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Vorbemerkung.

Der vorliegende zweite Band der Komödien von Bäuerle Über Adolf Bäuerle vgl. den 14. Band der »Deutschösterreichischen Klassikerbibliothek«; über die Gattung der Posse vgl. ebenda S. XVlll. bringt drei seiner erfolgreichsten und zugleich auch künstlerisch wertvollsten Possen. Man täte ihnen Unrecht, wenn man sie als Dichtungen, d. h. als Versuche, ein Stück Welt zu gestalten, betrachten wollte. Sie sind nichts und wollen nichts anderes sein als leichtgefügte Possen, die den Zuschauer oder Leser auf ein paar Stunden dem Alltag entrücken und in eine Stimmung harmloser Lustigkeit versetzen; daß sie diese Aufgabe erfüllen, wird ihnen niemand absprechen, der das Lachen noch nicht ganz verlernt hat.

So leichte Ware bedarf keiner Kommentare; aber es ist von Interesse, zu sehen, wie sich die Zeitgenossen zu diesen Erzeugnissen einer immer heiteren Muse stellten. Da scheint es denn nach den erhaltenen Rezensionen, daß »Der Fiaker als Marquis« eine Posse, die sich in ihren besten Szenen zum Sittenstücke vertieft, trotz Ignatz Schusters meisterhafter Darstellung der Hauptrolle nicht gleich bei der ersten Aufführung (10. Februar 1816) durchzudringen vermochte. Der »Sammler«, um diese Zeit ein erbitterter Gegner der »Theaterzeitung« und ihres Herausgebers, brachte nur eine sehr knappe und kühle Notiz, die »Theaterzeitung« aber – Bäuerle pflegte über eigene Stücke natürlich andere berichten zu lassen – schwieg. Nach wenigen Aufführungen aber war der Erfolg schon endgültig entschieden, wie ein ironisches »Gespräch über die Oper ›Der Fiaker als Marquis‹« in der ersten Beilage der »Theaterzeitung« erkennen läßt. Ein Kritiker – man wußte wohl, welcher – wird ertappt, wie er zum fünftenmal in das von ihm verrissene Stück geht, und muß widerwillig zugeben, daß man in dieser Komödie lachen müsse, ob man wolle oder nicht. Auch ein kunstkritischer Einwand wird zu Tage gefördert: der Rezensent tadelt das Auftreten des Tirolers und Bäuerle gibt zu verstehen, daß er diese Figur nur eingefügt habe, um dem beliebten Schauspieler Schonner eine dankbare Rolle zu verschaffen. Am 4. Juli meldet eine Notiz der »Theaterzeitung« mit einem höhnischen Seitenblick auf »die Kabale«, daß das Stück täglich besser gefalle, und dieser Erfolg blieb bis auf Nestroys Zeiten unbestritten.

Das Motiv, daß Kinder durch eine egoistische Amme vertauscht und nach Entdeckung des Frevels in ein Milieu versetzt werden, für das sie geboren, aber nicht erzogen worden sind, hat schon der von Friedrich dem Großen belobte Wiener Dichter Hermann von Ayrenhoff (1773-1819) in seinem Lustspiele »Erziehung macht den Menschen« (1785) behandelt. Während aber Ayrenhoff im Geiste Josef II. einen Ausgleich herbeiführt, zeigt sich Bäuerle als echter Sohn seiner Zeit, indem er alles wieder rückgängig macht und mit einer reinlichen Scheidung von Adel und Bürgertum endet; der Adel ist bei Bäuerle zwar herablassend, sondert sich aber streng vom Bürgertum ab.

Im Gegensatz zum »Fiaker«, der noch der Tradition des allmählich aus der Mode kommenden Sittenstückes Vgl. den 14. Band der »Deutschösterreichischen Klassikerbibliothek«, S. X ff. und den 10. Band S. X ff. angehörte, errang sich »Die falsche Catalani« (auf Verlangen der Zensur in »Die falsche Primadonna« umgetauft), eine reine Posse, sofort die volle Gunst des Publikums. (Erstaufführung am 18. Dezember 1818.) »Wenn es ihm früher noch nicht gelungen wäre, so hätte er sich durch diese letzte Arbeit zum Lustspieldichter promoviert,« rühmt ein Rezensent in der »Wiener Theaterzeitung« (24. Dezember 1818). »Nie getrübter Humor ... Kenntnis des Menschen im allgemeinen und die speziellste Kenntnis der Menschen, für welche er schreibt; ein richtiges Gefühl für das Nonplusultra des Bühnenmäßigen aus dem schlichten Leben, ein durchgreifender ritterlicher Sinn, der es nicht scheut, auch einer grinsenden Larve den Spiegel vorzuhalten: diese Eigenschaften eignen Herrn Bäuerle ganz vorzüglich zum Lustspieldichter.« Die Darstellung scheint eine ganz vorzügliche gewesen zu sein. Sartory stellte einen »klassischen« Rummelpuff auf die Bühne und Katharina Ennökl gewann als Käthchen alle Herzen. Ignatz Schuster, der den Lustig gab, wird eine proteusartige Verwandlungsfähigkeit nachgerühmt. Wie er im Falsett die berühmte Sängerin kopierte, das erregte Lachstürme; auch »ihr herrisches Taktieren mit Blicken aufs Orchester ahmte er so täuschend nach, daß die Wiener vor Beifall zu rasen schienen,« berichtet der Burgschauspieler Costenoble. »Wer die Glieder des Leopoldstädter Theaters in ihrem höchsten Glanze beisammen sehen will, Vgl. über die hier und an anderen Stellen genannten Schauspieler den 4. Band der »Deutschösterreichischen Klassikerbibliothek«, S. VII, sowie die Einleitungen zum 10., 14. und 16. Band. besehe diese Posse.« Auch die Musik, die von dem Träger der Hauptrolle herrührte, gefiel.

Diesmal mußte der »Sammler« bedingungslos in das Lob einstimmen. »Dieses Stück gehört unter diejenigen, welche die Leopoldstädter Bühne zu einer Kunstanstalt adeln.« Beide Blätter verzeichnen, daß Bäuerle mit Enthusiasmus gerufen wurde.

Der Erfolg hielt an. Schon am 22. Jänner 1819 konnte Bäuerle zur 22. Aufführung, seinem Benefiz, einladen und das »für eine einfache Posse« unerhörte Erträgnis von 1600 fl. einstreichen. Eine Parodie »Die echte Primadonna in Hirschau« von Friedrich Wimmer, die am 6. März 1819 im Josefstädter Theater in Szene ging, wurde verächtlich als »etwas für die Hirschauer, nicht für die Wiener«, als »ein Spital für literarische Gebrechen« abgetan. »Die falsche Catalani« verdunkelte sogar den Ruhm der »Bürger in Wien«; so oft von ihr oder ihrem Verfasser die Rede ist, wird sie als die beste Wiener Lokalposse – Bäuerle selbst wollte sie nach den großen Erfolgen auf außerösterreichischen Bühnen nicht als Wiener, sondern als »deutsche Lokalposse« (!) betrachtet wissen – gepriesen und tritt einen Triumphzug über alle deutschen Bühnen an. Noch Nestroy konnte seine »Freiheit in Krähwinkel« ganz auf Bäuerles Stück aufbauen, ein Beweis, wie genau man es noch im Jahre 1848 kannte. Vgl. den 18. Band der »Deutschösterreichischen Klassikerbibliothek«, S. XXII ff.

Der Riesenerfolg erklärt sich vor allem aus der glücklichen Stoffwahl. Er hätte kein dankbareres Thema finden können. Man muß die Zeitungen der Monate Juni und Juli 1818 aufschlagen, etwa die Stimmungsbilder der »Theaterzeitung« oder, noch besser, die humoristischen »Briefe eines Eipeldauers an seinen Herrn Vetter in Kagran«, Vgl. den 14. Band der »Deutschösterreichischen Klassikerbibliothek«, S. VII. um eine Vorstellung davon zu bekommen, welche Siedehitze die Catalani-Begeisterung der Wiener in jenen Tagen erreichte, da sich alles öffentliche Interesse auf Theater und Konzerte konzentrierte. Das große Gefolge der gefeierten Sängerin, die ungeheuren Preise, die sie forderte, ihr erstes Konzert – das alles brachte einen förmlichen Aufruhr in Wien hervor. Es bildeten sich Parteien für und gegen die Catalani und es kam zu Aufregungen, bei denen der wackere Eipeldauer unwillkürlich an jenen weltberühmten Prozeß um des Esels Schatten denken mußte. Als sie gar noch ein Konzert für die Armen gab, das 10 800 fl. eintrug, da eroberte sie sich durch diesen »Schwanengesang« sogar das spröde Herz des Eipeldauers. Das alles spiegelt sich, natürlich zur Karikatur verzerrt, in der Posse. In den Krähwinklern erkannten die Wiener ohne Mühe sich selbst. Seit Kotzebue in seinen »Deutschen Kleinstädtern« (1803) den Typus Krähwinkel geschaffen hatte, war er nicht mehr von den Wiener Bühnen verschwunden. Kotzebue hatte, um nur die bekanntesten Beispiele zu nennen, seine Posse 1809 durch das Stück »Der Gallatag in Krähwinkel« fortgesetzt und der Dramatiker Klingemann dazu wieder eine Fortsetzung »Schill oder das Deklamatorium zu Krähwinkel« (1813 in Wien aufgeführt) geschrieben. Komische »Theaterberichte aus Krähwinkel«, die natürlich Wiener Verhältnisse besprachen, gehörten zu den immer wiederkehrenden Rubriken der »Theaterzeitung«. Nach Bäuerles Stück brach eine solche Flut von Krähwinkliaden herein, Meisl allein schrieb: »Die Aloe im botanischen Garten zu Krähwinkel« und »Die Buschmenschen in Krähwinkel« (beide 1819) und 1823: »Das Gespenst in Krähwinkel«. so daß die Kritik immer wieder mahnen mußte, mit den »–iaden« endlich aufzuhören.

Aber auch eine Einwendung hatte die Kritik zu machen und die ist charakteristischer als alles Lob. »Dem Referenten«, konstatiert der »Sammler« feierlich, »scheint an dem ganzen Stücke lediglich zu tadeln, daß der Verfasser einige zwar sehr witzig gebrachte, aber schon an das politische oder moralische Gebiet streifende Bemerkungen einflocht. Solche Bemerkungen regen notwendig den Ernst an und mindern sohin die Lust; freilich nur in den Augen des Kenners, aber für den soll ja der Dichter schreiben.« Also zu ernst, zu scharf in der Satire Gemeint sind zweifellos die Stellen S. 101, 111, 117 u. 151 ff. dieses Bandes. war den Wienern dieses harmlose Stück! Sie wollten im Lachen nicht durch Anmahnungen an den Ernst des Lebens gestört werden. Die Zensur, welche, wie berichtet wird, die Hälfte aller Einfälle herausgestrichen und die Titeländerung befohlen hatte, war ihnen also noch immer nicht streng genug gewesen. Deutlicher als lange Auseinandersetzungen zeigt diese Zeitstimme, daß weder der Zensur noch der Leichtlebigkeit der Dramatiker allein die Schuld dafür beizumessen ist, daß das Wiener Lustspiel nach so glänzenden Anläufen schließlich aus Mangel an großen Gegenständen verflachen und versanden mußte.

»Die schlimme Lisel« (Erstaufführung am 18. Dezember 1823) fand Dank der glänzenden Darstellung sofort den außerordentlichen Beifall, der dieser ausgezeichneten Charakterstudie auch zukommt. »Wir halten«, rühmt der »Sammler« am 1. Jänner 1824, »es für eines der besten Lokalstücke in einem Akt. Es besitzt eine besondere Wahrheit in der Zeichnung der Charaktere und in den Situationen, so daß derjenige ein großer Sauertopf sein müßte, der darüber nicht lachen könnte. Aber die Aufführung ist auch herrlich. Der Preis gebührt Demoiselle Huber als Schlimme Lisel, die ein so meisterliches Porträt aus der Wirklichkeit gibt, daß man glaubt, man sei bei so einem zanksüchtigen Wesen in der Stube, mit ihr am Tisch. Dabei vergißt sie nicht die wahrhaftigen Züge der Weiblichkeit, besonders als sie Besserung verspricht; und so sehr in den übrigen Szenen gelacht wird – in den letzten weiß sie in der Tat Tränen, wenn auch nur flüchtig, zu entlocken. – Herr Ignatz Schuster als Runzelmann ist klassisch. Man glaubt diesen gutmütigen Polterer schon oft gesehen, man meint ihm im Leben irgendwo begegnet, ihn gesprochen zu haben. Ebenso gut stand Korntheuer, dieser unerschöpfliche Humorist, und die delikate Schauspielerin Demoiselle Ennöckl an ihrem Platze; ersterer Korntheuer war berühmt durch sein ausgezeichnetes Improvisationstalent feuerte einen Vorrat von Lachraketen ab, so daß man nicht Zeit genug hatte, jede mit einem freundlichen ›AH!‹ zu begleiten, und Demoiselle Ennöckl ist in allen Rollen eine so liebliche Erscheinung, daß sie selbst lieblich wäre, wenn sie auch unbedeutendere Rollen als diese darstellte. – So oft dies Stück gegeben wurde, nahm man es immer mit lautem Beifall auf.« Am 11. März kam der »Sammler« noch einmal auf das Stück zu sprechen; er findet den noch immer andauernden Beifall »um so bemerkenswerter, da weder Dekorationen, noch Gesänge, noch Tänze, noch andere Zutaten damit verbunden sind und nur die Ausstattung von Humor und Laune und stets schlagendem Witz, dann die meisterliche Darstellung eine Reihe von 24 Darstellungen erzweckten. Demoiselle Ennöckl hat die Rolle von Demoiselle Huber, welche sich von der Bühne zurückgezogen hat, übernommen. Sie übertraf ihre Vorgängerin sogar noch in der Versöhnungsszene durch Wärme und Innigkeit des Tones.«

»Die schlimme Lisel« hielt sich bis zur Auflösung des Leopoldstädter Ensembles auf dem Repertoire. – Das einzige, woran der moderne Leser Anstoß nehmen könnte, die Unwahrscheinlichkeit einer heimlichen Heirat, fiel damals nicht auf, da man schon daran gewöhnt war, daß die Zensur heimliche Liebschaften häufig in heimliche Heiraten verwandelte, um die Moral zu retten.


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