Ferdinand Avenarius
Der gestiefelte Kater
Ferdinand Avenarius

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Ja, nun war der gute Vater tot, und der dicke Karl hatte die Mühle bekommen und der dünne Friedrich den Esel, aber für den Jüngsten war gar nichts übrig geblieben, als der Kater. Also waren die guten Tage für den Jüngsten, den Hans, vorbei, trübselig saß er nun bei Wasser und Brot. Neben ihm lag der Hinze, und Hans streichelte ihm so übers Fell. »Kater, Kater,« sagte er dazu, »was fang ich jetzt mit dir an? Prügl ich dich, bis du Kunststücke weißt, die man für Geld zeigen kann? Oder laß ich dich so hungern, daß du den Leuten gegen ein Trinkgeld für mich die Ratten fängst? Oder zieh ich dir einfach den Pelz ab und mach mir ein paar Handschuhe draus?« Hans dachte, der Kater verstände das nicht. Verstand er's doch? Das ist gewiß: ein Gesicht schnitt er, als gefielen ihm diese Vorschläge samt und sonders nicht. Und als der Hans fortfuhr: »Man könnte dich ja auch braten als einen Dachhasen,« da fuhr Hinze fix in die Höhe, machte einen großmächtigen Buckel und begann zu niesen, mauzen und fauchen wie . . . ja, wie denn? Der Hans war ganz starr, solche Laute hatte er ja noch nimmer von Hinze gehört! Wie ein Niesen wohl, aber wie ein Menschenniesen! Und jetzt, Tausend ja, wie ein Menschenwort! Und: »Pf . . ., pf . . ., pfui,« fauchte der Hinze, »mi . . . au . . . au . . . mich auch so zu behandeln,« fauchte er, »ich will aber nicht abgebalgt werden und ich will nicht gebraten werden!« Oha, da bekam's der Hans mit der Angst. »Ja, wenn du sprechen kannst, sagte er, »dann nehm ich alles tausendmal zurück!« So bat er den Kater nun gar so schön, doch ja wieder gut zu sein. Hinze war auch nicht verbissen. »Das muß ich ja sagen,« meinte er, »behandelt hast du mich sonst immer anständig, hast mich nicht nach einer Maus springen lassen, und nachher war's ein Bindfadenknaul, und was so Lug und Trug mehr ist.«

»Daß du siehst, wie lieb ich dich habe,« antwortete Hans, »bitt schön, so wünsche dir was!« Dieses nun versöhnte den Hinze doch ganz. »O miaumau, mein Hans,« mauzte er verlegen, »ich hätt wohl schon lange einen großen, großen Wunsch!« Der Hans drauf: »Nun?« Der Hinze wieder: »Ach, es kann ja nicht sein, ich hab's drum tief im Herzen verschlossen.« Der Hans: »Was hast du im Herzen verschlossen?« Da kriecht der Hinze dicht an ihn heran und reibt und schmeichelt ihn gar so weich, und dann flüstert er's: »Ein Paar Stiefel!« Und begeistert wiederholt er's, während sein Auge blitzt: »Ein Paar Stiefel, wer mir die verschaffte, dem wollt ich mein ganzes Leben weihn!«

Habt ihr durchs Fenster gesehen auf dem vorigen Bild? Gut, dann habt ihr ja den Schuster gesehen! Putzig, nicht wahr, daß der gerade vorbeikommen mußte? Sonst wär's dem Hans vielleicht leid geworden: aber nun war die Gelegenheit zu nah. »Meister,« sprach Hans, »macht mir dem Hinze zwei Stiefel, feine, mit gelben Stulpen, wie einem Reitersmann.« Hast du nicht gesehen, war ihm der Kater auf die Schulter gesprungen, und richtig eieit hat er ihm die Backen vor Dank! Und ganz aus dem Häuschen kam er und ward sehr stolz: »Potz Maus, ich bin ja gar kein gewöhnlicher Kater mehr, so ein Kerl, der sprechen kann und Stiefel trägt, so einer wie ich, wie Ich, wie ICH!« Voll Würde setzte er sich auf den Großvaterstuhl: »Messen Sie an, Schuhmacher, messen Sie!« Der wurde vor solcher Katergröße ganz klein, aber Herr Hinze stützte eine Hand herablassend auf des Meisters Stirne und wandte sich zum Müllerssohne: »Hans, mein Freund,« sagte er, »du glaubst doch nicht etwa, du kenntest mich jetzt schon ordentlich? Ich bin immer noch was Feineres, als du denkst! Ich bin ein Ueberkater, Hans, mein Freund, ein ganz verflucht gescheites Kerlchen bin ich, sag ich dir. Ihr Menschen interessiert euch ja im allgemeinen für andere Sachen als wir; hört man euch zu, klingt's ganz annehmbar, aber eine zähe Maus könnt ihr, haha, von keiner saftigen, weichen unterscheiden. Na, drum reden wir euch auch gar nicht erst drein, wenn ihr sprecht, unsereinem lohnt's kaum, menschisch zu lernen. Mir meinerseits ist das so von selbst angeflogen, ich bin eben besonders begabt. Aber was ich sagen wollte: nun sollst du was erleben! Hans, Hänschen, Hansemann, dich mach ich zu etwas Großem! Jedoch folgen mußt du mir, lieber Sohn. Du, ich sage dir, gehorchen mußt du mir – oder ich lasse dich einfach im Stich. Willst du, he, willst du?« Und er sah den Hans so gebieterisch an, wie der Napoleon seine Generäle. Da war denn Hans so verblüfft, daß er ganz demütig sagte: »Ja, das will ich!« »Es ist gut,« sprach Murr, »über das Weitere reden wir.«

 

»I du meine Güte,« meinten die Brüder, »der ist nun ganz verrückt geworden – läßt er dem Kater Stiefel machen!« Und dann hielten sie sich die Leiber vor Vergnügen und lachten, daß die Augen tränten, und dann trockneten sie sich die Backen ab, wurden wieder ernsthaft und hielten dem Hans wieder Reden mit großem Geschrei und schönen Gebärden und sprachen: »Menschenkind, sei doch nur nicht so dumm und behalte dein bißchen Geld!« Währenddem probierte der Kater die Stiefel an und mußte das alles mit anhören. Wütend war er schon, aber doch viel zu stolz, um mit solch verständnisloser Gesellschaft zu reden: ›Wartet nur,‹ dacht er, ›ihr riecht den Braten noch zur Zeit, den ich zurechtmache!‹ Zum Bewundern gut saßen die Stiefel, und blitzblank waren sie geputzt und überhaupt sehr schön, in jeder Hinsicht schön: der Schuster war ganz begeistert davon. Bezahlt haben wollt er sie aber bar. »Lebe wohl, letzter Gulden,« seufzte Hans, als das Silberstücklein aus seiner dunklen Einsamkeit her so nett und rund vom Beutel in seiner Hand blitzte. Sollt er's wirklich ein Stockwerk tiefer in die andere Hand fallen lassen? Sonderbar war ihm schon zumut, denn riskant war die Geschichte. Aber: er hatte das so versprochen und ein anständiger Kerl war er, und also basta und Streusand drauf – da ließ sich gar nichts mehr dran ändern.

Ja, und nun galt es Pläne schmieden. Mit übergeschlagenen Beinen saß Hinze manchmal wohl stundenlang auf der Fußbank, starrte vor sich hin und griff nur dann und wann gedankenvoll nach seinem Schweif, um damit über die Stiefel zu wischen, denn dann spiegelten sie immer noch blitzblanker. Wie ein Zauberspiegel war ihm das, er sah die Dinge dieser Welt darin, und es half ihm beim scharfen Denken. Endlich ward ihm, als hätt er's heraus. Erstens: der König im Land, so viel war klar, der hatte die meiste Macht, den mußt er also für seinen Hans gewinnen. Zweitens: der König hatte die Schwermut. Aber warum hatte er die Schwermut? Drittens: er hatte sie, weil die Rebhühner jetzt so rar waren, daß man gar keine mehr auf dem Markt kriegte, während er doch gerade die Rebhühner so recht von Herzen gern aß. Viertens: es galt also, ihm welche zu verschaffen, denn zum Herzen Seiner Majestät ging der Weg nur über die Leichen von Rebhühnern. Aber, fünftens: wie ließ sich das machen? O weh, o weh, das war ein schweres Stück, und unserm Hinze ward bange in der Brust. Ihr meint, des Fangens wegen? Was denkt ihr, bewahre: wir plumpen Menschen fangen Rebhühner wohl schwer, aber ein Hinze kriegt so was im Spaß zuweg. Nein, das war das Schwere: die Tierlein fangen, aber nicht essen! Schrecklich, entsetzlich sah diese Versuchung den Hinze an. Er trotzte ihr doch. Einen Mehlsack maust er sich und Getreide tat er hinein und eine Schlinge macht er daran und dann zog er sie zu – so konnt er dies schmackhafte Gevögel nachher wenigstens nicht sehn. Also, hofft er, wird's immerhin ein wenig leichter sein, heldenhaft zu widerstehen.

Und Hinze widerstand.

Da seht ihr's ja mit eigenen Augen: Rebhähne und Rebhennen sind noch im Sack, als er ihn vor Seiner Majestät öffnet. Es ist nur nötig, daß Hinze beiseit sieht – sonst schnappt ja doch der Mund in solchen Fällen ganz von selber zu, ohne daß man das mindeste dagegen tun kann. Der alberne Hofnarr will den Hinze zwar mit der Troddel zum Spielen verführen. Das fehlte, einen Mann in seiner Stellung! Loben wir uns den König, dessen Antlitz nichts ist, als Freude und Güte. »O du lieber Herzenskater,« sagt er, »wieviel sympathischer bist du mir, als die dummen Räte dahinten, die mich dreiviertel Stunden lang mit ihren Vorträgen gelangweilt haben! Ruft mir den Koch, auf daß er mir diese Labsal zubereite.« Der Koch hat schon davon läuten gehört; »heisa,« er klatscht in die Hände, »nun weiß ich doch wieder, wozu meine Kunst taugt!« »Du, mein braver Säckelmeister,« spricht Seine Majestät, »gib diesem angenehmen Tiere Geld!« »Wie heißt?« sagt der Säckelmeister, »einem Kater?« Aber es ist befohlen, und so tut er's, Hinze aber steckt's wie ein Trinkgeld ein, denn sein gnädiger Herr, so sagt er, was der Herr Graf von Carabas ist, – natürlich, dem kann er's nicht weitergeben, denn so was würde den doch beleidigen. Der »Herr Graf von Carabas«? – ja wohl, so hat der Hinze gesagt. Da müssen wir nun lachen, nicht wahr, bei dem »Herrn Grafen von Carabas«? – Aber der Hinze blieb dabei: der Herr Graf von Carabas erlaube sich, Seiner Majestät diese Rebhühner ehrfurchtsvoll zu unterbreiten.

Versteht sich, das Geld hat er seinem »Grafen«, nämlich unserm Hans, doch gegeben, und Hans nahm's auch, denn er und der Hinze, das waren jetzt schon so gut wie richtige Kameraden, und wovon sollt er denn leben, der Hans, da ihm doch der dicke Bruder so wenig abgab, wie der dünne? Der Hinze war mittlerweil nicht faul. Das Rebhühnerfangen, das ward ihm ja leicht. Aber auch die Selbstbeherrschung wuchs mit der Uebung. Nur ein-, höchstens zweimal kam's vor, daß er den König König sein ließ und dachte: selber essen macht fett; im allgemeinen lieferte er alles Gefangene pünktlich »im Namen Seiner Gnaden des Herrn Grafen von Carabas« an die Königliche Mundküche ab. Geld gab's ja immer, aber das genügte ihm nicht. Er hatte gedacht, Majestät würden mal fragen: »Was ist denn das eigentlich für ein Graf von Carabas, mein Sohn, der mir immer die Tierchen schickt?« Aber der König hatte so lange gelitten an seiner Schwermut, daß er jetzt wirklich immer ganz außer sich vor Glück war, wenn er das Federvieh sah, und an gar nichts andres dachte, denn diese Vögel waren ja seine Arznei, und mit inniger Freude fühlte er, wie jedesmal beim Essen ein Stück Schwermut mehr von dannen ging. ›Also,‹ dachte Hinz, ›es braucht stärkerer Mittel – aber welcher?‹ Kam ihm der Zufall zu Hilfe. Schwatzt der Hinze einmal nach vollbrachter Kommission in der Küche mit den Frauenzimmern, da wird doch der Kutscher dazukommen und fluchen. »Kruzitürken,« schreit er, »gerade heint wollt ich mal zu nem wackern Männer-Skat, da muß es doch die Prinzessin in der Milz jucken, daß sie ihrem Papa in die Ohren kraut: schön Wetter wär's, ausfahren wollte sie. ›Wohin meinste denn?‹ sagt der Alte. ›An den Waldsee,‹ sagt die Prinzessin. ›Ist drei Stunden weit,‹ drauf der Dicke, ›wir kommen nimmer zum Vesperbrot heim!‹ ›Na,‹ sagt sie, ›so ißt du halt die Forellen vom Waldsee.‹ Ja natürlich, da hatte sie ihn! Also drei Stunden Fahrt heut nach Kaffeezeit an den Waldsee! Und mein Skat? O Kruzitürken, doppelt gesottene noch einmal!«

Ihr seid gescheite Jungen und Mädel, euch schwant nun schon, was geschah. Mein Hinze wie der Wind nach Haus: »Hans, Glückspilz, fix an den Waldsee!« »Sind viel Stunden weit, lieber Hinze,« meint Hans. Aber Hinze ganz bös: »Hast du mir versprochen, daß du folgst, oder nicht, he du? An den Waldsee sag ich, fix!« Nun der Hans hinaus und der Hinz ihm auf den Nacken und ihm beim Marschieren alles erzählt. Kamen die beiden auch eher hin als die goldene Hofkutsche. Jetzt die Kleider ab vom Hans und der Hinze sie genommen und in einen hohlen Baum damit, und der Hans ins Wasser. Holla! kommt da nicht schon der Vorreiter? Wer denn sonst? Also der Hinz umhergelaufen und die Hände gerungen, wie nicht gescheit: »O miaumiaumiaumei, o miau!« Ist der goldene Hofwagen schon da. »Nun höre du mal,« sagt der König zu seiner Tochter, »ist mir das nicht ein Kater?« »Freilich wohl,« meint sie, »so einer wie der mit den Rebhühnern!« »Was?« sagt der König und guckt hinaus. Und er erkennt ihn! »Nu, was haste denn?« ruft er. Nämlich das Weinen konnte er nicht sehen, das machte ihn selber weich. »O miaumiaumiaumiau!« jammert der Hinze. »Nu je ja,« sagt der König, »'s wird ja doch wohl so schlimm nicht sein?« Drauf der Hinze: »O Majestät, soeben hatten gräfliche Gnaden hier gebadet und da, und da . . . Räuber sind gekommen, Majestät, und haben die kostbaren Kleider gestohlen, und nun befinden sich Seine Gnaden ganz nackt und bloß hier am Weidenstrauch im Wasser und schämen sich und werden sich erkälten.« Das ging nun dem guten König nahe. »Daß du mir schnell machst!« rief er zum Vorreiter, »und holst fein-feine Kleider aus dem Schloß!« Dem Hans war sehr genierlich zumut, als aber die Kleider kamen, da ward er vergnügt, denn Blitz ja, die mußten ihn besser kleiden, als abgetragene Müllerkittel! Ich sag es auch ganz im Ernst, der Junge war gar nicht wiederzuerkennen. Wie ein junger Prinz! ›Nun ja,‹ dachte der König, ›da merkt man, er ist schon ein Feiner?‹ Und er lud ihn ein, mitzufahren. Und er, Hans, nahm Platz gegenüber der Prinzessin, und wenn er die ansah, so ward sie rot, und wenn sie ihn ansah, so ward er's. Sprechen tat er gar nichts, und da dachte der König: ›Reich ist er, und fein ist er, und schön ist er, aber gescheit ist er auch, denn er redet keine einzige Dummheit.‹

Aber der Hinze! Ja, was tat er? »Jetzt,« sagt er sich, »Hinze, gilt's!« Vorweg hupft er nur so. Führt er sie über die Grenze ins Zauberland, aber das merkte keiner. Links da sind Holzfäller. »Wem ist der Wald?« fragt Hinze. »Dem großen Zauberer!« heißt's. »So hört mal, mich schickt euer Herr, und das soll ich euch sagen: nennt ihr ihn noch ein einzig Mal so, so macht er euch einfach zu Enten und sticht euch ab. Der Herr Graf von Carabas, hört ihr?, so will der Zauberer, daß man ihn nennt!« Die bekamen einen schönen Schreck! Und als der Hofwagen kam und Majestät fragten: »Wem gehört denn das hier?« – was sollten sie denn sonst antworten als: »Dem Herrn Grafen von Carabas«? »Sieh, sieh,« machte der König dazu und lächelte zu unserem Hans. Und was es nun gab: Wald, Feld, Wiese, Scheuer, Mühle, überall der Hinze vorher mit seiner Pfiffigkeit und überall nachher dem Könige die Antwort: »Gehört dem Herrn Grafen von Carabas«. Der König ward immer netter gegen den Hans, die Prinzessin immer freundlicher. ›Nun, ich muß gestehen,‹ dachten Majestät, ›mag doch die Prinzessin-Tochter liebenswürdig gegen ihn sein, denn als Schwiegersohn wär er mir in der Tat gar nicht so uneben.‹

Rennt also der Hinze-Tausendsassa immer voraus und erschreckt und belehrt die Leute und verliert fast den Atem und hat schon Blase an Blase am Fuß – endlich, da ist der Wald zu Ende. Was steht da? Ein großes weißes Schloß. Gemütlich, allerdings, schaute das nicht sehr aus. Schlangen krochen drum herum, Fledermäuse huschten umher, und wo man hinsah, krabbelte irgend was Unheimliches. Aber großartig vornehm war das Schloß: ganz aus Marmor und selbst der Fußabstreicher von Gold. Also verschnauft der Hinz, trocknet sich den Schweiß ab und richtet sich stolz auf und sagt sich: Mut! Dieses getan, klopft er ganz gelassen an. »Sind seine Hoheit, der große Herr Zauberer, zu sprechen?« Vom Diener läßt er sich anmelden als den Professor Musurius von der Universität zu Schlauberg.

»Hoheit bitten!« sagt der Diener.

 

»Na, Sie komischer Knabe,« ruft der Zauberer Hinzen entgegen, »was Teufel fällt denn Ihnen ein?« Er war nämlich gut gelaunt, denn er hatte eben seine Leibspeise gegessen, Menschenklein mit gebräuntem Alräunchengemüse. »Verzeihen Eure höllische Hoheit,« antwortete Hinze ganz ehrfurchtsvoll unter tiefen, tiefen Katzenbücklingen, »der Ruhm von Höchstdero erhabener Kunst ist weit bis in meine Heimat gedrungen. Und da ich als Professor berufen bin, die Jugend zu unterweisen in schwarzer Kunst, so hab ich mich aufgemacht, um zu schauen und zu fragen, ob Eure Hoheit geruhen würden, mich in diese und jene Weisheit einzuweihen.« »Da, Bester, schneiden Sie sich!« sprach der große Zauberer. Aber ihn kitzelte es doch ein bißchen an der Eitelkeit, daß man so fürchterlich weit weg von dort so viel von ihm hielt. Deshalb ward er nicht grob, wie meistens. »Wenn Sie aber bloß was sehen wollen,« sagt er vielmehr soweit ganz manierlich, »dann will ich Ihnen was zeigen, daß Ihnen Maul und Nase aufstehn.« Er wies nach einer Türe hin: »Vorwärts, da geht's rein in die Zauberbude.« Aber da war's grauslich drin! Seht euch nur um auf unserm Bild, so findet ihr das auch. Viehzeug, so schreckliches, wie es gar nicht gibt, und ein Geripp, das den Hinze annickte, und eine Mumie, die sich gar nicht um ihn scherte, und Gläser mit eingemachten Teufelchen, die gerne raus wollten, und Giftflaschen und Zauberbücher und Sägen und Zirkel und Instrumente. Der große Zauberer setzte sich nun bequemlich auf seinen Großvaterstuhl, ohne dem Kater auch nur einen Schemel anzubieten, machte hähä und spaßte gar nicht nett: »Na, wenn ich dich nun tot machte?« fragte er. »O, dieses,« lächelte Hinze sauersüß, »wäre für Eure Hoheit ja nicht im allermindesten schwer, und daß ich's gestehe: so etwas können die größten der Zauberer in meiner Heimat doch auch. Indessen, die höchste der Leistungen auf diesem Gebiet dürfte das Verwandeln sein, und ganz besonders, infolge der damit verbundenen Schwierigkeiten, doch wohl das Sich-Selber-Verwandeln.«

Kaum hat das der Kater gesagt, tut sich, greulich anzuschauen, das ganze Gemach auseinander und – – . . . ein dicker großer Elefant steht da, stampft mit den Beinen, langt mit dem Rüssel nach unserm Hinze. Wie gut, daß er Stiefel anhatte, denn Hosen hätten's nicht getan, da wäre sein Herz unten durchgefallen. So behielt er's noch bei sich, ja: nicht lange, da hatt er's auch wieder, wo's hingehört. »Bewundernswert,« er bücklingte, »ganz außerordentlich bewunderungswert! Nur . . . allerdings . . .« »Was?« trompetet der Zauberer aus dem Elefantenrüssel her, daß der Hinz bald beiseite geblasen worden wäre, »was? Gibt es da was zu nuren und allerdingsen? Raus mit der Sprache, Frechling, was hast du zu denken gewagt?« »O,« stotterte der Hinze, »o großmächtiger Zauberer, reicht deine Güte wirklich so weit, daß du mir dieses zu sagen erlaubst?« »Raus mit der Sprache, Frechling!« trompetet der Elefant. »So vergib,« flötet Hinze, »die große Torheit meiner Gedanken. Denn siehe, Erhabener, wie sehr sie dich auch bewunderten, so dachten sie doch: Das wenigstens sieht man hier, wo der Menschenkörper des großen Mannes geblieben ist, denn ohne Zweifel steckt er dem Elefanten im Leib. Dahingegen, wenn sich ein Meister dieser Profession verkleinert, wo bleibt sein Menschenkörper alsdann? In meiner Heimat, großer Zauberer, geht die Sage, selbst das sei dir möglich, dich in eine Maus zu verwandeln! Aber unzweifelhaft, das ist ein törichtes Geschwätz, denn sicherlich ist es auch dem Aller- und Allergrößten im Zauberfach schlechterdings versagt, so die Gesetze der Natur zu brechen.«

Kaum hat das der Hinz gesagt, ist der Elefant weg! Aber um ihn, um Hinzen, krabbelt ein Mäuschen. Kaum krabbelt um Hinzen ein Mäuschen, schrupps, hat er's im Maul, und wupps, hat er's runtergeschluckt. Hoho, nun saß der große Zauberer mauseförmig dem Hinze im Magen! Freilich, da konnt er ihm nichts mehr tun!

 

»Miauhee,« schrie der Hinze und macht einen Freudensatz, daß das Gerippe klapperte und selbst die Mumie wackelte, »miauhee, der böse Zauberer ist tot, ich bin der Herr hier, und all ihr gefangenen Geister seid frei!« Jetzo ging's los: die Teufelchen krochen aus den Flaschen und hüpften durchs Schlüsselloch, die Mumie machte sich ihren Gürtel weiter und watschelte zur Türe hinaus, das Geripp stelzte zum Fenster hin, tat es auf, nieste, weil's in die Sonne sah, und ließ sich dann draußen am Blitzableiter hinunter, wie eine Spinne am Faden. Weil aber das Fenster mal auf war, so flogen alle die entzauberten Tiere nun hinaus, und auch das Pferdebein und sonst so die knöchernen Bruchstücke und auch alle die Apparate und zuletzt sogar mit großem Geräusch die Zauberbücher, denn hier hatte ihr Dasein ja weiter keinen Zweck mehr. Warum nicht? Weil der Hofwagen schon nahe war, und dem König hätte das gruselige Zeug doch gewiß nicht gefallen, so wenig wie der Prinzessin-Tochter. Da fuhren die schon in den Schloßhof! Hui, der Hinze Hals über Kopf die Stiegen hinunter. Und zierlichst begrüßt er den König-Papa und die schöne Prinzessin-Hoheit. »Eure allergnädigste Majestät im Schlosse des Herrn Grafen Carabas« – ja, so sagt er ganz gespreizt! – »willkommen zu heißen, erlaube ich mir untertänigst als der Haushofmeister Seiner gräflichen Gnaden.«

Was weiter geschah? Das ist ja so selbstverständlich, daß ihr's euch denken könnt! »Na,« sagte der König, »was meinen Sie, Herr Graf, wollen Sie nicht meine Tochter heiraten?« Freilich wollte der und die Prinzessin mochte den guten Hans natürlich auch. »Aber,« sagte der König, »ich mache eine Bedingung: mich greift das Regieren zu sehr an, deshalb hab ich schon längst daran gedacht, das Geschäft aufzugeben. Wollen Sie also mein lieber Schwiegersohn werden, Herr Graf, so übernehmen Sie's!« Hinze zwinkerte mit den Augen, Hans dachte: ›Mit dem, mit meinem Herzenskater als Oberminister, wird alles gut gehen,‹ und so schlug er ein und wurde nun selber König. Als er Hochzeit machte, trug er schon eine blankgeputzte Krone auf dem Kopfe, und seine Frau Liebste auch eine. Majestät der König Vater ließen sich im Sessel nachtragen, aber Seine Exzellenz der Herr Kanzler Hinze von Mausburg gingen mit dem großmächtigen Ordensstern an des jungen Herrn Königs allerhöchster Seite. Und was sah Herr Hinze von Mausburg da? Ja freilich, die Brüder sah er aus der Mühle! Die machten Gesichter, als sie den neuen König Hans erkannten! Exzellenz Hinze aber strich sich den Schnurrbart, sah sie an und sagte gar nichts weiter als: »Seht ihr wohl!«

Ich weiß nicht genau, wie lange König Hans nachher gelebt und regiert hat, aber erstaunlich lange ist's gewesen. Es ward ihm ganz leicht, und es war eine glückliche, eine gesegnete Zeit fürs Land, denn der Kanzler von Mausburg war ein höchst kluger und war ein charaktervoller Mann und einer, der wußte, wo die Leute der Stiefel drückt. Nur in einer Beziehung war er nicht ganz gerecht: die Hunde, die mocht er nun einmal nicht; ja, einem großen davon allein zu begegnen, war ihm geradezu peinlich. Daher kommt, was ihr auf unserm letzten Bilde seht: als er sein Amt antrat, war sein erster Befehl gewesen, überall die Hundheit ihm aus dem Wege zu jagen: lieber gar nicht sehen mocht er sie.

 


 


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