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Einleitung des Herausgebers.

Am 29. Juni 1831 war der Freiherr vom Stein gestorben, und im September desselben Jahres widmete Arndt seinem großen Freund in der Allgemeinen Zeitung einen Nachruf, der, wie er an Hans von Gagern schrieb, natürlich nur »eine kurze Übersicht der Lebensmomente des ehrwürdigen Heimgegangenen« enthalten konnte, den er aber doch für wert hielt, später als Anhang zu seinen »Erinnerungen« wieder abdrucken zu lassen. Bald nach dem Erscheinen des Nekrologs scheint der Buchhändler Karl Reimer, der Sohn von Arndts altem Freunde, ihn aufgefordert zu haben, eine ausführlichere Lebensbeschreibung Steins zu verfassen, und anfangs mit seinem Vorschlage auch bei Arndt Entgegenkommen gefunden zu haben. Dieser hat, wie er am 16. Januar 1832 an Reimer berichtet, schon mit Steins Töchtern, bei denen auch Bunsen ihn als den berufenen Biographen ihres Vaters in Vorschlag gebracht hatte, gesprochen und ihre Unterstützung erbeten, ja er begann sogar schon einzelnes niederzuschreiben. Bald aber müssen allerlei Bedenken die Oberhand gewonnen haben. Die Aufgabe, »den Menschen und den Staatsmann in den größten und schönsten Momenten seines Lebens zu malen«, reizte Arndt wohl, aber er meinte, »diesen großen Charakter nicht mit matten Farben pinseln zu dürfen, ohne selbst als ein Pinsel oder als ein halber Lügner zu erscheinen,« und fürchtete, daß »ein solches Leben das Licht nicht sehen könne, ohne gewaltiges Geschrei zu machen und ihm vielleicht neue demagogische Umtriebe zuzuziehen.« Kurz, er glaubte die Zeit für eine wahrhafte Lebensbeschreibung Steins, wie er sie plante, noch nicht gekommen und vertröstete Reimer auf später. Inzwischen hatte aber Pertz, der dem Verstorbenen als Herausgeber der Monumenta Germaniae nahegestanden hatte, sich ebenfalls erboten, dessen Lebensgeschichte zu schreiben. Er erhielt von Steins Töchtern dessen schriftlichen Nachlaß und veröffentlichte nach langen Vorarbeiten während der Jahre 1849–55 sein sechsbändiges Werk, das Arndt jedoch nicht befriedigte, denn er fand, »Pertz habe viele zum Teil sehr gewöhnliche Masse gehäuft und auch die Persönlichkeiten meistens nicht im lebendigen Handeln gesehen noch gekannt.« Mittlerweile hatte Arndt 1840 seine »Erinnerungen« erscheinen lassen, worin seine Beziehungen zu Stein, ihr gemeinsamer Aufenthalt in Petersburg, ihre Reise nach Königsberg und ihre weitere unermüdliche Tätigkeit zur Befreiung des Vaterlandes zwar einen breiten Raum einnehmen, aber natürlich nur eine Episode bilden. Damit hatte er jedoch wohl die Absicht, Steins Wirken dem deutschen Volke zu schildern, als erfüllt angesehen, denn als ihn 1849 der Professor Jacob, der im Verlage der Leipziger Firma F. A. Brockhaus eine populärwissenschaftliche Volksbibliothek herauszugeben beabsichtigte, aufforderte, eine volkstümlich verfaßte Lebensbeschreibung Steins dazu beizusteuern, lehnte er seines Alters und anderer Arbeiten wegen ab. Eine Reihe von Jahren verging abermals, bis es endlich Bunsen gelang, durch wiederholte briefliche Verhandlungen, die er durch seinen Sohn Georg mündlich befürworten ließ, den 88jährigen Greis zu bestimmen, seine Erinnerungen an Stein niederzuschreiben. Etwa ein Jahr später, im Januar 1858, konnte Arndt die Vorrede des vollendeten Buches unterzeichnen und es darauf im Juli Bunsen überreichen; ein zweiter unveränderter Abdruck erschien noch in demselben Jahre.

Ebenso wie seine »Erinnerungen« sollten auch die »Wanderungen« Arndt heftige Angriffe, ja noch Schlimmeres eintragen. Seine Erzählung von dem Silberdiebstahl in Öls, der angeblich von dem bayerischen Feldmarschall Wrede begangen sein sollte, zog ihm eine Anklage wegen Beleidigung der bayerischen Armee zu, und da er sich weigerte, vor einem bayerischen Gericht zu erscheinen, wurde er am 6. Dezember 1858 von dem Schwurgericht in Zweibrücken in contumaciam zu zwei Monaten Gefängnis und zu einer Geldstrafe von 50 Gulden verurteilt. Trotzdem hielt Arndt in dem sich daran anschließenden Zeitungsstreit an der Wahrheit seiner Erzählung fest und äußerte die Vermutung, der Raub möge im Februar 1807 begangen worden sein, als die Division Wrede auf dem Durchmarsch nach Polen Öls passierte. Ein Anonymus, angeblich Major Ehrhard, wies in seiner Schrift »Die Beschuldigung Wredes durch E. M. Arndt« (München 1860) nach, daß Wrede damals seine Division gar nicht geführt habe sondern wegen Krankheit in Bayern zurückgeblieben sei, und glaubte damit Arndts Angabe widerlegt zu haben. Seine Argumente wiederholte im wesentlichen Generalmajor Heilmann in seiner Biographie des Fürsten Wrede Leipzig 1880.. Da aber beide Arndts Vermutung über den Zeitpunkt des Raubes als feststehende Tatsache annahmen, ohne den Beweis dafür zu erbringen, daß er wirklich damals stattgefunden habe, so war damit die Unwahrheit der Erzählung, die übrigens lange vor dem Erscheinen des Arndtschen Buches in Schlesien allgemein verbreitet war, nicht erwiesen. Erst Treitschke ist der Nachweis Preußische Jahrbücher, Bd. 48 S. 320, wieder abgedruckt als Beilage 1 zu Bd. 2 seiner »Deutschen Geschichte«. gelungen, daß der Raub im Dezember 1806 begangen wurde, und daß Wrede damals in Bayern weilte, daß er also unmöglich der Täter gewesen sein kann. Auf welche Weise Arndt zu seinem Irrtum gekommen ist, ist nicht zu ermitteln gewesen. Der Bericht macht den Eindruck, als ob er von Stein selbst herstamme und von Arndt nur nacherzählt worden sei, so daß also jenem die Personenverwechselung – denn eine solche scheint vorzuliegen – zur Last fallen würde. Jedenfalls darf man deshalb nicht die Zuverlässigkeit des Arndtschen Buches im allgemeinen in Zweifel ziehen. Es gibt keine Memoiren, die frei wären von ähnlichen Irrtümern und Versehen. Arndts »Wanderungen« werden neben seinen »Erinnerungen« immer zu den wichtigen und wertvollen Quellen für die Zeit der Freiheitskriege gerechnet werden müssen und sind auch von Max Lehmann, dem neuesten Biographen des Freiherrn vom Stein, der uns endlich die abschließende Biographie des großen deutschen Staatsmannes gegeben hat, gern und oft für sein Werk benutzt worden.


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