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Erste Handlung

(Ragusa. Eingang der Marienkirche. Wohlgeordnete Sitze bezeichnen in einer Kapelle den Ort, wo sich der Rat bei feierlicher Gelegenheit versammelt. Ein Bettler mit einem Stelzfuße steht an der Türe. Carofilli, der Weber, tritt ein, sieht sich nach allen Seiten um.)

Bettler: Gewiß, du suchst mich, mir etwas in die Hand zu drücken.

Carofilli (drückt ihm die Hand): Mehr kann ich dir nicht geben, Alter.

Bettler: Der Händedruck ist mehr wert als ein Skudi, den so ein reicher Herr aus Übermut mir reicht und in der Angst, ich möchte ihn mit meiner Hand berühren, mir vor die Füße fallen läßt zur Erde, daß ich gleich einem Hund mir meinen Brocken suchen soll, und soll ihn doch nicht beißen wie ein Hund.

Carofilli: Zehntausend Arten Aussatz nähren sich von solchem reichen Leibe, die Ärzte müssen täglich an ihm flicken, das Beichten nimmt kein Ende; doch halten sie uns armen Leute für vergiftet, weil wir uns nicht das Haar mit Rosenöl gesalbt. Das türkische Rosenöl kommt teuer mir zu stehn! Weil ich die Schatzung zum Tribut der Türken nicht zahlen konnte, haben sie den Webstuhl mir verkauft und mich gezwungen, die schweren Beutel in das Schiff zu tragen. Mit meinem Weberschiffe wußte ich umzugehn, doch nicht auf solchem Seeschiff: ich fiel und habe mir den Arm verstaucht.

Bettler: Bist besser dran als ich. Sie zwangen mich, die Falken für die Spanier im Gebirg zu fangen, die ihnen als Tribut versprochen: da brach ich dieses Bein und ward aus einem rüst'gen Kerl zum Krüppel. Gott weiß, warum er uns verdammt, den Völkern aller Art Tribut zu zahlen, und sind doch edler als sie alle.

Carofilli: Das macht der Handel der Geschlechter, sie wollen überall ihr Wesen treiben, die Freundschaft fremder Völker müssen wir bezahlen. Sie sind mit nichts zufrieden, was das Land gezogen; sie wollen türkische geblümte Zeuge tragen, mit Griechenweine ihre Kehlen netzen. Nur Fremdes gilt. Zieht hin, so ruf ich oft, werdet Türken! wir sind dann aller Sorge ledig und wollen uns schon selbst regieren.

Bettler: Es wird bald alles anders werden, ich spür's in meinem Fuße, mir ist's, als trüg' ich ihn noch unversehrt. Es liegt was Großes in der Luft.

Carofilli: Nun freilich, mit der Luft kam's an, mit gutem Winde, ich mein das Schiff.

Bettler: Was für ein Schiff?

Carofilli: Du sahst doch, daß ich etwas suchte hier.

Bettler: Das Schiff der Kirche? Von der soll's kommen? Die Kirche plündert auch die Armen aus und schont nicht der Reichen.

Carofilli: Nicht doch, das Schiff warf gestern abend Anker, ich weiß nicht, wie es heißt; es brachte den holländischen Gesandten mit der großen blonden Tochter, er geht nach Konstantinopel, und auf dem Schiffe kam auch der Caboga.

Bettler: Marino Caboga?

Carofilli: Ich sucht' ihn hier, denn dies ist seine Kirche, er kauft mir sicher einen andern Webstuhl. Es war mein Spielkamerad, der hielt auf Ordnung, wir folgten ihm, obgleich er keinem zu befehlen hatte; denn keiner von den Seinen unterstützte ihn, ich glaub, sie hätten's gern gesehn, wenn wir ihn totgeschlagen. Ach, würde der Caboga Herzog, da könnte ich in Ruh' mein Handwerk treiben, er würde meine Webereien zu verschiffen wissen.

Bettler: Du bist noch jung, hast noch nicht viel erlebt. Wenn der Caboga erst das rote Kleid hätte angezogen, da könnt' er sich auch nicht mehr rühren; es ist gar eng und warm, die Herzogskrone kühlt das Hirn, er würde den angeerbten Schnupfen nicht mehr los.

Carofilli: Willst du mir noch das bißchen Hoffnung nehmen, so wär's mir recht, wenn alles heut zugrunde ginge, die reiche Stadt mit allem meinem Plunder.

Bettler: Du armer Narr, du denkst, daß Sonn' und Mond mit deinem Webstuhl sollen stille stehn.

Carofilli: Nein, nein, sie mögen dreifach glänzend über uns sich zeigen, denn meine Augen sehen den Caboga! (Procoli und Caboga treten ein.)

Caboga (zu Carofilli): Sieh, Carofilli! ich irre nicht, du bist's!

Carofilli: Ja, lieber Herr, ich weiß nicht, wie ich Euch soll nennen, denn Freud' und Jammer drücken noch das Herz mir ab. O nur ein heimlich Wort, ich schäme mich.

Caboga: Vertrau mir alles. (Er geht mit ihm zur Seite, sie sprechen sachte, und Caboga steckt ihm etwas zu, worauf sich Carofilli mit Bewegungen des Danks entfernt.)

Procoli (zum Bettler): Da, Stelzfuß, hast du deinen Teil von Gottes Segen! So schwere Münzen sind dir wohl lange nicht gefallen. Bete für mich, daß Gottes Segen noch ein paarmal so über mich komme.

Bettler: Dank, Herr! Wie heißt Ihr, Herr? Damit die Heiligen mich verstehn, für wen ich bete.

Procoli: Was? Du kennst mich nicht, den Procoli aus der Venezianerstraße, den sogenannten Vogel Greif von meinem Hauszeichen?

Bettler: Nein, Herr, wir Bettler kennen Euer Haus noch nicht.

Procoli: Überlauf mich künftig nur nicht, ich bringe schon selbst, wenn es gut geht. Also, du betest für Procoli Caboga und auch für den Neffen, Marino Caboga, denn dem danke ich diesen Gewinn.

Bettler: Gern will ich für den Caboga beten. Heil Euch, junger Herr! ich sah Euch als Kind, nun seid Ihr ein großer Kaufmann geworden und habt Euren Oheim reich gemacht.

Caboga: Oheim, Ihr macht mich schamrot, Ihr ehrt den Glückswurf allzu hoch in mir, – da, Alter, hast du auch von mir ein Scherflein, damit ich Anteil habe an deinem Gebete.

Bettler: Ihr schenkt mir, ohne zu sehen, was Ihr aus Eurer Tasche zieht, so nehmt auch etwas aus meinem kleinen Liederkram, wie ich es fasse, wie's das Glück mir in die Hände gibt. (Er reicht ihm ein Blatt und geht nach einer andern Seite der Kirche.)

Caboga: So recht, du hast Ehre im Leibe und willst nichts umsonst annehmen. Ich muß doch sehen, was das Glück mir hat verehrt:

(Er liest) Seh ich aus der feuchten Höhle Meiner Augen in die Welt –

Nein, das paßt wie Faust aufs Auge, will es aufheben auf künftige Tage, heut habe ich zum Weinen keine Zeit. O, ich habe auch meine traurigen und müßigen Tage gehabt, doch nun ist's überwunden, und ich habe mit ernstem Schwure mir angelobt, der Welt zurückzuzahlen, was sie mir verliehen, was aufmunternd und belehrend mich dem Dumpfsinn unglücklicher Jugendgefühle entrissen hat.

Procoli: Ihr sollt keine traurigen, keine müßigen Tage mehr erleben, Ihr sollt für mein Haus reisen, ich lasse Euch einen Anteil am Gewinn. Weiß Gott, ich hätte Euch solche gute Spekulation nicht zugetraut, wie Ihr mir mit den Korallen gemacht habt. Das Doppelte haben die Holländer bezahlt, die Venezianer betrogen mich, wart, wart, ich will sie wieder betrügen.

Caboga: Dank, lieber Oheim, für Euer Anerbieten, aber ich bin nicht geschaffen, es anzunehmen. Den Handel habe ich wohl kennen gelernt auf meiner Reise, aber ich trieb ihn nur als Nebensache, wie ein andrer das Kartenspiel; von meinen Spekulationen führte ich nur die aus, die mir Spaß machten, und sie trugen mir so reichlich ein, daß ich überall mit Glanz auftreten konnte, ohne von meinem Vermögen Euch abzubegehren.

Procoli: Ihr habt unserm Hause überall Ehre gemacht.

Caboga: Es, war mir nicht darum zu tun, ich suchte nur Gelegenheit, alles zu sehen, was die Leute ohne Grund sonst den Fremden verbergen. – Wir könnten viel, viel von den fremden Staaten lernen, viel in Künsten, mehr noch in Einrichtungen und Gesetzen.

Procoli: Ei was! – Ihr meint, hier wäre nicht alles zum besten eingerichtet?

Caboga: Hier? Betrug, Bestechung, Willkür überall, um uns, die wenigen übrigen Geschlechter von denen, die den Staat einst gründeten, statt des ganzen Volkes emporzubringen, in Frevel und Übermut zu schützen; der Herzog immerdar ein trockener Schwamm, der sich in seinem kurzen Regierungsjahre voll saugt. Mein Herz entflammte schon früh in dem Gedanken, das alles zu bessern, aber ich wußte nicht wie! Allmählich habe ich in der Fremde gelernt, wo der Schutz gegen dieses Verderben zu finden, – die Geschlechter müssen sich aufopfern, sie müssen's ihrer eignen Sicherheit wegen nicht anstehen lassen, gegenüber ihnen muß das in himmlischer Gnade verteilte Talent gelten.

Procoli: Stille, sachte, Neffe, daß uns nur keiner hört, es läuft mir ganz kalt über den Rücken, Ihr tragt seltsame Dinge mit Euch herum. Sollen wir das Lumpenpack, das jedem dienbar, der es bezahlt, in den Rat ziehen?

Caboga: Euch danke ich die Freiheit, in der ich mein Vaterland kennen lernte, andre Söhne der Geschlechter werden im Kloster oder in vornehmer Abgeschiedenheit erzogen, Ihr ließet mich umherlaufen, daß ich manche Nacht in der Markthalle schlief; da lernte ich unser gutes, niedergebeugtes Volk kennen, o es ist fromm und gut wie wenige: aber diese Brut fremder Soldaten! die schändet es, denen ist alles erlaubt.

Procoli: Hätte nicht gedacht, daß Ihr auf so etwas acht gegeben, als Ihr gegen meine Ermahnung umherlieft; die Leuten hielten Euch damals für einfältig und schwachköpfig. Eure Handelsspekulationen zeigen Euch ganz anders, aber laßt den Staat gehen, wie er so lange gegangen, es hat auch sein Gutes, zu herrschen, Ihr werdet's erfahren; schwer wird's, das Kleinste der geübten Gewalt aufzugeben.

Caboga: Himmlisch leicht würde mir's, wenn ich durch meine Geburt nicht mitverflochten wäre in diesen Strick, der dem Volke um den Hals gelegt ist. Unsre Härte straft uns selbst, denn ungewiß unserer eignen Rechte sind wir zinsbar aller Gewalt fremder Völker, mitten in unserm Hochmut sind wir nichts als die Schergen fremder Nationen gegen unser eignes Volk: bei verschlossenen Türen müssen wir schwelgen, daß Türken und Venezianer nicht merken, wie wir reich sind. Ihr schweigt – ich habe recht.

(Es kommt Marina verschleiert in die Kirche; als sie Caboga sieht, bleibt sie einen Augenblick wie erschrocken stehen, dann grüßt sie Procoli und geht vorüber.)

Procoli (leise): Sie erkannte ihn, bei allen Teufeln, sie bebte, ich ersticke im bittern Gifte, sie bebte, das Blut spricht noch für ihn, er muß fort auf eine oder die andre Art; verfluchtes Spiel des Zufalls dies Zusammentreffen, er wirft mir die Karten an den Kopf, aber ich will den Tisch umwerfen, daß nur ich in die Kasse greife, wenn die Lichter umstürzen.

Caboga: Oheim, Ihr seid so nachdenklich geworden bei dem Anblick der Jungfrau; wahr ist's, ihre Gestalt trat mir bekannt entgegen, eine edle Gestalt, vielleicht eine der Unsern. Etwa die Procoli von Delphin?

Procoli: Weit gefehlt, mein junger Herr, nichts Edles, aber darum nicht weniger niedlich; das schöne Kind setzt mich beim bloßen Anblick wie ein Blitz in Feuer und Flammen, und ich ärgre mich, daß ich in der Kirche bin. – Kommt Eurem Oheim nicht in die Wildbahn, meine schöne Gärtnerin ist wohlbezahlt. Ihr seht mich an, junger Herr? Auch unsereiner wird geliebt, und meine Gärtnerin kann neben dem Bilde von Raphaels Gärtnerin bestehen.

Caboga: Ihr scherzt; wie strenge habt Ihr mir sonst vorgepredigt, alle höllischen Feuer sollten einst den Buhlern ewiglich durch die Adern laufen.

Procoli: Ihr waret noch zu jung, als Ihr hier die Liebschaft anfingt mit der Tochter des Fischers, Gott weiß, wie sie hieß; auch nahmet Ihr die Sache zu ernsthaft. Das Sprichwort sagt: Jugend schont, Alter lohnt; so habe ich's gemacht, und kein Mensch soll mir die sechzig Jahre ansehen. Habe noch kein weißes Haar auf dem Kopfe, alle Zähne im Munde, kann Nächte verschwärmen und bin doch morgens an meinem Zahltische so wach, daß ich ein schlechtes Geldstück auf zehn Schritte sehe. Jetzt seid Ihr kein Kind mehr, Neffe, das Ammenmärchen von der Hölle habt Ihr, denke ich, ausgeschwitzt, hinter uns und vor uns ist nichts, darum mit vollen Zügen erworben und genossen: seht hier meine Lebensweisheit. Seid aufrichtig, Ihr seid nicht häßlich, die fremden Weiber müssen Euch liebgewonnen haben, beschreibt mir ein paar Eurer Abenteuer, ich höre so etwas gar gern. Sind sie auch schöner wie die Regierungsformen? Sprecht frei von der Leber. (Vor sich.) Ich will ihn dabei zu seiner bebenden Schönen heranführen, sie soll einen doppelten Schreck bekommen, wenn er von seinen liederlichen Streichen loslegt.

Caboga: Ich – ich – soll Euch von Liebschaften erzählen? – Auf Ehre, ich weiß von keiner, viele Weiber habe ich ohne Schleier gesehen, aber ich dachte immer an Marina, so weiß ich nicht mehr, ob sie schön waren; aber klug und tätig waren sie wie keine bei uns, vieles wußten sie zu besorgen, wozu wir hier kaum einsichtige Männer finden, und in ihrer Freiheit schienen sie treuer als unsre Frauen hinter Gitter und Riegel.

Procoli (vor sich): Sie bebte, sie bebte, noch trägt sie die Untreue wie ein unreifes Kind, aber die Zeit wird ihre Sünde reifen. Caboga muß fort. – (Laut.) Eure strengen Grundsätze sind wohl nur Redensarten, die Ihr Euch in der Fremde angewöhnt habt; hier werft sie ab, hier gelten sie nichts, Ihr werdet damit ausgelacht. Die Leute meinen Euch abgelebt und überdrüssig, und Ihr kriegt keine reiche Erbin; wer vielen kann gefallen, der gefällt bald allen; vieljährige Erfahrung macht den Feldherrn und gibt ihm das Zutrauen der Soldaten.

Caboga: Sagt mir, wo Marina wohnt, und Ihr sollt die Freude haben, mich verliebt zu sehen; vergebens fragte ich nach ihr in ihrem Hause, nur fremde Leute sahen mich verwundert an.

Procoli: Marina? – nicht doch! – die Liebschaft könnte wieder zu weit führen; bei Gott, es fehlte nur ein Schritt, Ihr hättet das Mädchen geheiratet und unser Geschlecht auf ewig beschimpft. – Da schickte ich Euch fort, und das Mädchen heiratete einen Morlacken und zog fort – weiß nicht, wohin.

Caboga: Einen Morlacken! Und mir hatte sie im herzzerreißenden Abschied ewige Treue auf ein Kruzifix geschworen. O ich war freilich damals zu jung, zu treu, zu ehrlich, ich glaubte und war selig. Fort mit dem Taumel unreifer Jahre! – ich bin zu ernsterem Geschäfte geboren, alle Gedanken sollen sich in der einen Liebe zum Vaterlande verzweigen und Früchte tragen, mein Herz ringt nach Tätigkeit, nichts und niemand will ich schonen, auch mich nicht.

Procoli (vor sich): Das stürzt ihn, das treibt ihn fort, und sie bleibt mir. (Laut.) Recht so, Neffe, in solcher Stimmung ist eine Bestimmung, Ihr müßt es dem Herzog und dem Rat derb unter die Nase reiben, was Ihr erfahren, sie sollen niesen. Zeigt Euch heute gleich bei Eurer Einführung in den Rat, wes Geistes Kind Ihr seid, der Eindruck verlöscht nicht wieder. So machte ich's auch, als ich eingeführt wurde. Es war ein heißer Tag, und wir gingen damals noch alle in Pelzröcken. Wie ich zum Gruße auftrete, sage ich ihnen, daß ich ihnen nichts Bessers wünschen könnte, als daß sie der Pelzröcke erledigt würden. Das war ein Orakel, ohne abzustimmen warfen alle die Pelzröcke fort und klatschten mir Beifall in Hemdärmeln.

Caboga: Pelzröcke legen sich leichter ab als ungerechtes Gut und Herrschaft; ich möchte noch erst alle Schliche und Ränke der letzten Zeit sammeln, meine alten Freunde sprechen, daß mir kein Einwurf begegnet.

Procoli: Ihr wißt mehr als zuviel, auch habt Ihr nicht Zeit, in Eurer Rede so ins einzelne zu gehen; nur munter drauf, die meisten denken eigentlich wie Ihr, ich sehe Euch schon im Taumel nach Hause getragen, und wie mir die Ratsherren Glück wünschen, daß ich solch einen Neffen habe. (Vor sich.) Der soll anlaufen, wie ein Vogel gegen ein Glasfenster. (Mitrovich kommt eilig, winkt aus der Ferne dem Caboga und tritt zu Procoli.)

Mitrovich: Reicher, edler Herr, ich spreche doch mit dem mächtigen, weltberühmten Procoli von Caboga, dessen goldner Greif alle Meere durchstreift?

Procoli: Kurz, mein guter Mann! ich bin kein Freund von Lobeserhebungen und zahle keinen Pfennig dafür.

Mitrovich: Ich spreche nur, wie mir mein Herr, der smyrnaische Konsul Vandamme vorgesagt, der Eurer vor der Kirche wartet in großer Sehnsucht, weil er von Euch noch alles, was Ihr an Korallen besitzt und verschaffen könnt, ankaufen möchte; in einer Stunde geht ein Schiff nach Holland, die Sache ist dringend und die Zahlung bar.

Procoli: Alle Korallen – bar Geld! – Freund, wenn der Handel gemacht ist, sollt Ihr nicht vergessen werden. Nehmt es nicht übel, werter Neffe, daß ich Euch verlasse, aber die Sache ist wichtig – ich komme wieder, gewiß wird heute noch eine Messe gelesen. (Ab mit Mitrovich, der wieder Caboga heimliche Zeichen macht.)

Caboga. Ich kann den Mitrovich nicht verstehen: hat er sie gefunden, soll sie hier erscheinen, war es erlogen, was mir Procoli von ihr sagte? Wie, ist der Mann verwandelt, oder kannte ich ihn nie? wie schreckte mich sonst sein Ernst, seine Strenge, und doch bewunderte ich ihn darum und buhlte um seinen Beifall. Wie tätig ernst umspannte seine Klugheit die Welt, und jetzt – ein buhlender Tor, der meine Klugheit bewundert, unsicher, verlegen; mit seiner Frau ist ihm sein guter Geist gestorben. Soll ich seinem Rate folgen, schon heute vor den verwöhnten Ohren des Rats die volle, klare, scharfe Wahrheit wie einen Gewittersturm sausen zu lassen? werden sie sich tückisch verschließen, werden sie mich hören? Ich vertraue der Wahrheit, die nicht mein ist, zu der ich ringe und strebe, die, auch im schwächsten Worte mächtig, nie Überdruß erweckt, tausendfach wiederholt, die allein mein Herz befriedigt für alles, was ich liebe und vermisse.

Mitrovich (eilig herbeilaufend zu Caboga): Hast du sie gesprochen, ist sie schon fort? Der Procoli ging in die Falle, er rumpelt mit Kisten und Kasten, das ganze Haus lauft und rennt, der Holländer spielt seine Rolle und tut, als ob er alles kaufen will.

Caboga: Wen soll ich sprechen? Wo? Hier? Marina? Ist sie nicht vermählt?

Mitrovich: Du hast sie nicht gesprochen? Du hast nicht meine Zeichen verstanden? Hast sie nicht erkannt? Vielleicht ist sie in der Kirche, gewiß ging sie an dir vorüber!

Caboga:: Heilige Jungfrau, sie war's! ich fühlte ihre Nähe und wollte meinem Herzen nicht glauben. Er nannte die edle Gestalt sein Liebchen.

Mitrovich: Freilich – freilich – sie wohnt bei ihm, dreifach bewacht; draußen stehen die Morlacken, die sie in Empfang nehmen, wenn sie die Kirche verläßt.

Caboga: Das übermannt mich, dieser Schande bin ich nicht gewachsen, die Schönheit entehrt, die ich ihm Staube verehrte, anbetete, von der ich nichts Unedles mir zu fabeln wagte! Es kann nicht sein, – er mag sie unterstützt, erzogen haben, vielleicht kamen meine Geschenke nicht immer richtig in ihre Hände; er versprach's mir, sie ihr treulich zu übergeben, als ich meine Liebe nach seinen strengen Gründen durch ein paar Jahre Abwesenheit prüfen wollte.

Mitrovich (lachend): Freilich, wer kennt den edlen, keuschen, großmütigen Procoli nicht? Die Mädchen betrachtet er nur wie schöne Bilder aus der rechten Ferne und bläst den Staub davon ab. Aufgeschaut, Ihr seid ein Glückskind, und ich laufe bescheiden in mein Betwinkelchen. (Ab.)

Marina (nähert sich Caboga, erhebt den Schleier einen Augenblick): Caboga!

Caboga: Bei diesem Blick, bei diesem Ruf, du bist noch mein!

Marina: Könntest du meine Freude wägen, dich wiederzusehen, und du wüßtest, wieviel du mir giltst, und was ich dir wert bin! O welchem Jammer hast du mich überlassen, der Gewalt des harten Procoli!

Caboga: Dem Procoli? Mir schaudert, du bist sein?

Marina: Noch widerstand meine Liebe zu dir seiner tollen Glut, aber gefangen bin ich ihm durch Geldschuld, und kein Recht schützt mich gegen ihn. Viele Mörder umgeben mich – sei bedächtig! – begleite mich nicht, ich wäre verloren – bete zu allen Heiligen um Rat, um meinetwillen verzweifle nicht.

Caboga: Sei ruhig, ich bin nicht mehr der unkluge Knabe, der sein Herz im Munde trug, ich kann schweigen, ich kann guten Rat nutzen, die Liebe soll meine Klugheit entzünden; bleibe, erhalte dich mir und vertraue meinem Arm und dem Glück, das uns hier zusammenführte.

Marina:Du kennst nicht mehr Ragusa, kennst noch nicht Procolis Tücke! Ich sehe die Morlacken, wende dich fort, leb wohl, du süßer Freund; wo wir uns wiedersehen, ist der Himmel. (Ab.)

Caboga: Sei meiner gewiß, solange ich atme! – So nahe war sie mir, und ich darf ihr nicht folgen, und wie nach himmlischer Erscheinung liegt die Welt wesenlos und nichtig vor mir offen. Sehnlich und freudig schwelgte meine Seele, doch erhebt sich schon das Ungewitter der Rache über Procolis Haupt. Übermächtiger Zorn, sahst du nicht ihr mildes Augenlicht? Tauche ein in dies himmlische Bad, lösche den glühenden Dolch in ihrer Milde, er lechzt nach Procolis Blut! Diesen Zorn will ich bannen und bändigen, denn Ragusa fordert heute meine Stimme, meine Liebe! Wie viele sind für sein Wohl gestorben und brachen sich los aus den Ketten schmerzlicher und freudiger Verhältnisse. Heute will ich noch reden zu dir, geliebte Vaterstadt, dich mit Vernunft überzeugen. Wer kann sagen, ob es mir morgen noch gewährt ist? Morgen will ich die Meine erretten, und darf ich mich rächen, darf ich ausrasen, so sei es morgen. Heute diene ich dem Vaterlande aus, daß der morgende Tag ganz meine sei; o daß ich erst abgeschlossen hätte mit diesem Tage! Ha, es nahen die Freunde aus Holland, ich kann sie nicht sprechen, jetzt nicht, aber beten will ich und meine Unruhe in die ewige Ruhe versenken. (Ab.)

(Crook, der holländische Gesandte am türkischen Hofe, tritt ein mit seiner Tochter Cornelia.)

Crook: Ich nehme kein Weihwasser, das bin ich meinem reineren Glauben schuldig.

Cornelia: Stellt Euch wenigstens so an, Vater, wir werden uns bei den Türken bald noch mehr verstellen müssen. Ich meine, Caboga kniet dort, es läßt doch gut, diese tiefe Demut in der Kirche.

Crook: Wäre Caboga nur unseres Glaubens, ich hätte nichts gegen eine Heirat mit dir, mein liebes Kind, einzuwenden, die Hochmögenden könnten ihn an diesem Platze mit Nutzen anstellen.

Cornelia: Gnädiger Vater, war meine selige Frau Mutter nicht katholischer Religion, und doch beweinet Ihr noch jetzt ihr Ableben? Und wenn ich aus Gram sterbe, so werdet Ihr mir auch vergebliche Tränen nachweinen.

Crook: Die Seite berühre nicht, liebes Kind, du weißt es, ich bin weichherzig. Gott gebe einen guten Ausgang, und dazu bedarf ich deines Rats und deiner Klugheit.

Cornelia: Ich meine, wir sind auf gutem Wege; der Herzog ging heißhungrig auf das köstliche Schaugericht der Souveränität ein, er fühlt sich mächtig genug, alles noch in diesen Tagen zu erzwingen. Wir bringen die Nachricht nach Konstantinopel – und, lieber Vater, hier tritt mein Plan ein. Schon habe ich dem Herzog eingeredet, wir brauchten Caboga als Vermittler für ihn und uns mit dem Kaiser, wir nehmen Caboga mit uns, wir empfehlen ihn durch Geschenke in Konstantinopel, wir machen die Absichten des Herzogs verdächtig, und der unschuldige Caboga wird durch türkische Macht hier als Herzog eingesetzt; seine Unschuld erntet den Lohn des Verrates, er vollbringt, wovon er so oft uns vorschwärmte, alles, was er seinem Vaterlande zu Glück und Heil wünschte. Sollte er den Dank für so viel Liebestätigkeit mir versagen? Nein, auch in der Höhe und Größe wird er meiner bedürfen.

Crook: Jedes deiner Worte ist mir Überraschung, du treibst mich zu einem Ziele, was ich nicht ahnde; wärst du ein Jüngling, wo fändest du eine Grenze? Das geliebte Vaterland sähe durch dich die Vollendung seiner kühn begründeten Macht.

Cornelia: Seit ich Caboga sah, berührt mich der Schmerz nicht mehr, daß ich eine Jungfrau bin; für mich soll jetzt diese Klugheit wuchern, die Ihr von mir rühmt, die ich sonst für ein unruhiges Volk vergeuden würde, dessen eifersüchtiger Freiheitssinn die glücklichsten Pläne seiner großen Männer wie Spinngewebe in einem unwirschen Augenblicke zerriß.

Crook: Du machst mich zweifelhaft an allem, was die Erfahrung mir in langen Jahren zusicherte.

Cornelia: Was ist Erfahrung? Gewohnheit. Was ist Gewohnheit? Ein sanfter Sieg der Zeit über die Freiheit des ewigen Geistes.

Crook: Ich kann dir nicht so folgen. Still jetzt, der Herzog kommt! Jetzt laß mich auch einmal zu Worte kommen, daß ich nicht als überflüssig neben dir stehe; es ist auch Klugheit, seine Klugheit nicht immer zeigen zu wollen. (Der Herzog kommt und begrüßt sie.)

Herzog: Eure Exzellenz sei uns heute ein willkommener Zuhörer der Ratsversammlung; scheut sich Eure edle Tochter nicht vor der neugierigen Menge?

Cornelia: Mein Vaterland hat mich daran gewöhnt, die Art und Weise fremder Völker reizt mich; ich lerne gern.

Herzog: Ihr werdet hier nichts zu lernen finden, obenein heute, wo die Zeit mit der Einführung des jungen Caboga aufgehen wird. Wann ziehen wir ihn ins Vertrauen?

Crook: Wann? Was meinst du, Cornelia, ist es gut, ihn sogleich ins Vertrauen zu ziehen?

Cornelia: Mein Vater meinte vorher, dazu wäre noch Zeit auf der Fahrt, seine Verschwiegenheit sei noch nicht so geprüft wie sein Geschick zu Geschäften.

Crook: Freilich, so meinte ich.

Herzog: Recht so, Überraschung sichert allein mein Unternehmen; dreihundert Ungarn, die eben müßig bei meinem Landgut vorüberzogen, sind frisch geworben, ich fühle mich übermächtig, kaum kann ich die Stunde erwarten, die alles vereinigt, alles krönt.

Crook: Eile mit Weile, gnädiger Herr. Ein Freistaat, wenn er auch noch so eingerostet ist, hat doch immer noch ein paar tausend blanke Dolche gegen den übrig, der ihn umstürzt, insbesondre gegen den Mitbürger, der sich über alle erheben will.

Cornelia: Die Überraschung hält sie alle in der Scheide; es ist dem Mut gegeben, der Zeit entbehren zu können, und der unwillig übereilten Welt fehlt gegen ihn die Besinnung.

Herzog: Edles Fräulein, Ihr beflügelt mich! – wie sage ich wenig, wenn ich Euch ein Wunder Eures Geschlechts nenne, auch in unserm wäret Ihr ein Wunder, Euer Besitz würde Kronen sichern. Verzeiht mir, wenn der Drang dieser Tage Euch so unvorbereitet die geheimen Wünsche meines Herzens aussagt, Ihr habt mich verstanden, könnt Ihr mir auch gewähren, was mein Herz mit Scheu fordert, – darf ich diese Hand mir für immer zusichern?

Crook: Gnädiger Herr, Ihr habt Cornelia überrascht; gedenkt der Verschiedenheit des Glaubens, der Sitten und Gewohnheiten.

Cornelia: Gnädiger Herr, jetzt dürft Ihr keine Fremde freien, das wisset Ihr zu gut, seid Ihr unumschränktes Haupt der Gesetze, dann fraget Euch, ob eine Fremde nicht das Zutrauen des Volks von Euch abstoße; jetzt aber fordert Euer Unternehmen jedes Nachdenken, jede Sehnsucht, jede Aufmerksamkeit; um unser aller Heil gedenket meiner nicht, hört meinen Rat wie die Stimme eines Buchs, das selbst wesenlos nur die Zeichen eines gescheiten Willens Euch mitteilt.

Herzog: Dies ist der schwerste Rat, den Ihr mir je gegeben; wird meine Geduld ausdauern?

Cornelia: Die Geschäfte dieser Tage werden Euch bald mit ihrem Wirbel mir entreißen. Sieh da, schon naht Euch ein geschäftiger Ratsherr. (Vor sich.) Diesmal war meine oft gerühmte Klugheit seltsam überrascht. (Procoli tritt hastig zum Herzog und zieht ihn beiseite.)

Herzog: Was gibt's, Procoli?

(Crook und Cornelia entfernen sich, indem sie die Bilder der nächsten Kapelle mit dem Anstande von Kunstkennern beschauen.)

Procoli: Gnädiger Herr, ich wollte Euch dringend warnen vor den Holländern, es sind Betrüger. Eben hat einer, der smyrnaische Konsul, mein ganzes Warenlager mit einem Hochmut angesehen, als ob er alles und mehr kaufen wollte – und am Ende sagte er, es sei ihm alles zu schlecht.

Herzog: Nichts weiter? – In einer halben Stunde wird's Euch nicht mehr ärgern, laßt Euch Zeit. Habt Ihr nie umsonst Eure Waren ausgekramt? Der Kaufmann muss sich selbst daran erfreuen.

Procoli: Ihr wißt noch nicht alles, Durchlaucht, der Zorn nimmt mir die Sprache. Während der Holländer mich äffte, hat Caboga, mein verrückter Neffe, der mit ihm einverstanden, mit meiner Geliebten hier in der Kirche gesprochen, einer meiner Morlacken hat's durch die Türritze gesehen.

Herzog: Armer Procoli, haltet inne Eure Schöne, nehmt keinen Wettstreit mit der Jugend auf; Jugend hat ein seltsames Verdienst in Weiberaugen, kein Mensch weiß, worin es liegt.

Procoli: Ich bin auch jung gewesen, aber so wild und töricht wie dieser Neffe habe ich nicht gegen alle Sitten angestürmt. Die Diener des holländischen Gesandten haben ausgesagt, Caboga habe sich mit dessen Tochter Cornelia verlobt – denkt Euch, eine Fremde, eine Ketzerin!

Herzog: Mit Cornelien! (Vor sich.) Kommt daher der kalte Zugwind ihrer Weigerung? – (Laut.) Freilich, dies dürfen die Geschlechter nicht dulden, doch das Ungewisse, noch Ungeschehene, wer kann's richten?

Procoli: Er wird's bald kein Hehl haben, denn seine Frechheit übertrifft noch seine Schändlichkeit. Was ihm einfällt, meint er, habe noch niemand vor ihm gesehen und geraten, nichts ist ihm recht in den weisen Einrichtungen unsres Landes, die ihr Bestehen von der Gewalt der Jahrhunderte erkauft haben; selbst sein eignes Dasein, das ihm so viel Rechte verleiht, ist ihm ein Anstoß; das ganze Volk möchte er zur Mitherrschaft reizen, die es doch nicht zu führen versteht. Das Geld soll nicht die Mühe der Herrschaft lohnen, er möchte, daß wir umsonst Kraft und Zeit hingäben, das alles will er heute beim Eintritt in den Rat verkünden. Gnädiger Herr, laßt ihn vorher in Sicherheit bringen, er macht den Seinen Schande und bringt Gefahr dem Vaterlande.

Herzog: Gefahr! Das Stadtvolk läuft nicht gegen eine Mauer von Eisen, der Weber braucht seine Füße zu notwendig und der Schneider seine Hände; jeder wartet auf den andern, daß er tue, was ihm zu gefährlich scheint. Ich muß ihn kennen lernen, diesen Neffen, ist er so übereilt, wie Ihr ihn schildert, so wird er über seine eigenen Füße fallen. Die Glocken läuten, der Rat versammelt sich, mäßigt Euch und stellt den Neffen uns vor.

(Die Räte versammeln sich, begrüßen den Herzog, der Herrn Crook und seiner Tochter zwei Plätze in der Nähe der Versammlung anweisen läßt. Caboga kommt mit den letzten Ratsherrn aus der Kirche.)

Caboga (vor sich): Der Herr sei gelobt, das schmerzliche Gebet hat Ruhe in mir ausgesät, und mein geliebtes Land soll die gute Saat ernten.

Procoli (zu Caboga): Nun, lieber Neffe, Ihr seid doch bereit mit Eurer Anrede? Wie freue ich mich, daß endlich die Zeit gereift ist, Euch in die Versammlung der Edlen einzuführen. (Zur Versammlung.) Durchlauchtiger Herzog, edle Väter des Vaterlandes, ein edler Zweig unsres edlen Geschlechtsbaumes ist angewachsen zu dem Alter, wo Blüte und Frucht von ihm erwartet werden kann; hier stelle ich Euch meinen Neffen Marino Caboga vor, möge er in die Fußstapfen seines frühverstorbenen löblichen Vaters treten. (Vor sich.) Mag ihm noch heute der Teufel das Genick brechen und ihn zu seinem Vater führen.

Herzog: Marino Caboga ist im goldnen Buche eingetragen (er schlägt das Buch auf), der edle Procoli bezeugt, daß dies Marino Caboga sei. Sei uns willkommen, Caboga! Du hast das Jahr erreicht, dein Eintritt sei unserm Rate ein gutes Zeichen, sage uns den Gruß deiner Ergebenheit.

Cornelia (leise zu Crook): Mir klopft das Herz, da er sprechen soll, ich fürchte, er bleibt stecken.

Caboga: Mit inniger Andacht begrüß ich heute zum ersten Male die Herrscher des geliebten Vaterlandes, und vieles, was ich zu sagen ratsam glaubte, verstummt in mir vor dem ungewohnten Gefühle, einen Kreis zu betreten, gegen den mein Herz manche bittre Klage geführt hat, und dessen Absichten ich doch nur aus dem unglücklichen Erfolge kennen zu lernen Gelegenheit hatte. O ihr werten Mitbürger, wie wünsche ich aus voller Seele, indem ich von heute an eurer Beratung teilnehme, jeden Argwohn widerlegt und in der Gewohnheit, in der Kurzsichtigkeit aller menschlichen Ansichten die Quelle des Verderbens zu finden, das sich mit steigender Gewalt über die ärmeren, arbeitenden, frommen Leute verbreitet, während der steigende Reichtum der Unsern in allen Teilen der Welt sich Niederlassungen und Besitz erwirbt. O ihr werten Mitbürger, mögen wir uns gegenseitig einander würdig finden und einander in Achtung zum Guten befeuern!

Cornelia (leise zu Crook): Welche schöne, aber unkluge Kühnheit! Er stürzt sich ins Verderben.

Procoli (zu Caboga): Das war kurz, Neffe.

Herzog: In Demut traten sonst die Jünglinge, wenn sie den Kinderschuhen entwachsen, in diesen ehrenwerten Kreis; Ihr scheltet uns in Eurer Andacht aus, Ihr nennt Torheit dieser edlen Väter Weisheit. Hat Procoli Euch das gelehrt? Sagt deutlicher, was Ihr an uns bestreitet; der dumpfe Unmut findet alles tadelnswert, nur Weisheit schätzet jedes im Verhältnis zu dem übrigen, zu allem.

Procoli: Mein gnädiger Herr, ich lehrte ihm den Frevel nicht, allein von früher Jugend an empörte er sich gegen jede Zucht.

Caboga: Ihr rühmt noch, Oheim, was Ihr habt an mir gesündigt, verleugnet, was Ihr heute mir geraten habt! – (Zu der Versammlung.) Die Eltern starben mir zu früh, und dieser Procoli, der seine Zucht hier rühmt, verwandte keine Sorge und kein Geld auf mich, obgleich er jene meinem Vater zugeschworen und dieses reichlich überkam als Vormund. So wuchs ich mit den Bettelknaben auf und wanderte durchs Land auf Wegen, die ihr wohl nie betreten habt, ihr edlen Herrn; Unterdrückung, Jammer, blödsinnige Furcht, Verrat, Bestechung, Gewalt der fremden Krieger, Gelderpressung begegneten mir überall. In meiner Einfalt glaubte ich, so sei's in aller Welt; doch war's mein stetes Denken, wie sich mein Vaterland von dieser Schmach befreien lasse. Ein seltsam Schicksal stieß mich auch auf Procolis Geheiß zur Ferne, als ich noch kaum zum Mann gereift. Ich sah den Himmel trüber, die Erde dürr, die Sonne kalt; doch Menschen fand ich frei in Hütten, und keiner war so arm wie unsre Leute, und jeder war des Seinigen gewiß. Sie schauderten, wenn ich von aller Schändlichkeit erzählte, die hier, gedankenlos vollbracht, das eigne Land verdirbt. Ich dachte nach, was uns so schlecht gemacht, bei aller Quälerei und Aufsicht für das öffentliche Wohl. Es liegt in dem allmählichen Vergessen unsres Ursprungs. Schlagt auf die Bücher der Geschichte: die frühen Väter, die den Staat begründeten, sie waren alle wohlbelehrt in strenger Schule allgemeiner Freiheit, ein jedes Wort traf da den Nagel auf den Kopf und förderte den Bau der ganzen Stadt. Da sprach ein jeder, den sein Gewissen trieb, ein jeder nannte sein des Lebens Güter und nannte sein das Land und schützte es in freiem Mut; die großen Staaten schätzten unsern Bund, und unsere Schiffe wirkten öfter zur Entscheidung großer Weltgeschicke. Wir boten keinem Gold, sie lohnten reichlich unsre Hilfe. Doch mit dem Reichtum zog die Sklaverei hier ein, die Reicheren verbanden sich zum Herrschen: erst schien's den Kleinern Wohltat, wieviel Versäumnis wurde nicht erspart. Die Reichen gingen über dieses Landes Schranken gierig im Verkehr hinaus, sie suchten ihren Handel überall zu gründen, sie wurden so die Sklaven aller Welt und rissen so hartherzig auch das Volk in diese Sklaverei, dies Volk, das durch den fremden Handel, fremde Waren im Gewerb erlahmte und verdarb. Und öde ward das Land, der Hafen liegt voll fremder Schiffe, die fremden Krieger plündern in dem Land, die Armen flüchten in die Fremde: nur wir, die kleine Zahl, sind reich. Wir müssen diesen Rat aus unserm ganzen Land erneuern, daß jede Not hier ihren Anwalt findet, nur so erhebt sich wieder unser Staat zu Ehren.

Viele: Stille, stille! – ein jedes Wort Verrat – stoßt ihn aus!

Procoli: Belachenswert ist der tolle Vorschlag; ei, Neffe, Ihr wollt zum Kinderspiel uns brauchen, wir sollen auf dem Kopf gehn, die Beine oben.

Caboga: Belachenswert mein Ernst, mein Glaube? – Ihr Heil'gen, kühlt mein Blut! Habt Ihr mich nicht zum freien Reden bei dem Eintritt in den Rat aufgefordert?

Procoli: Er faselt, ihr kennt mich besser. Verzeiht, ihr Herrn, ich hab's euch nicht voraus verkündet, damit mich nicht der Argwohn mög' umstricken, als trüg' ich Sehnsucht nach Cabogas Gütern. Schon frühe gab er Zeichen wilden Blödsinns, war meines Lebens oft bei ihm nicht sicher, so ließ ich ihn in seiner Freiheit gehn, ob sich das Übel nicht durch körperliche Stärkung heile. Doch schreiben mir die Handelsfreunde, er zeige sich oft wochenlang ganz sinnlos schweigend und könne dann im Reden sich nicht mäßigen. Jetzt ist bei ihm die Redezeit, bald wird die Stille folgen. Auch in der Tollheit ist wohl noch Zusammenhang, doch fehlt der feste Grund, es ist am Ende nur ein leeres Phantasieren; so könnten wir in guter Laune wünschen, daß jeder Bürger von Ragusa täglich zehen Skudi zu verzehren habe, ohne Arbeit, ohne Mühe.

Viele: Das war gut gegeben! (lachend.)

Caboga: Bin ich nicht toll, so macht Ihr mich doch rasend, Oheim, mit Euren Lügen, Eurer Tücke. Wäre mir diese Rache nicht zu gemein, ich möchte diese lustigen Räte fragen, ob es auch leere Phantasie von mir, daß Ihr mein Eigentum, die Jungfrau, raubtet, die Ihr mir versagt, daß Ihr sie zu entehren trachtet? Ha, alter Sünder, sieh deinen Kahlkopf in dem Spiegel; deine sündlichen Gedanken haben keine Jugenddecke mehr, sie liegen offen vor mir.

Procoli (vor sich): Sie hat ihm alles gesagt. (Laut.) Jungfrau? ihr Freunde, hört den Wahnsinn, er nennt sein Eigentum eine Jungfrau; seit ich von seiner eingebildeten Ehre ihm etwas streiche, meint er, daß ich sein Eigentum, die Villa Madonna, schände.

Viele: Sperrt ihn ein, seine Tollheit beschimpft unsre Versammlung vor den Fremden.

Caboga: Mein letztes Wort hört noch, ihr Herren. Hat kein Gefühl im Innern euch verkündet, daß Wahrheit aus mir redete? – Seid ihr verloren diesem himmlischen Berühren, so seid ihr schon vernichtet. (Er deckt mit beiden Händen sein Antlitz.) Dieser Stern, der wie St. Elmos Feuer vor meinen Augen glänzt und auf dem herzoglichen Scepter niedersinkt, er deutet mir ein ernstes Strafgericht des Himmels. Tut Buße aller eurer Sünden, vor Gottes Zorne sinken Städte in den Staub, wie Bau der Kinder in den Sand beim ersten Regen. Ich bin von Sinnen, ja ich fühl's, ich überlebe nicht den Schimpf.

Procoli: Habt ihr den Stern gesehen? Ich sah eine Spinne, die sich von der Decke an dünnen Faden niederließ.

Viele: Das ist sein Gestirn.

Procoli: Wartet doch, bis die Johanniswürmer fliegen, da könnt Ihr den Propheten spielen wie Mahomet.

Caboga: Teufelswurm, du spottest der warnenden himmlischen Zeichen! Wohl bin ich Prophet, weil ich den Mut habe, alles zu sagen, was mit ewiger Gewißheit mich ergreift. Wollte ich auch alles tun, Elender, du würdest vor mir beben.

Procoli (im Begriff, Hand an ihn zu legen): Züchtigen würde ich dich in meiner Angst.

Caboga: Du wagst deine Hand gegen mich zu erheben, und bist in meine Hand gegeben! (Er sticht nach Procoli, Procoli sinkt.)

Procoli: Hilfe! Mord!

Cornelia (halblaut zuflüsternd): Geht, eilt und rettet Euch. Caboga!

Crook (hält sie): Still, still, mein liebes Kind.

Herzog: Ergreifet, haltet ihn, he, Wache! (Die Wache tritt ein.)

Caboga: Tut eure Pflicht und fürchtet mich nicht mehr, die Ehre ist gerettet, die Liebe ist gerächt, Blut ist geflossen; der Leib ist euer, nichts Gutes und nichts Böses mag ich mehr auf Erden tun. Hier nehmet meinen Dolch, hier nehmet meine Hände und bindet sie; faßt euch ein Herz, ihr fremden Krieger, ich töte nicht mit meinen Augen.

Herzog: Tragt Procoli mit Sorgfalt in sein Haus, ihr geht zu Grido, dem Chirurgen, und führet ihn zu Procoli. Ihr, Hitrov, bringt Caboga ins Laurenz-Kastell. (Procoli wird fortgetragen, Caboga geht still und düster, ohne umzublicken, fort.) Ein unglückseliger Tag, der Rat befleckt mit Blut, Blutsfreunde auf den Tod entzweit, es ist, als ob die alte Ordnung sei veraltet und nicht mehr bändigt den gereizten Jugendmut. Der Schrecken hält euch noch gefesselt, ach, der Geschlechter edler Stamm verdorrt in dieser Zwietracht seiner Zweige.

Ratsherr: Er sei erfrischt mit dem Blut des Schuldigen.

Viele: Tod über ihn!

Cornelia (zu ihrem Vater): Vater, unterstützt mich, daß meine Schwachheit niemand kundig werde.

Crook: Mein armes Kind, zieh ein den flücht'gen Duft von meinem Salze, er stärkt das Haupt.

Herzog: Ist keiner, der für ihn um Gnade bittet, der Seinen keiner?

Ratsherr: Sein Sinn, der in der Rede ausgedrückt, sein Wille, der sich in dem Mord gezeigt, sie machen jeder ihn des Todes wert: dies schwöre ich, sein naher Vetter.

Alle: Tod über ihn!

Herzog: Tod über ihn ist euer Wille, doch heimlich sei sein Tod, daß niemand von den Seinen sei dadurch beschimpft. Ich streich ihn aus dem goldnen Buche aus mit schwarzem Kreuz durchs lichte Gold. Vollbringen werde ich des Rates Willen. (Hitrov, ein Morlacke, tritt ein.)

Hitrov: Mein gnäd'ger Herzog, unerhörte Tat beraubt Euch dreier treuen Diener. Das arme Stadtvolk, sonst so scheu vor jedem blanken Säbel, als es erfahren, wir führten den Caboga, hat sich am Markt mit blinder Wut auf uns gestürzt: im ersten Augenblicke war ich fortgeschleudert, die andern dreie wild zertreten, Caboga frei.

Cornelia: Ich atme auf!

Crook: Stille!

Herzog: Wohin hat ihn das Volk entführt? Jetzt schlägt die rechte Stunde auch für mich.

Hitrov: Caboga redete am Markte mit dem Volke und klagte sich des Mordes an und ging freiwillig unterm Weinen alles Volkes den steilen Weg hinauf zu dem Kastell und gab sich dort in die Gefangenschaft der Unsern.

Herzog: Bei Gott, ein seltner Geist, der in dem Frevel zur Bewundrung zwingt. – Ihr Herrn, was ratet ihr zur Sicherung der Stadt?

Ratsherr: Cabogas Todesurteil sei noch heute öffentlich zum Schrecken dieses frechen Volkes an ihm vollstreckt! Ihr seht, daß er auf einer mächtigen Verschwörung sich gestützt, als er mit frecher Rede auftrat zwischen uns. Ein hoch Schafott sei am Kastell errichtet, und alle Krieger unter Waffen, das bricht den Übermut.

Cornelia: Blutdürst'ge Feigheit!

Alle: So sei's beschlossen, so vollbracht: Caboga sterbe heut vor allem Volke.

Herzog: Nach eurer Weisheit werd ich es vollbringen. Es drängt die Zeit, auf Sicherheit zu denken. Ihr seid entlassen, edle Herrn!

(Der Rat zerstreut sich mit Eilfertigkeit.)

Herzog (vor sich): Der Tag begünstigt mich mit jeder Stunde, die flüchtig im Gewirr vorüberrauscht; ganz ohne Aufsehn darf ich jetzt die Krieger sammeln und verteilen, und die Geschlechter fördern ihre Niederlage. (Laut zu Cornelia.) Es tut mir weh die Störung, Ihr seid erschreckt.

Cornelia (zum Herzog): Ich würde vor Euch niederknien, wenn hier kein Zeuge, doch fleh ich Euch bei dem Geheimnis an, das Euch mit naher Hoffnung jetzt erfüllt: errettet den Caboga! Sein Geist ist bessrer Tage wert, die Eure Herrschaft diesem Land wird strahlen.

Herzog: Ihr schmeichelt mir für einen Nebenbuhler, ich weiß es jetzt, warum Ihr meine Hand verschmäht. Ich dürfte ihn aus Eifersucht vernichten, doch meine Liebe überwiegt. Ich lasse ihn durch sichere Leute nach der türk'schen Grenze bringen, wenn Ihr gewährt, wonach mein Herz verlangt, wenn Ihr die Krone teilt mit mir.

Cornelia (leise): Weh mir, hier löset keine Klugheit aus. (Laut.) Was wollt Ihr dann mit mir, wenn alles Euch gelungen? Viel schönre Frauen sind Euch dann im ganzen Land ergeben, die Euern Anhang durch Verwandtschaft mehren.

Herzog: Versteckt Euch nicht, verschwendet nicht Cabogas letzte Augenblicke! Euch selbst, Euch, Eures Geistes Reichtum will ich mir gewinnen, mit Klugheit Eure Klugheit zwingen. Schlagt ein, bekennt Euch überwunden und schämt Euch nicht, es führt uns kein gemeines Schicksal hier zusammen. Ich bilde hier ein Männervolk, Ihr bildet Frauen mit aller Freiheit Rechten.

Cornelia: Mein Vater, darf es sein?

Crook: Ich suche Rat bei dir, die mir so oft geraten. Caboga tut mir leid, als wär's mein Sohn.

Cornelia: Nehmt hin die Hand; wenn erst Caboga frei, die Krone Euer, so bin ich Euch vermählt – nicht eher!

Herzog: So selig treibt mich alles zu dem Ziele, o diese Hand, schon nenne ich sie mein, denn diese Krone kann mir ird'sche Macht nicht mehr entreißen. (Er führt Cornelia und Crook fort.)

Bettler (der bisher in seinem Winkelchen gestanden, tritt vor und deckt die sammetnen Sessel mit Überzügen): Wie quälen und treiben sich die reichen Leute so vergeblich! In meinem Fuße da fühl ich, es reißt sich ein mit scharfem Griffel, alles wird heut noch anders, von Grund auf anders. Und wenn ich's zu aller Welt schreien wollte, so nennte mich alle Welt einen Narren wie den Caboga; darum will ich still sein, es kommt noch alles anders nach Gottes Willen. (Er singt.)

Wacht auf mit innern Sinnen,
Erhebt die Augenlider,
Von denen Tränen rinnen,
Von innen strahlt's hernieder:
In tiefe Kerkernacht,
Unsichtbar Lauernden,
Strahlt frei des Herren Macht
Unschuldig Trauernden.

In Geistes Dämmerungen
Naht euch der Unerreichte,
Hat euer Herz durchdrungen,
Daß Geist vom Geiste leuchte;
In seiner Gnade Macht
Strahlt der Verachtete,
Er hat ans Licht gebracht
Schuldlos Umnachtete.

Ihr hebt die trüben Blicke
Hinauf zu dunklen Fernen,
Sie bauen euch die Brücke
Aus ew'gen Himmelssternen:
Ein jeder Blick zum Herrn
Vom still Erliegenden
Glänzt hell als ew'ger Stern
Am Thron des Siegenden.

Er braucht nicht Menschenhände,
Mit seinen Gnadenworten
Durchbricht er Kerkerwände
Und öffnet Himmelspforten:
Was euch geschieht auf Erden,
Ihr schuldlos Leidenden,
Wird reich vergütigt werden
Euch selig Scheidenden. (Ab.)


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