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Dionysos, Xanthias, beide im Dunkeln tappend. Später der Chor der Eingeweihten
Dionysos: He, Xanthias! Wo bist du, Xanthias?
Xanthias: Juhu!
Dionysos: Komm hierher!
Xanthias: Ah, Gott grüß' euch, Herr!
Dionysos: Was siehst du?
Xanthias: Nichts als Schlamm und Finsternis!
Dionysos: Hast du die Vatermörder und Meineid'gen
      Gesehn, von denen er uns sprach?
Xanthias: Du nicht?
Dionysos gegen das Publikum:
      Ob ich sie hier gesehn? – Ich seh' sie noch!
      Doch sag, was tun wir jetzt?
Xanthias:                                     Wir gehen weiter;
      Da ist der Ort, da kommen, wie er sagte,
      Die wilden Tiere!
Dionysos:                     Der verfluchte Kerl
      Hat aufgeschnitten, um mir angst zu machen,
      Aus purem Neid! Er weiß, wie keck ich bin!
      »So stolz ist nichts auf Erden« wie Herakles!
      Ich wünschte sehr, es käm' etwas, ich fände
      Hier einen Strauß, der diese Fahrt verlohnt.
Xanthias: Bei Gott, ich höre was – es schnaubt daher!
Dionysos: Wo, wo?
Dionysos: Geh du hinter mich!
Xanthias: Nein, vornen!
Dionysos: Vornen? Geh du nur voraus!
Xanthias: Zeus steh' uns bei, ich seh' ein Ungeheuer!
Dionysos: Wie sieht's denn aus?
Xanthias:                                     O Graus! Bald so, bald so;
      Ein Ochse, jetzt ein Maultier, jetzt ein Weib: –
      Wie reizend –
Dionysos: Wo? Da geh' ich gleich drauf los!
Xanthias: Verschwunden ist das Weib, jetzt ist's ein Hund!
Dionysos: Ha, die Empuse?
Xanthias:                             Wirklich! – Ihr Gesicht
      Ist feuerrot!
Dionysos: Und ehern auch ihr Bein!
Xanthias: Beim Teufel, und das zweite Eselsmist,
      So wahr ich leb'!
Dionysos: Wo soll ich hin?
Xanthias: Und ich?
Dionysos geht auf den Dionysospriester zu, der vorn auf seinem Ehrenplatz unter den Zuschauern sitzt, und versteckt sich hinter ihm
Dionysos: Mein Priester, hilf! Wir zechen dann zusammen!
Xanthias: Wir sind verloren, o Herakles!
Dionysos:                                                     Still!
      Hör, Mensch, ich bitt' dich, sag den Namen nicht!
Xanthias: Dionysos also!
Dionysos:                           Den noch weniger!
Will fort
Xanthias: Bleib da! Hieher, mein lieber Herr, hieher!
Dionysos: Was gibt's?
Xanthias:                     Sei ruhig; alles ist schon gut!
      Wir können sprechen wie Hegelochos:
»Nach Sturm und Wellen seh' ich Sonnenschwein!«
      Fort ist das Scheusal!
Dionysos: Schwöre drauf!
Xanthias: Beim Zeus!
Dionysos: Noch mal!
Xanthias: Bei Zeus!
Dionysos: Zum drittenmal!
Xanthias: Bei Zeus!
Dionysos kommt wieder hinter dem Priester hervor
Dionysos: Das war ein Schreck! Ich wurde leichenblaß, –
Auf den Priester zeigend
      Und der vor Angst wie ein gesottner Krebs!
      »Weh, weh! Wie flog dies Ungemach mir zu?
      Und wer der Götter sucht mich zu verderben?
      Du, Zeus' Behausung, Äther, – Fuß der Zeit?«
Flötenspiel hinter der Szene
Xanthias: Herr, Herr!
Dionysos: Was gibt's?
Xanthias: Hast du vernommen?
Dionysos: Was?
Xanthias: Den Flötenhauch?
Dionysos:                             Jawohl, von Fackeln auch
      Umweht ein Lüftchen mich, gewaltig mystisch;
      Komm, duck dich hier und laß uns heimlich lauschen!
Verstecken sich. Chor der Eingeweihten tritt auf
Chor: Iakchos, Iakchos,
      Heil, Iakchos!
Xanthias leise:
      Das sind sie, Herr, das sind die Eingeweihten,
      Die er genannt: die machen hier sich lustig
      Und singen trotz Diagoras: ›Iakchos!‹
Dionysos: Ich glaub' es selbst! Am besten ist's, wir halten
      Uns still, um alles recht mit anzusehn.
 Chor: Iakchos, der du im ehrenreichen
      Heiligtum hier wohnest,
      Iakchos, Iakchos!
      Komm hieher auf die Wiese zum Chortanz,
      Zum Festschwarm deiner Geweihten:
      Laß den üppigen, beerenreichen
      Myrtenkranz, dein Haupt umschwellend,
      Duftig sich schütteln!
      Stampfe den Takt mit keckem Fuß
      Zur ungezügelten, wonnetrunknen,
      Neckischen Feier!
      Tanz ihn mit, den holdseligen,
      Anmutreichen, dreimalheil'gen
      Mystischen Reigen!
Xanthias wie oben:
      Persephone, du Heil'ge, Benedeite,
      Wie mystisch duftet hier das Schweinefleisch!
Dionysos: Sei still, dann kriegst du auch vielleicht ein Würstchen!
Chor: Aufflammen laß die blitzenden
      Fackeln! Ja, du kommst, o Iakchos,
      Und schwingst sie in Händen,
      Beim nächtlichen Fest der Morgenstern!
      Von Lichtern funkelt der Anger,
      Greisen selbst regt sich das Knie,
      Und sie schütteln der Sorgen
      Und der bleichenden Jahre Last
      Vom Haupte, verjüngt
      Durch die heilige Festlust!
      Aber du, o Seliger,
      Leuchte voran mit der Fackel
      Glänzendem Leitstern
      Zum blumig betauten Gefild
      Dem schwebenden Jünglingsreigen!
Chorführer: In Andacht schweig' und halte sich fern von unsern geheiligten Chören,
      Wer Lai' in solchem Geheimnis ist und ungeläuterten Sinnes,
Wer nie die Orgien der Musen gesehn, noch mitgetanzt ihren Reigen,
      Wen noch zum Bakchanten Kratinos nicht, der Stierauffresser, geweiht hat,
      Wer je an niedrigen Possen sich labt, die zur Unzeit einer gerissen,
      Wer nie sich bemüht, den Hader im Volk zu dämpfen, ein Unhold den Bürgern,
      Wer Zwietracht sät und das Feuer schürt, nur bedacht auf eigenen Vorteil,
      Wer, ein Lenker des Staats, wenn er schwankt im Sturm, sich gewinnen läßt durch Bestechung,
      Wer ein Schiff, eine Festung den Feinden verrät und schmuggelt verbotene Waren
      Aus Aigina hinaus, wie Thorykion, der schuftige Zehntenerheber,
      Und Lederwerk und Leinwand und Teer dem Feind schickt gen Epidauros,
      Wer Geld an die feindliche Flotte will zu zahlen die andern bereden,
      Wer gottlos Hekates Bild beschmeißt, ein erhabener kyklischer Dichter,
      Wer, ein Redner, abzuzwacken versucht dem Dichter den Sold, den verdienten,
      Weil ihn durchgenommen am bakchischen Fest mit üblichem Spott die Komödie:
      Euch allen sag' ich's zum erstenmal, zum zweiten- und drittenmal sag' ich's:
      Hebt all' euch hinweg vor dem mystischen Chor! Ihr andern beginnt die Gesänge,
      Beginnt die heilige Feier der Nacht, geziemend dem Fest der Geweihten!
Chorgesang: Nun wandle jeder mit männlichem Schritt
      Zu den blumigen Wiesengründen
      In des Hades Räumen, und stampfe vergnügt
      Mit Scherzen und neckischen Possen!
      Gefrühstückt habt ihr ja alle gut.
      Wohlan denn, erhebet der Göttin,
Der Rettenden, heiligen Festgesang,
      Die allweg Gedeihen der Stadt verheißt,
      Und wollt' auch Thorykion es hindern!
Chorführer: Stimmt an jetzt Hymnen von anderem Klang! Die früchtespendende Göttin,
      Demeter, die Hohe, verherrlichet laut in festlich begeisterten Liedern!
Chorgesang: Demeter, heil'ger Orgien
      Obwalterin, o steh uns bei
      Und schirme selber deinen Chor!
      Laß ungestört den ganzen Tag
      Uns spielen, singen, tanzen,
      Und Spaß und Ernst, wie's eben kommt,
      Laß walten in der Rede Fluß,
      Und wenn ich würdig deines Fests
      Gescherzt, gelacht, gespottet, dann
      Laß mich den Siegskranz schmücken!
Chorführer: Wohlauf, den blühenden Gott nun auch,
      Rufet ihn, rufet hieher ihn
      Mit Liedern, daß er Genosse sei
      Des fröhlichen Reigentanzes!
Einzelne: Iakchos, Ehrengekrönter, Erfinder
      Des fröhlichen Festlieds, komm und begleit' uns
      Hin zur Göttin und eile – du kannst es –
      Her zu uns aus weitester Ferne!
Alle: Iakchos, geleite mich, Schirmer der Chöre!
Einzelne: Zerrissen hast du ja, ärmlich und spöttisch
      Anzuschaun, meine Chorsandälchen
      Und dieses Bettelkleid!
      Du nur verschaffst uns die Wonne, frei
      Und wohlfeil zu scherzen, zu springen!
Alle: Iakchos, geleite mich, Schirmer der Chöre!
Einzelne: Ja, und da hab' ich auch, eben links
      Nach dem Dirnchen schielend, dem hübschen Gesicht,
      Der flinken Tänzerin gucken gesehn
      Aus dem lumpigen Jäckchen ein Brüstchen!
Alle: Iakchos, geleite mich, Schirmer der Chöre!
Xanthias: Ich bin ohnedies das Begleiten gewöhnt, und möchte wohl gern mit dem Dirnchen
      Ein Tänzchen machen und springen!
Dionysos: Auch ich!
Einzelne: Ist's euch genehm, so laßt uns zusammen
      Jetzt spotten des Archedemos,
      Der sich im siebten Jahr kein Bürgerrecht erzahnt.
      Doch ist er der Mann des Volkes
      Jetzt bei den Toten droben,
      Der Hahn im Korbe dort bei all dem Lumpenpack!
      Von Kleisthenes aber hör' ich:
      Er sitzt am Grab und rupft
      Sich bloß den Bloßen und zerfetzt die Backen sich,
      Schlägt sich, zusammengekauert,
      Und heult und schreit um Sebinos,
      Den reizenden Manustuprier!
      Von Kallias dort vernahm ich,
Nach ihm auf das Amphitheater zeigend
      Dem Hurensohn, er diene
      Zur See und trag' als Löwenhaut – ein Schamfell!
Dionysos: Ihr könnt vielleicht uns sagen,
      Wo Pluton hier zu finden,
      Denn Fremde sind wir, die soeben angelangt!
Chorführer: Du brauchst nicht weit zu gehen
      Und weiter nicht zu fragen,
      Denn grad vor seiner Tür, mein Bester, stehst du eben.
Dionysos zu Xanthias:
      Nun denn, Gesell, so pack nur wieder auf!
Xanthias: Der Pack! – Die alte Leier stets,
      Wie mit »Korinthos dort, dem Sohn des Zeus!«
Chorführer: Kommt in der Göttin heil'ges Rund,
      In den blumigen Hain und scherzt,
      Ihr all', des gottgefälligen Festes
      Traute Genossen!
      Mit diesen Mägdlein will ich ziehn,
Mit diesen Frau'n, und der Göttinnen
      Nachtfeier begehn und tragen
      Die heilige Fackel!
Chorgesang: So laßt uns auf die Rosenau'n,
      Die Blumenwiesen wallen
      Und scherzen nach altem Brauch
      In lieblichem Reigentanz,
      Zu dem uns die Parzen,
      Die sel'gen, vereint!
      Denn uns allein bescheint der Tag
      Und heitre Sonnenhelle,
      Nur uns, die Geweihten, die
      Immerdar frommen Brauch
      Geübt an den Fremden
      Und Bürgern der Stadt!