhoben (moderner Typus). Daher bleibt in der Athenäumszeit das Kunstwerk des griechischen (realen, naiven) Typus für Schlegel nur in ironischer Intention, unter vorläufiger Suspendierung seiner Auflösung denkbar. Das Naive gilt Schlegel nur als eine gleichsam überlebensgroße Reflexion. Er rühmt den »Instinkt bis zur Ironie« (A 305) und behauptet: »Die große praktische Abstraktion (gleichbedeutend mit Reflexion) macht die Alten, bei denen sie Instinkt war, eigentlich zu Alten« (A 121). In diesem Sinn faßt er das Naive bei Homer, Shakespeare, Goethe auf. (Siehe Geschichte der Poesie der Griechen und Römer, sowie A 51, A 305.) – Die »Poesie der Poesie« ist der zusammenfassende Ausdruck der reflexiven Natur des Absoluten. Sie ist die ihrer selbst bewußte Poesie, und da Bewußtsein nach der frühromantischen Lehre nur eine gesteigerte geistige Form dessen ist, wovon es Bewußtsein ist, so ist Bewußtsein der Poesie selbst Poesie. Es ist Poesie der Poesie. Die höhere Poesie »ist selbst Natur und Leben ...; aber sie ist die Natur der Natur, das Leben des Lebens, der Mensch im Menschen; und ich denke, dieser Unterschied ist für den, der ihn überhaupt wahrnimmt, wahrlich bestimmt und entschieden genug« Jugendschriften II, 428.. Diese Formeln sind nicht rhetorische Steigerungen, sondern Bezeichnungen der reflexiven Natur der Transzendentalpoesie. »Ich vermute, daß sich auch über Shakespeare über kurz oder lang in Dir die Kunst in der Kunst spiegeln wird« Briefe 427., schreibt Friedrich Schlegel an seinen Bruder.

Das Organ der Transzendentalpoesie als diejenige Form, welche im Absolutum nach dem Zerfall der profanen Formen überdauert, bezeichnet Schlegel als die symbolische Form. In dem literarischen Rückblick, mit welchem er 1803 die »Europa« eröffnet, sagt er von den Heften des »Athenäums«: »Im Anfange derselben ist Kritik und Universalität der vorwaltende Zweck, in den späteren Teilen ist der Geist des Mystizismus das Wesentlichste. Man scheue dieses Wort nicht; Offenbar versäumt Schlegel, Mystizismus als etwas Unechtes von Mystik zu unterscheiden. es bezeichnet die Verkündigung der Mysterien der Kunst und Wissenschaft, die ihren Namen ohne solche Mysterien nicht verdienen würden; vor allem aber die kräftige Verteidigung der symbolischen Formen und ihrer Notwendigkeit gegen den profanen Sinn« Kürschner 305.. Der Ausdruck »symbolische Form« deutet auf zweierlei: er bezeichnet erstens die Beziehung auf die verschiedenen Deckbegriffe des poetischen Absolutums, vor allem auf die Mythologie. Die Arabeske beispielsweise ist eine symbolische Form, die auf einen mythologischen Inhalt deutet. In diesem Sinne gehört die symbolische Form nicht in diesen Zusammenhang. Zweitens ist sie die Ausprägung des reinen poetischen Absolutums in der Form. So wird Lessing von Schlegel verehrt, »wegen der symbolischen Form seiner Werke ... wegen dieser ... gehören ... seine Werke in das Gebiet der höheren Kunst, da eben sie ... das einzige entscheidende Merkmal derselben ist« Jugendschriften II, 426.. Nichts anderes als die symbolische Form ist unter dem allgemeinen Ausdruck »Symbol« verstanden, wenn Schlegel von der höchsten Aufgabe der Poesie sagt, sie sei »schon oft erreicht worden, durch dasselbe, wodurch überall der Schein des Endlichen mit der Wahrheit des Ewigen in Beziehung gesetzt und eben dadurch in sie aufgelöst wird: ... durch Symbole, durch die an die Stelle der Täuschung die Bedeutung tritt, das einzige Wirkliche im Dasein« Jugendschriften II, 427.. Diese Bedeutung, d. h. die Beziehung auf die Idee der Kunst verleiht die symbolische Form den transzendentalpoetischen Werken durch die Reflexion. Die »symbolische Form« ist die Formel, unter der die Tragweite der Reflexion für das Kunstwerk zusammengefaßt wird. »Die Ironie und Reflexion sind die Grundeigenschaften der symbolischen Form der romantischen Dichtung« Margolin 27. – da aber die Reflexion auch der Ironie zugrunde liegt und also im Kunstwerk mit der symbolischen Form völlig identisch ist, müßte es genauer heißen: Die Grundeigenschaften der symbolischen Form bestehen einerseits in solcher Reinheit der Darstellungsform, daß diese zum bloßen Ausdruck der Selbstbegrenzung der Reflexion geläutert und von den profanen Darstellungsformen Als solche braucht also die Darstellungsform nicht durchaus profan zu sein: sie kann durch völlige Reinheit Anteil an der absoluten oder symbolischen Form haben oder zuletzt zu ihr werden. unterschieden wird, andererseits in der (formalen) Ironie, in der sich die Reflexion ins Absolute erhebt. Die Kunstkritik stellt diese symbolische Form in ihrer Reinheit dar; sie löst sie von allen wesensfremden Momenten, an die sie im Werk gebunden sein mag, ab und endigt mit der Auflösung des Werkes. Daß trotz aller begrifflichen Prägungen es im Rahmen der romantischen Theorien niemals zu völliger Klarheit in der Unterscheidung von profaner und symbolischer Form, von symbolischer Form und Kritik kommen kann, drängt sich der Betrachtung auf. Nur um den Preis solcher unscharfen Abgrenzungen können alle Begriffe der Kunsttheorie, wie die Romantiker es zuletzt erstrebten, in den Bereich des Absolutums einbezogen werden.

Unter allen Darstellungsformen gibt es eine, in welcher die Romantiker die reflexive Selbstbegrenzung sowohl, als auch Selbsterweiterung aufs entschiedenste ausgebildet und auf diesem Gipfel unterschiedslos in einander übergehend finden. Diese höchst symbolische Form ist der Roman. Was vorerst an dieser Form in die Augen fällt, ist ihre äußerliche Ungebundenheit und Regellosigkeit. Der Roman kann in der Tat beliebig über sich reflektieren, in immer neuen Betrachtungen jede gegebene Bewußtseinsstufe von einem höheren Standort zurückspiegeln. Daß er aus der Natur seiner Form dies erreicht, was anderen nur durch den Gewaltstreich der Ironie möglich ist, neutralisiert in ihm die Ironie. Aber eben weil der Roman niemals seine Form überschreitet, kann jede seiner Reflexionen andererseits wieder als durch sich selbst begrenzt angesehen werden, denn keine regelartige Darstellungsform ist es, welche sie eingrenzt. Dies neutralisiert in ihm die Darstellungsform, die allein in ihrer Reinheit, nicht in ihrer Strenge in ihm waltet. Während jene äußerliche Ungebundenheit, da sie auf der Hand liegt, keiner Betonung bedurfte, ist die Gesetztheit und reine Sammlung in der Romanform wieder und wieder von den Romantikern betont worden. Daß »der Geist der Betrachtung und der Rückkehr in sich selbst ... eine gemeinsame Eigentümlichkeit aller sehr geistigen Poesie« sei Jugendschriften II, 177., spricht Schlegel bei Gelegenheit der Meisterrezension aus. Die geistigste Poesie ist der Roman; sein retardierender Charakter ist der Ausdruck der ihm eigenen Reflexion: »Durch seine retardierende Natur kann das Stück dem Roman, der sein Wesen eben darin setzt, ... verwandt scheinen« Ebenda., heißt es an der gleichen Stelle vom »Hamlet«. Novalis: »Die retardierende Natur des Romans Gemeint ist der »Wilhelm Meister«. zeigt sich vorzüglich im Stil« Schriften herausgegeben von Minor III, 17.. Aus der Erwägung heraus, daß die reflexiv in sich geschlossenen Komplexe den Roman bilden, sagt er: »Die Schreibart des Romans muß kein Kontinuum, es muß ein in jedem Perioden gegliederter Bau sein. Jedes kleine Stück muß etwas Abgeschnittenes, Begrenztes, ein eigenes Ganze sein« Schriften herausgegeben von Minor II, 307 f.. Gerade diese Schreibart rühmt Schlegel am »Wilhelm Meister«: »Durch ... die Verschiedenheit der einzelnen Massen ... wird jeder notwendige Teil des einen und unteilbaren Romans ein System für sich« Jugendschriften II, 173.. Die Darstellung der Reflexion gilt Schlegel für die höchste Legitimation der Goetheschen Meisterschaft in diesem Roman: »Die Darstellung einer sich wie ins Unendliche immer wieder selbst anschauenden Natur war der schönste Beweis, den ein Künstler von der unergründlichen Tiefe seines Vermögens geben konnte« Jugendschriften II, 179.. Der Roman ist die höchste unter allen symbolischen Formen, die romantische Poesie die Idee der Poesie selbst. – Die Zweideutigkeit, welche in der Bezeichnung »romantisch« liegt, hat Schlegel sicherlich gern in Kauf genommen, wenn nicht aufgesucht. Bekanntlich bedeutet »romantisch« im damaligen Sprachgebrauch »ritterlich«, »mittelalterlich«, und hinter dieser Bedeutung hat Schlegel, wie er es liebte, seine eigentliche Meinung, die man aus der Etymologie des Wortes lesen muß, versteckt. Man hat also, wie Haym, den Ausdruck »romantisch« in seiner wesentlichen Bedeutung durchaus als »romangemäß« zu verstehen. Dieser sagt, Schlegel vertrete die Lehre, »daß der echte Roman ein Non plus ultra, eine Summe alles Poetischen sei, und er bezeichnet folgerecht dieses poetische Ideal mit dem Namen der ›romantischen‹ Dichtung«. Haym 251. Hayms Erklärung, daß Schlegel immer »bereit zu neuen Konstruktionen und neuen Formeln« aus dem »Wilhelm Meister« diese Lehre schöpft, berührt, selbst wenn sie vollständig ist, nicht dasjenige, was Schlegel in dieser Lehre sachlich entschieden betonen wollte. Diese Einschätzung ist, wie noch deutlicher werden soll, aus seiner philosophischen Gedankenwelt immanent zu verstehen. Wie auch Haym (802) diesen Zusammenhang zwischen Reflexion, Transzendentalpoesie und Romantheorie gelegentlich selbst andeutet, wenn er von Schlegels »Betrachtung der modernen Poesie unter dem Gesichtspunkte des Romans, in Verbindung mit den aus der Fichteschen Philosophie geschöpften Begriffen der unendlichen Selbstreflexion, des Transzendentalen ...« spricht. Als diese Summe alles Poetischen, wie die Schlegelsche Kunsttheorie es verstand, ist der Roman also eine Bezeichnung des poetischen Absolutums: »Eine Philosophie des Romans ... wäre der Schlußstein« einer Philosophie der Poesie überhaupt. Oft wird es betont, daß der Roman nicht eine Gattung neben anderen, die romantische Dichtart nicht eine unter vielen, sondern daß sie Ideen sind. Dieses »Buch ... nach einem aus Gewohnheit und Glauben, aus zufälligen Erfahrungen und willkürlichen Forderungen zusammengesetzten und entstandenen Gattungsbegriff beurteilen: das ist, als wenn ein Kind Mond und Gestirne mit der Hand greifen und in sein Schächtelchen packen will«, Jugendschriften II, 171. heißt es vom »Wilhelm Meister«.

Die Frühromantik hat den Roman nicht allein als die höchste Form der Reflexion in der Poesie ihrer Kunsttheorie eingeordnet, sondern in ihm deren außerordentliche transzendente Bestätigung gefunden, indem sie ihn in eine weitere unmittelbare Beziehung zu ihrer Grundkonzeption der Idee der Kunst setzte. Nach dieser ist die Kunst das Kontinuum der Formen, und der Roman ist nach der Auffassung der Frühromantiker die faßbare Erscheinung dieses Kontinuums. Er ist dies durch die Prosa. Die Idee der Poesie hat ihre Individualität, nach der Schlegel suchte, in der Gestalt der Prosa gefunden; die Frühromantiker kennen keine tiefere und treffendere Bestimmung für sie, als Prosa. In dieser scheinbar paradoxen, in Wahrheit aber sehr tiefsinnigen Anschauung finden sie einen völlig neuen Grund der Kunstphilosophie. Auf diesem Grunde beruht, wie die gesamte Kunstphilosophie der Frühromantik, so besonders ihr Begriff der Kritik, um dessentwillen die Untersuchung über scheinbare Abwege bis hierher geführt werden mußte. – Die Idee der Poesie ist die Prosa. Dies ist die abschließende Bestimmung der Idee der Kunst, auch der eigentliche Sinn der Romantheorie, die erst so in ihrer tiefen Absicht verstanden und von der ausschließlich empirischen Beziehung auf den »Wilhelm Meister« abgelöst wird. Was die Romantiker unter der Prosa als der Idee der Poesie verstanden haben, ist aus folgender Stelle des Briefes zu entnehmen, den Novalis am 12. Januar 1798 an A. W. Schlegel richtete: »Wenn die Poesie sich erweitern will, so kann sie es nur, indem sie sich beschränkt; indem sie sich zusammenzieht, ihren Feuerstoff gleichsam fahren läßt und gerinnt. Sie erhält einen prosaischen Schein, ihre Bestandteile stehen in keiner so innigen Gemeinschaft – mithin nicht unter so strengen rhythmischen Gesetzen – sie wird fähiger zur Darstellung des Beschränkten. Aber sie bleibt Poesie – mithin den wesentlichen Gesetzen ihrer Natur getreu; sie wird gleichsam ein organisches Wesen, dessen ganzer Bau seine Entstehung aus dem Flüssigen, seine ursprünglich elastische Natur, seine Unbeschränktheit, seine Allfähigkeit verrät. Nur die Mischung ihrer Glieder ist regellos, die Ordnung derselben, ihr Verhältnis zum Ganzen ist noch dasselbe. Ein jeder Reiz verbreitet sich darin nach allen Seiten. Auch hier bewegen sich nur die Glieder um das ewig ruhende, eine Ganze ... Je einfacher, gleichförmiger, ruhiger auch hier die Bewegungen der Sätze, je übereinstimmender ihre Mischungen im Ganzen sind, je lockerer der Zusammenhang, je durchsichtiger und farbloser der Ausdruck – desto vollkommener diese im Gegensatz zu der geschmückten Prosa Siehe den Zusammenhang, in dem die Stelle steht (Raich 54 ff.). Während, wie bemerkt, der Romanstil nach Novalis kein bloßes Kontinuum, sondern eine gegliederte Ordnung (s. o. p. 99) sein muß, nennt er diese geschmückte Prosa – die gar nichts mit der Kunst, viel mehr mit der Rhetorik zu tun hat – eine »fließende ... sie ist ein Strom«. – nachlässige, von den Gegenständen abhängig scheinende Poesie. – Die Poesie scheint von der Strenge ihrer Forderungen hier nachzulassen, williger und gefügiger zu werden. Aber dem, der den Versuch mit der Poesie in dieser Form wagt, wird es bald offenbar werden, wie schwer sie in dieser Gestalt vollkommen zu realisieren ist. Diese erweiterte Poesie ist gerade das höchste Problem des poetischen Dichters – ein Problem, was nur durch Annäherung gelöst werden kann und was zu der höheren Poesie eigentlich gehört... Hier ist noch ein unermeßliches Feld, ein im eigentlichsten Sinne unendliches Gebiet. Man könnte jene höhere Poesie die Poesie des Unendlichen nennen«. Briefwechsel 55 f. Das Reflexionsmedium der poetischen Formen erscheint in der Prosa, darum darf sie die Idee der Poesie genannt werden. Sie ist der schöpferische Boden der dichterischen Formen, diese alle sind in ihr vermittelt und aufgelöst als in ihren kanonischen Schöpfungsgrund. In der Prosa gehen sämtliche gebundene Rhythmen in einander über, sie verbinden sich zu einer neuen Einheit, der prosaischen, welche bei Novalis der »romantische Rhythmus« Briefwechsel 57. ist. Die gleiche Betrachtung der Prosa zeigt der 92. Aphorismus »Prosa und Poesie« in Nietzsches »Fröhlicher Wissenschaft«. Nur ist der Blick dort nicht, wie bei Novalis, von den poetischen Formen auf die prosaische, sondern umgekehrt von dieser auf jene gerichtet. – »Die Poesie ist die Prosa unter den Künsten.« Schriften 538. Erst unter diesem Gesichtspunkt läßt die Romantheorie sich in ihrer tiefsten Absicht verstehen und von der empirischen Beziehung auf den »Wilhelm Meister« ablösen. Weil die Einheit der ganzen Poesie als eines Werkes ein Gedicht in Prosa darstellt, ist der Roman die höchste poetische Form. Vermutlich ist es in Anspielung auf die vereinende Funktion der Prosa gemeint, wenn Novalis sagt: »Sollte nicht der Roman alle Gattungen des Stils in einer durch den gemeinsamen Geist verschiedentlich gebundenen Folge begreifen?« Schriften 512. Friedrich Schlegel hat das prosaische Element weniger rein erfaßt, wenn auch nicht weniger tief intentioniert als Novalis. Er hat daher in seinem Romanmuster »Lucinde« die Mannigfaltigkeit der Formen, in deren Vereinigung die Aufgabe besteht, mitunter vielleicht noch mehr kultiviert als das rein Prosaische, das sie erfüllt. In den zweiten Teil des Romans wollte er viele Gedichte einfügen. Aber beide Tendenzen, die Mannigfaltigkeit der Formen und das Prosaische, haben den Gegensatz gegen die begrenzte Form und die Aspiration aufs Transzendentale gemein. Nur wird dies stellenweise weniger durch Friedrich Schlegels Prosa dargestellt, als in ihr postuliert. Auch in Schlegels Theorie des Romans steht der Gedanke der Prosa, obgleich er zweifellos ihren eigentlichen Geist bestimmt, nicht klar im Mittelpunkt. Er hat ihn mit der Lehre von der Poetisierung des Stoffes kompliziert. Diese Lehre gehört nicht in diesen Zusammenhang. Sie umfaßt zwei Momente: erstens die Vernichtung des Stoffes in der subjektiven, spielenden Ironie, zweitens seine Erhebung und Veredlung im mythologischen Gehalt. Aus dem ersten Prinzip ist die (stoffliche) Ironie und wohl auch der Humor im Roman, aus dem zweiten die Arabeske zu verstehen.

Die Konzeption der Idee der Poesie als der Prosa bestimmt die ganze romantische Kunstphilosophie. Aus dieser Bestimmtheit heraus ist sie historisch folgenreich gewesen. Sie hat sich nicht nur mit dem Geiste der modernen Kritik verbreitet, ohne in ihren Voraussetzungen und ihrem eigentlichen Wesen agnosziert worden zu sein, sondern sie ist auch in mehr oder weniger ausgeprägter Gestalt in die philosophischen Grundlagen späterer Kunstschulen eingegangen, wie der ausgehenden französischen Romantik, der deutschen Neuromantik. Vor allem aber stiftet diese philosophische Grundkonzeption eine eigentümliche Beziehung innerhalb eines weiteren romantischen Kreises selbst, dessen Gemeinschaftliches ebenso wie das der engeren Schule, wie man allgemein zugibt, unauffindbar bleibt, solange es nur in der Dichtung und nicht ebensosehr in der Philosophie gesucht wird. Unter jenem Gesichtspunkt rückt in diesen weiteren Kreis, um nicht zu sagen in seine Mitte, ein Geist, der durch seine bloße Einschätzung als Dichter im modernen Sinne des Wortes (so hoch dieser auch gegriffen werden muß) nicht erfaßt werden kann, und dessen ideengeschichtliches Verhältnis zur romantischen Schule im Unklaren verharrt, wenn seine besondere philosophische Einheit mit ihr unbeachtet bleibt. Dieser Geist ist Hölderlin, und die These, welche seine philosophische Beziehung zu den Romantikern stiftet, ist der Satz von der Nüchternheit der Kunst. Dieser Satz ist der im wesentlichen durchaus neue und noch unabsehbar fortwirkende Grundgedanke der romantischen Kunstphilosophie, die vielleicht größte Epoche in der abendländischen Philosophie der Kunst wird durch ihn bezeichnet. Wie er mit dem methodischen Verfahren jener Philosophie, der Reflexion, zusammenhängt, liegt auf der Hand. Das Prosaische, in dem die Reflexion als Prinzip der Kunst sich zuhöchst ausprägt, ist ja im Sprachgebrauch geradezu eine metaphorische Bezeichnung des Nüchternen. Als ein denkendes und besonnenes Verhalten ist die Reflexion das Gegenteil der Ekstase, der μανία des Platon. Wie bei den Frühromantikern gelegentlich das Licht als Symbol des Reflexionsmediums, der unendlichen Besinnung auftritt (s. o. p. 37), so sagt auch Hölderlin:

Wo bist du, Nachdenkliches! das immer muß
Zur Seite gehn, zu Zeiten, wo bist du, Licht? Hölderlin IV, 65.

»Besonnenheit ist die frühste Muse des nach Bildung strebenden Menschen«, Briefwechsel 52. sagt sogar der unphilosophische A. W. Schlegel, und Novalis nennt das einen treffenden »Lichtstrahl auf die frühste Poesie«. Ebenda. In einem sehr eigentümlichen, schönen Bilde spricht er die nüchterne Natur der Reflexion aus: »Ist nicht die Reflexion auf sich selbst ... konsonierender Natur? Konsonant im Gegensatz zum Vokal als retardierendes Prinzip verstanden: Ausdruck der Besinnung. Vgl. »Wenn der Roman retardierender Natur ist, so ist er wahrhaft poetisch prosaisch, ein Konsonant.« (Schriften 539.) ... Gesang nach innen: Innenwelt. Rede-Prosa-Kritik«. Schriften 539. Der ganze Zusammenhang der romantischen Kunstphilosophie auf ihrer höchsten Stufe, wie er zum Teil noch zu entwickeln bleibt, ist in diesen Worten schematisch angedeutet.

Die »heilignüchterne« Hölderlin IV, 60. Poesie hat Hölderlin in seinen spätern Schriften in einer Fülle der tiefsinnigsten Gedanken zu erkennen gesucht. Hier soll nur eine hervorragende Stelle angeführt werden, um das Verständnis der weniger klaren, aber gleichstrebenden Sätze von Friedrich Schlegel und Novalis vorzubereiten: »Es wird gut sein, um den Dichtern, auch bei uns, eine bürgerliche Existenz zu sichern, wenn man die Poesie, auch bei uns, den Unterschied der Zeiten und Verfassungen abgerechnet, zur μηχανή der Alten erhebt. – Auch andern Kunstwerken fehlt, mit den griechischen verglichen, die Zuverlässigkeit; wenigstens sind sie bis jetzt mehr nach Eindrücken beurteilt worden, die sie machen, als nach ihrem gesetzlichen Kalkül und sonstiger Verfahrungsart, wodurch das Schöne hervorgebracht wird. Der modernen Poesie fehlt es aber besonders an der Schule und am Handwerksmäßigen, daß nämlich ihre Verfahrungsart berechnet und gelehrt, und wenn sie gelernt ist, in der Ausübung immer zuverlässig wiederholt werden kann. Man hat, unter Menschen, bei jedem Dinge, vor allem darauf zu sehen, daß es Etwas ist, d.h. daß es in dem Mittel (moyen) seiner Erscheinung erkennbar ist, daß die Art, wie es bedingt ist, bestimmt und gelehret werden kann. Deswegen und aus höheren Gründen bedarf die Poesie besonders sicherer und charakteristischer Prinzipien und Schranken. – Dahin gehört einmal eben jener gesetzliche Kalkül«. Hölderlin V, 175. Obgleich Hölderlin in diesen Worten Schlegels und Novalis' Tendenzen durchaus trifft, so gilt doch, was im übrigen in dieser Arbeit von diesen ausgesagt wird, nicht von ihm. Was in deren Begründung der romantischen Kunstphilosophie einerseits eine zwar mächtige, aber nicht zur Klarheit durchgebildete Tendenz, und wo sie sie deutlich aussprachen demnach nur ein äußerster vorgeschobener Standpunkt ihres Denkens war, das war Hölderlins Bereich. Diesen Bereich übersah und beherrschte Hölderlin, während er für Friedrich Schlegel, und doch auch für Novalis, obwohl dieser darin klarer sah, ein gelobtes Land blieb. Abgesehen von jener zentralen Idee der Nüchternheit der Kunst sind die beiden Kunstphilosophien denn auch kaum unmittelbar miteinander zu vergleichen, wie auch ihre Urheber persönlich keine Beziehung zueinander gehabt haben. Novalis: »Echte Kunstpoesie ist bezahlbar«. Schriften herausgegeben von Minor III, 195. »Kunst ... ist mechanisch«. Schriften 206. »Der Sitz der eigentlichen Kunst ist lediglich im Verstande.« Schriften 69. »Die Natur zeugt, der Geist macht. Il est beaucoup plus commode d'être fait que de se faire lui(sic!)-même.« Schriften 490; vgl. auch »Die Mathematik ist echte Wissenschaft, weil sie gemachte Kenntnisse enthält, ... weil sie methodisch genialisiert.« (Schriften herausgegeben von Minor II, 262.) Die Art dieses Machens ist also die Reflexion. Das Zeugnis dieser bewußten Tätigkeit im Werk sind vor allem die »geheimen Absichten, ... deren wir beim Genius ... nie zu viele voraussetzen können«, Jugendschriften II, 170. wie Schlegel sagt. »... absichtliche ... Nebenausbildung des ... Kleinsten« A 253. ist Zeugnis dichterischer Meisterschaft. Radikal – eine gewisse Unklarheit ist der Grund dieses Radikalismus – heißt es im Athenäum: »Man glaubt Autoren oft durch Vergleichungen mit dem Fabrikwesen zu schmähen. Aber soll der wahre Autor nicht auch Fabrikant sein? Soll er nicht sein ganzes Leben dem Geschäft widmen, literarische Materie in Formen zu bilden, die auf eine große Art zweckmäßig und nützlich sind?« A 367. »Solange der Künstler ... begeistert ist, befindet er sich für die Mitteilung wenigstens in einem illiberalen Zustande.« L 37. – An die gemachten, mit prosaischem Geiste erfüllten Werke dachten die Romantiker, wenn sie den Satz von der Unzerstörbarkeit der echten Kunstgebilde aussprachen. Was am Strahl der Ironie zerfällt, ist allein die Illusion, unzerstörbar bleibt aber der Kern des Werkes, weil es nicht in der Ekstase beruht, die zersetzt werden kann, sondern in der unantastbaren nüchternen prosaischen Gestalt. Durch die mechanische Vernunft ist auch noch im Unendlichen – im Grenzwert der begrenzten Formen – nüchtern das Werk konstituiert. Für diese mystische Konstitution des Werkes jenseits der eingeschränkten und in der Erscheinung schönen (im engern Sinn poetischen) Formen ist der Roman der Prototyp. Der Bruch dieser Theorie mit hergebrachten Anschauungen vom Wesen der Kunst manifestiert sich endlich in der Stelle, die sie jenen »schönen« Formen, die sie der Schönheit überhaupt einräumt. Es wurde schon ausgeführt, daß die Form nicht mehr Ausdruck der Schönheit, sondern der Kunst als der Idee selbst ist. Letzten Endes muß der Begriff der Schönheit aus der romantischen Kunstphilosophie überhaupt weichen, nicht nur, weil er nach der rationalistischen Auffassung mit dem der Regel kompliziert war, sondern vor allem, weil die Schönheit als ein Gegenstand des »Vergnügens«, des Wohlgefallens, des Geschmacks, nicht zu vereinigen schien mit der strengen Nüchternheit, die nach der neuen Auffassung das Wesen der Kunst bestimmte. »Eine eigentliche Kunstlehre der Poesie würde mit der absoluten Verschiedenheit, der ewig unauflöslichen Trennung der Kunst und der rohen Schönheit anfangen Wenn an anderer Stelle in diesem Fragment mit Beziehung auf die Philosophie der Poesie vom Schönen in positivem Sinn geredet wird, so hat der Ausdruck einen ganz anderen Sinn: er bezeichnet das Wertgebiet. ... Flüchtigen Dilettanten ohne Enthusiasmus und ohne Belesenheit ... müßte eine solche Poetik vorkommen, wie einem Kinde, das bildern wollte, ein trigonometrisches Buch.« A 252. Im letzten Satz ist nicht nur auf die Unverständlichkeit, sondern auf die Trockenheit, Nüchternheit eines solchen Werks hingewiesen. »Die höchsten Kunstwerke sind schlechthin ungefällig; es sind Ideale, die nur approximando gefallen können und sollen, ästhetische Imperative.« Schriften 565. Die Lehre, nach welcher die Kunst und ihre Werke essentiell weder Erscheinungen der Schönheit noch Manifestationen unvermittelter begeisterter Erregung, sondern ein in sich ruhendes Medium der Formen sind, ist seit der Romantik wenigstens im Geiste der Kunstentwicklung selbst nicht mehr in Vergessenheit geraten. Wollte man die Kunsttheorie eines so eminent bewußten Meisters wie Flaubert, die der Parnassiens oder diejenige des Georgeschen Kreises auf ihre Grundsätze bringen, man würde die hier dargelegten unter ihnen finden. Diese Grundsätze waren hier zu formulieren, ihr Ursprung in der Philosophie der deutschen Frühromantik war nachzuweisen. Sie sind dem Geist dieser Epoche so sehr eigen, daß Kircher mit Recht erklären konnte: »Diese Romantiker wollten gerade das ›Romantische‹ von sich abhalten – wie man es damals und heute versteht«. Kirchner 43. »Ich fange an, das Nüchterne, aber echt Fortschreitende, Weiterbringende zu lieben«, Briefwechsel 101. schreibt Novalis 1799 an Caroline Schlegel. Auch hierfür gibt Friedrich Schlegel die extremste Formulierung: »Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüt verlassen«. Jugendschriften II, 361. Eine der merkwürdigsten Ausprägungen dieser Geisteshaltung ist Friedrich Schlegels Liebe zum Didaktischen in der Poesie als einer zuverlässigen Bürgschaft ihrer Nüchternheit. Diese taucht schon sehr früh auf – ein Beweis, wie tief die dargestellten Tendenzen in ihm wurzelten. »Ich nenne die idealische Poesie, deren Ziel das philosophisch Interessante ist, didaktische Poesie ... Die Tendenz der meisten trefflichsten und berühmtesten modernen Gedichte ist philosophisch. Ja, die moderne Poesie scheint hier eine gewisse Vollendung, ein Höchstes in ihrer Art erreicht zu haben. Die didaktische Klasse ist ihr Stolz und ihre Zierde, sie ist ihr originellstes Produkt ... aus den verborgenen Tiefen ihrer ursprünglichen Kraft erzeugt.« (Jugendschriften I, 104 f.) Diese Hervorhebung der didaktischen Poesie im Studienaufsatz ist geradezu der Vorläufer der Betonung des Romans in Schlegels späterer poetischer Theorie. Das Didaktische läßt neben diesem auch später nicht ab, ihn zu beschäftigen: »Zu dieser Gattung (der esoterischen Poesie) würden wir nicht nur... didaktische Gedichte rechnen, deren Zweck doch kein anderer sein kann, als ... die eigentlich unnatürliche... Trennung der Poesie und Wissenschaft wieder aufzuheben und zu vermitteln; ... sondern auch ... den Roman.« (Kürschner 308.) »Jedes Gedicht soll eigentlich ... didaktisch sein in jenem weiteren Sinne des Wortes, wo es die Tendenz nach einem tiefen, unendlichen Sinn bezeichnet.« (Jugendschriften II, 364.) Acht Jahre später dagegen heißt es: »und eben weil beide, der Roman sowie das Lehrgedicht, eigentlich außerhalb der natürlichen Grenzen der Poesie liegen, so sind es keine Gattungen, sondern jeder Roman, jedes Lehrgedicht, das wahrhaft poetisch, ist ein eigenes Individuum für sich«. (Kürschner 402.) Hier liegt das letzte Stadium (vom Jahre 1808) der Schlegelschen Gedankenbildung über das Didaktische vor: Hatte er zuerst bemerkt, daß es eine besonders ausgezeichnete Gattung der modernen Poesie sei, so hatte er sie in der Athenäumszeit als Gattung ebenso wie den Roman mehr und mehr aufgelöst, um die ganze Poesie damit zu tingieren, während er zuletzt beide ganz im Gegenteil so sehr wie möglich isolieren muß (sie unter die Gattung drückt, nicht über sie erhebt), um einen konventionellen Begriff der Poesie wieder herzustellen. Die höhere Bedeutung der prosaischen Dichtungsarten ist ihm nicht klar geblieben.

Es erübrigt, die Erklärung des romantischen Begriffs der Kunstkritik auf Grund der obigen Ausführungen abzuschließen. Nicht mehr um seine methodische Struktur handelt es sich, welche dargestellt ist, sondern lediglich um seine letzte inhaltliche Bestimmung. Von ihr ist schon gesagt worden, daß die Aufgabe der Kritik die Vollendung des Werkes ist. Einen informatorischen oder pädagogischen Zweck weist Schlegel weit zurück: »Der Zweck der Kritik, sagt man, sei Leser zu bilden! – Wer gebildet sein will, mag sich doch selbst bilden. Dies ist unhöflich: es steht aber nicht zu ändern«. Ebensowenig ist die Kritik, wie erwiesen wurde, essentiell eine Beurteilung, eine Meinungsäußerung über ein Werk. Sie ist vielmehr ein Gebilde, das zwar in seinem Entstehen vom Werk veranlaßt, in seinem Bestehen jedoch unabhängig von ihm ist. Als ein solches kann sie vom Kunstwerk nicht prinzipiell unterschieden werden. Das 116. Athenäumsfragment, das die Synthese an allen Begriffen vornimmt, sagt: »Die romantische Poesie ... will und soll auch ... Genialität und Kritik ... verschmelzen«. Auf dasselbe Prinzip führt auch eine andere Äußerung im Athenäum: »Eine sogenannte Recherche ist ein historisches Experiment. Der Gegenstand und das Resultat derselben ist ein Faktum. Was ein Faktum sein soll, muß strenge Individualität haben, zugleich ein Geheimnis und ein Experiment sein, nämlich ein Experiment der bildenden Natur«. Für den Ausdruck »Recherche« im Sinn von Kritik – vielleicht hat er an dieser Stelle noch einen weiteren – vgl. das oben (p. 65) zitierte Athenäumsfragment 403. Neu ist in diesem Zusammenhange allein der Begriff des Faktums. Dieser findet sich im »Gespräch über die Poesie« wieder. »Ein wahres Kunsturteil, ... eine ausgebildete, durchaus fertige Ansicht eines Werks ist immer ein kritisches Faktum, wenn ich so sagen darf. Aber auch nur ein Faktum, und eben darum ist's leere Arbeit, es motivieren zu wollen, es müßte denn das Motiv selbst ein neues Faktum oder eine nähere Bestimmung des ersten enthalten.« Jugendschriften II, 383. Durch den Begriff des Faktums soll die Kritik aufs schärfste von der Beurteilung – als bloßer Meinung – unterschieden werden. Jene bedarf keiner Motivierung, so wenig wie ein Experiment, welches sie ja auch in der Tat am Kunstwerk vornimmt, indem sie seine Reflexion entfaltet. Eine unmotivierte Beurteilung freilich wäre eine Ungereimtheit. – Die theoretische Überzeugung von der höchsten Positivität aller Kritik hat die positiven Leistungen der romantischen Kritiker getragen. Sie haben nicht sowohl einen Kleinkrieg gegen das Schlechte, Zu welchem freilich A. W. Schlegel unter äußerem Zwang sich herabgelassen hat. als die Vollendung des Guten und durch sie die Annihilierung des Nichtigen heraufführen wollen. Zuletzt beruht diese Einschätzung der Kritik auf der völlig positiven Bewertung ihres Mediums, der Prosa. Die Legitimation der Kritik, welche diese als objektive Instanz aller poetischen Produktion gegenüberstellt, besteht in ihrer prosaischen Natur. Kritik ist die Darstellung des prosaischen Kerns in jedem Werk. Dabei ist der Begriff »Darstellung« im Sinne der Chemie verstanden, als die Erzeugung eines Stoffes durch einen bestimmten Prozeß, welchem andere unterworfen werden. So hat es Schlegel gemeint, wenn er vom Wilhelm Meister sagt, das Werk »beurteilt sich nicht nur selbst, es stellt sich auch selbst dar«. Jugendschriften II, 172. In seinen beiden Bedeutungen wird das Prosaische durch die Kritik erfaßt: durch ihre Ausdrucksform in seiner eigentlichen, wie sie denn in ungebundener Rede sich ausspricht; in seiner uneigentlichen durch ihren Gegenstand, welcher der ewige nüchterne Bestand des Werkes ist. Diese Kritik ist als Prozeß wie als Gebilde eine notwendige Funktion des klassischen Werks.

Die frühromantische Kunsttheorie und Goethe

Die Kunsttheorie der Frühromantiker und die Goethes sind in den Prinzipien einander entgegengesetzt. Für die im folgenden dargelegte Auffassung der Goetheschen Kunsttheorie können in diesem engen Rahmen keine Belege gegeben werden, weil die betreffenden Stellen ebenso wie die Sätze der Frühromantiker einer eingehenden Interpretation bedürfen. Diese soll in dem breiten Zusammenhang, welchen sie fordert, an anderer Stelle gegeben werden. Für die allgemeine Fragestellung der folgenden Ausführung ist besonders auf die ganz entsprechende, wenn auch abweichend beantwortete in E. Rotten: Goethes Urphänomen und die platonische Idee, Kap. VIII, zu verweisen. Und zwar erweitert das Studium dieses Gegensatzes ungemein die Kenntnis der Geschichte des Begriffs der Kunstkritik. Denn dieser Gegensatz bedeutet zugleich das kritische Stadium dieser Geschichte: in der problemgeschichtlichen Beziehung, in welcher der Kritikbegriff der Romantiker zu demjenigen Goethes steht, tritt unmittelbar das reine Problem der Kunstkritik an den Tag. Der Begriff der Kunstkritik selbst aber steht in einer eindeutigen Abhängigkeit vom Zentrum der Kunstphilosophie. Diese Abhängigkeit formuliert sich am schärfsten im Problem der Kritisierbarkeit des Kunstwerks. Ob diese geleugnet, ob sie behauptet wird, ist durchaus von den philosophischen Grundbegriffen abhängig, welche die Kunsttheorie fundieren. Die ganze kunstphilosophische Arbeit der Frühromantiker kann also dahin zusammengefaßt werden, daß sie die Kritisierbarkeit des Kunstwerks prinzipiell nachzuweisen gesucht haben. Die ganze Kunsttheorie Goethes steht hinter seiner Anschauung von der Unkritisierbarkeit der Werke. Nicht als ob er diese Ansicht anders als gelegentlich betont, nicht als ob er keine Kritiken geschrieben hätte. Er war an der begrifflichen Ausführung dieser Anschauung nicht interessiert, und noch in seiner spätern Zeit, die hier vor allem in Betracht kommt, hat er nicht wenige Kritiken verfaßt. Aber man wird in vielen unter ihnen eine gewisse ironische Zurückhaltung, nicht nur dem Werk, sondern auch dem eignen Geschäft gegenüber finden, und jedenfalls war die Absicht dieser Kritiken nur exoterisch und pädagogisch.

Die Kategorie, unter der die Romantiker die Kunst erfassen, ist die Idee. Die Idee ist der Ausdruck der Unendlichkeit der Kunst und ihrer Einheit. Denn die romantische Einheit ist eine Unendlichkeit. Alles was die Romantiker über das Wesen der Kunst aussagen, ist Bestimmung ihrer Idee, so auch die Form, welche in ihrer Dialektik von Selbstbegrenzung und Selbsterhöhung die der Einheit und Unendlichkeit in der Idee zum Ausdruck bringt. Unter »Idee« wird in diesem Zusammenhang das a priori einer Methode verstanden, ihr entspricht dann das Ideal als das a priori des zugeordneten Gehalts. Ein Ideal der Kunst kennen die Romantiker nicht. Sie gewinnen lediglich einen Schein davon durch jene Überdeckungen des poetischen Absolutums, wie Sittlichkeit und Religion. Alle Bestimmungen, die Friedrich Schlegel über den Gehalt der Kunst, besonders im »Gespräch über die Poesie« gegeben hat, entbehren im Gegensatz zu seiner Auffassung der Form jeder genaueren Beziehung auf das Eigentümliche der Kunst, geschweige daß er ein a priori dieses Gehalts gefunden hätte. Von einem solchen a priori nimmt die Kunstphilosophie Goethes ihren Ausgang. Ihr bewegendes Motiv ist die Frage nach dem Ideal der Kunst. Auch das Ideal ist eine höchste begriffliche Einheit, die des Gehalts. Seine Funktion ist also eine völlig andere als die der Idee. Es ist nicht ein Medium, welches den Zusammenhang der Formen in sich birgt und aus sich bildet, sondern eine Einheit anderer Art. Erfaßbar ist es allein in einer begrenzten Vielheit reiner Inhalte, in die es sich zerlegt. In einem begrenzten, harmonischen Diskontinuum reiner Inhalte also manifestiert sich das Ideal. In dieser Auffassung berührt sich Goethe mit den Griechen. Die Idee der Musen unter der Hoheit Apollons ist von der Kunstphilosophie aus gedeutet die der reinen Inhalte aller Kunst. Die Griechen zählten solcher Inhalte neun, und gewiß war weder deren Art noch Zahl willkürlich bestimmt. Der Inbegriff der reinen Inhalte, das Ideal der Kunst, läßt sich also als das Musische bezeichnen. Wie die innere Struktur des Ideals eine unstetige im Gegensatz zur Idee ist, so ist auch der Zusammenhang dieses Ideals mit der Kunst nicht in einem Medium gegeben, sondern durch eine Brechung bezeichnet. Die reinen Inhalte als solche sind in keinem Werk zu finden. Goethe nennt sie die Urbilder. Die Werke können jene unsichtbaren – aber anschaulichen – Urbilder, deren Hüterinnen die Griechen unter dem Namen der Musen kannten, nicht erreichen, sie vermögen nur in mehr oder weniger hohem Grad ihnen zu gleichen. Dieses »Gleichen«, welches die Beziehung der Werke zu den Urbildern bestimmt, ist vor einem verderblichen materialistischen Mißverständnis zu bewahren. Es kann prinzipiell nicht zur Gleichheit führen, und nicht durch Nachahmung kann es erreicht werden. Denn die Urbilder sind unsichtbar und das »Gleichen« bezeichnet eben die Beziehung des höchsten Wahrnehmbaren zum prinzipiell allein Anschaubaren. Dabei ist Gegenstand der Anschauung die Notwendigkeit des im Gefühl sich als rein ankündigenden Inhalts, vollständig wahrnehmbar zu werden. Das Vernehmen dieser Notwendigkeit ist das Anschauen. Das Ideal der Kunst als Gegenstand der Anschauung ist also notwendige Wahrnehmbarkeit – welche niemals im Kunstwerk selbst, als welches Gegenstand der Wahrnehmung bleibt, rein erscheint. – Für Goethe waren die Werke der Griechen unter allen diejenigen, welche den Urbildern am nächsten kamen, sie wurden ihm gleichsam zu relativen Urbildern, zu Vorbildern. Als Werke der Alten weisen diese Vorbilder eine doppelte Analogie zu den Urbildern selbst auf; sie sind wie diese im doppelten Sinn des Wortes vollendet; sie sind vollkommen und sie sind vollbracht. Denn nur das völlig abgeschlossene Gebilde kann Urbild sein. Nicht im ewigen Werden, in der schöpferischen Bewegung im Formenmedium liegt nach Goethes Auffassung der Urquell der Kunst. Die Kunst selbst schafft nicht ihre Urbilder – diese beruhen vor allem geschaffenen Werk in derjenigen Sphäre der Kunst, wo diese nicht Schöpfung, sondern Natur ist. Die Idee der Natur zu erfassen und sie damit tauglich zum Urbild der Kunst (zum reinen Inhalt) zu machen, das war im letzten Grund Goethes Bemühen in der Ermittlung der Urphänomene. In einem tieferen Sinn kann also der Satz, das Kunstwerk bilde die Natur ab, richtig sein, wenn nur eben als Inhalt des Kunstwerks Natur selbst, nicht aber Naturwahrheit verstanden wird. Hieraus folgt, daß das Korrelat des Inhalts, das Dargestellte (also die Natur) nicht mit dem Inhalt verglichen werden kann. Der Begriff des »Dargestellten« ist doppelsinnig. Er hat hier nicht die Bedeutung von »die Darstellung«, denn diese ist ja mit dem Inhalt identisch. Im übrigen faßt diese Stelle den Begriff der wahren Natur – im Anschluß an das oben über Anschauung Gesagte – ohne weiteres als identisch mit dem Bereich der Urbilder oder Urphänomene oder Ideale, ohne sich um den Begriff der Natur als eines Gegenstands der Wissenschaft zu kümmern. Es geht aber nicht an, ganz naiv den Begriff der Natur schlechterdings als einen der Kunsttheorie zu definieren. Vielmehr ist die Frage, wie der Wissenschaft Natur erscheint, dringend, und in ihrer Beantwortung würde der Begriff der Anschauung vielleicht nichts leisten. Er verbleibt nämlich innerhalb der Kunsttheorie (hier an dem Ort, wo das Verhältnis zwischen Werk und Urbild behandelt wird). Das Dargestellte kann nur im Werk gesehen, außerhalb desselben allein angeschaut werden. Ein naturwahrer Inhalt des Kunstwerks würde voraussetzen, daß die Natur der Maßstab sei, an dem er gemessen würde; dieser Inhalt selbst soll aber sichtbare Natur sein. Goethe denkt im Sinn der erhabenen Paradoxie jener alten Anekdote, nach der die Sperlinge auf die Trauben des großen griechischen Meisters flogen. Die Griechen waren keine Naturalisten, und die übermäßige Naturwahrheit, von der die Erzählung berichtet, scheint nur eine großartige Umschreibung für die wahre Natur als Inhalt der Werke selbst. Hier käme nun allerdings alles auf die nähere Definition des Begriffes der »wahren Natur« an, indem diese »wahre« sichtbare Natur, welche den Inhalt des Kunstwerks ausmachen soll, nicht nur nicht mit der erscheinenden sichtbaren Natur der Welt ohne weiteres identifiziert, sondern vielmehr sogar zunächst streng begrifflich von ihr unterschieden werden muß, indem freilich danach dann das Problem einer tiefern essentiellen Identität der »wahren« sichtbaren Natur im Kunstwerk und der in den Erscheinungen der sichtbaren Natur präsenten (vielleicht unsichtbaren, nur anschaubaren, urphänomenalen) Natur sich stellen würde. Und dies würde möglicher und paradoxer Weise so sich lösen, daß nur in der Kunst, nicht aber in der Natur der Welt, die wahre, anschaubare, urphänomenale Natur abbildhaft sichtbar würde, während sie in der Natur der Welt zwar präsent aber verborgen (durch die Erscheinung überblendet) wäre.

Mit dieser Anschauungsweise ist es aber gesetzt, daß jedes einzelne Werk gewissermaßen zufällig besteht gegenüber dem Ideal der Kunst, mag man ihren reinen Inhalt nun das Musische oder die Natur nennen, weil man wie Goethe in ihr einen neuen musischen Kanon sucht. Denn jenes Ideal ist nicht geschaffen, sondern nach seiner erkenntnistheoretischen Bestimmung Idee im platonischen Sinne, in seiner Sphäre ist Einheit und Anfangslosigkeit, das Eleatisch Ruhende in der Kunst beschlossen. Wohl haben die einzelnen Werke an den Urbildern Anteil, aber einen Übergang aus ihrem Reich zu den Werken gibt es nicht, wie ein solcher im Medium der Kunst, von der absoluten Form zu den einzelnen, wohl besteht. Im Verhältnis zum Ideal bleibt das einzelne Werk gleichsam Torso. Eine Form, welche ihrerseits allein innerhalb dieser Kunstanschauung verständlich wird und ihr zugehört wie das Fragment der romantischen. Es ist eine vereinzelte Bemühung, das Urbild darzustellen, und nur als Vorbild kann es mit anderen seinesgleichen dauern, nie aber vermögen sie zur Einheit des Ideals selbst lebendig zusammenzuwachsen.

Über das Verhältnis der Werke zum Unbedingten und damit zu einander hat Goethe entsagend gedacht. Im romantischen Denken aber rebellierte alles gegen diese Lösung. Die Kunst war dasjenige Gebiet, in welchem die Romantik die unmittelbare Versöhnung des Bedingten mit dem Unbedingten am reinsten durchzuführen strebte. Friedrich Schlegel hat allerdings in seiner ersten Periode noch Goethes Auffassung nahegestanden und sie sehr prägnant formuliert, wenn er die griechische Kunst als diejenige bezeichnet, »deren besondere Geschichte die allgemeine Naturgeschichte der Kunst wäre«, und unmittelbar fortfährt: »... der Denker ... bedarf ... einer vollkommenen Anschauung. Teils als Beispiel und Beleg zu seinem Begriff, teils als Tatsache und Urkunde seiner Untersuchung ... Das reine Gesetz ist leer. Damit es ausgefüllt ... werde, bedarf es ... eines höchsten ästhetischen Urbildes ... kein anderes Wort als Nachahmung für die Handlung desjenigen ... der sich die Gesetzmäßigkeit jenes Urbildes zueignet«. Jugendschriften I, 123 f. S. a. Briefwechsel 83. – Auch hier überspannt Schlegel mit dem Begriff der Nachahmung den ursprünglichen Gedanken. Aber was Schlegel diese Lösung, je mehr er zu sich selbst kam, verbot, war, daß sie zu einer höchst bedingten Einschätzung des einzelnen Werkes führt. In der gleichen Abhandlung, in der sein werdender Standpunkt sich zu bestimmen strebt, stellt er Notwendigkeit, Unendlichkeit, Idee im Grunde schon der Nachbildung, der Vollkommenheit, dem Ideal gegenüber, wenn er sagt: »Die Zwecke des Menschen sind teils unendlich und notwendig, teils beschränkt und zufällig. Die Kunst ist daher ... eine freie Ideenkunst«. Jugendschriften I, 104. »freie Ideenkunst«, auch Jugendschriften II, 361. Viel entschiedener heißt es dann von der Kunst um die Jahrhundertwende: Es »will ... jedes Glied in diesem höchsten Gebilde des menschlichen Geistes zugleich das Ganze sein, und wäre dieser Wunsch wirklich unerreichbar, wie uns ... Sophisten glauben machen wollen, so möchten wir nur lieber gleich das nichtige und verkehrte Beginnen sc. der Poesie. ganz aufgeben«. Jugendschriften II, 427. »Jedes Gedicht, jedes Werk soll das Ganze bedeuten, wirklich und in der Tat bedeuten und durch die Bedeutung ... auch wirklich und in der Tat sein«. Jugendschriften II, 428. Die Aufhebung der Zufälligkeit, des Torsohaften der Werke ist die Intention in dem Formbegriff Friedrich Schlegels. Dem Ideal gegenüber ist der Torso eine legitime Gestalt, im Medium der Formen hat er keine Stelle. Das Kunstwerk darf nicht Torso, es muß bewegtes vergängliches Moment in der lebendigen transzendentalen Form sein. Indem es sich in seiner Form beschränkt, macht es sich in zufälliger Gestalt vergänglich, in vergehender Gestalt aber ewig durch Kritik. Mit Beziehung auf das Zufällige, Torsohafte der Einzelwerke waren die Vorschriften, Techniken der Poetik gegeben. Goethe hatte z. T. nicht ohne Rücksicht auf sie die Gesetze der Kunstgattungen studiert. Auch die Romantiker erforschten diese, jedoch nicht um solche Kunstgattungen zu fixieren, sondern in der Absicht, das Medium, das Absolute, in welches die Werke kritisch aufzulösen seien, zu finden. Sie stellten diese Untersuchungen analog morphologischen Studien an, welche geeignet sind, die Beziehungen der Wesen auf das Leben zu erforschen, während sich die Erkenntnisse der normativen Poetik mit anatomischen vergleichen lassen, die weniger unmittelbar das Leben als den starren Bau der Einzelorganismen zum Gegenstand haben. Die Erforschung der Kunstgattungen bezieht sich bei den Romantikern nur auf die Kunst, während sie bei Goethe außerdem auch normative, pädagogische Tendenzen hinsichtlich des einzelnen Werkes und seiner Verfertigung verfolgt.

Die Romantiker wollten die Gesetzmäßigkeit des Kunstwerks zur absoluten machen. Aber das Moment des Zufälligen ist nur mit der Auflösung des Werkes aufzulösen oder vielmehr in ein Gesetzmäßiges zu verwandeln. Daher haben die Romantiker folgerecht eine radikale Polemik gegen die Goethesche Lehre von der kanonischen Geltung der griechischen Werke führen müssen. Sie konnten Vorbilder, selbständig in sich geschlossene Werke, endgültig geprägte und der ewigen Progression enthobene Gebilde nicht anerkennen. Am übermütigsten und geistreichsten hat sich gegen Goethe Novalis gewandt: »Natur und Natureinsicht entstehen zugleich, wie Antike und Antikenkenntnis; denn man irrt sehr, wenn man glaubt, daß es Antiken gibt. Erst jetzt fängt die Antike an zu entstehen ... Der klassischen Literatur geht es wie der Antike; sie ist uns eigentlich nicht gegeben – sie ist nicht vorhanden – sondern sie soll von uns erst hervorgebracht werden. Durch fleißiges und geistvolles Studium der Alten entsteht erst eine klassische Literatur für uns – die die Alten selbst nicht hatten«. Schriften 69 f. »Man glaube nur auch nicht allzu steif, daß die Antike und das Vollendete gemacht sei; gemacht, was wir so gemacht nennen. Sie sind so gemacht, wie die Geliebte durch das verabredete Zeichen des Freundes in der Nacht, wie der Funken durch die Berührung der Leiter oder der Stern durch die Bewegung im Auge.« Schriften 563. Das heißt, sie entsteht nur, wo ein schöpferischer Geist sie erkennt, sie ist kein Faktum im Goetheschen Sinn. Die gleiche Behauptung lautet an anderer Stelle: »Die Antiken sind zugleich Produkte der Zukunft und der Vorzeit«. Schriften 491. Unmittelbar darauf: »Gibt es eine Zentralantike oder einen Universalgeist der Antiken?« Die Frage berührt sich mit Schlegels These von der werkhaften Einheit der antiken Poesie, und sie beide sind antiklassizistisch zu verstehen. – Wie die antiken Werke, so gilt es für Schlegel auch die antiken Gattungen in einander aufzulösen. »Umsonst war es, daß die Individuen das Ideal ihrer Gattung vollständig ausdrückten, wenn nicht auch die Gattungen selbst, streng und scharf isoliert, ... waren. Aber sich willkürlich bald in diese, bald in jene Sphäre ... versetzen ... das kann nur ein Geist, der ... ein ganzes System von Personen in sich enthält, und in dessen Innerem das Universum ... reif ... ist.« Also: »Alle klassischen Dichtarten in ihrer strengen Reinheit sind jetzt lächerlich«. L 60. Und endlich: »Man kann niemand zwingen, die Alten für klassisch zu halten oder für alt; das hängt zuletzt von Maximen ab«.

Die Romantiker bestimmen die Relation der Kunstwerke zur Kunst als Unendlichkeit in der Allheit – das heißt: in der Allheit der Werke erfüllt sich die Unendlichkeit der Kunst; Goethe bestimmt sie als Einheit in der Vielheit – das heißt: in der Vielheit der Werke findet sich die Einheit der Kunst immer wieder. Jene Unendlichkeit ist die der reinen Form, diese Einheit die des reinen Inhalts. Hier liegt allerdings in dem Terminus »rein« eine Äquivokation vor. Er bezeichnet nämlich erstens die methodische Dignität eines Begriffs (wie in »reine Vernunft«), sodann aber kann er eine inhaltlich positive, wenn man will sittlich gefärbte Bedeutung haben. An diese beiden Bedeutungen ist im Begriff des »reinen Inhalts« als des Musischen im obigen gedacht, während die absolute Form allein im methodischen Sinne als rein bezeichnet werden soll. Denn deren sachliche Bestimmung – welche der Reinheit des Inhalts entspricht – ist vermutlich die Strenge. Dies haben die Romantiker in ihrer Romantheorie, in welcher die vollkommen reine, nicht aber strenge Form zur absoluten erhoben wurde (s. o. p. 98 f.), nicht ausgeprägt; auch dies ein Gedankenkreis, in welchem Hölderlin sie überragte. Die Frage des Verhältnisses der Goetheschen und der romantischen Kunsttheorie fällt also zusammen mit der Frage nach dem Verhältnis des reinen Inhalts zur reinen (und als solcher strengen) Form. In diese Sphäre ist die angesichts des Einzelwerks oft irreführend gestellte und dort niemals genau zu lösende Frage nach dem Verhältnis von Form und Inhalt zu erheben. Denn diese sind nicht Substrate im empirischen Gebilde, sondern relative Unterscheidungen an ihm, auf Grund notwendiger reiner Unterscheidungen der Kunstphilosophie getroffen. Die Idee der Kunst ist die Idee ihrer Form, wie ihr Ideal das Ideal ihres Inhalts ist. Die systematische Grundfrage der Kunstphilosophie läßt sich also auch als die Frage nach dem Verhältnis von Idee und Ideal der Kunst formulieren. Die Schwelle dieser Frage kann die vorliegende Untersuchung nicht überschreiten, sie konnte allein einen problemgeschichtlichen Zusammenhang soweit ausführen, bis er auf den systematischen mit völliger Klarheit deutete. Noch heute ist dieser Stand der deutschen Kunstphilosophie um 1800, wie er in den Theorien Goethes und der Frühromantiker sich darstellt, legitim. Die Romantiker so wenig wie Goethe haben diese Frage gelöst, ja auch nur gestellt. Sie wirken zusammen, um sie dem problemgeschichtlichen Denken vorzustellen. Nur das systematische kann sie lösen. – Die Romantiker haben es, wie schon betont wurde, nicht vermocht, das Ideal der Kunst zu erfassen. Es erübrigt zu bemerken, daß Goethes Lösung des Formproblems an philosophischer Tragweite seine Bestimmung des Inhalts der Kunst nicht erreicht. Die Kunstform interpretiert Goethe als Stil. Er hat jedoch im Stil nur dadurch das Formprinzip des Kunstwerks gesehen, daß er einen mehr oder weniger historisch bestimmten Stil ins Auge faßte: die Darstellung typisierender Art. Für die bildende Kunst repräsentierten ihn die Griechen, für die Poesie strebte er selbst dessen Vorbild aufzustellen. Aber trotzdem der Inhalt des Werkes das Urbild ist, braucht dennoch der Typus seine Form keineswegs zu bestimmen. Im Stilbegriff hat also Goethe nicht eine philosophische Klärung des Formproblems, sondern nur einen Hinweis auf das Maßgebende gewisser Vorbilder gegeben. Damit ist die Intention, die ihm die Tiefe des Inhaltsproblems der Kunst erschlossen hat, vor dem Formproblem zur Quelle eines sublimen Naturalismus geworden. Indem auch der Form gegenüber ein Urbild, eine Natur sich ausweisen sollte, mußte zum Urbild der Form – da die Natur an sich dies nicht sein konnte – gleichsam eine Kunstnatur – denn das ist der Stil in diesem Sinne – gemacht werden. Sehr scharf hat Novalis das gesehen. Ablehnend nennt er es Goethisch: »die Antiken sind aus einer anderen Welt, sie sind wie vom Himmel gefallen« Schriften 491.. Er bezeichnet damit in der Tat das Wesen dieser Kunstnatur, die Goethe im Stil als Urbild vorstellt. Der Begriff des Urbildes verliert aber für das Formproblem, sobald er als dessen Lösung gedacht werden soll, seinen Sinn. Das Problem der Kunst nach seinem ganzen Umfang, nach Form und Inhalt durch den Begriff des Urbildes zu umschreiben, ist das Vorrecht der antiken Denker, welche die tiefsten Fragen der Philosophie bisweilen in Gestalt mythischer Lösungen stellen. Einen Mythus erzählt letzten Endes auch Goethes Stilbegriff. Der Einwand gegen ihn ließe sich auch auf Grund der in ihm waltenden Ungeschiedenheit von Darstellungsform und absoluter Form erheben. Denn von dem erwogenen Formproblem als der Frage nach der absoluten Form bleibt die nach der Darstellungsform zu unterscheiden. Es bedarf übrigens kaum der Betonung, daß diese letzte bei Goethe eine gänzlich andere Bedeutung hat, als bei den Frühromantikern. Sie ist das die Schönheit begründende Maß, welches in Erscheinung tritt im Gehalt. Der Begriff des Maßes liegt der Romantik, welche kein a priori des Inhalts, kein Abzumessendes in der Kunst achtete, fern. Sie verwirft mit dem Begriff der Schönheit nicht allein die Regel, sondern auch das Maß, und nicht sowohl regellos als maßlos ist ihre Dichtung.

Goethes Kunsttheorie läßt nicht nur das Problem der absoluten Form ungelöst, sondern auch das der Kritik. Während sie aber das erste in verschleierter Form anerkennt und berufen ist, die Größe dieser Frage auszudrücken, scheint sie das letzte zu negieren. Kritik am Kunstwerk ist in der Tat nach Goethes letzter Intention weder möglich noch notwendig. Nötig mag allenfalls ein Hinweis auf das Gute, Warnung vor dem Schlechten sein, und möglich ist das apodiktische Urteil über Werke dem Künstler, der eine Anschauung vom Urbild hat. Aber die Kritisierbarkeit als ein wesentliches Moment am Kunstwerk anzuerkennen, verweigert Goethe. Methodische, d. h. sachlich notwendige, Kritik ist von seinem Standpunkt aus unmöglich. In der romantischen Kunst aber ist Kritik nicht allein möglich und notwendig, sondern unausweislich liegt in ihrer Theorie die Paradoxie einer höheren Einschätzung der Kritik als des Werkes. Die Romantiker kennen denn auch in ihren Kritiken kein Bewußtsein von dem Range, welchen der Dichter über dem Rezensenten einnimmt. Die Ausbildung der Kritik und der Formen, in welchen beiden sie die größten Verdienste erworben haben, sind als tiefste Tendenzen in ihrer Theorie angelegt. Sie haben also hierin Einhelligkeit in Tat und Gedanken völlig erreicht und eben das erfüllt, was ihnen als das Höchste nach ihren Überzeugungen galt. Der Mangel dichterischer Produktivität, mit dem man besonders Friedrich Schlegel bisweilen zeichnet, gehört im strengen Sinne in sein Bild nicht hinein. Denn er wollte in erster Linie nicht Dichter im Sinne des Werkbildners sein. Die Absolutierung des geschaffenen Werkes, das kritische Verfahren, war ihm das Höchste. Es läßt sich in einem Bilde versinnlichen als die Erzeugung der Blendung im Werk. Diese Blendung – das nüchterne Licht – macht die Vielheit der Werke verlöschen. Es ist die Idee.


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