Eduard v. Bauernfeld
Der Selbstquäler
Eduard v. Bauernfeld

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Erster Act.

(Bei Malrepos.)

Erste Scene.

Malrepos (sitzt und liest). St. Amand (tritt ein).

St. Amand. Mein Herr –

Malrepos (springt auf, umarmt ihn).
                              Mein Freund! Wie freut mich Ihr Besuch!
Sie bleiben hier? Zum Frühstück? Nein? Zum Mahl?
(Umarmt ihn wieder.)
Sie sind mein einziger, mein bester Freund! –
Was les' ich hier? Ein Buch. Was für ein Buch?
Ein dummes Buch. Von wem? Von Seneca:
De ira. Ganz ein Buch, sich todt zu ärgern,
Voll schimmernder Sentenzen, Floskeln. – Nun,
Wie geht's, mein Freund? Wie steht es in der Welt?

St. Amand. Gut für den Glücklichen, schlimm für den Elenden,
Erträglich für den Mittelschlag, wie ich.

Malrepos. Wir leben, weil wir müssen. S'ist ein Eckel,
Wenn man bedenkt, daß wir zu Bett uns legen
Etwa ein zwanzig tausend Mal, und gleich oft
Aufstehen, bis wir völlig liegen bleiben;
Und war's der Mühe werth, sich so zu plagen?

St. Amand. Mein Freund, mich machen Ihre Worte bange;
Wem das, was nach Gesetzen der Natur
Im steten Kreislauf wiederkehren muß,
Ein Eckel wird, nicht freundliche Gewohnheit,
Den nenn' ich krank, und eine Qual sein Leben.

Malrepos. Krank? Seh' ich eben wie ein Kranker aus?
Fest ist mein Körper, wie gegoss'nes Eisen,
Und meine Seele ist dem Leib gewachsen;
Doch war's nur ein Schein-Leben, das ich führte,
Und nun erst, hoff' ich, fängt das Leben an.
Mein Freund – das sind Sie, wie's noch Keiner war. –
Obwohl ich nicht begreife, wie mein sprödes,
Mein störriges Gemüth sich einem Menschen
Anschließen konnte in so kurzer Zeit,
Ist's nicht, weil Sie so sanft und schmiegsam sind –
Wie hat Ihr Umgang mich so ganz geändert!
Wie klug, daß ich die Güter in Poitou
Verließ und die Vasallen, um das Beste
Hier in Paris zu finden: einen Freund.
Hm! Im Vertrau'n: ich bin zu Hause nicht
Im besten Ruf; man spricht von meiner Härte,
Man nennt mich rauh und roh und ungeschliffen;
Es mag wohl etwas d'ran sein. Nun, Erziehung,
Charakter, Lebensweise trägt die Schuld.
Kann ich aus meiner Haut? Bin ich den Andern
Zu rauh, so sind sie mir dafür zu glatt;
Jetzt aber bin ich anders – nicht? Ganz anders!

St. Amand. Nicht allzu streng muß man das Leben nehmen!
Sie fordern viel von Andern, mehr von sich.

Malrepos. Wenn ich nur etwas liebenswürd'ger wäre!
Sie lächeln? Glauben's nicht? Sie sind mein Freund,
Sie sehen mich zu gut; doch fragen Sie
Nur Ihre Schwestern.

St. Amand.                     Nun, Annette spricht
Von Ihnen niemals ohne warmem Antheil.

Malrepos. Annette – doch die muntere Celine?

St. Amand. Ist Ihre Freundin, mehr als Sie es glauben.

Malrepos. Doch wenn sie meine Werbung erst erfährt –?

St. Amand. Ich habe schon ein Wörtchen fallen lassen.

Malrepos. Zu früh! Der Eltern Jawort muß erst hier sein.

St. Amand. Des Boten harr' ich täglich, den mit Briefen
Nach unserm Schloß in Nivernois ich sandte;
Zudem bin ich hier Vater mehr als Bruder,
Denn meine guten Eltern haben mir
Die beiden Mädchen völlig anvertraut.

Malrepos. Ach, St. Amand – wenn ich ihr Schwager bin –
Sie sollen staunen – einen neuen Menschen
In mir erkennen, und verwundert fragen:
Ist denn dies Malrepos?

St. Amand.                         Ich will es glauben.
Aus unserm Freundeskreise scheinen Sie
Zumeist zur Eh' geschaffen.

Malrepos.                                 Meinen Sie?
Bisweilen dünkt mich doch das Gegentheil.
Ein Mensch, wie ich, sollt' einsam sein und bleiben,
Und nicht ein zartes Kind zu Tode martern,
Wie's meiner Frau sehr leicht geschehen könnte.

St. Amand. Ei, wenn Sie solch ein Ungeheuer sind,
Wie soll ich Ihnen meine Schwester opfern?

Malrepos. D'rum eben hab' ich diese Wahl getroffen!
Celine ist die beste Frau für mich;
Ihr leichter Sinn beflügelt meine Trägheit,
Sie schwatzt gern und ich höre gerne schwatzen,
Sie lacht gern, und ich mag das Lachen leiden;
Sie wird um meine Grillen sich nicht kümmern,
Das ist mir recht; doch jede gute Stunde
Werd' ich an ihrer Seite doppelt fühlen.

St. Amand. Sie wissen, diese Meinung theil' ich nicht,
Und billige nicht ganz die Wahl –

Malrepos.                                         Genug!
Sie haben mir Celinens Hand versprochen,
Und ich besteh' darauf. – Sie wollen geh'n?
Wann werden Sie Ihr Wort denn endlich lösen,
Und mich besuchen mit den beiden Fräulein,
Die Bilder zu beseh'n, die ich gekauft?

St. Amand. Wir wollen Sie mit Nächstem überraschen.

Malrepos. Doch schwerlich hier, wo ich nicht länger bleibe,
Da mein Hôtel nun völlig eingerichtet.

St. Amand. So? Nun, mein Wort: wir kommen bald, recht bald.
(Kurz abbrechend.)
Auf Wiederseh'n, mein Freund.

Malrepos (gedehnt).                         Auf Wiederseh'n –

(St. Amand ab.)

Zweite Scene.

Malrepos. Dann Dubois.

Malrepos (allein).
Man sieht Sie Abends? sagt' er sonst beim Scheiden.
Der junge Mann gefällt mir nicht, wie sonst.
Seit er des Königs Offizier geworden,
Seit er bei Hof die Schwestern präsentirt,
Wo ich nicht bestens angeschrieben bin,
Ist sein Benehmen kälter, prätioser.

Dubois (auftretend).
Mein Herr –

Malrepos.           Was gibt's?

Dubois.                                 Die Güter-Rechnungen –

Malrepos. Nun endlich! Gib doch her.
(Blättert in den Papieren.)           Hm! hm! Der Schurke!

Dubois. Was ist's denn? darf man fragen –?

Malrepos.                                                 Ei, der Schuft?
Kaum bin ich weg vom Haus, betrügen sie.
Zwölf Franken? Zwölf? Ho, ho! Wir wollen seh'n!

Dubois. Was ist denn wieder los?

Malrepos.                                   He, Dubois, sage,
Wie theuer wohl verkauften wir das Korn?

Dubois. Zwölf und ein halb den Scheffel.

Malrepos.                                             Zwölf ein halb?
Allein der Schurke hier verkauft um zwölf;
Das heißt: das halbe fällt in seinen Säckel.

Dubois. Wie könnt Ihr glauben, Herr –? Die Preise wechseln.
Der alte, würd'ge Rentmann ein Betrüger!

Malrepos. Ein alter Mensch ist ein geübter Dieb.
(Blättert herum.)
Nun ja – da haben wir's! S'ist himmelschreiend!
Denk' nur, Dubois! Den dicken, lust'gen Robert
Will mir der Rentmann von dem Pachte jagen.

Dubois. Ei, meinen guten Freund! Und das warum?

Malrepos. Weil er nicht zahlen kann.

Dubois.                                           Das ist ein Grund.

Malrepos. Das ist kein Grund, weil ich den Pacht ihm schenke.

Dubois. Dank, Herr. Doch konnte das der Amtmann wissen?

Malrepos. Er hat's gewußt, und nur, um mich zu ärgern,
Gab er den Einschlag, Robert wegzujagen. –
Nimm! Ich will später das genauer durchseh'n.

Dubois. Vergessen Sie nicht, gnäd'ger Herr! Heut' ist
Die Tafel bei dem Herzog –

Malrepos.                                 Welchem Herzog?
Was kümmern mich die Herzoge! Ich esse,
Was mir und wo's mir schmeckt; bei guten Freunden,
Da, wo's mich freut, nicht dort, wo's mich verdrießt.
Ich weiß, sie laden mich den Gästen ein
Zur Schau, als wie ein selt'nes wildes Thier;
Ich war der Narr, mich noch dafür zu putzen.
Herr Herzog, wohl bekomm's! Ergeb'ner Diener!
Ich weiß mich satt zu essen ohne Herzog!

Dubois (für sich).
Heut' hat er wieder seinen bösen Tag.

Malrepos. Wenn ich nur wüßte, ob der Hund von Rentmann
Mich wirklich um den halben Frank betrogen!

Dubois. Wenn ich schon sage: Nein!

Malrepos.                                       Du steckst mit ihm
Wohl unter Einer Decke?

Dubois.                                 Ich? Kann sein.

Malrepos. Betrügst mich auch?

Dubois.                                   Das ist so meine Sache.

Malrepos. Ihr ehrlich Scheiner! O ich traue Keinem!

Dubois. Der rechte Weg, daß Jeder Sie betrügt.

Dritte Scene.

Vorige. St. Amand. Annette. Celine.

St. Amand. Mein Freund –

Malrepos.                         Ach, St. Amand! Die lieben Fräulein!

St. Amand. Neugier'ge Mädchen bring' ich, die den Freund
In seinem Hause sich betrachten wollen.

Celine (musternd).
Recht freundlich ist es hier, und nett und zierlich.

St. Amand. Nun, hab' ich's gut gemacht? Wir wollten Sie
Unvorbereitet längst schon überfallen.

Malrepos. Recht gut! Recht schön! Doch kommen Sie zur Strafe
Für den Verrath so leichten Kaufs nicht los.
Dubois! (Spricht leise mit ihm.)

St. Amand.   Sie haben etwas vor?

Malrepos.                                     Ein Frühstück
Im Garten – nein, Sie dürfen's nicht verweigern.
Geh' nur, Dubois!

Dubois.                     Ich eile, fliege – stolz,
Daß unserm Haus so große Ehre ward. (Ab.)

Vierte Scene.

Malrepos. St. Amand. Annette. Celine.

Malrepos (lächelnd, auf Dubois).
Beim Hagestolzen ist der Diener Herr.

Annette. Dubois ist unser Gönner.

Celine.                                         Und so darf er
An uns'rer Gegenwart sich laut erfreu'n.

Malrepos. Wir sah'n uns nicht –?

Celine.                                       Seit dem Theater.

Malrepos.                                                             Richtig.
Was sagen Sie zu Molière's Lustspiel?

Celine. Ganz war ich mit dem Dichter nicht zufrieden.
Sein Misanthrop ist mir – zu misanthropisch;
Verdient wohl sein abscheulicher Alcest
Des Freundes, der Geliebten zarte Sorgfalt?
Ganz recht, daß er zuletzt verlassen wird,
Das hat mich mit dem Dichter ausgesöhnt.

Malrepos. Sie tadeln solch ein Meisterstück, Celine?

Annette. Wer wagt, ein schönes Ganze zu zerstücken?
Ein Jeder mag die fert'ge Welt des Dichters,
So gut er kann, und gläubig nachempfinden;
Doch weil wir Andern keine Dichter sind,
Bezieh'n wir gern die Dichtung auf das Leben.
So scheint mir selbst, es könnte Celimene,
Die so lebendig, wahr und reizend ist,
Wenn sie Alcest recht vom Gemüthe liebte,
Den Mann vielleicht vom Grunde bessern, ändern.

Celine. Das wird sie nie! Sie müßte zaubern können;
Wer ändert solchen Unhold?

Annette.                                     Doch vielleicht,
Wenn Celimene eine And're wäre.

Malrepos. Ganz recht! Wenn sie statt eitel und kokett,
Frivol und lebenslustig, wie sie ist,
Sanft, milde, duldsam und ergeben wäre,
Dann ließ' Alcest sich ändern, und dann wäre
Der Dichter auch gebessert, denn sein Stoff
Wär' menschlicher, und d'rum poetischer;
Das Stück, so wie es ist, ist ärgerlich.

St. Amand. Nicht doch, mein Freund! Der Namen Molière –

Malrepos. Was kümmern mich die Namen!

St. Amand.                                               Doch Sie nannten
Es erst ein Meisterstück.

Malrepos.                           Ein Meisterstück?
Nun ja – nun freilich – in gewissem Sinn –

Celine. Genug von diesen Possen! – Wissen Sie,
Daß eben Briefe wir von Haus erhielten?

Malrepos (mit einem Blick auf St. Amand).
Briefe?

St. Amand (winkt ihm).   So ist's; ich und die beiden Schwestern.

Celine. Doch hält der Bruder seinen Brief geheim.

Malrepos (mehr zu St. Amand).
Ich hoffe: gute Nachricht –?

St. Amand (mit Beziehung).         Ganz nach Wunsch.

Celine. Von Vater, Mutter: Lehren; von den ältern
Geschwistern: Klatscherei'n; und von den jüngern:
Unleserliche, närrische Postscripte;
Da dacht' ich wieder lebhaft mich nach Hause,
Denn etwas Heimweh will ich eingesteh'n.

Annette. Du, Schwester? Die doch längst schon in Paris,
Zumeist bei Hofe heimisch ist!

Celine.                                         Nun ja!
Doch geht mir der Familien-Lärm hier ab.

Annette. Das ist auf mich gemünzt.
(Zu Malrepos.)                   Sie müssen wissen,
Daß ich als Aelteste die Aufsicht habe
Auf uns're kleinen Brüderchen und Schwestern.

Celine. Die bösen Jungen, die mir nicht gehorchen!

St. Amand. Annette weiß sie in Respekt zu halten.

Annette. Zur Mußestunde laß' ich sie gewähren,
Wird mir ihr Toben auch ein bischen lästig;
Dafür, geht es an's Lernen, bin ich streng,
Obwohl ich gern dem Fleißigsten was Gutes
Verspreche, so erhalt' ich sie im Eifer.

Celine. Zum Danke hängen sie an Dir wie Kletten.
Wenn sie ihr Kopfweh hat, Sie sollten seh'n,
Wie da die Jungen auf den Zehen schleichen,
Nur leise lispeln wollen; sich vergessend
Dann plötzlich Einer lärmt, die Andern mahnen,
Und ihm verstohlen stumme Püffe geben.
Die Mädchen aber kommen nicht vom Bett;
Sie eifern, Suppe, Medicin zu bringen,
Das ist ein Polster richten, Decken legen,
Daß sich die Schwester rasch entschließen muß,
Gesund zu werden, denn sie brächten sie
Vor lauter Liebe um.

Malrepos (wendet sich weg und geht nach dem Hintergrund).

Annette (zu St. Amand).       Was hat er nur?

St. Amand (zu Celine).
Es mahnt' ihn, denk' ich, Deine Schilderung
Schmerzlich an seine eig'ne, trübe Jugend.

Celine. Das thut mir leid. – Nun, Herr von Malrepos?
Wo sind die Bilder, die Sie uns gerühmt?

Malrepos (nähert sich).
In jenen Zimmern.

Celine.                       Darf man sie beseh'n?

St. Amand. Ich will den Hausherrn machen. Komm', Annette,
Celine –

Malrepos.     Ja, mein Bester, machen Sie
Den Führer und Erklärer; ich indeß
Besorge noch im Haus – gleich komm' ich wieder.

Celine. Wenn Herr von Malrepos erlaubt –

Malrepos.                                                 Ich bitte –

(St. Amand, Annette und Celine ab in das Seitenzimmer, Malrepos geht nach der Mittelthüre.)

Fünfte Scene.

Malrepos. Der Hauswirth (an der Thüre). Dann Dubois.

Hauswirth. Mein Gnädigster –

Malrepos.                               Der Hauswirth! Wo ist Dubois?
Dubois!

Dubois (auftretend).   Da bin ich, Herr.

Malrepos.                                         Hast Du besorgt –?

Dubois. Auf's Beste, Alles.

Malrepos.                         In der Rosen-Laube?

Dubois. So ist's.

Malrepos.         Du meldest –

Dubois.                                 Wann wir fertig sind.
Der Koch braucht Zeit, soll er was Rechtes leisten;
Wir müssen uns'rer Wirthschaft Ehre machen. (Ab.)

Sechste Scene.

Malrepos. Hauswirth (noch immer an der Thüre).

Hauswirth. Wenn ich es wagen darf –

Malrepos.                                         Nur immer zu!

Hauswirth. Wenn ich nicht störe, gnäd'ger Herr –

Malrepos.                                                         Nein, sag' ich.

Hauswirth (tritt ein).
So nehm' ich mir die Freiheit. – Wie befinden
Sich Euer Gnaden? Haben wohl geschlafen?
Das Aussehn ist vortrefflich, frisch, gesund –

Malrepos. Seid Ihr gekommen, um mir dies zu sagen?

Hauswirth. Nicht eben deßhalb. Eine kleine Bitte
Hätt' ich in Unterthänigkeit –

Malrepos.                                 So sprecht.

Hauswirth. Mein Gnädigster war stets mit mir zufrieden,
Mit meiner schlechten Wohnung, Speis und Trank –

Malrepos. Ja, schlecht ist Eure Wohnung, Euer Essen.

Hauswirth. Ein gnäd'ger Scherz! Indessen haben Sie
Mir aufgekündigt, und versichern schon
Seit vierzehn Tagen jeden Tag, daß Sie
Mein armes Haus verlassen wollen. Nun,
Man spricht von einer Aend'rung Ihres Standes,
Wozu man freilich wohl ein größeres Lokal
bedarf –

Malrepos.     Schert Euch um and're Dinge!

Hauswirth. Kurz, meinen lieben Herrn muß ich verlieren.
Doch weil ein Hauswirth auf den Vortheil denkt,
So hab' ich mich, voll Schmerz ob des Verlustes,
Um einen andern Miethsmann umgeseh'n.

Malrepos. Das war sehr klug.

Hauswirth.                             Ich hab' ihn auch gefunden,
Es ist ein Herr Vicomte –

Malrepos.                             Gratulire.

Hauswirth. Ein lieber Herr, doch schien er sehr pressirt,
Verlangte, daß ich ihm den Tag bestimme;
Da nannt' ich denn in meiner Herzensangst
Ihm vor acht Tagen schon den morgigen.

Malrepos. Wie?

Hauswirth.         Im Vertrau'n auf Ihre Güte, Gnade,
Mein gnäd'ger Gönner, wollt' ich ganz ergebenst –

Malrepos. Mich aus dem Hause werfen?

Hauswirth.                                             Da sei Gott für!
Nur ganz gehorsamst bitten, ob vielleicht
Bis morgen –

Malrepos.             Gut.

Hauswirth.                   Bis morgen also?

Malrepos.                                               Ja.

Hauswirth. Das heißt: mein Gnädigster wird morgen –

Malrepos.                                                                 Bleiben.

Hauswirth. Bleiben! Ganz wohl! – Doch übermorgen –

Malrepos.                                                                   Bleiben.

Hauswirth. Bleiben! – Doch über-übermorgen –

Malrepos.                                                       Bleiben!
So lange bleiben, als es mir beliebt.

Hauswirth. Allein mein ungeduld'ger Herr Vicomte –

Malrepos. Mag auch verbleiben, wo er immer sei.

Hauswirth. So will mein gnäd'ger Herr mich ruiniren?

Malrepos. Was Ihr für Menschen seid! Wie unersättlich!
Wie stets nach unerlaubtem Vortheil gierig!

Hauswirth. Ja, wir sind schwache Menschen.

Malrepos.                                                   Hab' ich nicht
Die Wohnung Euch voraus bezahlt, und so
Das Recht, noch einen Monat zu verweilen?

Hauswirth. Gewiß, allein Sie würden mich verbinden –

Malrepos. Geht, geht!

Hauswirth.                 Wenn Sie aus Rücksicht –

Malrepos.                                                         Gott befohlen!

Hauswirth. Für einen armen Mann –

Malrepos.                                       Laßt mich zufrieden!

Hauswirth. Bemerken muß ich noch: der Herr Vicomte
Ist Richter bei dem Ober-Tribunal –

Malrepos. Und wär er Richter in der Unterwelt,
Ich halte auf mein Recht. Schert Euch zum Teufel!

Hauswirth. Eu'r Gnaden, das ist boshaft.

Malrepos.                                             Boshaft?

Hauswirth.                                                           Ja.
Sie waren längst entschlossen, fortzugeh'n –

Malrepos. Jetzt aber will ich bleiben, bleiben, bleiben!

Hauswirth. So werd' ich an's Gericht mich halten müssen.

Malrepos. Was? An's Gericht? Du unverschämter Schurke!

Hauswirth. Sie schimpfen einen Bürger von Paris?
Ei, Herr, bedenket, wenn ich klagen wollte,
Ein Schurke kostet zwanzig Franken.

Malrepos.                                             Und was kostet's,
Wenn ich die Ohren Dir vom Kopfe schneide?

Hauswirth (retirirend).
Das ist nun eben gar nicht zu berechnen.

Malrepos. Fort, fort! Nicht eine Stunde länger weil' ich
Mit diesem Schurken unter Einem Dach!
Doch auf der Straße will ich mir die Bettler
Zusammen lesen, räudiges Gesindel,
Das soll in Deinem Haus auf meine Kosten
Sich gütlich thun, hier wohnen, trinken, schmausen –

Hauswirth. Verzeihen Sie, da werd' ich protestiren.

Malrepos. Du protestiren! Geh' mir aus den Augen.

Hauswirth. Nicht eher, bis Sie sich bestimmt erklären.
(Für sich.)
Durch Grobheit läßt er sich vielleicht vertreiben.

Malrepos. Nun reißt mir die Geduld! Hinaus, Du Schuft!

Hauswirth (mit Insolenz).
Sie wollen mir in meinem eig'nen Haus
Die Thüre weisen?

Malrepos.                   Nicht die Thür', das Fenster!
(Reißt das Fenster auf.)
Sieh zu, wie weich Dein Hof gepflastert ist.

Hauswirth. Was woll'n Sie thun?

Malrepos (packt ihn).                 Dich über's Fenster werfen.

Hauswirth. Luftspringer bin ich nicht.

Malrepos.                                         Du sollst es werden.

Hauswirth. Zu Hilfe!

Malrepos.                 Still!

Hauswirth.                       Man mordet mich! Zu Hilfe!

Siebente Scene.

Vorige. Dubois.

Dubois. Was ist gescheh'n? Mein bester Herr!

Malrepos.                                                     Hinweg!
Laß diesen Unverschämten mich bestrafen.
(Packt den Hauswirth.)
Flieg' zu!

Hauswirth.     Er will mich über's Fenster werfen!

Dubois (faßt seinen Herrn).
Herr, kommt zu Euch!

Malrepos.                         Laß mich!

Dubois.                                             Ich darf nicht.

Malrepos.                                                               Laß!
(Zieht den Degen.)
Ich stech' Euch Beide nieder.

Dubois (wie oben).                       Herr, laßt ab!

Hauswirth (fällt auf die Knie).
Behalten Sie gefälligst das Quartier!

Achte Scene.

Vorige. St. Amand, Annette, Celine. (Die letzteren an der Thüre.)

St. Amand. Freund Malrepos!

Dubois.                                   Der Herr von St. Amand!

St. Amand. Was geht hier vor?

Malrepos.                               Verzeihen Sie, mein Freund –

St. Amand (der sich faßt, zu seinen Schwestern).
Geht nur, betrachtet Euch das letzte Zimmer,
Dort sind die schönsten Stücke.

Celine (die ihn versteht).                   Ei, noch eines?
Das ist ja herrlich, Schwester. (Beide ab.)

Dubois (zum Hauswirth).                 Kommt, mein Schatz!

Hauswirth. Sehr gern. Das soll ein schweres Geld Dich kosten!

(Beide ab.)

Neunte Scene.

St. Amand. Malrepos.

St. Amand. Nun, sprechen Sie, mein Freund! Was hat's gegeben?
(Malrepos fällt ihm um den Hals.)
Was ist's? Sie sind erschüttert? Wie? Sie weinen?

Malrepos. Daß ich geboren bin! Ich bin der ärgste,
Der schlechteste, verworfenste der Menschen!
Ein Laster gibt es nur, es heißt: der Jähzorn,
Der uns zum Thier, ja unter's Thier erniedrigt,
Den schwachen kleinen Götterfunken tilgt,
Der diesen Erden-Kloß beseelt, und uns
Zum fruchtlos Albernsten: zur Reue zwingt.

St. Amand. Wer war der Mensch? Er hatte Sie beleidigt?

Malrepos. Es ist ein Kerl, so schlecht und so gemein –
Doch ich bin schlechter noch! – so niedern Sinn's,
So ganz verächtlich, innerlich erbärmlich –
Allein ich bin weit schlimmer! – kurz, ein Bursche,
Der die Verdorbenheit der Zeit an sich trägt,
Der letzte aller Menschen – außer mir.

St. Amand. Nun, lassen wir's.

Malrepos.                             Was wird Annette sagen?

St. Amand. Die Mädchen haben kaum bemerkt –

Malrepos.                                                         Celine
Ging, lebensklug, gewandt, so wie sie ist,
Darüber weg, und sprach von andern Dingen.
Annette schwieg; es fiel ihr Blick auf mich,
Voll Mitleids und voll himmlischen Erbarmens –
So blickt ein Engel, wenn er strafen muß.
Ich war zerknirscht, zerschmettert, ja vernichtet.

St. Amand. Genug davon. – Vom Hause, wie gesagt,
Kam jener Brief, den wir erwartet.

Malrepos.                                           So? –
Daß ich mich von dem Menschen reizen ließ!

St. Amand. Die Eltern fühlen sich durch Ihre Werbung
Geehrt, und willigen in die Verbindung
Mit einer meiner Schwestern.

Malrepos.                                   Einer?

St. Amand.                                           Ja.
Denn zwar Celine haben Sie begehrt,
Doch kann sich Ihr Entschluß noch ändern, – denn
Annetten lieben Sie.

Malrepos.                     Was Sie mir sagen!
Ich bete sie wie eine Gottheit an.

St. Amand. Nun, und so wird –

Malrepos.                                 Celine meine Frau.
(Brütend, halb für sich.)
Ich hört' ihn anfangs ruhig sprechen –

St. Amand.                                             Wie?

Malrepos (wie oben).
Allein er reizte mich –

St. Amand.                       Noch immer sind Sie
Beschäftigt mit dem Vorfall! – Hören Sie
Mich an, mein Freund: Sie selbst gestehen ein,
Daß Sie Annetten lieben –

Malrepos.                               O sie ist
Vollkommen!

St. Amand.           Desto besser.

Malrepos.                                 Desto schlimmer!

St. Amand. Wie? Desto schlimmer?

Malrepos.                                     Allerdings, mein Freund.
Weil eine solche Frau am Narrenseil
Mich führen würde, und das taugt mir nicht.

St. Amand. Sie irren, Bester! Meine Schwester ist
So sanft, so unterwürfig –

Malrepos.                               Zugegeben!
Allein was folgt daraus? Ich würde mich
In sie verlieben, sie anbeten müssen,
Und thu' ich das, dann bin ich schon geprellt;
Die Stadt, das Land, ganz Frankreich lacht mich aus.
Es bleibt dabei: ich will Ihr Schwager werden
Durch Eine Ihrer Schwestern, aber nicht
Durch die, die mir zumeist gefällt.

St. Amand.                                       Gut. Wenn
Sie denn entschlossen sind, Celinen heimzuführen,
So bietet sich für Anna eine and're
Verbindung dar; ich werde sie bewegen,
Gleich darauf einzugehen.

Malrepos.                             Thun Sie das.

St. Amand. Es ist ein wack'rer, liebenswerther Mann,
Der sich um sie beworben.

Malrepos.                               Kennt sie ihn?

St. Amand. Ja.

Malrepos.       Kenn' ich ihn?

St. Amand.                           Ich glaube kaum.

Malrepos.                                                       Und sie
Gefällt ihm?

St. Amand.       Er ist ganz von ihr entzückt.

Malrepos. Wird er sie glücklich machen?

St. Amand.                                           Ja, das hoff' ich.

Malrepos. Sie glauben –? Aber solch ein Schritt heischt Vorsicht –

St. Amand. Ganz ohne Sorge! Alles ist bedacht.

Malrepos. Kann man den Freier nicht zu seh'n bekommen?

St. Amand. O, warum nicht? – Es ist, wie schon gesagt,
Ein wackerer, verständ'ger Mann. – Doch gehen
Wir zu den Schwestern.

Malrepos.                           Einen Augenblick! –
Ist denn die Sache weit schon vorgerückt?

St. Amand. Wenn ich's gestehen soll, so gut wie richtig,
Und nur, um Sie zum letzten Mal zu prüfen,
Nannt' ich Annetten, um zu seh'n, ob Sie,
Der seit geraumer Zeit sich für Celine
Erklärt, der eig'nen Wahl auch treu geblieben,
Da nun der Eltern Jawort angelangt.

Malrepos. So gut als richtig!

St. Amand.                         Im Vertrau'n: es sind
Die Schriften aufgesetzt, der Ehvertrag –

Malrepos. Der Ehvertrag?

St. Amand.                       In diesen Tagen, dacht' ich,
Ließe die Trauung sich sogleich vollzieh'n;
Vielleicht am selben Tage Beide –

Malrepos.                                         Trauung?
In diesen Tagen – – ha! Ich bin verrathen.

St. Amand. Wieso?

Malrepos.               Nun, riethen Sie mir nicht, Annetten
Zu wählen?

St. Amand.       Ja. Doch sind Sie and'rer Meinung. Wollen
Sie beide Schwestern heirathen?

Malrepos.                                       Ei, Possen!
Doch hat sich das mit Anna schnell gemacht.

St. Amand. Die Lage meiner Schwestern, die Entfernung
Der Eltern, und zumeist der Mutter –

Malrepos.                                               Freilich!
Sie haben recht gehandelt, klug gethan –
Allein ich bin entsetzlich eifersüchtig.

St. Amand. Auf wen?

Malrepos.                   Auf – auf Annetten.

St. Amand.                                                 Sonderbar!

Malrepos. Ich habe den Gedanken nie gedacht,
Daß je sie eines Andern werden könne!
Das wird, das darf, das soll, das kann nicht sein!
Retten Sie mich, mein Freund, und machen Sie
Rückgängig die Verbindung.

St. Amand.                               Kann ich das?

Malrepos. Ich bitt', ich flehe, ich beschwöre Sie –

St. Amand. Was ist zu thun? Die Sache ging zu weit –

Malrepos. Mein Glück und meine Ruh', mein Leben gilt es.

St. Amand. Je nun, man müßte – aber nein! Es geht nicht.

Malrepos. Was müßte man? O ich beschwöre Sie!

St. Amand. So wünschen Sie denn wirklich Anna's Hand?

Malrepos. Wünschen? Ich habe keinen andern Wunsch!

St. Amand. Versuchen will ich's, einen Tausch zu treffen.
Ich spreche mit dem Mann –

Malrepos.                                   Und wenn er's weigert?
Wer ist der Mann? Wer kann Annetten lieben,
Wer ihren Wert erkennen, außer mir?
O, Sie sind nicht mein Freund, sonst würden Sie
Nicht kalt mich der Verzweiflung überlassen.

St. Amand. Ich helfe gern, doch nennen Sie ein Mittel.

Malrepos. Ein Mittel? Tausend Mittel, wenn Sie wollen.
Wir unterzeichnen gleich den Ehepact,
Wir setzen Anna's Namen statt Celinen,
Wir halten heute Abends noch Verlobung –
Verlobung? Hochzeit.!

St. Amand.                       Hochzeit! Das geht rasch.
Es gibt Formalitäten –

Malrepos.                         Freunde hab' ich,
Die angesehensten von ganz Paris;
Sie dispensiren mich, wovon ich will.
Zudem ist mein Hôtel auch eingerichtet,
Und jede Stunde kann ich es bezieh'n.

St. Amand. Da Ihre Leidenschaft so heftig ist,
Wag' ich den zweifelhaften Schritt. Wohlan,
Sie halten Hochzeit, und der Nebenbuhler
Mag morgen zuseh'n, wie er d'rein sich findet,
Doch hoff' ich, gut, und auch Celine wird
Damit zufrieden sein; Annette ist
Ein sanftes Lamm, das keinen Willen hat.

Malrepos. Ich bin entzückt! Sie sind mein Freund, mein Retter!
Nun ist ja Alles gut! Annette mein –
O, eilen Sie zu Ihren Schwestern! Lassen
Mir zwei Minuten nur, um mich zu sammeln!
Der Augenblick war wichtig für mein Leben,
Es reift, was lange gohr; doch wimmelt noch
In meiner Brust ein Chaos von Gefühlen.
O sagen Sie Celinen, daß ich sie
Hochachte, schätze, – sagen Sie Annetten – –
Nein, sagen Sie ihr nichts. Die nächste Stunde
Wird unser Beider Wohl und Weh' entscheiden.
Sobald ich wieder in dies Zimmer trete,
Seh' ich Annetten an mit andern Augen;
Dann ist sie nicht das reine Bild der Anmuth
Und Sitte, das ich nur von fern verehre;
Sie wird mein Weib sein, nicht mein Ideal!
Ein Wesen, das mit mir verschmelzen muß
Zu einem Ganzen, das ihr Mildes, Zartes
Mit meinem wilden Element verbindet,
Und eh' sich's einigt, bleibt der Kampf nicht aus;
D'rum prüfe sie ihr Inn'res treu und scharf,
Ob solch ein Weib auch solchen Mann bedarf.
(Ab.)

Zehnte Scene.

St. Amand (allein).
Es ist gescheh'n – der Würfel ist gefallen.
Hm! Sonderbar! So sehr ich überzeugt war,
Daß jene Beiden für einander passen,
Und daß er und Celine sich das Leben
Zur Hölle machen würden, bangt mir jetzt,
Da's zur Entscheidung kommt. Wenn ich die Schwester,
Die ich weit über einen Bruder liebe,
In Schmerz und bittern Gram leichtsinnig stürzte? –
Launisch ist Malrepos, jähzornig, heftig,
In einem Alter, wo man schwer sich ändert –
Doch er ist gut; nur freilich ist die Güte
Von allzu rauher Art; sein Herz ist stachlicht,
Und wird das, was er liebt, zumeist verletzen.
Läßt sich in einem solchen Falle rathen?
Annette mag entscheiden. Warnen will ich,
Und nichts von dem verhehlen, was ich fürchte.
Liebt sie ihn wirklich, wie ich fast vermuthe,
Mag sie der Lenker ihres Looses sein,
Und Gutes, Böses tragen, was es bringe.
(Oeffnet die Thüre.)
Anna, Celine, kommt!

Eilfte Scene.

St. Amand. Annette. Celine.

Celine.                             Wir sind schon da.
Sprich, Malrepos ist fort? Was hat's gegeben?

St. Amand. Es setzte Streit mit einem rohen Menschen,
Der ihn beleidigt.

Annette.                   Er war außer sich.

St. Amand. Wie er den Zorn bereut, man mußt' ihn lieben.

Celine. Doch liebt' ich ihn noch mehr, wär' er nicht zornig.

Annette. Bei ihm ist wohl des Zornes Grund die Liebe,
Doch lern' er auch: durch Liebe Zorn besiegen.

St. Amand. Du fühlst, was er besitzt, was ihm gebricht. –
Hört mich, Ihr Lieben! Uns're Eltern sandten
Euch nach Paris, ob sich vielleicht ein Platz
Für Euch im Hofstaat der Monarchin fände;
Denn unser armes Ritterleh'n genügt
Kaum für den Unterhalt der vielen Kinder;
Doch bleibt ein Dienst, wenn auch der Ehren, drückend,
Und besser, als des Hofes Glanz und Schimmer,
Taugt für ein Mädchen passende Vermählung.

Celine. Ich merke was! Des Voglers Pfeifchen tönt!
Es hat sich ein gewisser Freund erklärt –?

St. Amand. So ist's, und uns're Eltern stimmten bei.
Nicht ohne Folgen war die heft'ge Scene;
Sein Schwanken hat er endlich aufgegeben,
Für Eine von Euch Beiden sich entschieden.

Celine. O weh! Ich fürchte sehr –

St. Amand.                                 Und was, Celine?

Celine. Daß die beglückt Unglückliche ich bin.
Ich bin von Allem, was da Mann und Weib heißt,
Das einz'ge Wesen, außer unserm Bruder,
Dem er, nach seiner Art, entgegen kam;
Ja, selbst aus manchem Deiner Winke glaubt' ich
Zu merken, daß die Wahl auf mich gefallen.

St. Amand. Getroffen, liebe Schwester, – doch nur halb:
Er war, um Dich zu werben, erst entschlossen,
Und hat für Anna sich zuletzt erklärt.

Celine. Ah! Gratulire, Schwester, Dir und – mir.

Annette. Für mich?

St. Amand.             Was sagt mein kluges Schwesterchen?

Annette. Für mich? Das überrascht mich.

Celine.                                                   Ei, mich nicht!
Im Grunde gab er immer Dir den Vorzug.

St. Amand. So ist's; doch will er seine Leidenschaft,
Ja, seine Ehrfurcht für Annetten bergen.

Celine. Warum? Aus Geiz; damit er knicken kann
Mit seiner Zärtlichkeit. O diese Egoisten!
Mir soll so einer kommen!

St. Amand.                             Malrepos
Ist anders, Schwester.

Celine.                             Ja, ich weiß! Er ist
Der Aergste nicht; er knurrt wohl, doch er beißt nicht.

St. Amand. Gerad' heraus: der Mann hat viele Fehler;
Es ist ein schroffer, schwieriger Charakter,
Und Lieb' und Nachsicht braucht's, ihn zu behandeln.

Celine. Ein kleiner Beischmack Schärfe kann nicht schaden.

Annette. Vor Euch, vor meinen Freunden und Geschwistern,
Braucht's nicht, mein innerstes Gemüth zu bergen;
So will ich denn gesteh'n, daß dieser Mann,
Seit ich ihn kenne, meinen Antheil weckte.
Er schien mir ein verstimmtes Saitenspiel,
In welchem süße Melodien schliefen,
Wenn eine weiche Hand die Störung heilte.
Sein edles Streben, seinen scharfen Geist
Rühmt Jeder, der ihn kennt; und sein Gemüth
Ist Gold, wenn auch nicht rein, noch ungeläutert,
Von manchen Erden-Schlacken noch umhüllt.
Sein Herz ist einsam, wie der Stern am Himmel,
Und sehnt sich nach dem liebenden Gefährten.
Es wär' ein schönes Loos, ihm geben können,
Was er bedarf! Ihr sprecht von seinen Launen –
Doch Launen sind ja nicht der Mensch, sie sind
Oft nur ein Auswuchs kräftiger Natur,
Und eine Frau muß sie zu tragen wissen. –
So seh' ich's an, und da er mich begehrt,
Du, mein geliebter Bruder, und die Eltern
Beistimmen, ja, beirathen, weis' ich nicht
Den Antrag ab, wenn auch mit leisem Zagen,
Ob ich den edlen Mann beglücken werde.

St. Amand. Indem Du Deine schöne Seele klar
Und offen uns entfaltest, lösest Du
In meiner Brust den letzten bangen Zweifel.
Du kannst es wagen, was von tausend Weibern
Nicht einem Einzigen gelingen würde:
So geb' ich ihm in Deinem Namen denn
Das Jawort, und der Himmel segne!

Celine.                                                 Amen.
Doch bitt ich Euch, macht nicht so viele Worte!
Was ist's denn Großes, einen Mann zu nehmen?
Sagt uns vielmehr: wann soll die Hochzeit sein?

St. Amand. Du mahnst zu rechter Zeit. Aus vielen Gründen
Wünscht' ich die Feier heute noch vollzogen.

Celine. Wie? Heute noch? Wie schaffen wir die Kleider?

St. Amand. Still und geräuschlos wird der Bund geschlossen,
An Festen soll es später uns nicht fehlen.

Zwölfte Scene.

Vorige. Malrepos.

St. Amand. Mein theurer Freund, Glück auf! Wir wurden einig;
Mit diesem Kuß umarm' ich Sie als Schwager.

Malrepos. So haben Sie, Annette, eingewilligt?

Annette. Frei schließt mein Leben an das Ihre sich.

Malrepos. Nun, meine holde Braut! Bald meine Gattin –
(Stürzt zu ihren Füßen.)
Wie überselig macht mich Ihr Besitz!

(Steht rasch auf, als reute ihn der Ausbruch seines Gefühls und ergreift Celinens Hand.)

Verzeiht mir, liebe Schwägerin!

Celine.                                           Herr Schwager!
Ihr habt Euch eine Perle da gewonnen,
Faßt sie auch ein in's reinste Gold der Liebe. –
Doch nun laßt ab von aller weitern Rührung!
Wir haben alle Hände voll zu thun,
Wenn wir noch heute Hochzeit halten wollen,
Und müssen auf das Frühstück selbst verzichten.

St. Amand. Somit verlassen wir Euch jetzt, mein Bester,
Auf kurze Zeit.

Malrepos.               Ich folg' Euch bald.

St. Amand.                                           Lebt wohl!

Malrepos (begleitet sie).
Lebt wohl, und wahrt mir meine schöne Braut,
Bis keines andern Hüters sie bedarf.

(St. Amand, Annette und Celine gehen ab.)

Dreizehnte Scene.

Malrepos. Dann Dubois.

Malrepos (allein).
Wie ist mir denn? Und ist's gewiß? Ist's wirklich?
So rasch, so plötzlich, und so unerwartet!
In meinem Busen mischt sich Lust und Bangen.

Dubois (auftretend).
Herr –

Malrepos.   Lieber Dubois –

Dubois.                                 Draußen steht der Hauswirth;
Wie Sie mich hießen, hab' ich ihm verkündet,
Daß wir sein Haus noch heute Abends räumen.
Nun will er sich bedanken –

Malrepos.                                 Ist nicht nöthig.
Hier, gib ihm das!

Dubois.                     Den ganzen Beutel, Herr?

Malrepos. Ich hafte noch mit einer kleinen Schuld;
Dies hier ist etwas mehr –

Dubois (wiegt den Beutel, im Gehen).   Der Kerl verdient's nicht.

(Wie er die Thüre öffnet, zeigt sich der Hauswirth mit gekrümmtem Rücken.)

Vierzehnte Scene.

Malrepos. Dubois. Der Hauswirth.

Hauswirth. Mein gnädiger Herr –

Dubois.                                       Da ist er! Höre, Freund –
(Spricht leise mit ihm, gibt ihm den Beutel, und deutet auf seinen Herrn.)

Hauswirth (zu Dubois).
Und das soll mir gehören?

Dubois.                                 Alles Dir.

Hauswirth. O welch ein Herr! (Nähert sich Malrepos.)
                                      Mein Allergnädigster –

Dubois. Holla! Zurück!

Hauswirth.                   Mein Gönner –

Malrepos.                                             Bester Hauswirth –

Hauswirth. Darf ich den Rock, die Hände küssen?

Malrepos.                                                             Laßt doch!

Hauswirth. Und jenes ungenoss'ne Frühstück –?

Malrepos.                                                         Könnt Ihr
Verzehren nach Belieben.

Hauswirth.                             Tausend Dank!
Doch so viel Geld!

Malrepos.                   Ich bitt' Euch, nehmt, und schweigt.

Hauswirth. Nein, nein, ich kann es nicht behalten –

Malrepos.                                                             Nehmt doch.

Hauswirth. Es wär' abscheulich –

Malrepos.                                   Nehmt in's Teufels Namen!
(Winkt Dubois unwillig, ihn zu entfernen.)

Dubois (zum Hauswirth).
Komm', Schatz! Es zieht. Das Fenster ist noch offen.

Hauswirth (mit einem Seitenblick nach dem ungeduldigen Malrepos und nach dem Fenster).
Nun, so ersterb' ich denn in Dankbarkeit –

(Eilig ab. Dubois folgt ihm lachend.)

Fünfzehnte Scene.

Malrepos (allein).
Ob es nun Unrecht wäre, diesen Kerl
Nachträglich zu vernichten? O wie ekelt's
Mich dieser niedern, feigen Sclavenseelen!
Er, seines Gleichen helfen mit, die Welt
Zu einem Aufenthalt der Pein zu machen. –
Doch sind das eines Bräutigam's Gedanken?
Wer weiß! – Laß seh'n! Laß Dich nicht überraschen.
Jetzt prüfe Dich, und stelle Dein Betragen –
Noch ist es Zeit! – für alle Zukunft fest. –
Also ein Ehemann – so gut als wär ich's –
Und meinem weisen Vorsatz ungetreu,
Das Weib erwählend, das mir Liebe einflößt.
Verzweifeln würd' ich freilich, wär' Annette
'nes Andern Frau geworden; doch wenn ich
Mich nicht beherrsche, so beherrscht sie mich.
Schwach bin ich, weil ich stark bin, und ich kann
Wohl leicht der Sclave eines Menschen werden.
D'rum gilt es einen männlichen Entschluß:
Behandl' ich sie vom ersten Augenblick
Nicht allzu freundlich, ja, selbst kalt und fremd,
So thu' ich, was mir meine Freiheit sichert,
Was mir vielleicht selbst schmerzlich fällt, allein
Was ungestraft nicht unterbleiben darf.
Sanft ist sie – doch die Stillen sind die Schlimmsten;
Sie, und mein Schwager und die Schwägerin
Sie würden mich am Gängelbande leiten.
Wohl sah ich, wie sie sich verstohlen winkten,
Als ich im Uebermaß der Liebe, ihr
Zu Füßen sank, gleich einem tollen Jüngling.
Nicht zärtlich also und nicht liebevoll,
Nein, ruhig, aber kalt! und heute gleich begonnen,
Denn morgen wär's zu spät. Ich führe sie
In ihre Zimmer: Gute Nacht, Madame –
Die ersten Tage red' ich wenig; zeigt sie
Verdruß und Aerger, sag' ich ihr: Mein Kind,
Ich bin kein Jüngling, halte nichts vom Schönthun,
Man kann sich lieben ohne viele Worte;
Sei klug, und Du wirst glücklich sein. – So sag' ich, –
Und kostet ihr's auch anfangs manche Thräne,
Wird mein Betragen später sie begreifen.
Wenn sie sich duldsam und ergeben zeigt,
Dann will ich sanfter werden, zärtlicher,
Doch nicht zu zärtlich; ahnen soll sie nur,
Nicht wissen, daß sie mir mein Liebstes ist,
Für das ich meines Herzens Blut vergösse. –
So soll es sein: sie bleibe ungewiß,
Ob ich sie liebe, oder nicht. –
Doch hab' ich auch die Kraft, das auszuführen?
Schön ist Annette, lieblich, hold und reizend!
Es weht' ihr Kuß mich an wie Frühlingshauch –
Doch will ich mir's versagen, sie zu küssen,
Bis ich der Meister ihrer Seele bin.
Lerne die Welt von mir, daß Mann und Weib
Kein weichlich buhlerisches Leben führen,
Daß sie ein ernstes Dasein gründen müssen.
Vergaßt Ihr dieses Wort: er soll Dein Herr sein?
Und daraus folgt: daß sie ihm dienen muß.
Hat sie das klar erkannt im tiefsten Herzen,
Und ist sie in mein Wesen aufgelöst,
Dann stürme los, gewalt'ge Leidenschaft:
Süß ist die Liebe im Geleit der Kraft.


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