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Georg Forster

Nachricht von unserem Aufenthalt auf den Sozietätsinseln · Von den Sozietätsinseln nach den Freundschaftsinseln · Besuch auf der Osterinsel · Zweiter Aufenthalt auf den Sozietätsinseln · Die Entdeckung der Neuen Hebridischen Inseln

Nachricht von unserm Aufenthalt auf den Sozietätsinseln

Der Wind, mit welchem wir von Tahiti segelten, ward nach Untergang der Sonne frischer und beschleunigte unsre Entfernung von dieser glücklichen Insel, die wir jedoch beim Mondenlicht noch immer sehen konnten.

Am folgenden Tage, dem 2. September um elf Uhr, erblickten wir die Insel Huaheine, die ohngefähr fünfundzwanzig Seemeilen weit von Tahiti liegt und von Kapitän Cook am 11. Juli 1769 entdeckt wurde.

Bei Untergang der Sonne legten wir zwei Seemeilen von Huaheine bei, gingen am folgenden Morgen um vier Uhr um das Nordende dieser Insel herum und steuerten sodann dem Hafen O-Wharre zu.

Es gibt zwei Einfahrten in den Hafen O-Wharre, in deren südlichste wir einzulaufen gedachten; und da uns eben ein starker Wind vom Lande her entgegenblies, so hatten unsere Seeleute Gelegenheit, ihre Kunst zu versuchen, um sich dagegen hineinzuarbeiten. Der Eingang ist ohngefähr fünf- bis sechshundert Schritt lang und zwischen den beiden Felsenriffen kaum dreihundert Fuß breit; gleichwohl machte unser Schiffsvolk in dieser engen und gefährlichen Durchfahrt mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit sechs bis sieben Seitenwendungen, deren jede nur ohngefähr zwei oder drei Minuten dauerte. Wir waren noch nicht ganz hindurch, als die »Adventure«, die hinter uns her segelte, beim Umwenden dem einen Riff zu nahe kam und unglücklicherweise mit der Seite an dem Korallenfelsen sitzenblieb. Wir konnten ihr in diesem Augenblick nicht gleich Hilfe leisten, weil wir selbst alle Hände voll zu tun hatten, um unser eigenes Schiff glücklich durchzubringen. Sobald wir aber vor Anker gekommen waren, welches nicht lange anstand, schickten wir unsere Boote ab und ließen sie in den Hafen hereinbugsieren. Sie hatte keinen Schaden gelitten, sondern war so gut davongekommen als unser Schiff bei Teiarrabu, woselbst es ehemals auch auf den Grund geraten war.

Das Land sah hier ebenso aus als zu Tahiti, nur waren die Gegenden und Aussichten alle nach einem kleineren Maßstabe als dort, denn die ganze Insel hat nur ohngefähr sechs bis acht Seemeilen im Umkreise. Es gibt folglich nirgends große Ebenen, auch nur selten dergleichen kleine, sanfte Anhöhen, als man zu Tahiti vor den höheren, landeinwärts gelegenen Bergen findet, welche letzteren hier zu Huaheine unmittelbar bis auf die Ebenen reichen. Im ganzen fehlt es indessen keineswegs an schönen Stellen, nur daß sie durchgängig von geringem Umfang sind. Außerhalb des Riffs kam uns nicht ein einziges Kanu entgegen, wir waren aber kaum vor Anker gegangen, als sich verschiedene mit Kokosnüssen, Brotfrucht und großen Hühnern einfanden. Der Anblick von Hühnern war uns besonders angenehm, denn zu Tahiti hatten wir nur ein einziges Paar auftreiben können, so sehr war die Insel durch die vorigen Seefahrer davon entblößt worden. Das Volk redete dieselbe Sprache, war ebenso gebildet und auch ebenso gekleidet als die Leute auf Tahiti, aber von Frauenspersonen kam nicht eine einzige zum Vorschein. Im Handel gingen sie sehr ehrlich zu Werke, und in kurzer Zeit hatten wir für Nägel und Korallen ein Dutzend großer Hühner von vortrefflichem Gefieder eingekauft.

Gegen elf Uhr verfügten sich die Kapitäne ans Land nach einem Wetterdache hin, das bis auf die Erde herabreichte, um ein großes doppeltes Kanu zu schützen, welches unter demselben aufs Trockne gezogen war. Hier stellten sie jemanden an, um mit den Einwohnern Handel zu treiben, und dieser ging so gut vonstatten, daß wir, noch ehe es Abend war, schon zwanzig Schweine und ohngefähr ein Dutzend Hunde gegen große Nägel und kleine Beile beisammen hatten. Die Hunde waren das dümmste Vieh ihrer Art, wurden aber von den Einwohnern unter allem Fleischwerk für das schmackhafteste gehalten.

Beim ersten Ausgange stießen uns zwei Pflanzen auf, die wir noch nie gesehen hatten, auch fanden wir, daß die Brotfruchtbäume hier schon junge Früchte, so groß als kleine Äpfel, angesetzt hatten, doch gehörten nach Aussage der Einwohner wohl noch vier Monate Zeit dazu, bis sie reif wurden. Der Gegend, wo wir landeten, schien es ganz an Pisang zu fehlen, allein aus einer anderen Distrikt brachten uns die Einwohner etliche Büschel von dergleichen Frucht, und folglich müssen sie ihre Obstbäume so zu behandeln wissen, daß einige früher, andere später tragen. Diese späten Früchte können aber, wie leicht zu erachten, eben nicht in Menge gezogen werden und mögen wohl nur für die Tafel der Großen bestimmt sein.

Zum Mittagessen kehrten wir an Bord zurück, gingen aber gleich nach Tische wiederum ans Land und erfuhren bei dieser Gelegenheit, daß die Befehlshaber der Insel am folgenden Tage zum Vorschein kommen würden. Beim Spazierengehen hatten wir hier weder so viele noch so lästige Begleiter als in Tahiti. Wenn ich den Ort neben dem Wetterdach, wo Markt gehalten wurde, und andere dergleichen allgemeine Sammelplätze ausnehme, so waren selten mehr als fünfzehn bis zwanzig Personen um uns. Dieser Unterschied rührt wohl hauptsächlich daher, daß Huaheine ungleich kleiner; mithin auch weniger volkreich ist als Tahiti; außerdem waren die hiesigen Einwohner auch noch nicht bekannt genug mit uns, um vom Mitlaufen Vorteil zu erwarten, und überhaupt fanden wir sie weder so neugierig noch so furchtsam als die Tahitier, welche freilich hinreichende Ursach hatten, unsere Güte zu ehren und die Übermacht unseres Feuergewehrs zu fürchten. – Unser tahitischer Reisegefährte Porea ging in einem linnenen Oberkleid und ein Paar Schifferhosen mit ans Land. Er trug Kapitän Cooks Pulverhorn und Hagelbeutel und wünschte, daß man ihn hier für einen von unsern Leuten ansehen möchte. Zu dem Ende redete er seine Muttersprache nie, sondern murmelte allerhand unverständliche Töne her, wodurch sich das hiesige Volk auch wirklich hintergehen ließ. Um diesen Betrug noch mehr zu begünstigen, wollte er auch nicht länger bei seinem tahitischen Namen Porea genannt sein, sondern einen englischen haben. Die Matrosen nannten ihn daher Tom, womit er sehr wohl zufrieden war; auch lernte er bald die gewöhnliche Antwort Sir, die er aber Dsjorro aussprach. Wir konnten nicht absehen, was er mit dieser Maskerade vorhabe, vermutlich aber glaubte er, in der Gestalt eines englischen Matrosen mehr zu bedeuten als ein tahitischer Tautau.

Am folgenden Tage begleitete mein Vater die beiden Kapitäne nach dem Marktplatze, von da sie sich wieder einschifften und bis an das Nordende des Hafens hinauffuhren. Hier landeten sie bei einem nahe am Ufer gelegenen Hause, vor welchem der Befehlshaber Ori (der im Namen seines Neffen, des eigentlichen Königs Tehritäria, die Regierung der ganzen Insel verwaltet) unter einer Menge seiner Bedienten im Grase saß. Bei diesem Anblick wollten sie eiligst aus dem Boote steigen, zwei Indianer aber, die sich am Marktplatze mit eingeschifft hatten, baten sie, noch sitzen zu bleiben, bis man ihnen einige junge Pisangstämme zum Zeichen des Friedens und der Freundschaft würde überreicht haben. Ehe dieses erfolgte, brachten die Indianer zwei dergleichen kleine Bäume herbei, die von unserer Seite überreicht und zu dem Ende mit Nägeln, Spiegeln, Medaillen und anderen Kleinigkeiten mehr behangen werden sollten. Sobald dies geschehen war, trugen sie solche vor einem Teil unserer Mannschaft her ans Land und übergaben sie daselbst in ihrem Beisein dem Ori. Bei Darreichung des ersten baten sie zu sagen: No t'Eatua! Das ist: Für die Gottheit! Und bei dem zweiten: Na te tayo O-Tute no Ori! Das ist: Vom Freunde Cook an Ori! Dagegen wurden von seiten der Insulaner unsern Leuten fünf andere Pisangzweige, einer nach dem andern, mit folgenden Umständen überliefert:

Der erste ward, nebst einem Schweine, mit den Worten na t'Erih, das ist: von Seiten des Königs, überreicht. Unter dem König ward T-Erih-Täria, ein Kind von sieben bis acht Jahren, verstanden. Der zweite, ebenfalls mit einem Schweine, no t'Eatua, das ist für die Gottheit. Der dritte no te Toimoi. Dies verstanden wir damals nicht, in der Folge aber zeigte sich, daß es soviel als zum Willkommen bedeute. Der vierte, mit einem Hunde, no te Taura, vom Strick. Ob wir gleich das Wort verstanden, so war uns doch die Bedeutung davon noch dunkler als die vorhergehende, und, was das schlimmste ist, so haben wir auch nie dahinterkommen können. Der letzte ward wiederum mit einem Schweine, na te tayo Ori no Tute, vom Freund Ori an Cook, überliefert. Beim Schlusse der Zeremonie zog der Mann, der alle diese Dinge gebracht hatte, noch ein rotes Beutelchen hervor, worin ein Rechenpfennig und eine Zinnplatte verwahrt wurde, auf welcher sich folgende Inschrift fand: His Britannia Majesty's ship Endeavour. Lieutnant Cook commander. 16. July 1769. Huaheine. Das ist: Seiner Großbritannischen Majestät Schiff »Endeavour«. Unter dem Befehl des Leutnants Cook. Am 16. Juli 1769. Zu Huaheine. Dies Zeugnis von Kapitän Cooks erstem Besuch auf der Insel Huaheine hatte letzterer dem Ori mit dem Bedeuten eingehändigt, daß er's nie aus seiner Verwahrung kommen lassen müsse; und dieser ließ es jetzt vermutlich wieder vorzeigen, damit man sehen sollte, daß jene Vorschrift genau befolgt worden sei. Sobald der Kapitän alle diese Sachen in Empfang genommen hatte, stieg er mit seinem ganze Gefolge ans Land und umarmte den Ori, der ein alter, magerer, triefäugiger Mann zwischen fünfzig und sechzig Jahren war. Er nahm unsere Leute als gute Bekannte und Freunde auf, schenkte auch dem Kapitän noch überdies etliche große Ballen Zeug.

Und nun währte es nicht lange, so fanden sich die Einwohner haufenweise bei der Wohnung ihres Befehlshabers ein und brachten Hühner, Schweine und Hunde in Menge zum Verkauf, die wir auch gegen Nägel, Messer und kleine Beile sehr bald einhandelten.

Inmittelst daß dieses vorging, marschierte ich nebst Dr. Sparrmann vom Marktplatze aus zu Lande hierher nach Oris Wohnung. Unterwegs sahen wir allerorten viel Schweine, Hunde und Hühner. Letztere liefen frei in den Wäldern umher und saßen auf den Brotfruchtbäumen. Auch die Schweine hatten Freiheit, herumzulaufen, doch bekamen sie ihr abgemessenes Futter, welches ihnen gemeiniglich von alten Weibern gegeben ward. Vorzüglich sahen wir die besondere Manier, wie eine alte Frau ein kleines Ferken mit dem gesäuerten Brotfruchtteige (Mahei) fütterte. Sie hatte das Tier in einer Hand, und mit der anderen hielt sie ihm ein Stück Schweinefell vor. Sobald es nun das Maul öffnete, um darnach zu schnappen, fuhr sie ihm mit einer Handvoll des sauren Teiges hinein, den es ohne diesen Kunstgriff nicht mochte. Die Hunde waren, ihrer außerordentlichen Dummheit ohnerachtet, bei den hiesigen Frauenzimmern in hohen Gnaden. Keine europäische Dame nach der Mode hätte die Sorgfalt um ihr Schoßhündchen weiter treiben und sich lächerlicher dabei gebärden können. Unter anderm reichte eine Frau von mittlerem Alter einem jungen Hunde ihre volle Brust hin. In der Meinung, daß dieses bloß aus übertriebener Zärtlichkeit für das Tier geschähe, konnten wir uns nicht enthalten, ihr diesen Mißbrauch zu verweisen, allein sie lachte nur dazu und sagte, daß sie sich zuweilen auch von kleinen Ferken saugen lasse. Indessen erfuhren wir bei weiterer Nachfrage, daß sie ohnlängst ein säugendes Kind verloren habe, und folglich hatten wir ihr durch unsere Vermutung zuviel getan, denn in dergleichen Fällen ist es ein ganz erlaubtes und selbst in Europa hin und wieder übliches Mittel, sich von einem Hunde saugen zu lassen. Die Hunde auf diesen Inseln sind kurz von Leibe und von sehr verschiedener Größe, vom Schoßhunde an bis zum größten Pudel. Der Kopf ist dick, die Schnauze spitzig, die Augen sind sehr klein, die Ohren stehen aufrecht, und das Haar ist lang, schlicht, hart und von allerhand Farben, gemeiniglich aber weiß und braun. Sie bellten fast niemals, dagegen heulten sie zuweilen, und gegen Fremde waren sie ausnehmend scheu.

Wir trafen hier unterschiedliche Vögel an, dergleichen wir auch auf Tahiti gefunden hatten, außer diesen aber noch einen blauen, weißbäuchigen Eisvogel und einen grauen Reiher. Als wir von letztern beiden Gattungen etliche schossen, zeigte sich, daß verschiedene Leute eine Art von religiöser Ehrerbietung dafür hegten, indem sie dieselben Eatuas nannten, ein Name, den sie sonst nur der Gottheit beizulegen pflegen. Doch gab es auch wieder ebensoviel, wo nicht noch mehr andere, die uns dergleichen Vögel von freien Stücken aufsuchen halfen und totzuschießen baten; auch bezeigte von der Gegenpartei niemand ausdrücklichen Unwillen, wenn wir einen solchen Vogel erlegt hatten. Für Götter sehen sie dieselben nicht an, denn nach ihren Religionsbegriffen sind die Götter unsichtbar, allein die Benennung Eatua scheint doch einen höheren Grad von Achtung anzudeuten, als man in unsern Ländern wohl gegen Schwalben, Störche und andere dergleichen Vögel bezeigt, die man vor dem Verfolgungsgeist mutwilliger Jungen sicherzustellen wünscht. In diesen und andern die Religionen und Landesverfassungen betreffenden Umständen sind wir aber nicht imstande, hinlängliche Auskunft zu geben, denn wegen der Kürze unseres Aufenthaltes und mangelhafter Kenntnisse der Landessprache war's nicht möglich, von allem gehörigen Unterricht zu erlangen.

Mittlerweile waren wir immer weiter gegen die Nordseite des Hafens vorgegangen, wo Herr Smith die Aufsicht über die Matrosen hatte, die unsere leeren Wasserfässer anfüllen mußten. Wir trafen eine Menge Indianer bei ihm an, die so viel Schweine zum Kaufe brachten, daß wir nun reichlichen Vorrat an frischem Fleisch hatten und alle Leute auf beiden Schiffen damit speisen konnten. Früchte und grünes Kräuterwerk hingegen waren so selten, daß wir fast gar keine Pisange, Brotfrüchte oder Kokosnüsse zu sehen bekamen, sondern uns mit Yamswurzeln begnügen mußten, die, wenn sie abgekocht waren, statt des Brots zum Fleisch gegessen wurden.

Von hier aus gingen wir weiter längs dem Strande, der aus feinem weißen Muschelsande bestand, und von niedrigen Kokospalmen nebst allerhand anderm Gebüsch beschattet wurde, langten um Mittagszeit bei Oris Wohnung an und fuhren endlich mit dem Kapitän Cook und der übrigen Gesellschaft wieder an Bord zurück. Letzterer war im Handel mit den Eingeborenen noch glücklicher gewesen als alle die anderen dazu bestellten Leute, so daß wir für die Menge des Eingekauften kaum Platz im Boote hatten.

Nachmittags gingen wir abermals nach Oris Haus und trafen eine große Anzahl der vornehmsten Insulaner bei ihm. Wir hatten also Gelegenheit, eine Menge von Leuten allerhand Standes beisammen zu sehen, fanden sie aber durchgehends den Tahitiern so ähnlich, daß uns zwischen beiden Völkern im Äußeren kein Unterschied zu sein dünkte, auch konnten wir nicht absehen, daß die Frauenspersonen hier heller von Farbe und schöner als auf den übrigen Inseln sein sollten, wie andere Reisende wollen bemerkt haben. Indessen können auch hierin die Umstände den Schein ändern, und das mag bei unsern Vorgängern der Fall gewesen sein. Wodurch sich aber die hiesigen Frauenzimmer von den Tahitierinnen wirklich unterschieden, war, daß sie um Korallen und andere solche Geschenke nicht so bettelten, desgleichen mit ihren Gunstbezeigungen nicht so freigebig waren als jene. Allein in ihrem Betragen waren beide Nationen schon merklich voneinander verschieden. Über einen allzu hohen Grad von Gastfreiheit hatten wir uns zum Exempel hier in Huaheine eben nicht zu beschweren, auch war es hier gar nicht, wiewohl in Tahiti, Mode, von freien Stücken Geschenke oder wenigstens Gegengeschenke zu machen. Dagegen fielen uns die Leute, wenn wir spazierengingen, auf keine Weise zur Last, waren auch im ganzen genommen viel gleichgültiger und bei weitem nicht so furchtsam als die Tahitier, weshalb sie auch beim Losbrennen unseres Schießgewehrs keine Verwunderung, geschweige Schreck verrieten. Jedoch alles das war augenscheinlich bloß eine Folge der verschiednen Begegnung, welche die Einwohner beider Inseln von den Europäern ehemals erfahren hatten. In Absicht der Gastfreiheit muß ich noch anzeigen, daß es auch hier nicht an einzelnen Beispielen fehlte. Unter anderm wurde mein Vater von einem Befehlshaber namens Taunua nach seinem Hause eingeladen, welches in der Mitte der Ebene lag, hieselbst ward er sehr wohl bewirtet und hatte außerdem noch Gelegenheit, ein Brustschild einzukaufen.

 

Ori kam am folgenden Morgen frühe mit seinen Söhnen an Bord. Der ältere, ein hübscher Knabe von ohngefähr elf Jahren, nahm unsere Geschenke mit großer Gleichgültigkeit an, dagegen fand er sowie alle übrigen Bewohner dieser Insel großes Wohlgefallen am Dudelsack und bat, daß beständig darauf gespielt werden möchte.

Nachdem dieser vornehme Gast eine Zeitlang an Bord gewesen war, gingen wir mit ihm ans Land zurück und teilten uns in verschiedene Parteien, um Pflanzen und andere Merkwürdigkeiten aufzusuchen. Als wir abends wieder zusammenstießen, erzählte uns Dr. Sparrmann, der ganz allein bis an das nördliche Ende der Insel gegangen war, daß er einen großen Salzsee angetroffen, der einige Meilen lang, mit dem Seeufer parallel, aber ringsumher von faulem Schlamm umgeben wäre, welches einen unerträglichen Gestank verursache.

Er hatte daselbst verschiedene Pflanzen gefunden, die in Ostindien häufig genug, in den übrigen Südseeinseln aber nicht so gemein sind. Der Indianer, durch den er sich die eingesammelten Pflanzen hatte nachtragen lassen, war ihm außerordentlich treu gewesen. Wenn er sich niederließ, um Pflanzen zu beschreiben, so setzte der Indianer sich hinter ihn und hielt die Schöße seines Kleides in beiden Händen fest, um, wie er sagte, die Taschen vor den Dieben in acht zu nehmen. Vermittelst dieser Vorsicht war dem Doktor auch nicht das geringste entwandt worden, einige Indianer aber hatten ihn durch Schimpfworte und schiefe Gesichter ausgehöhnt, vermutlich in der Meinung, daß sie nichts dabei wagten, weil er so allein war.

 

Am folgenden Tage ging er von neuem ohne alle Begleitung spazieren, indes wir und Kapitän Cook auf dem Marktplatz blieben. Ehe wir es uns versahen, drängte sich ein Indianer namens Tubai, der in verschiedene große Stücke rotgefärbten Zeuges gekleidet war und einige Bündel Vogelfedern am Gürtel hängen hatte, aus dem großen Haufen hervor und verbot dem Volk, uns weder Schweine noch Brotfrucht zu verkaufen. Zu gleicher Zeit bemächtigte er sich eines Beutels mit Nägeln, den der Schiffsschreiber in Händen hatte. Als aber dieser um Hilfe rief, ließ er ihn wieder fahren und nahm dagegen einem unserer jüngeren Mitreisenden, der eben um ein großes Huhn handelte, mit Gewalt einen Nagel ab, unter der Bedeutung, ihn zu Boden zu schlagen, wenn er sich widersetzen würde.

Kapitän Cook, der schon im Begriff war, sich nach dem Schiff übersetzen zu lassen, hörte kaum von diesem Vorfalle, als er sogleich umkehrte und darauf bestand, daß Tubai den Marktplatz augenblicklich verlassen sollte. Weil nun dieser keine Lust dazu zeigte, ging er ihm folglich zu Leibe und bemächtigte sich der beiden Keulen, die jener in den Händen hatte. Er sträubte sich zwar dagegen, sobald aber der Kapitän den Hirschfänger zog, lief er davon. Die Keulen, welche von Kasuarinaholz waren, wurden hierauf nach des Kapitäns Vorschrift zerbrochen und in die See geworfen. Dem Ansehen nach befürchteten die Einwohner von diesem Auftritt schlimme Folgen, denn sie fingen an, sich gleich von dem Marktplatz zu entfernen, man rief sie aber wieder zurück, und alle gestanden, Tubai sei tata ihno (ein böser Mann). Sie schienen folglich überzeugt, daß das Recht auf unserer Seite sei. Gleichwohl hatte sich Kapitän Cook kaum ins Boot gesetzt, um zur Sicherheit des Marktplatzes ein Kommando Seesoldaten vom Schiff zu holen, als der ganze Haufen mit einem Male von uns fortrannte.

Wir konnten nicht begreifen, was hieran schuld sei, allein es dauerte kaum ein paar Minuten, so klärte sich das Rätsel von selbst auf, indem Dr. Sparrmann fast ganz nackend und mit sichtbaren Merkmalen einiger harter Schläge zu uns hergelaufen kam. Es hatten sich nämlich zwei Indianer zu ihm gesellt und ihn unter steten Freundschaftsversicherungen und mit vielfältigem Tayo! gebeten, weiter ins Land heraufzugehen; allein ehe er sich's versah, rissen sie ihm den Hirschfänger, welches sein einziges Gewehr war, von der Seite, und als er sich hierauf bückte, um nach einem Stein zu greifen, gaben sie ihm einen Schlag über den Kopf, daß er zu Boden fiel, und rissen ihm alsdann die Weste nebst anderen Kleidungsstücken, die sich abstreifen ließen, vom Leibe. Zwar machte er sich wieder von ihnen los und rannte gegen den Strand herab, allein unglücklicherweise blieb er mit einem Fuß in dem kleinen Strauchwerk hängen, worauf sie ihn wieder einholten und mit Schlägen mißhandelten, davon verschiedene die Schläfe trafen. Von diesen letzteren betäubt, zogen sie ihm das Hemd über den Kopf, und da es durch die Knöpfe festgehalten ward, so waren sie schon im Begriff, ihm die Hände abzuhacken, als er zum großen Glück wieder zu sich selbst kam und die Ärmel mit den Zähnen aufbiß, da denn die Räuber mit ihrer Beute davonliefen. Kaum hundert Schritt weit von dem Orte, wo dieses vorgegangen war, saßen einige Indianer bei ihrer Mittagsmahlzeit, die ihn im Vorbeilaufen baten, sich bei ihnen niederzulassen, allein er eilte, was er konnte, nach dem Marktplatze zu. Etwas weiter traf er zwei Indianer an, die, als sie ihn nackend sahen, sogleich ihre eigenen Ahaus (Kleider) auszogen, ihn darin einhüllten und bis zum Marktplatz hin begleiteten.

Nachdem man diese rechtschaffenen Leute aufs beste belohnt hatte, eilten wir alle an Bord, in der Absicht, mit stärkerer Mannschaft wieder nach dem Lande zurückzukehren. Dr. Sparrmann zog andere Kleider an und verfügte sich sodann mit uns nach Oris Wohnung, wo wir unsere Klage anbrachten. Der gute Alte war gleich bereit, mit Kapitän Cook gemeinschaftliche Sache zu machen und die Diebe aufzusuchen, ohnerachtet dieser Entschluß alle seine Verwandten in Furcht und Schrecken setzte. Mehr als fünfzig anwesende Personen, Männer und Weiber, fingen an bitterlich zu weinen, als sie sahen, daß er mit uns ins Boot stieg. Einige suchten mit den rührendsten Stellungen ihm davon abzuraten, andere umarmten ihn und hielten ihn zurück. Allein er ließ sich nichts anfechten und äußerte im Mitgehen, er habe nichts zu fürchten, weil er sich nichts vorzuwerfen habe. Mein Vater erbot sich zu ihrer Beruhigung, als Geisel bei ihnen zu bleiben, allein Ori wollte es nicht zugeben und nahm von allen seinen Verwandten nur einen einzigen mit an Bord.

Wir ruderten nunmehro in eine den Schiffen gerade gegenüberliegende tiefe Bucht, als in welcher Gegend die Räuberei vorgegangen war. Von hier aus marschierten wir tief ins Land hinein, jedoch ohne Erfolg, weil die Leute, welche Ori zu Ergreifung der Räuber abgeschickt, ihre Schuldigkeit nicht getan hatten. Wir mußten also unbefriedigt wieder um- und nach dem Schiffe zurückkehren, wohin uns auch Ori begleitete, ohne sich durch die Tränen einer alten Frau und ihrer schönen Tochter davon abhalten zu lassen. Als die junge Person sah, daß ihr Weinen nichts helfen wollte, ergriff sie in einer Art von Verzweiflung etliche Muschelschalen und ritzte sich damit am Kopf, daß das Blut darnach floß; die Mutter aber entriß ihr solche und begleitete uns sowohl als Ori nach dem Schiffe. Dieser ließ sich's sehr gut bei uns schmecken, die Frau hingegen wollte, der Landesgewohnheit nach, von unsern Speisen nichts anrühren. Nach Tische brachten wir ihn wieder nach seinem Haus zurück, woselbst sich die vornehmsten Familien der Insel versammelt hatten und in großer Betrübnis zum Teil weinend auf der Erde saßen. Wir setzten uns ganz gerührt zu ihnen und boten alle unsere tahitische Beredsamkeit auf, um sie wieder vergnügt und guten Muts zu machen. Die Frauenspersonen waren vorzüglich niedergeschlagen und konnten sich in langer Zeit nicht wieder zufriedengeben.

Die Betrübnis dieser Insulaner war in gegenwärtigem Fall ein so augenscheinlicher Beweis von der Güte ihrer Herzen, daß wir uns nicht enthalten konnten, aufrichtigen Anteil an derselben zu nehmen, und da sie sahen, daß es uns ein Ernst sei, ihnen Trost zuzusprechen, so beruhigten sie sich endlich und gewannen wiederum neues Zutrauen. Unter den Bemerkungen, welche wir auf dieser Reise zu machen Gelegenheit hatten, ist das wirklich eine der angenehmsten, daß wir die Bewohner dieser Inseln nicht so ganz in Sinnlichkeit versunken fanden, wie sie von anderen Reisenden fälschlich dargestellt worden, sondern daß wir vielmehr Gesinnungen bei ihnen wahrgenommen haben, die der Menschheit Ehre machen. Lasterhafte Gemütsarten gibt's unter allen Völkern, aber einem Bösewicht in diesen Inseln könnten wir in England oder andern zivilisierten Ländern fünfzig entgegenstellen.

Nunmehro ging der Handel, der durch jenen Vorfall auf eine Zeitlang war unterbrochen worden, wiederum von neuem an, und zwar so lebhaft als zuvor; es glückte uns auch, einen ziemlichen Vorrat von Früchten und Wurzelwerk einzukaufen. Gegen Abend kamen zwei von Oris Booten mit Dr. Sparrmanns Hirschfänger und einem Stück seiner Weste zurück, welches uns beides zugestellt wurde, worauf wir wieder an Bord gingen.

 

Des folgenden Morgens verfügten sich die Kapitäne bei anbrechendem Tage abermals nach Oris Hause und gaben ihm die zinnerne Platte wieder, auf welcher die Anzeige von der ersten Entdeckung dieser Insel eingegraben war, ferner stellten sie ihm noch eine kleine kupferne Platte zu mit der Inschrift: His Britannic Majesty's ships Resolution and Adventure, September 1773. Das ist: Seiner Großbritannischen Majestät Schiffe »Resolution« und »Adventure«, September 1773. Und schenkten ihm zugleich eine Anzahl Medaillen mit dem Bedeuten, daß er alles denen Fremden vorzeigen möchte, die etwa nach uns hierherkommen dürften. Sobald sie an Bord zurückgelangt waren, wurden die Anker gelichtet, und wir gingen nebst der »Adventure« wieder in See.

Während unseres dreitägigen Aufenthaltes allhier hatten wir einen großen Vorrat von lebendigen Schweinen und Hühnern eingehandelt, woraus sich genugsam absehen läßt, daß diese Insulaner den Nutzen des Eisengerätes sehr gut hatten kennen- und schätzenlernen. Unser Schiff hatte allein zweihundertneun Schweine, dreißig Hunde und ohngefähr fünfzig Hühner an Bord und das andere, die »Adventure«, nicht viel weniger. Kaum waren wir unter Segel, als Ori in einem kleinen Kanu ans Schiff und mit der Nachricht an Bord kam, daß er sowohl die Diebe als den Rest der geraubten Sachen wiederbekommen habe und daß beide Kapitäne, imgleichen Dr. Sparrmann mit ihm ans Land gehen möchten, um Zeugen von der Bestrafung zu sein. Allein zum Unglück verstand man ihn nicht recht, und also verfehlten wir die Gelegenheit, zu sehen, wie ihre Strafen beschaffen sind. Kapitän Cook glaubte, daß Ori einige von seinen Untertanen zurückfordere, die sich wider seinen Willen auf der »Adventure« eingeschifft hätten, und in dieser Meinung schickte er gleich ein Boot ab, um sie von jenem Schiffe abholen zu lassen. Da aber dieses weit voraus war und auch wir, des guten Windes wegen, sehr geschwind in die See hinaustrieben, so wollte Ori nicht länger warten, sondern nahm herzlich Abschied von uns allen und kehrte in seinem kleinen Kanu, in welchem er nur einen einzigen Gehilfen hatte, wieder nach dem Lande um.

Bald nachher kam unser Boot von der »Adventure« zurück und brachte uns den O-Mai an Bord, welches der einzige Indianer war, der sich hier eingeschifft hatte, um mit nach England zu gehen. Kapitän Cook behielt ihn auf unserem Schiffe, bis wir Raietea erreichten, wohin unser Lauf gerichtet war. Sobald wir aber dort anlangten, ward er wieder auf die »Adventure« gebracht, in welcher er auch nach England gekommen und daselbst eine Zeitlang der Gegenstand der allgemeinen Neugierde gewesen ist. Während seiner Anwesenheit bei uns lernten wir ihn als einen Menschen vom geringsten Stande kennen. Er hatte auch damals nicht Ehrgeiz genug, mit dem Kapitän umzugehen, sondern hielt sich zu dem Büchsenschmied und anderen gemeinen Seeleuten. Als er aber ans Vorgebirge der Guten Hoffnung kam, wo ihn der Kapitän Furneaux in seiner eigentümlichen Tracht auftreten ließ und in die beste Gesellschaft brachte, so gab er vor, er sei kein Tautau oder gemeiner Mensch, sondern ein Hoa, das ist ein königlicher Kammerherr oder Begleiter des Königs.

Man hat das Publikum verschiedentlich mit allerhand fabelhaften Nachrichten von diesem Indianer unterhalten, dahin gehört unter anderem das lächerliche Vorgeben, daß er ein Priester der Sonne sei, dergleichen es doch in seinem Vaterlande nirgends gibt. Er war lang von Statur, aber sehr schlank und hatte besonders feine und zierlich gebildete Hände. Aus seinen Gesichtszügen hingegen konnte man sich im geringsten keinen richtigen Begriff von der Schönheit machen, die den Einwohnern auf Tahiti eigentümlich ist, wir können vielmehr, ohne ihm unrecht zu tun, behaupten, daß uns auf Tahiti und allen Sozietätsinseln nur wenig so mittelmäßige Gesichter vorgekommen sind als das seinige. Dabei war er von so schwarzer Farbe, als wir sie kaum unter dem gemeinsten Volke angetroffen hatten, und am allerwenigsten stimmte solche mit dem Range überein, den er hernachmals annahm, Schade war es in der Tat, daß man gerade diesen Menschen zur Probe eines Volks auswählte, welches alle Seefahrer als schön von Bildung und hell von Farbe beschrieben hatten. Sein Herz und Verstand waren so, wie beides unter seinen Landsleuten gewöhnlich zu sein pflegt. Er war kein außerordentliches Genie als Tupaya, aber er hatte ein gefühlvolles Herz und einen offenen Kopf, der bald etwas begriff; daneben war er dankbar, mitleidig und lebhaft, aber auch flüchtig.

 

Nachdem wir Huaheine verlassen, richteten wir unseren Lauf gen Westen und segelten um das Südende einer Insel, die Kapitän Cook im Jahr 1769 entdeckt und in seinen Karten unter dem Namen Ulietea angezeigt hat, da sie doch bei den Tahitiern und übrigen Einwohnern der Sozietätsinseln eigentlich O-Raietea heißt. Am folgenden Morgen ankerten wir an derselben in einer Öffnung des Riffs und brauchten den ganzen Tag dazu, uns in den Hafen Hamaneno einbugsieren zu lassen. Diese Insel hatte dem äußeren Ansehen nach viel Ähnlichkeit mit Tahiti, denn da sie ohngefähr dreimal größer ist als Huaheine, so waren die Ebenen hier und die Berge beinahe so groß als auf der erstgenannten.

Die Einwohner umringten uns bald in einer Menge von Kanus und brachten Schweine zum Verkauf; weil wir aber in Huaheine sehr reichlich damit waren versorgt worden, so machten sich unsere Leute nicht viel daraus und boten nur wenig dafür. In einem der Kanus fand sich ein Befehlshaber mit Namen Oruwherra, der von der benachbarten Insel Borabora gebürtig war. Dieser Mann war von einer wirklich athletischen Bildung, hatte aber nur sehr kleine Hände und war auf den Armen mit sonderbaren viereckigen Flecken, über die Brust, den Bauch und den Rücken mit langen schwarzen Streifen, an den Hüften und Lenden aber durchaus schwarz punktiert. Er brachte einige grüne Zweige und ein kleines Ferken, welches er meinem Vater schenkte, indem sich sonst niemand um ihn bekümmerte. Nachdem er ein Gegengeschenk von Eisengeräte bekommen hatte, ging er sogleich wieder in seinem Kanu ans Land zurück. Bald darauf schickte er an seinen neuen Freund ein zweites Kanu mit Kokosnüssen und Bananen, für welche seine Leute schlechterdings kein Gegengeschenk annehmen wollten. Man kann sich vorstellen, wie sehr uns eine so uneigennützige Gutherzigkeit gefallen haben müsse, denn für einen Menschenfreund kann es kein größeres Vergnügen geben, als an seinesgleichen gute und liebenswürdige Eigenschaften zu finden.

Nachmittags besuchte uns ein anderer Befehlshaber, der auch von Borabora gebürtig war und meines Vaters Namen annahm, dagegen mein Vater den seinigen annehmen mußte. Er hieß Herea und war so dick, als wir sonst niemanden in der Südsee gesehen hatten. Um den Bauch maß er vierundfünfzig Zoll, und jeder seiner Schenkel hatte einunddreißigdreiviertel Zoll im Umfange. Auch sein Haar war merkwürdig, es hing ihm in langen, schwarzen, wellenförmig geschlängelten Flechten bis auf die Hüften herab und war so stark, daß sein Kopf davon noch einmal so dick zu sein schien als von Natur. Korpulenz, Farbe und Punkturen waren bei ihm so wie beim Oruwherra Unterscheidungszeichen seines Ranges, welcher ihn, gleich den Großen auf Tahiti, zum Faulenzen und zur Schwelgerei berechtigte.

Am zweiten Tag unseres Hierseins begleiteten wir die Kapitäne nach einem großen Hause, das dicht am Wasser stand und in welchem Orea, der Befehlshaber dieses Distrikts, wohnte. Er saß in selbigem nebst seiner Familie und vielen Leuten von Stande auf der Erde. Kaum hatten wir neben ihnen Platz genommen, als sich unverzüglich ein großer Schwarm von Einwohnern um uns her versammelte, so daß es von dem starken Gedränge entsetzlich heiß wurde. Orea war ein dicker Mann von mittlerer Statur mit einem dünnen rötlichbraunen Bart. Er hatte einen ungemein lebhaften, verständigen Blick und scherzte und lachte recht herzlich mit uns, ohne steife Zeremonien oder dergleichen geziertes Wesen anzunehmen. Seine Frau war eine ältliche Person, der Sohn und die Tochter aber erst zwölf bis vierzehn Jahre alt. Letztere hatte eine ungemein weiße Farbe, auch in ihren Gesichtszügen überhaupt nur wenig von dem Nationalcharakter dieses Volkes, die Nase war vorzüglich schön gebildet, und den Augen nach hätte man sie für eine Chinesin halten mögen. Sie war zwar nicht groß, allein von zierlichem und wohlproportioniertem Gliederbau, vornehmlich waren die Hände unbeschreiblich schön, Füße und Beine hingegen etwas zu dick; auch stand es ihr nicht gut an, daß das Haar kurz abgeschnitten war. Sonst hatte sie etwas sehr Gefälliges in ihrem Wesen und gleich den mehrsten ihrer Landsmänninnen eine sanfte, angenehme Stimme. Es war nicht möglich, ihr etwas abzuschlagen, wenn sie um Korallen oder andere dergleichen Kleinigkeiten bat.

Weil wir indessen keineswegs an Land gekommen waren, um hier in einem Hause zu bleiben, so standen wir bald wieder auf und spazierten unter die Bäume hin, um Vögel zu schießen und Pflanzen zu suchen. Zu unserer wahren Freude trafen wir hier unter dem gemeinen Volk, was wir bei den Leuten in Huaheine vermißt hatten, jenes Zutrauen und die zudringliche Vertraulichkeit der Tahitier, ohne das unerträgliche Betteln dieser letzteren. Nach Tische machten wir abermals einen Spaziergang und schossen verschiedene Eisvögel. Bei der Rückkehr von der Jagd begegneten wir Orea nebst seiner Familie und Kapitän Cook, die in der Ebene miteinander spazierengingen. Orea kümmerte sich nicht um den geschossenen Vogel, den wir in Händen hatten, seine schöne Tochter hingegen beklagte den Tod ihres Eatua und lief von uns weg, wenn wir ihr damit zu nahe kamen. Ihre Mutter und die übrigen Frauensleute schienen über diesen Zufall nicht minder betrübt zu sein, und als wir wieder nach dem Schiffe zurückfahren wollten, bat uns Orea in einem ganz ernstlichen Tone, keine Eisvögel und Reiher mehr auf seiner Insel zu töten, andere Vögel möchten wir soviel schießen, als uns beliebte. Zwar unterließen wir nicht, auch bei dieser Gelegenheit nachzufragen, was die Ursache von der Verehrung dieser beiden Vogelgattungen sein möchte, konnten aber sowenig Auskunft darüber erlangen als zuvor.

Die Hitze hielt den ganzen folgenden Tag dermaßen an, daß wir erst bei Untergang der Sonne wieder ans Land gehen konnten. Wir stiegen an dem Wasserplatze aus, allwo ein kleines Tupapau oder Obdach befindlich war, unter welchem auf einem Gerüst ein toter Körper ruhte. Dieser Begräbnisort lag mitten in einem dichten Haine schattenreicher Bäume. Ich hatte bisher weder hier noch auf den vorigen Inseln dergleichen Begräbnisplätze gesehen und wunderte mich daher nicht wenig, daß der tote Körper auf eine so sorglose Weise der Verwesung und anderen Zufällen überlassen war, auch der ganze Boden umher überall voller Totenköpfe und Totenknochen lag. Gern hätte ich mich mit einem Indianer darüber besprechen mögen, konnte aber in dieser Gegend keines ansichtig werden. Ich strich eine Zeitlang umher, ohne jemand anzutreffen, denn wie ich nachher erfuhr, so hatten sich die Einwohner dieses Distrikts sämtlich bei der Wohnung ihres Befehlshabers versammelt, allwo durch die Trommeln das Zeichen zu einem abermaligen Hiwa oder öffentlichen Tanz war gegeben worden. Sie halten viel auf diesen Zeitvertreib und laufen demselben zu Gefallen aus weit entfernten Gegenden zusammen. Der stille Abend und die Schönheit des Landes machten mir diesen Spaziergang überaus angenehm, und die Entfernung der Einwohner brachte eine so einsame Stille zuwege, daß ich beinahe in einer bezauberten Insel zu sein glaubte.

Orea und sein Sohn kamen am folgenden Morgen an Bord und frühstückten mit uns und gingen nach reichlicher Erwiderung ihrer Geschenke ans Land zurück. Wir folgten bald nachher und wurden von ihm eingeladen, einem dramatischen Tanz oder Hiwa beizuwohnen, welches uns desto lieber war, da wir dergleichen noch nie gesehen hatten.

Der Schauplatz bestand aus einem ebenen Wiesengrunde, der zwischen zwei parallel liegenden Häusern mitteninne ohngefähr fünfundsiebzig Fuß lang und fünfzehn Fuß breit war. Das größere dieser beiden Häuser konnte eine Menge Zuschauer fassen, das andere hingegen, welches auf einer Reihe Pfosten stand, war nur eine enge Hütte, nach dem Schauplatz hin offen, sonst aber überall zugehangen. Innerhalb derselben hatte man eine Scheidewand von Gitterwerk und Matten gemacht, hinter welcher sich die Schauspieler ankleideten. Der Fußboden war mit drei schön gearbeiteten und auf den Ecken schwarzgestreiften Matten belegt. Auf der offenen Seite der kleinen Hütte standen drei aus hartem Holz geschnitzte und mit Haifischfell überzogene Trommeln, davon die größte ohngefähr fünf Fuß hoch sein und zwölf Zoll im Durchmesser haben mochte. Diese wurden von vier oder fünf Leuten bloß mit den Fingern, aber mit unglaublicher Geschwindigkeit geschlagen. Nachdem wir eine ganze Weile in dem gegenüberliegenden Hause unter den vornehmsten Damen des Landes gesessen hatten, erschienen endlich die Aktricen. Eine derselben war Poyadua, Oreas schöne Tochter, und die zweite eine lange, wohlgebildete Frau, schön von Gesicht und Farbe.

Die Kleidung dieser Tänzerinnen wich von ihrer sonst gewöhnlichen Tracht merklich ab. Sie hatten ein Stück inländischen braunen Zeuges, manche auch ein Stück blauen europäischen Tuches dicht um die Brust zusammengeschlagen, welches unseren glatt anliegenden Damenkleidern nicht ungleich sah. Um die Hüften war ein Wulst von vier übereinanderliegenden Reihen ihres einheimischen Zeuges, wechselweise von roter und weißer Farbe, mit einem Stricke festgegürtet. Von da hing eine Menge weißen Zeuges bis auf die Füße herab und machte eine Art von Rock, der so lang und weit war, daß wir fürchteten, er würde ihnen im Tanzen hinderlich sein. Hals, Schultern und Arme blieben nackend, auf dem Kopf aber trugen sie eine Menge Flechten von Menschenhaaren, Tamau genannt, die zirkelförmig übereinander aufgetürmt lagen und einen ohngefähr acht Zoll hohen Turban ausmachten, der unten enger als oben, innerhalb hohl und mit wohlriechenden Blüten des Kap-Jasmins angefüllt war. An der Vorderseite dieses Turbans sah man drei bis vier Reihen von kleinen weißen Blumen, die sternförmig eingesteckt waren und auf dem pechschwarzen Haar des Kopfputzes ebenso schön abstachen als Perlen. Die Tänzerinnen bewegten sich nunmehro nach dem Schall der Trommel und, wie es schien, unter Anführung eines alten Mannes, der mittanzte und einige Worte hören ließ, die wir, dem Ton nach, für eine Art Gesang hielten. Sie machten verschiedne Stellungen und allerhand mannigfaltige Bewegungen mit den Händen, darunter manche wohl etwas frei, jedoch bei weitem nicht so unanständig waren als ein und anderes, was die keuschen Augen der englischen Damen nach der Mode in den Opern nur durch den Fächer zu sehen gezwungen sind. In ihrer Art, die Arme zu bewegen, ist wahrlich viel Grazie und in dem beständigen Spiel ihrer Finger ebenfalls etwas ungemein Zierliches. Das einzige, was mit unsern Begriffen von Schönheit, Anstand und Harmonie nicht übereinstimmt, war die häßliche Gewohnheit, den Mund auf eine so abscheuliche Art zu verzerren, daß es ihnen keiner von uns gleichtun konnte. Sie zogen den Mund seitwärts in eine herabhängende Linie und brachten zu gleicher Zeit die Lippen in eine wellenförmig-konvulsivische Bewegung, als ob ihnen aus langer Gewohnheit der Krampf gleichsam zu Gebote stände.

Nachdem sie ohngefähr zehn Minuten lang getanzt hatten, begaben sie sich in denjenigen Teil der Hütte, den ich zuvor als Kleiderzimmer genannt habe, und fünf in Matten gehüllte Mannspersonen traten dagegen auf, um eine Art von Drama vorzustellen. Dieses bestand wechselweise in unanständigem Tanzen und einer Unterredung, die nach einem abgemessenen Silbenmaß abgefaßt zu sein schien und in welcher sie zuweilen insgesamt einige Worte überlaut ausschrien. Ihre Stellungen kamen, dem Ansehen nach, mit dem Inhalte genau überein. Einer kniete nieder und ließ sich von einem andern schlagen und beim Barte zupfen, der diese Possen noch an zwei anderen versuchte, davon aber der letzte unrecht verstand und ihn mit einem Stock durchprügelte. Hierauf gingen sie ab, und die Trommeln kündigten den zweiten Akt des Tanzes an, der von zwei Frauenspersonen ohngefähr so wie der erste aufgeführt ward. Alsdenn traten die Mannspersonen abermals auf, und endlich beschlossen die Tänzerinnen das Schauspiel mit dem vierten Tanzakte.

Nach Endigung dieses letztern setzten sie sich ganz abgemattet und in heftiger Transpiration nieder. Eine Tänzerin insbesondere, die etwas stark war, hatte von der Erhitzung eine sichtbare Röte im Gesicht bekommen, woraus man abnehmen kann, wie fein und weiß vergleichungsweise ihre Haut gewesen sein müsse. Oreas Tochter hatte ihre Rolle bewunderungswürdig schön gemacht, ohnerachtet sie sich erst gestern zweimal in einem solchen Hiwa hatte sehen lassen. Die Offiziere beider Schiffe und auch wir überhäuften die Tänzerinnen zur wohlverdienten Belohnung ihrer Geschicklichkeit mit Korallen und anderem Putzwerk.

Nachmittags kam U-Uru, der König von Raietea, nebst Orea und verschiedenen Damen ans Schiff, um Kapitän Cook zu besuchen. Er brachte ein Schwein zum Geschenk mit und erhielt dagegen allerhand europäische Waren. Unter den Frauenzimmern, die ihn begleiteten, war auch die Tänzerin, deren schöne Farbe wir so sehr bewundert hatten. Sie hieß Teina oder Teinamai, und die gewöhnliche Kleidung, in welcher sie jetzt erschien, stand ihr ungemein besser als das schwerfällige theatralische Habit. Ihr langes, unverschnittenes Haar war mit einem schmalen Streif weißen Zeuges durchflochten und fiel in natürliche Locken, schöner als die Phantasie eines Malers solche je geformt hat. Ihre Augen blickten voll Feuer und Ausdruck aus dem rundlichen Gesicht hervor, über welches ein angenehmes Lächeln verbreitet war. Herr Hodges suchte sie bei dieser Gelegenheit abzuzeichnen, ihre Lebhaftigkeit und Flüchtigkeit aber machten es ihm ungemein schwer, ja fast unmöglich.

Gegen Untergang der Sonne gingen unsere vornehmen Gäste, mit der genoßnen Aufnahme ungemein zufrieden, allerseits wieder ans Land; von dem gemeinen Volke hingegen blieb eine Menge Frauenspersonen im Schiffe und bezeigte sich gegen die Matrosen ebenso gefällig als die tahitischen Mädchen.

Es war sonderbar, daß selbst diese Gattung von Frauensleuten einen gewissen Grad von Eitelkeit besaß, denn sie nannten sich untereinander nicht anders als Tedua (Madame), ein Titel, der hierzulande nur den adligen Damen zukommt, ja eigentlich vorzugsweise nur den Prinzessinnen gebührt. Dies wußten wir von Tahiti aus. Wenn zum Exempel dort des Königs Schwester irgendwo vorüberkam, so pflegte derjenige Indianer, der sie zuerst erblickte, überlaut auszurufen: Tedua, harremai! (Madame kommt!), damit seine Landsleute ihre Schuldigkeit beobachten und die Schultern entblößen möchten; oft sagten sie in dergleichen Fällen auch bloß Erih, welches dann jederzeit eine Person von königlichem Geblüte andeutete.

Unsere Matrosen aber, welche die hiesige Sprache nicht verstanden, glaubten steif und fest, daß ihre Dulzineen hier alle einerlei Namen hätten, welches denn oft lustige Auftritte veranlaßte.

Am 14. bei Anbruch des Tages sandten Kapitän Cook und Furneaux jeder ein Boot nach der Insel O-Taha, die zwei bis drei Seemeilen von hier und innerhalb desselben Felsenriffs liegt als Raietea. Während ihrer Abwesenheit wurden wir von Orea, der in dem Distrikt der Insel, wo wir vor Anker lagen, Befehlshaber war, zu Gaste genötigt. Es verfügten sich daher die Kapitäne beider Schiffe nebst verschiedenen Offizieren und Passagieren, unter welchen auch ich war, zu Mittage ans Land, wohlversehen mit Pfeffer, Salz, Messern, Gabeln und etlichen Flaschen Wein.

Bei der Ankunft in unseres Wirtes Hause fanden wir den Boden größtenteils mit Blättern bestreut, die statt Tischtuch dienten. Rund um diesen Bezirk nahmen wir und die Vornehmsten des Landes unsere Plätze ein. Wir hatten nicht lange gesessen, als ein gemeiner Indianer hereinkam, der ein gebratenes Schwein, in Pisangblätter gewickelt, auf den Schultern, hatte und solches mitten auf die Erde vor uns hinwarf. Ebendies tat ein zweiter mit einem kleineren Schweine, und diesen folgten verschiedene andere mit Körben voll Brotfrucht, Bananen und gegorenem Brotfruchtteig, Mahei genannt. Der Wirt bat, wir möchten uns selbst bedienen, worauf denn in kurzer Zeit beide Schweine zerlegt waren. Nun drängten sich die Leute gewaltig herbei, die Frauenspersonen und überhaupt alles gemeine Volk bat in bettelndem Tone um Schweinebraten, doch teilte jeder, der etwas bekam, seinem Nachbarn redlich davon mit, ja sie reichten es von Hand zu Hand bis ans äußerste Ende des Hauses, von woher die Leute, des Gedränges wegen, nicht herbeikommen konnten. Die Männer verzehrten ihren Anteil mit großem Appetit, die Frauensleute hingegen wickelten ihre Portionen in Blätter und verwahrten sie, bis sie allein sein würden. Sowohl die Gierigkeit, mit der sie uns plagten und womit sie ihre Bitten unablässig wiederholten, als auch die neidischen Blicke der Vornehmen, wenn wir den Bittenden etwas mitteilten, überzeugten uns, daß der gemeine Mann in dieser Insel kein Recht und keine Ansprüche auf dergleichen Leckerbissen habe.

Das Schweinefleisch schmeckte nach hiesiger Zubereitung uns allen ungleich besser, als nach irgendeiner europäischen Manier zugerichtet. Es war saftiger als unser gekochtes und auf alle Weise zarter als unser gebratenes. Vermittelst der gleichförmigen Hitze, worin es unter der Erde gehalten wird, bleibt Saft und Kraft durchaus beisammen. Das Fett hatte nicht den geringsten geilen oder widrigen Geschmack, und die Haut, die an unserem Schweinebraten gemeiniglich steinhart zu sein pflegt, war hier so zart als alles übrige Fleisch. Beim Schluß der Mahlzeit kamen unsere Weinflaschen dran, und Freund Orea ließ sich sein Gläschen schmecken, ohne ein Auge zu verdrehen, worüber wir uns um so mehr wunderten, als die Einwohner dieser Insel sonst überall einen Widerwillen gegen unsre starken Getränke bezeigt hatten.

Die Tugend der Nüchternheit ist auch wirklich fast allgemein unter ihnen, besonders unter dem gemeinen Volk. Doch haben sie ein berauschendes Getränk, auf welches vorzüglich einige alte Oberhäupter sehr viel halten. Es wird aus dem Safte einer Pfefferbaumwurzel, hierzulande Awa genannt, auf eine höchst ekelhafte Weise verfertigt, wie ich an einem der ersten Tage nach unserer Ankunft selbst mit angesehen habe. Nachdem die Wurzel in Stücken geschnitten ist, wird sie von etlichen Leuten vollends kleingekaut und die mit Speichel wohldurchweichte Masse in ein großes Gefäß voll Wasser oder Kokosnußmilch gespuckt. Dieser ungemein appetitliche Brei wird hierauf durch Kokosnußfasern geseiht und die gekauten Klumpen sorgfältig ausgedrückt, damit der zurückgebliebene Saft sich vollends mit der Kokosnußmilch vermischen möge. Zuletzt wird der Trank in einer anderen großen Schale abgeklärt und ist alsdann zum Gebrauch fertig. Dies häßliche Gemengsel verschlucken sie mit ungemeiner Gierigkeit, und einige alte Säufer tun sich nicht wenig darauf zugut, daß sie viel Schalen davon leer machen können.

Unser Passagier Porea, der hier nicht so zurückhaltend als auf Huaheine war, brachte eines Tages einen seiner neuen Bekannten in die Kajüte des Kapitäns und setzte sich sogleich mit ihm nieder, um jene Schmiererei nachzumachen. Als sie damit zustande gekommen waren, trank er ohngefähr ein Nößel, ward aber in weniger denn einer Viertelstunde so berauscht davon, daß man ihn ohne Bewegung auf dem Boden liegend fand. Sein Gesicht war feuerrot, und die Augen standen ihm gleichsam aus dem Kopf heraus. In diesem Zustande schlief er einige Stunden, ohne von seinen Sinnen zu wissen, als er aber wieder zu sich kam, schämte er sich dieser Ausschweifung. Die Völlerei bleibt indessen, gleich jeder anderen Ausschweifung, auch hier nicht ungestraft. Die Alten, welche diesem Laster nachhängen, sind dürr und mager, haben eine schuppigte, schäbige Haut, rote Augen und rote Flecken über dem ganzen Leib. Alles dieses sind, ihrem eigenen Geständnis nach, unmittelbare Folgen des Suffes, und folglich müssen die Bestandteile der Pfefferpflanze wohl die eigentümliche Eigenschaft haben, daß sie den Aussatz hervorbringen. Außerdem aber gilt diese Wurzel bei den Einwohnern aller dieser Inseln auch für ein Sinnbild des Friedens, vielleicht weil Trunkenheit gute Kameradschaft macht.

Sobald wir abgespeist hatten, machten sich unsere Matrosen und Bedienten mit den übriggebliebenen Brocken lustig, und die Indianer, welche sich vorher bei unserer Freigebigkeit so wohl befunden hatten, machten ihnen nun die Cour. Doch waren die Matrosen nur gegen die hübschen Mädchen gefällig und verlangten vermöge ihres natürlichen Hanges zur groben Sinnlichkeit für jeden Bissen Fleisch bald diese, bald jene Unanständigkeit.

Um die Freuden dieses Tages vollkommen zu machen, befahl Orea, daß abermals ein Hiwa aufgeführt werden sollte. Bei diesem wurden wir in die Kulissen oder ins Kleiderzimmer gelassen, damit wir sehen sollten, wie sich die Tänzerinnen ankleiden würden. Diese Erlaubnis brachte ihnen manches kleine Geschenk zuwege, so gerieten wir zum Exempel auf den Einfall, ihren Kopfschmuck durch verschiedene Schnuren von Korallen zu verschönern, womit sie ganz wohl zufrieden waren.

Unter den Zuschauern befanden sich einige der größten Schönheiten des Landes, vornehmlich war eine Frauensperson viel weißer von Farbe, als wir sie sonst in diesen Inseln überall gefunden hatten. Ihre Haut war als weißes, etwas fahlgraues Wachs anzusehen, ohne daß etwa eine Krankheit daran schuld gewesen wäre, die dergleichen Farbe sonst wohl anzudeuten pflegt. Ihre schönen schwarzen Augen und Haare kontrastierten damit vortrefflich und zogen ihr unsere einstimmige Bewunderung zu. Man huldigte ihrer Schönheit auch bald durch allerhand kleine Geschenke, allein statt sich an diesen genügen zu lassen, ward ihre Liebe zum Putz und Flitterwerk nur desto mehr erregt, und sie plagte einen jeden von uns, solange sie nur vermuten konnte, daß wir noch eine einzige Koralle in der Tasche hätten. Einer von unserer Gesellschaft hielt zufälligerweise ein kleines Vorhängeschloß in Händen. Kaum fiel ihr dieses in die Augen, so verlangte sie es zu haben. Der Besitzer schlug ihr's anfänglich ab, da sie aber nicht aufhörte, darum zu betteln, ließ er sich endlich erweichen, war aber so leichtfertig, es ihr ins Ohr zu hängen mit der Versicherung, daß es dahin gehöre und daran getragen werden müsse. Eine Zeitlang wußte sie sich was Rechts damit und war von diesem neuen Putz ungemein zufrieden. Allein bald darauf, da es ihr zu schwer und zu schmerzhaft fiel, verlangte sie, denselben los zu sein. Nun warf er den Schlüssel weg und gab ihr zu verstehen, sie habe es ausdrücklich von ihm begehrt und wenn sie es beschwerlich finde, so möchte sie es immerhin zur Strafe ihres ungestümen Bettelns im Ohre behalten. Darüber war sie untröstlich, weinte ihre bittersten Tränen und bat einen nach dem andere'n, ihr von dem Schlosse zu helfen, allein so gern auch mancher gewollt hätte, so ging es doch nicht an, weil kein Schlüssel dazu vorhanden war. Sie wandte sich also an den Befehlshaber, und dieser legte nebst seiner Frau, Sohn und Tochter ein Wort für das Mädchen ein, ja sie boten sogar Zeug, Räucherholz und Schweine zum Lösegeld, aber alles umsonst. Endlich fand man doch einen Schlüssel, der zum Schlosse paßte, und damit ward dem Wehklagen des armen Mädchens ein Ende gemacht und Ruhe und Freude unter ihren Gespielinnen wiederhergestellt.

Dieser Zufall hatte indessen die gute Wirkung, daß sie und andere ihrer Landsmänninnen von der Gewohnheit zu betteln abließen. Nachdem nun auf die Art bei der gastfreien Aufnahme unseres Wirtes und dem guten Betragen des übrigen Volkes dieser Tag ganz vergnügt vergangen war, so kehrten wir gegen Abend sehr zufrieden an Bord zurück. Desto mehr befremdete es uns aber, daß sich am folgenden Morgen, ganz wider die Gewohnheit der Insulaner, nicht ein einziges Kanu bei dem Schiffe sehen ließ. Um die Ursach einer so schleunigen Veränderung zu erfahren, eilten wir nach Oreas Hause, fanden es aber zu unserer noch größeren Verwunderung von ihm und seiner ganzen Familie verlassen. Endlich erfuhren wir durch etliche Indianer, die auch ihrerseits überaus schüchtern taten, Orea habe sich nach dem Nordende der Insel begeben, aus Furcht, wir würden ihn gefangennehmen. Je weniger wir begreifen konnten, was diese ungegründete Besorgnis möchte veranlaßt haben, desto mehr eilten wir, ihm solche zu benehmen und unserer Freundschaft auf neue zu versichern.

In dieser Absicht fuhren wir einige Meilen längs der Küste bis nach dem Orte hin, wohin er geflüchtet war. Hier fanden wir alles um ihn her in Tränen und mußten allerhand Schmeicheleien anwenden, um das vorige Zutrauen wiederzugewinnen. Korallen, Nägel und Beile leisteten uns hierbei die besten Dienste. Oreas Anverwandte klagten uns, Kapitän Cook würde sie gefangennehmen, um ihre Landsleute dadurch zu zwingen, daß sie unsere nach O-Taha entlaufenen Matrosen wieder herbeibringen sollten. Nun sahen wir ihren Irrtum ein und versicherten ihnen, diese Leute wären keineswegs entlaufen, sondern würden ganz gewiß noch heute wiederkommen. Orea war aber damit noch nicht zufrieden, sondern nannte jede Hauptperson in beiden Booten bei Namen und frug bei einem jeden insbesondere, ob auch der wiederkommen würde. Da ihm nun durchaus mit Ja geantwortet wurde, so gab er sich endlich zufrieden.

Indem wir also mit Oreas Familie in einem Zirkel beisammensaßen, kam Porea, unser Tahitier, der mit nach England gehen wollte, eiligst zum Kapitän gelaufen, händigte ihm das Pulverhorn ein, welches er bis dahin beständig in Verwahrung gehabt hatte, und sagte mit wenigen Worten, er würde sogleich wiederkommen. Nachdem wir aber eine Weile vergebens gewartet, so mußten wir endlich ohne ihn ans Schiff zurückkehren, bekamen ihn auch nachher nie wieder zu Gesicht. Von den Eingeborenen wußte uns niemand zu sagen, wo er hingekommen sei, und damit kein neuer Alarm unter ihnen entstehen möchte, wollte der Kapitän auch eben nicht gar zu scharfe Nachfrage halten.

Nach Tische begleitete ich den Kapitän abermals, um dem Orea einen Besuch abzustatten. Bei dieser Gelegenheit wandte sich ein schöner junger Mensch an mich und bat, daß wir ihn mit nach England nehmen möchten. Er hieß O-Hedidi, war ohngefähr siebzehn Jahre alt und schien, der Farbe und Kleidung nach, von gutem Herkommen zu sein. Ich wollte anfänglich nicht glauben, daß er das bequeme Leben der vornehmen Leute auf dieser Insel zu verlassen geneigt sei, und erzählte ihm mit lächelndem Munde, was für Unannehmlichkeiten er sich durch seinen Entschluß aussetzen würde. Aber alle meine Vorstellungen, daß er rauhe Witterung antreffen und mit ungewohnter schlechter Kost würde vorliebnehmen müssen, vermochten bei ihm nichts. Er blieb bei seinem Vorsatz, und endlich stimmten auch viele seiner Freunde in den Wunsch ein, daß man ihn mitnehmen möchte. Ich stellte ihn also dem Kapitän Cook vor, der ohne Schwierigkeit in sein Verlangen willigte. Hierauf kehrten wir alle an Bord zurück, und noch vor Sonnenuntergang trafen auch die nach O-Tahiti abgeschickten Boote mit einer dort aufgekauften Ladung Bananen und Kokosnüsse, imgleichen mit einigen Schweinen wieder bei dem Schiffe ein.

Nachdem unsere Leute im Hafen O-Hamane zu Mittag gespeist hatten, begaben sie sich nach der zunächst gegen Norden gelegenen Bucht, um dem dortigen Befehlshaber O-Tah einen Besuch abzustatten, bei dessen Haus auch ein Hiwa oder öffentlicher Tanz angestellt werden sollte. Auf dem Wege dahin erblickten sie von fern eine Frauensperson, die ganz sonderbar gekleidet und über und über schwarz gemacht war. Es hieß, sie traure und sei eben mit den Beerdigungszeremonien beschäftigt. Je näher sie der Wohnung des Befehlshabers kamen, desto größer ward, sowohl um ihrer als um des Hiwas willen, das Gedränge. Endlich langten sie bei dem Hause an; der Erih war ein ältlicher Mann und saß auf einem hölzernen Stuhle, wovon er gleich bei Erblickung der Fremden meinem Vater die Hälfte zum Sitz einräumte.

Es währte nicht lange, so eröffneten drei junge Mädchen den Tanz, wovon die ältere nicht über zehn und die jüngste nicht völlig fünf Jahre alt war. Die Musik bestand wie gewöhnlich aus drei Trommeln, und zwischen den Akten führten drei Mannsleute ein pantomimisches Drama auf, in welchem schlafende Reisende vorgestellt wurden, denen einige Diebe mit großer Geschicklichkeit die Bagage wegstohlen, ohnerachtet sich jene, größerer Sicherheit wegen, rund um dieselbe herumgelegt hatten.

Während dieser Vorstellung mußte das Volk für einige Leute Platz machen, die sich dem Hause paarweise näherten, aber an der Tür stehenblieben. Es waren teils erwachsene Personen, teils Kinder, die am oberen Teil des Körpers gänzlich nackend gingen und mit Kokosöl eingesalbt waren, um die Hüften aber Schärpen von rotem Zeuge und um den Kopf Tamau oder Schnüre von geflochtenem Haar trugen. O-Tah nannte sie die O-Da-widdi, O-Hedidi und O-Mai nannten sie Hih-Biddhi und sagten, es bedeute Anverwandte. welches nach Maßgabe der Zeichen, die er dabei machte, soviel als Leidtragende zu bedeuten schien. Als sich diese Leute dem Haus näherten, ward der Platz vor selbigem mit Zeug belegt, solches aber bald wieder aufgerollt und an die Trommelschläger ausgeteilt. Einer von diesen geriet mit einem andern Indianer in Wortwechsel, und ehe man sich's versah, wurden sie handgemein und zerrten einander bei den Haaren herum. Damit aber das Fest nicht unterbrochen würde, stellte man gleich einen anderen an die Trommel und jagte die beiden Zänker zum Hause hinaus. Gegen das Ende des Tanzes mußten die Zuschauer nochmals Platz machen, weil die O-Da-widdi von neuem wieder zum Vorschein kamen, doch blieben sie wie zuvor an dem Eingange des Hauses stehen, ohne irgendeine besondere Zeremonie vorzunehmen.

Vor des Befehlshabers Wohnung waren viele Kanus ans Ufer gezogen, und in einem derselben, welches ein Dach oder Decke hatte, lag der Leichnam des Verstorbenen, um dessentwillen obgedachte Trauerzeremonien veranstaltet wurden. Dieses Umstands wegen mußten unsere Reisenden ihre Boote etwas weiter hin vor Anker bringen, doch fand sich zum Glück auch dort ein Haus, unter dessen Obdach sie die regnigte und stürmische Nacht hindurch guten Schutz hatten.

 

Am folgenden Morgen machte ihnen O-Tah seinen Gegenbesuch und erbot sich, sie überall zu begleiten. Sie nahmen ihn also mit ins Boot und segelten um das Nordende der Insel herum, an welchem innerhalb des Riffs eine Menge langer und flacher Inseln liegen, die mit Palmen und andern Bäumen besetzt sind.

In dieser Gegend kauften sie einen guten Vorrat von Bananen und speisten hierauf etwas weiter gen Süden bei dem Hause des obersten Befehlshabers Boba, den der König von Borabora, O-Puni, zum Statthalter allhier eingesetzt hatte. Sie lernten ihn jedoch nicht persönlich kennen, denn er war damals eben verreist.

Nach Tische fand sich, daß man ihnen während der Mahlzeit den ganzen Rest ihrer Handelswaren, der in einem Beutel mit Nägeln, Spiegeln und Korallen bestand, gestohlen hatte. In dieser Verlegenheit hielten es die Offiziere für das sicherste, wenn man den Einwohnern eine Partie Vieh und andere Habseligkeiten wegnähme und so lange an sich behielte, bis jene sich bequemten, das Geraubte wieder herbeizuschaffen. Mit diesem Zwangsmittel ward gleich auf dem Marktplatz der Anfang gemacht; man nahm daselbst ein Schwein, einige Perlmutterschalen und etliche Ballen Zeug in Beschlag, welches die Einwohner jedoch nicht anders als auf ernstliche Bedrohung mit dem Feuergewehr geschehen ließen. Hierauf teilten sich unsere Leute – einige mußten die Boote, andere die konfiszierten Waren bewachen, und die übrigen gingen unter Anführung des Leutnants weiter, um die Exekution fortzusetzen. Der alte Befehlshaber O-Tah begleitete sie. Überall, wo sie hinkamen, flohen die Einwohner und trieben ihr Vieh ins Gebirge. Um zu versuchen, was das Schießgewehr für Wirkung auf sie machen würde, ließ der Offizier drei Musketen in die Luft feuern; auf diesen Schreckschuß kehrte einer von den Flüchtigen, ein vornehmer Mann, der von der Elephantiasis einen ungeheuer dickgeschwollenen Fuß und Schenkel hatte, wieder um und überlieferte seine Schweine nebst etlichen Packen Zeug. Hiernächst bemächtigten sich unsere Leute in Bobas Wohnung noch zweier Brustschilde und einer Trommel und kehrten darauf mit ihrer Beute nach dem zum Sammelplatz bestimmten Hause zurück. Gegen Abend schied O-Tah von ihnen, kam aber bald nachher mit dem gestohlenen Beutel wieder, in welchem noch ohngefähr die Hälfte der Nägel, Korallen und dergleichen befindlich war, und blieb sodann die Nacht über bei ihnen.

Am folgenden Morgen ward den Eigentümern der in Beschlag genommenen Effekten bekanntgemacht, daß ihnen alles zurückgegeben werden sollte, wenn sie die entwandten Korallen und Nägel wieder herbeischafften. Unter der Zeit, daß diese Anstalt dazu machten, wanderten unsere Leute nach O-Herurua, einer an der südwestlichen Seite der Insel gelegenen Bai. Sie waren noch nicht weit gekommen, als O-Tah und der andere Befehlshaber, der mit seinem geschwollenen Bein so gut als ein anderer zu Fuß war, den größten Teil des fehlenden Eisenwerks et cetera schon herbeibrachten, mit dem Bedeuten, das solches hin und wieder in den Gebüschen versteckt gewesen sei. Hierauf gaben auch unsere Leute das Zeug, die Schweine, die Brustschilde und alles übrige zurück, was sie bisher an sich behalten hatten. Auch belohnten sie den Mann, in dessen Hütte sie die Nacht zugebracht, imgleichen den alten Befehlshaber, weil sich beide ungemein treu und willfährig gegen sie bewiesen hatten. Vermittelst der wiedererhaltenen Korallen waren sie imstande, in dem Distrikt Herurua und in der Bai A-Poto-Poto (oder der runden Bai) eine Partie Bananen aufzukaufen.

An letzterem Orte befand sich ein ungleich größeres Haus, als sie in den übrigen Sozietätsinseln je gesehen hatten. Es war voller Einwohner, und verschiedene wohnten mit ihrer ganzen Familie in demselben, wie es denn überhaupt ein öffentliches Gebäude und, gleich den Karawansereien in der Levante, für Reisende bestimmt zu sein schien. Nachdem unsere Leute den Rest von Korallen und Nägeln gänzlich losgeworden waren, auch Mittagbrot gegessen hatten, so kehrten sie nach den Schiffen zurück und langten endlich ohngefähr um vier Uhr nachmittags, von den Wellen, die unterwegs in die Boote hereinschlugen, ganz durchnäßt, bei uns an.

 

Am folgenden Morgen kam Orea selbst nebst seiner Familie und einer Menge anderer Personen, um Abschied zu nehmen. Der größte Teil dieses Zuspruchs galt unserm neuen Reisegefährten O-Hedidi, der gestern mit an Bord gegangen war. Alle seine Freunde und Bekannten drängten sich nun noch herbei und brachten ihm eine Menge Zeug, ingleichen eine gute Provision gegorenen Brotfruchtteiges zur Zehrung auf der Reise. Dieser Teig ist eins der besten Nahrungsmittel. Bei dieser Gelegenheit kam Oreas Tochter, die es bisher nie gewagt hatte, uns zu besuchen, ebenfalls an Bord, um sich von dem Kapitän die grüne Zeltdecke unseres Bootes auszubitten, welche ihr besonders wohl gefallen haben mußte. Sie erhielt eine Menge Geschenke, in dem Hauptgesuch aber konnte ihr der Kapitän nicht willfahren. Die Indianer ließen sich zu guter Letzt den Handel noch recht angelegen sein und verkauften uns viel von ihrem Handwerkszeug, Hausrat und dergleichen.

Als wir endlich unter Segel gingen, verließen uns die guten Leute mit großer Betrübnis, und ihre Tränengüsse schienen manchem von uns vorzuwerfen, daß er unempfindlich sei. In der Tat werden auch solche Gemütsregungen bei unserer Erziehung zu sehr eingeschränkt. Es wird uns zu oft eingeprägt, daß man sich derselben zu schämen habe, und darüber gehen sie leider am Ende gar verloren. Auf diesen Inseln hingegen lassen die unverdorbenen Kinder der Natur allen ihren Empfindungen freien Lauf und freuen sich ihrer Neigung für den Nebenmenschen.

Von den Sozietätsinseln nach den Freundschaftsinseln

Um zehn Uhr waren wir glücklich zum Riff von Hamaneno hinaus und steuerten nunmehr nach West-Südwest, so daß uns die Inseln Raietea, Taha und Borabora noch immer im Gesicht blieben. Ohnerachtet es nicht länger als einen Monat her war, daß wir zu Tahiti angekommen, so befanden wir uns doch von den Folgen jener langen beschwerlichen Reise, die wir während der schlimmsten Jahreszeit im kalten und nassen Klima zugebracht hatten, allerseits hergestellt. Selbst diejenigen, die vom Skorbut am mehresten gelitten, waren wieder so gesund als die übrigen. An dieser schleunigen Kur hatten die frischen Kräuter und Baumfrüchte der Sozietätsinseln wahrscheinlicherweise den wirksamsten Anteil, denn als wir von unserm ersten Erfrischungsplatz Aitepieha absegelten, befanden sich die Kranken schon merklich besser, ohnerachtet wir dort noch kein frisches Fleisch gekostet hatten. Desto sicherer konnten wir uns jetzt auch für den nächsten Monat eine gleiche Fortdauer der Gesundheit versprechen, weil wir mit frischen Lebensmitteln hinlänglich versehen waren. Wir hatten nämlich in jedem Schiff zwischen zwei- und dreihundert Schweine, eine große Anzahl Hühner und einige Hunde, imgleichen eine ansehnliche Menge von Bananen vorrätig, welche letztere auf dem Hinterteil des Schiffs wie in einem Obstgarten umherlagen. Zwar verursachte der Mangel an Raum, daß einige Schweine krepierten, und der hartnäckige Widerwillen der alten Schweine gegen das ungewohnte Futter, welches sie bekamen, brachte uns ebenfalls um eine große Anzahl derselben. Wir gerieten sehr bald auf eine gute Methode, diesem Übel vorzubeugen, indem wir alle Schweine schlachteten und einsalzten, denen der enge Raum nicht bekommen wollte. Auf diese Weise blieb das Fleisch eßbar und saftig, wenigstens war es ungleich schmackhafter und gesünder als das Pökelfleisch, welches wir noch aus England her vorrätig hatten, denn dieses war nunmehro dermaßen vom Salz durchdrungen, daß, wenn man es auswässerte, zugleich Kraft und Saft mit weggewässert ward.

Unser junger Freund O-Hedidi, den wir statt des Tahitiers Porea mitgenommen, war ungemein seekrank, weil er an die Bewegung des Schiffes nicht gewöhnt war. Doch erzählte er uns, indem wir nach dem hohen Pik von Borabora aussahen, daß er auf dieser Insel geboren und mit O-Puni, dem kriegerischen König, verwandt sei, der Taha und Raietea erobert hatte. Er entdeckte uns auch, daß er eigentlich Maheine heiße, aber seinen Namen mit einem Befehlshaber auf Eimeo, der sich O-Hedidi genannt, vertauscht habe. Diese Gewohnheit ist, wie ich schon bemerkt, auf allen diesen Inseln eingeführt. König O-Puni befand sich, nach der Aussage unseres Gefährten, dazumal eben auf der Insel Maurua, bei welcher wir nachmittags vorüberkamen. Sie besteht aus einem einzigen kegelförmigen Berge und ist, soviel wir aus den Beschreibungen der Einwohner auf Raietea, welche persönlich da gewesen, abnehmen konnten, ohngefähr von ebender Beschaffenheit als die übrigen Inseln.

Unser armer Freund bekam erst am folgenden Nachmittag seinen Appetit wieder, da er sich denn zum Anfang ein Stück von einer achtundzwanzigpfündigen Dorade schmecken ließ, die einer unserer Leute gefangen hatte. Wir wollten sie ihm auf unsre Art zubereiten lassen, er versicherte aber, es schmecke roh besser, und bat sich nur eine Schale Seewasser aus, um den Fisch darin einzutunken, dabei biß er wechselweise in einen Klumpen Mahei oder sauren Brotfruchtteigs, der ihm statt Brots diente. Ehe er sich aber zum Essen niedersetzte, nahm er ein Stückchen von dem Fische und etwas Mahei als ein Opfer für Eatua oder die Gottheit und sprach dabei ein paar Worte aus, die wir für ein kurzes Gebet hielten. Ebendiese Zeremonie beobachtete er auch ein paar Tage nachher, als er ein rohes Stück Haifisch verzehrte. Alles das überzeugte uns, daß seine Landsleute gewisse bestimmte Religionsbegriffe hegen und selbst eine Art von zeremoniösem Gottesdienst beobachten, den sie vielleicht seit der ersten Trennung von ihren Vorfahren auf dem festen Lande mögen beibehalten haben.

 

Bis zum 23. setzten wir unsern Lauf fort, ohne daß irgend etwas Merkwürdiges vorgefallen wäre. Wir steuerten immer westwärts bis zum 1. Oktober, an welchem Tage um zwei Uhr nachmittags Land! gerufen wurde.

Nunmehro stießen verschiedene von den Eingebornen ihre Kanus ins Wasser und ruderten nach uns her. Einem derselben, das ziemlich dicht ans Schiff kam, warfen wir ein Tau zu, welches auch einer von denen darin befindlichen Leuten sogleich auffing, seinen Kahn vollends heranzog und augenblicklich zu uns an Bord kam. Beim Eintritt überreichte er uns die Pfefferwurzel. Darauf berührte er unsere Nasen mit der seinigen, wie die Neuseeländer zum Zeichen der Freundschaft zu tun pflegen, und setzte sich alsdann, ohne ein Wort zu sprechen, auf dem Verdeck nieder. Der Kapitän schenkte ihm einen Nagel, den er sogleich über den Kopf emporhielt und dabei das Wort Fagafetai! hören ließ, welches allem Ansehen nach eine Danksagung bedeuten sollte. Bis auf den Unterleib ging er unbekleidet, von da aber bis zu den Knien hatte er ein Stück braun gefärbtes Zeug um sich geschlagen. Dieses schien mit dem tahitischen von einerlei Art und Arbeit zu sein, doch war es mit Leim oder Firnis steif und wasserdicht gemacht.

Der Mann war von mittlerer Statur und hatte eine sanfte und ziemlich regelmäßige Gesichtsbildung. An Farbe glich er den gemeinen Tahitiern, Da die Einwohner von Tahiti und den Sozietätsinseln fast in allen Stücken miteinander übereinkommen, so werde ich im Verfolg dieser Geschichte jeden Gebrauch tahitisch nennen, der entweder zu Tahiti selbst oder doch auf den Sozietätsinseln üblich ist. das ist, er war hellmahagoni- oder kastanienbraun. Den Bart trug er kurz geschoren, und sein schwarzes Haar hing ihm in kurzen Locken um den Kopf, so kraus, als wenn es gebrannt wäre. Auf jedem Arm hatte er drei runde Flecken, ohngefähr so groß als ein Wilder-Manns-Gulden, die, in Form erhabener Punkte, nach tahitischer Manier in die Haut punktiert, jedoch nicht mit schwarzer Farbe eingerieben waren. Der Figur nach stellten sie lauter ineinanderpassende Zirkel vor, davon der äußerste am größten war, die inneren hingegen immer kleiner wurden. Außerdem hatte er noch andere schwarze Flecken auf dem Leibe. Im Ohrläppchen befanden sich zwei Löcher, darin er einen kleinen runden Stab trug, und an der linken Hand fehlte ihm der kleine Finger. Er blieb eine ganze Weile, ohne ein Wort zu sprechen, indes verschiedene andere, die nach ihm sich an Bord wagten, weit gesprächiger waren und gleich nach verrichtetem Nasengruß uns in ihrer Sprache anredeten, von welcher wir damals noch kein Wort verstanden.

Mittlerweile hatten wir die nordwestliche Spitze der Insel erreicht und kamen allda um neun Uhr in einer offenen Reede auf einem guten, sichern Grunde glücklich vor Anker. Kaum war dies geschehen, so drängten sich vom Lande her eine Menge Kanus zu uns, in deren jedem drei bis vier Leute saßen, die große Haufen ihres Zeuges zum Verkauf anboten. Die Kanus waren klein, ohngefähr fünfzehn Fuß lang, sehr spitz gebaut und an beiden Enden bedeckt. Sie hatten, gleich den kleinen Fahrzeugen der Tahitier, mehrenteils Ausleger von Stangen, dünkten uns aber ungleich besser und sauberer gearbeitet als jene, denn sie waren mit einer bewunderungswürdigen Genauigkeit zusammengefügt und abgeglättet. Die Ruder hatten hier wie zu Tahiti kurze breite Schaufeln, waren aber ebenfalls besser gearbeitet und von besserm Holze.

Die Leute machten viel Lärm um uns her, denn ein jeder zeigte, was er zu verkaufen hatte, und rief jedem von uns zu, der sich auf dem Verdeck blicken ließ. Die Sprache klang nicht unangenehm und ward überdem in einem singenden Ton geredet. Einige waren dreist genug, an Bord zu kommen, und darunter schien ein Befehlshaber oder Mann von Stande zu sein, der in diesem Betracht allerhand Geschenke erhielt. Sooft man ihm etwas gab, hob er es über den Kopf empor und sagte jedesmal Fagafetai! dazu. Unser englisches Tuch und Linnen bewunderte er am mehrsten, nächst dem aber gefiel ihm unsere Eisenware am besten. Er war nichts weniger als besorgt oder schüchtern, sondern ging ohne Bedenken in die Kajüte hinab und wohin man ihn sonst zu bringen für gut fand. Wir erfuhren von ihm, daß die Insel, an welcher wir vor Anker lagen (und die Tasman Middelburgh genannt), in der Landessprache Ea-Uwhe hieße und daß die andere, gegen Norden gelegene (oder Tasmans Amsterdam), Tonga-Tabu genannt werde. Mehrerer Gewißheit wegen befragten wir uns dieserhalb noch bei andern von seinen Landsleuten, erhielten aber durchgehends dieselbe Antwort.

Nach dem Frühstück gingen wir in des Kapitäns und des vornehmen Mannes Gesellschaft ans Land. In dieser Gegend war die Küste von einem mit dem Strande parallellaufenden Korallenriff gedeckt, das nur hie und da eine Lücke hatte, wo Kanus und andere kleine Boote hindurch konnten. Sowohl die in den Fahrzeugen als die an dem Ufer befindlichen Eingeborenen bewillkommneten uns mit großem Freudengeschrei. Die Kanus ruderten dicht an unser Boot, und die Leute warfen uns aus denselben große Pakete Zeug zu, ohne etwas dagegen zu verlangen. Andere, sowohl Manns- als auch Frauenspersonen, schwammen um uns her und hielten Kleinigkeiten zum Verkauf in die Höhe, als Ringe von Schildkrötenschalen, Angelhaken von Perlmutter und dergleichen. Sobald wir durch das Gedränge der Kanus durchkommen konnten und uns dem Strande so weit genähert hatten, als sich's des seichten Ufers wegen tun ließ, erboten sich die Einwohner aus freien Stücken, uns auf ihren Schultern vollends ans Land zu tragen. Nachdem wir auf solche Art die Küste erreicht hatten, versammelten sie sich mit allen ersinnlichen Zeichen der Freundschaft um uns her und boten uns Früchte, Waffen und Hausgerät zum Geschenk an. Besser hätte uns das Volk gar nicht aufnehmen können, wenn es von unsern friedfertigen Gesinnungen schon durch eigne Erfahrung überzeugt oder wenigstens gewohnt gewesen wäre, von Zeit zu Zeit europäische Schiffe bei sich zu sehen. Allein das war gar nicht der Fall, denn noch hatten sie wohl keinen Europäer unter sich gesehen, auch konnten sie von Tasmans ehemaliger Anwesenheit auf der benachbarten Insel Amsterdam höchstens nur vom Hörensagen etwas wissen. Bei so bewandten Umständen mußten wir uns von ihrer Gemütsart allerdings die vorteilhaftesten Begriffe machen und sie für offenherzige, gutgesinnte Leute halten, die nichts weniger als mißtrauisch wären.

Diese gute Meinung ward dadurch noch mehr begünstigt, daß sich auch eine große Anzahl von Frauenspersonen unter ihnen befand, welche die indianischen Nationen sonst mehrenteils von den Fremden entfernt zu halten pflegen. Diese hier waren von den Hüften bis an die Füße bekleidet und schienen uns durch ein gutherziges, freundliches Lächeln einzuladen, daß wir getrost näher kommen möchten. Herr Hodges entwarf von dieser merkwürdigen freundschaftlichen Aufnahme ein schönes Gemälde.

Doch ich kehre zur Geschichte: Wir verweilten nicht lange auf der Küste, sondern folgten dem Befehlshaber, der uns weiter ins Land zu gehen bat. Vom Seeufer ab war der Boden etliche Schritt weit ziemlich steil, dann aber dehnte er sich in eine ebne, schöne Wiese aus, die mit hohen Bäumen und dickem Buschwerk umgeben war, so daß man nur nach der See hin eine freie Aussicht hatte. Am Ende dieser Wiese, ohngefähr einhundertfünfzig Schritt vom Landungsplatze, stand ein sehr hübsches Haus, dessen Dach bis zwei Fuß von der Erde herabreichte. Der Weg, der auf dasselbe zuführte, ging durch vorgedachte grüne Ebene, die so glatt und grasreich war, daß sie uns an die schönsten Rasengründe in England erinnerte.

Sobald wir bei dem Hause ankamen, nötigte man uns, innerhalb auszuruhen; der Fußboden war mit den schönsten Matten zierlich ausgelegt, und in einer Ecke sahen wir eine bewegliche Abteilung von geflochtener Arbeit, hinter welcher, nach den Zeichen der Einwohner zu urteilen, die Schlafstelle war. Das Dach, welches an allen Seiten gegen den Boden herablief, bestand aus Sparren und runden Hölzern, die sehr genau miteinander verbunden und mit einer Matte von Bananenblättern bedeckt waren.

Kaum hatten wir in diesem Hause, von mehr denn hundert Menschen umringt, Platz genommen, als zwei oder drei Frauenzimmer uns mit einem Gesang bewillkommten, der, so einfach die Melodie auch war, doch ganz angenehm und ungleich musikalischer klang als die Lieder der Tahitier. Die Sängerinnen hatten ungemein wohlklingende Stimmen und sekundierten sich untereinander, zu gleicher Zeit schlugen sie mit dem ersten Finger und dem Daumen Knippchen dazu nach dem Takt und hielten indes die übrigen drei Finger jeder Hand gerade in die Höhe. Als die ersten drei aufgehört hatten, fingen drei andere ebendieselbe Melodie an, und endlich ward ein allgemeiner Chor daraus gemacht.

 

Die Gutherzigkeit des Volkes äußerte sich in ihren kleinsten Handlungen, ja in jeder Gebärde. Sie ließen sich's sehr angelegen sein, uns mit Kokosnüssen zu bewirten, deren Milch überaus wohlschmeckend war. Alles vereinigte sich, uns diesen Aufenthalt angenehm zu machen, selbst die Luft, die wir einatmeten, war mit balsamischen Dünsten angefüllt. Anfänglich wußten wir nicht, wo dieser vortreffliche Geruch herkam, bei näherer Untersuchung aber fand sich, daß wir ihn einer schattenreichen Art von Zitronenbäumen zu verdanken hatten, die hinter dem Hause und eben in voller Blüte standen. Wir durften uns nicht lange an dem bloßen Geruch begnügen, denn die Einwohner setzten uns bald auch Früchte von diesem Baume vor. In Westindien sind solche unter dem Namen Shaddocks bekannt, zu Batavia aber und in den ostindischen Inseln werden sie Pampelmusen genannt. Diese hier waren kugelrund, beinahe so groß als ein Kinderkopf und von ganz vortrefflichem Geschmack.

Zu beiden Seiten der vor dem Hause befindlichen Wiese lief ein Zaun von Rohrstämmen hin, welche durchaus kreuzweise geflochten und fest miteinander verbunden waren. Durch diesen Zaun gelangte man vermittelst einer Tür von Brettern, die statt der Haspen an Stricken hing, in eine ordentlich angelegte Plantage oder einen Baumgarten. Die Tür war so gehangen, daß sie von selbst hinter uns zufiel, und das Rohrgehege war mit Zaunwinden überwachsen, die größtenteils himmelblaue Blüten hatten. Um die guten Anstalten der Einwohner genauer zu untersuchen, trennten wir uns in verschiedene Parteien und fanden bei jedem Schritt neue Ursach, zufrieden zu sein. Das Land sah überall wie ein weitläufiger Garten aus, indem es durchgehends mit hohen Kokospalmen und Bananen, imgleichen mit schattigen Zitronen- und Brotfruchtbäumen besetzt war. In diesen anmutigen Gefilden streiften wir einzeln umher und fanden eine Menge neuer Pflanzen, dergleichen auf den Sozietätsinseln nicht wuchsen. Ein Fußsteig leitete uns endlich nach einem Wohnhause, welches, gleich jenem, auf der Wiese angelegt und mit Gebüsch umgeben war, dessen Blüte die ganze Luft mit Wohlgeruch erfüllte. Die Einwohner schienen tätiger und fleißiger als die Tahitier zu sein. Sie ließen uns überall ungehindert gehen, begleiteten uns auch nie, wenn wir sie nicht ausdrücklich darum baten, und alsdenn konnten wir für unsere Taschen unbesorgt sein, nur mußten wir keine Nägel bei uns führen, denn diese ließen sie nicht leicht unangerührt.

Wir kamen nach und nach durch mehr als zehn solcher Plantagen oder Gärten, die alle besonders verzäunt waren und vermittelst Türen von vorbeschriebener Art Gemeinschaft miteinander hatten. Fast in jedem dieser Gärten fanden wir ein Haus, die Bewohner aber waren durchgehends abwesend. Die Verzäunung ihrer Ländereien schien einen höhern Grad von Kultur anzudeuten, als man hier wohl vermutet hätte. In der Tat war auch das Volk sowohl in Handarbeiten als in Manufaktursachen und in der Musik weiter und ausgebildeter als die Einwohner der Sozietätsinseln, welche dagegen, besonders in Tahiti, wohlhabender, aber auch träger waren als diese. Soviel wir sahen, gab es hier nur wenig Hühner und Schweine, auch waren die Brotfruchtbäume, welche dort einen so reichlichen und vortrefflichen Unterhalt geben, hier sehr selten, daher sich denn die Einwohner hauptsächlich von Wurzelwerk, imgleichen von Bananen zu nähren scheinen. In Absicht der Kleidung waren sie ebenfalls nicht so reich als die Tahitier, wenigstens ging man in diesem Artikel hier noch nicht so wie dort bis zur Verschwendung. Endlich fanden wir auch ihre Wohnungen zwar sehr artig gebaut und allemal in wohlriechendem Gebüsche angelegt, sie waren aber weder so räumlich noch so bequem als in Tahiti.

Unter diesen Beobachtungen kehrten wir wieder nach dem Landungsplatz zurück, woselbst sich viele hundert Einwohner versammelt hatten. Ihr äußeres Ansehen bewies, daß, wennschon ihr Land nicht so reich an Nahrungsgütern war als Tahiti, diese Reichtümer doch mit mehrerer Gleichheit unter dem Volk ausgeteilt sein mußten. Dort konnte man den Vornehmen gleich an der hellem Gesichtsfarbe und an dem wohlgemästeten Körper erkennen. Hier aber war aller äußere Unterschied aufgehoben. Der Befehlshaber, der sich zu uns an Bord begeben und uns darauf ans Land begleitet hatte, war, selbst der Kleidung nach, nicht vom gemeinen Mann verschieden. Bloß aus dem Gehorsam, den das Volk gegen seine Befehle blicken ließ, konnte man urteilen, daß er von höherem Stande sein müsse.

Wir mischten uns unter den hier versammelten Haufen und wurden von alt und jung, Männern und Weibern, auf das schmeichelhafteste bewillkommt. Sie umarmten uns, küßten uns zuweilen die Hände und drückten uns an ihre Brust, kurz, sie suchten uns ihre Liebe und Freundschaft auf hundertfältige Art zu bezeugen. Die Männer sind von unserer gewöhnlichen mittleren Statur, von fünf Fuß drei Zoll zu fünf Fuß zehn Zoll, überaus proportionierlich gebaut und schön von Gliedern, aber etwas muskulöser als die Tahitier, welches wahrscheinlicherweise von der größern und beständigen Anstrengung des Körpers herkommt, die ihre Art des Landbaues und der Hauswirtschaft erfordert. Ihre Gesichtsbildung war sanft und ungemein gefällig, aber länglicher als bei den Tahitiern, besonders war die Nase schärfer und die Lippen dünner. Die Bärte waren geschoren oder vielmehr mit ein Paar scharfen Muschelschalen dicht an der Haut abgezwickt. Die Weibsleute waren durchgehends ein paar Zoll kleiner als die Mannspersonen, jedoch nicht so klein als die gemeinen Frauensleute auf Tahiti und den Sozietätsinseln. Der Oberteil des Körpers war allemal von ungemein schöner Proportion und die Hände nebst den Armen völlig ebenso fein gebildet als bei den tahitischen Frauenzimmern, dagegen hatten sie, gleich jenen, zu große Füße und zu dicke Beine. Ihre Gesichtszüge waren eben nicht regelmäßig schön, hatten aber etwas sehr Angenehmes, welches in den Sozietätsinseln bei dem weiblichen Geschlecht durchgehends der Fall zu sein pflegte, doch gab es dort unter den Vornehmen einzelne Schönheiten, dergleichen wir hier nirgends antrafen. Sowohl die Manns- als Frauenspersonen waren ohne Unterschied des Standes von hellkastanienbrauner Leibesfarbe und schienen durchgehends einer vollkommenen Gesundheit zu genießen. Unter den Männern war das Punktieren und Einschwärzen der Haut allgemein, vornehmlich pflegte der Bauch und die Lenden ebenso stark und in noch künstlicheren Figuren tätowiert oder bezeichnet zu sein, als wir es auf Tahiti gesehen hatten. Selbst die zartesten Glieder des Körpers, auf welchen die Operation nicht nur sehr schmerzhaft, sondern auch, wegen der glandulösen Teile, sehr gefährlich sein muß, waren nicht unpunktiert. Mit Recht erstaunten wir darüber. Bei den Frauensleuten hingegen war es nicht üblich, sich auf diese Art häßlich zu verschönern. Sie hatten bloß, gleich den Männern, drei runde Flecken auf jedem Arm, die eine Menge ineinanderpassender Zirkel vorstellten und in die Haut punktiert, aber nicht mit schwarzer Farbe eingerieben waren. Nächst dieser Verzierung begnügten sie sich mit ein paar schwarzen Punkten auf den Händen. Die Männer gingen fast gänzlich nackend, indem sie mehrenteils nur ein schmales Stück Zeug wie eine Schärpe um die Hüften geschlagen hatten, doch war es manchmal etwas länger und reichte alsdenn fast wie ein Frauenrock von den Hüften bis über die Knie hinab. Die Frauen hingegen schlugen das Zeug unmittelbar unter der Brust um den Leib, und von da hing es bis auf die Waden herunter. Es war mit dem tahitischen von gleicher Beschaffenheit, aber in viereckigen Feldern, nach Art eines Brettspiels, gemalt, auch mit einem Leim oder Firnis überzogen, der dem Wasser lange Widerstand tat. Statt des Zeuges trugen sie auch wohl Matten, die sehr gut geflochten, im Äußern den tahitischen ähnlich und bisweilen, jedoch selten, über die Schultern und Brust zusammengeschlagen waren.

Zum Zierat diente den Männern eine Perlmutterschale, die vermittelst einer Schnur um den Hals befestigt war und auf die Brust herabhing. Die Frauensleute aber trugen mehrere Schnüre um den Hals, an welchen man kleine Schnecken, Samenkörner und Fischzähne aufgereiht sah, und in der Mitte war der runde Deckel einer Schnecke, ohngefähr so groß als ein Talerstück, befindlich. In beiden Ohrläppchen hatten sie Löcher, bisweilen zwei in jedem, und in dem Fall war ein kleines rundes Stück von Schildkrötenschale oder ein Knochen hereingesteckt. Nicht selten bestanden diese Zylinder aus bloßem Rohr, das mit einer roten festen Substanz angefüllt, außerhalb bunt angemalt und gebeizt war. Das Sonderbarste aber, was wir an dieser Nation bemerkten, war, daß viele den kleinen Finger, zuweilen gar an beiden Händen, verloren hatten. Geschlecht und Alter machten hierin keinen Unterschied, denn selbst von den wenigen Kindern, die wir herumlaufen sahen, waren schon die mehrsten auf diese Art verstümmelt. Nur einige wenige alte Leute hatten ihre völlige Fingerzahl und machten folglich eine Ausnahme von der allgemeinen Regel. Wir vermuteten sogleich, daß der Tod eines Anverwandten oder Freundes zu dieser sonderbaren Verstümmelung Anlaß geben möchte, um welcher Ursache willen sie auch bei den Hottentotten in Afrika, bei den Guaranos in Paraguay und unter den Einwohnern von Kalifornien üblich ist. Diese Vermutung bestätigte sich hernach auch auf wiederholtes Nachfragen.

Noch eine andere Sonderbarkeit, die wir an ihnen bemerkten, bestand darin, daß sie fast durchgehends auf beiden Backenknochen einen runden Fleck hatten, der eingebrannt oder mit blasenziehenden Sachen eingeätzt zu sein schien. Bei einigen waren diese Flecken noch ganz frisch, bei andern schon mit einem Schorf überzogen, und bei vielen waren nur noch ganz geringe Spuren davon übrig. Wir konnten nicht erfahren, wie und zu welchem Ende diese Flecken gemacht werden; doch rühren sie vermutlich von irgendeinem kaustischen Heilmittel her, welches zur Heilung von mancherlei Krankheiten gebraucht werden mag.

 

Des gefälligen Betragens der Einwohner ohnerachtet sahen wir zum voraus, daß unsers Bleibens hier nicht lange sein würde, denn die Kapitäne konnten nicht so viel frische Lebensmittel bekommen, als zum täglichen Unterhalt auf beiden Schiffen erfordert ward. Indessen mochte die Ursache hievon nicht sowohl an einem wirklichen Mangel derselben als vielmehr daran liegen, daß man gleich anfänglich mit allzu großer Begierde Waffen und Hausrat kaufte und auf diese Art den Einwohnern Anlaß gab, mit dem Schätzbarsten, nämlich mit den Lebensmitteln, zurückzuhalten. Sie hatten uns zwar hie und da etliche Yams, Bananen, Kokosnüsse und Pampelmusen zum Verkauf gebracht, allein sie hielten mit diesen Artikeln bald wieder inne und schränkten den Handel bloß auf Sachen von ihrer Hände Arbeit ein. Vornehmlich verkauften sie unsern Leuten eine unglaubliche Menge von Fischangeln, die, mit Haken von Schildkrötenschalen versehen, zum Teil sieben Zoll lang und ebenso gestaltet waren als die in Tahiti unter dem Namen Witti-Witti bekannten. Nächst dem überließen uns die Männer ihre Brustzieraten von Muschelschalen und die Weiber ihre Halsbänder, Armbänder von Perlmutter nebst kleinen runden Stöckchen von Holz oder Rohr, deren sie sich statt Ohrringe bedienten. Wir handelten auch eine Art von Kämmen ein, die mehr zum Putz als zu anderm Gebrauch dienten und aus einer Anzahl kleiner flacher Stöcke, ohngefähr fünf Zoll lang, bestanden. Diese waren von gelbem Holze, als Buchsbaum, geschnitzt und am obern Ende fest, jedoch zierlich durch ein buntes Flechtwerk von braunen und schwarz gefärbten Kokosfasern miteinander verbunden. Aus dergleichen Fasern machten sie auch allerhand Körbe, die oft in braun und schwarzen Feldern geflochten, zuweilen auch durchaus von gleicher Farbe, nämlich braun und reihenweise mit runden, flachen Korallen besetzt waren. Diese Korallen schienen aus Schnecken geschnitten oder geschliffen zu sein. Die Körbe waren, sowohl der Form als dem Muster nach, sehr verschieden, aber ungemein sauber und mit vielem Geschmack gearbeitet.

Die kleinen hölzernen Stühle, welche man in diesen Inseln statt Kopfkissen gebraucht, waren hier häufiger als auf Tahiti. Auch gab es viel flache Speiseschalen und Spateln, womit der Brotfruchtteig durcheinandergerührt wird, sämtlich von Kasuarinaholz geschnitzt. Unsere Matrosen nannten diese Holzart Keulenholz, weil in allen Südseeinseln Keulen und Streitkolben daraus gemacht werden. Letztere waren hier von sehr mannigfaltiger Form und zum Teil so schwer, daß wir sie nicht leicht mit einer Hand führen konnten. Der untere Teil oder der eigentliche Kolben war mehrenteils vierseitig und von blattförmiger Gestalt, der Schaft ebenfalls viereckig, jedoch oberhalb gegen den Handgriff zu rund. Andere sahen schaufelförmig, flach und zackigt aus, noch andere hatten lange Griffe und eine flietähnliche Schneide, und wiederum andere waren krumm, knotigt und so weiter. Die mehresten fanden wir über und über nach allerhand felderweise abgeteilten Mustern geschnitzt, welches viel Zeit und eine unglaubliche Geduld erfordern muß, indem ein scharfer Stein, ein Stückchen Koralle oder eine Muschel die einzigen Werkzeuge sind, womit sie dergleichen Arbeit machen können. Die Abteilungen oder Felder dieses Schnitzwerkes kamen an Größe und Ebenmaß auf das genaueste miteinander überein, und die Oberfläche der ungeschnitzten Keulen war so schön geglättet, als man es von den geübtesten und mit dem besten Handwerkszeuge versehenen Künstlern nur hätte erwarten können. Außer den Keulen hatten sie auch Speere von vorgedachter Holzart, die oftmals nur aus langen, zugespitzten Stöcken bestanden, oft aber auch mit dem Schwanz der Stachelrochen als mit einer furchtbaren Spitze versehen waren.

Nächst diesen Waffen führten sie auch Bogen und Pfeile von ganz besonderer Einrichtung. Der Bogen war sechs Fuß lang, ohngefähr so dick als ein kleiner Finger und, wenn er nicht gespannt war, nur wenig gekrümmt. Längst der konvexen oder äußern Seite lief für die Sehne ein vertiefter Falz oder eine halbe Holzröhre, welche zuweilen so tief eingeschnitten war, daß auch der ohngefähr sechs Fuß lange Pfeil, der aus einem Rohrstabe gemacht und mit hartem Holz zugespitzt war, darin Platz hatte. Wenn nun der Bogen gespannt werden sollte, so mußte solches nicht wie sonst gewöhnlich durch stärkere Biegung seiner Krümmung geschehen, sondern völlig umgekehrt, so daß der Bogen erst gerade und denn nach der entgegenstehenden Seite hin krumm gebogen ward. Die Sehne durfte dabei niemals straff angezogen werden, denn durch bloße Änderung der natürlichen Biegung des Bogens bekam der Pfeil Trieb genug, und das Wiedereinspringen des Bogens und der Sehne war nie so heftig, daß die Hand oder der Arm des Schützen davon hätte beschädigt werden können. Ehe unsere Seeleute mit diesem Gewehr umgehen lernten, zerbrachen sie viele Bogen, indem sie solche nach der sonst gewöhnlichen Manier aufspannen wollten.

Die ungeheure Menge von Waffen, welche wir bei den Einwohnern fanden, stimmte aber gar nicht mit der friedfertigen Gesinnung, die sie in ihrem ganzen Betragen gegen uns und vornehmlich auch durch die Bereitwilligkeit äußerten, uns solche zu verkaufen. Sie müssen folglich, ihrer friedfertig scheinenden Gemütsart ohnerachtet, oft Händel untereinander haben oder auch mit den benachbarten Inseln Krieg führen, doch konnten wir hiervon, bei aller Nachfrage, nichts Befriedigendes erfahren.

Alle obbenannten Artikel nebst den verschiedensten Sorten ihres Zeuges, ihrer Matten und andere Kleinigkeiten brachten sie zum Verkauf und nahmen sehr gern kleine Nägel, bisweilen auch wohl Korallen dagegen. In Betracht der letztern waren sie jedoch mit den Tahitiern nicht von gleichem Geschmack, denn jene wählten immer durchsichtige, hier aber galten die dunklen am mehresten, welche rote, weiße oder blaue Streifen hatten. Wir handelten mit ihnen bis zum Mittage, da wir wieder an die Schiffe zurückkehrten und einen kleinen Bootanker vermißten, den die Einwohner fast in ebendem Augenblick, als er ausgeworfen worden, hatten zu stehlen und auf die Seite zu bringen gewußt. Ihre freundlichen Blicke und Zurufe folgten uns bis an Bord, woselbst in einer Menge Kanus ebensolche Waren zum Verkauf ausgeboten wurden, als wir am Lande eingehandelt hatten. Auf diesen Fahrzeugen befanden sich einige Aussätzige, bei denen die Krankheit einen sehr hohen Grad erreicht hatte. Ein Mann insbesondere hatte über dem ganzen Rücken und über den Schultern ein großes krebsartiges Geschwür, das innerlich völlig blau, auf dem Rande aber goldgelb war. Und ein armes Weib hatte auf ebendiese elende Weise fast das ganze Gesicht eingebüßt. Statt der Nase sah man nur noch ein Loch, die Backen waren geschwollen und eiterten allerorten, die Augen waren blutig und wund und schienen aus dem Kopfe fallen zu wollen. Mit einem Wort, ich erinnere mich nicht, je etwas Bejammernswürdigeres gesehen zu haben. Dennoch schienen diese Unglücklichen über ihr Elend unbekümmert und handelten so frisch drauflos als die übrigen, ja was das ekelhafteste war, sie hatten Lebensmittel zu verkaufen.

 

Nach Tische blieb ich an Bord, woselbst mir Dr. Sparrmann die am Morgen eingesammelten natürlichen Merkwürdigkeiten in Ordnung bringen half; mein Vater aber ging mit den Kapitänen wieder ans Land, um noch mehr aufzusuchen. Bei Untergang der Sonne kamen sie von ihrer Wanderschaft zurück, und mein Vater gab mir von dem, was ihnen begegnet, folgende Nachricht:

Am Landungsplatze begrüßten uns die Einwohner, gleich wie sie des Morgens getan hatten, mit einem Freudengeschrei, und da ihrer eine große Menge war, so ging der Handel lustig vonstatten. Lebensmittel aber konnte man nur sparsam und Pampelmusen der frühen Jahreszeit wegen fast gar nicht bekommen. Herr Hodges, ich und mein Bedienter verließen den Handelsplatz mit zwei Indianern, die uns als Wegweiser nach dem im Innern des Landes gelegenen Berge hinbringen sollten. Der Weg dahin ging durch viele schöne Baumpflanzungen oder Gärten, die teils mit Rohr, teils mit lebendigen Hecken von schönen Korallenschoten verzäunt waren.

Linker Hand von hier aus fanden wir einen andern schattigen Gang, durch welchen wir abermals auf eine Grasflur kamen, an deren Ende ein kleiner Hügel und auf selbigem zwei Hütten befindlich waren. Rings um die Anhöhe standen Rohrstäbe, einen Fuß weit voneinander in die Erde gesteckt, und vor derselben waren etliche großästige Kasuarinabäume hingepflanzt. Weiter als bis an die Umzäunung wollten sich unsere indianischen Begleiter dieser Anhöhe nicht nähern; wir aber gingen vollends herauf und guckten, wiewohl nicht ohne Schwierigkeit, in die Hütten hinein, indem das Dach fast bis auf eine Spanne weit zur Erde herabging.

In einer dieser Hütten fanden wir einen neuerlich beigesetzten toten Körper, die andere Hütte aber war leer. Der Kasuarina- oder Keulenbaum (Toa) dient also, gleichwie auf den Sozietätsinseln, auch hier zur Bezeichnung der Begräbnisplätze. Und wirklich schickt er sich wegen seiner braungrünen Farbe und der langen niederhängenden Äste, an denen die schmalen und faserigten Nadeln dünn und traurig abwärts stehen, zu der Melancholie solcher Plätze völlig ebensogut als die Zypresse. Vermutlich hat man auch in diesem Teil der Welt den Kasuarinabaum aus einer ähnlichen Folge oder Verbindung von Ideen zum Baum der Trauer ausersehen, als bei uns die Zypresse dazu gewählt worden ist. Der Hügel, worauf die Hütte lag, bestand aus kleinen zusammengetragenen Korallfelssteinen, die als ein Haufen Bachkiesel ohne alle Haltbarkeit locker übereinander hingeschüttet waren.

Wir gingen von hier aus noch etwas weiter und fanden überall dergleichen reizende Baumgärten, gemeiniglich in der Mitte mit Wohnhäusern versehen. In einem dieser Gärten nötigten uns unsere Begleiter zum Niedersitzen und verschafften uns zur Erfrischung etliche sehr milchreiche Kokosnüsse. Als wir an den Strand zurückkamen, waren die Boote schon im Begriff, nach dem Schiffe abzugehen, weshalb wir uns gleich mit übersetzen ließen. Auf unserm Spaziergange hatten wir nur wenig Leute angetroffen, und wenn uns hie und da einer begegnete, so ging er, ohne sich um uns zu kümmern, seines Weges fort, gemeiniglich nach dem Handlungsplatze hin. Hätten wir nicht zwei Leute zu Wegweisern mitgenommen, so wären wir vermutlich ohne alle Begleitung geblieben; niemand würde uns nachgelaufen oder sonst auf irgendeine Art hinderlich gewesen sein. Der Knall und die Wirkung unseres Schießgewehrs machte keinen besonderen Eindruck auf sie, doch hatten wir auch nicht Ursach, sie damit in Furcht zu setzen, denn sie betrugen sich durchgehends freundlich und willfährig gegen uns. Die Frauensleute waren im ganzen genommen zurückhaltend und bezeigten gegen das ausgelaßne Betragen unseres Schiffsvolks ausdrücklichen Widerwillen, doch gab es mitunter freilich auch einige, die minder keusch waren und die durch unanständige Gebärden die Matrosen veranlaßten, alles zu versuchen und alles zu erhalten.

 

Am folgenden Morgen gingen wir mit den Kapitänen wiederum ans Land und beschenkten den Befehlshaber mit einer Menge Gartengesäme, deren großer Nutzen ihm, soviel möglich, durch Zeichen zu verstehen gegeben ward. Darin bestand bis jetzt noch unsere Unterhaltung; doch hatten wir schon eine hinlängliche Anzahl von Wörtern gesammelt, aus denen sich nach den allgemeinen Begriffen vom Bau der Sprachen und den Abänderungen der Dialekte deutlich urteilen ließ, daß die hiesige Mundart mit der Sprache auf Tahiti und den Sozietätsinseln sehr nahe verwandt sei. O-Mai oder Maheine und O-Hedidi, die beiden Indianer von Raietea und Borabora, welche bei uns an Bord waren, behaupteten anfänglich, daß sie die hiesige Sprache ganz und gar nicht verständen. Allein kaum hatten wir ihnen die Ähnlichkeit derselben mit ihrer Landessprache an verschiedenen Worten gezeigt, so faßten sie das Eigentümliche dieses Dialektes sehr leicht und konnten sich den Eingeborenen besser verständlich machen, als einer von uns nach langer Zeit kaum gelernt haben würde. Das Land gefiel ihnen sehr wohl, doch sahen sie auch bald ein, woran es demselben fehlte; sie klagten uns nämlich, daß es wenig Brotfrucht, wenig Schweine und Hühner und gar keine Hunde allhier gäbe, welches auch der Wahrheit völlig gemäß war. Dagegen fanden sie großes Wohlgefallen an dem vielen Zuckerrohr und berauschenden Pfeffergetränk, wovon die Einwohner unter anderm auch dem Kapitän Cook zu trinken angeboten hatten.

Sobald die Kapitäne ihre Geschenke abgegeben, kehrten sie nach den Schiffen zurück, und der Befehlshaber kam mit uns an Bord. Wir hoben den Anker, die Segel wurden aufgesetzt, und wir verließen dies glückliche Eiland, dessen Schönheiten wir kaum im Vorbeigehen hatten kennenlernen. Während der Anstalten zur Abfahrt verkaufte uns der Befehlshaber noch eine Menge von Fischangeln gegen Nägel und Korallen und rief darauf ein vorbeifahrendes Kanu ans Schiff, auf welchem er mit mannigfaltigen Zeichen und Blicken aufs freundschaftlichste und gutherzigste Abschied von uns nahm.

Wir segelten nunmehro längs dem westlichen Gestade der Insel hin, die Tasman Amsterdam genannt hat, die aber in der Sprache ihrer Einwohner Tonga-Tabu heißt. Vermittelst unserer Ferngläser entdeckten wir hier ebenso regelmäßige Pflanzungen als dort, auch war die Küste voller Einwohner, die uns durchgehends und vermutlich nicht minder aufmerksam betrachteten als wir sie. Einige derselben rannten längs dem Ufer hin und her und ließen weiße Fahnen wehen, die wir für Friedenszeichen und als eine Art von Bewillkommnung in der Ferne ansahen. Als wir zwischen beiden Inseln ohngefähr mitteninne, das ist von jeder etwa drei Seemeilen entfernt, waren, begegneten uns schon verschiedene Kanus mit Leuten, die an das Schiff herankommen wollten, allein wir waren so weit vor dem Winde, daß sie uns nicht mehr einholen konnten, dagegen erreichten sie die »Adventure« und gingen auf selbiger an Bord.

Nachmittags gelangten wir an das nördliche Ende der Insel, woselbst gegen Osten hin einige kleine Inseln lagen, die mit einem Riff verbunden waren, und gen Nordwesten hin gab es eine verborgene Klippe, an welcher sich die See mit großem Ungestüm brach. Beides, sowohl jene kleinen Inseln als diese Klippe, überzeugten uns, daß wir gerad in derselben Gegend waren, wo Tasman im Jahre 1643 vor Anker gelegen und solche Vandiemensreede genannt hatte. Hier ließen nun auch wir die Anker fallen, ohnerachtet der Grund aus einem bloßen Korallenfelsen bestand. Es dauerte nicht lange, so wurden wir von einer Menge von Einwohnern umringt, die teils in Kanus, teils schwimmend herbeikamen, ohnerachtet wir über eine Viertelmeile weit vom Ufer lagen. Nachdem wir unsere neuen Freunde einigermaßen hatten kennenlernen, machten wir uns auf, um das Land näher in Augenschein zu nehmen.

Wir gelangten bald auf einen schönen Grasplatz, der rundumher von Kasuarinas, Pandanen, wilden Sayopalmen und anderen Bäumen beschattet war. Vornehmlich stand längs der einen Seite eine Reihe von Barringtonias, die so dick als die stärksten Eichen waren und deren große schöne Blüten mehrenteils auf der Erde umherlagen. Am obern Ende dieses Platzes sahen wir eine Erhöhung von zwei bis drei Fuß, die am untern Seitenrande mit viereckig gehauenen Korallsteinen ausgelegt und zu desto bequemerm Hinaufsteigen mit zwei Stufen von Korallstein versehen war.

Oben war der Hügel mit grünem Rasen bedeckt und eine Hütte darauf erbaut, die der Totenhütte auf Ea-Uwhe gleich sah. Sie war ohngefähr zwanzig Fuß lang, fünfzehn breit und zehn Fuß hoch, das Dach bestand aus Pisangblättern und reichte fast bis ganz auf die Erde herab. Innerhalb hatte man den Fußboden mit kleinen weißen Korallsteinen bestreut, und auf diesen lag in einer Ecke eine ohngefähr acht Fuß lange und zwölf Zoll hohe Schicht von schwarzen Kieseln. Nach der Aussage eines Indianers, der mit in die Hütte ging, indes die übrigen in einiger Entfernung stehenblieben, lag hier ein Mann begraben; er deutete während seiner Erzählung auf die Stelle, wo ihm der kleine Finger fehlte, und erklärte sich ganz deutlich, daß diese Verstümmlung bei dem Todesfall der Maduas (das ist: der Eltern oder vielmehr andern Verwandten in aufsteigender Linie) vorgenommen zu werden pflege. Unserm Astronomen, Herrn Wales, begegnete zwar einstmals ein Mann, dem an beiden Händen kein Finger fehlte, ohnerachtet die Eltern desselben, seinem hohen Alter nach zu urteilen, wohl schwerlich mehr am Leben sein konnten. Allein ein solcher einzelner Fall entscheidet nichts gegen das Ganze, und da es überall Sonderlinge gibt, so könnte ja auch wohl auf Tonga-Tabu einer oder der andere gewisse Zeremonien nicht mitmachen wollen, zumal da man in der Südsee durchgehends sehr tolerant ist. – Wir fanden auf dieser Grabstätte auch zwei aus Holz geschnitzte Figuren, die, gleich den E-Tihis auf Tahiti, einer Menschengestalt ähnlich sein sollten, doch bezeigte man ihnen hier ebensowenig als dort eine Art von Achtung oder Verehrung, sondern man ließ sie sorglos auf der Erde herumliegen und stieß sie nach Gelegenheit mit den Füßen aus einem Winkel in den andern. Dergleichen Begräbnisplätze heißen in der Landessprache Fayetuca und sind immer in einer sehr anmutigen Gegend, auf grünen Grasplätzen, unter schönen schattenreichen Bäumen angelegt.

Von hier aus eilten wir wieder nach der Küste herab, wo fleißig um Früchte, Vieh und Schweine gehandelt wurde. Als eine Kuriosität kauften wir einen großen flachen Brustschild, welcher aus einem runden Knochen bestand, der vermutlich von einer Walfischart sein mochte. Er war ohngefähr achtzehn Zoll im Durchmesser groß, so weiß als Elfenbein und schön poliert. Nächstdem brachte man uns auch ein neues musikalisches Instrument, das aus neun bis zehn Rohrpfeifen bestand, welche ohngefähr neun Zoll lang und mit Kokosnußfasern zusammen verbunden waren. Die Länge der Pfeifen war selten merklich verschieden, auch waren lange und kurze ohne Ordnung durcheinandergemischt. Am oberen Ende hatten sie eine Öffnung, in welche man mit den Lippen hineinblies, indes das Instrument vor dem Munde hin- und hergezogen ward, um auf diese Art die verschiedenen Töne in beliebigem Maße anzugeben. Es hatte deren gemeiniglich vier bis fünf und ging nie auf eine ganze Oktave.

Die Ähnlichkeit, welche sich zwischen diesem Instrument und der Syrinx- oder Panflöte der alten Griechen befand, gab ihm in unseren Augen mehr Wert als seine musikalische Vollkommenheit; denn schon aus der Art, wie es gespielt wurde, werden die Musikliebhaber genugsam einsehen können, daß diese göttliche Kunst hier noch in ihrer Kindheit sei. Die Vokalmusik war mit der auf Ea-Uwhe einerlei, und die Stimmen fielen harmonisch genug ins Ohr. Auch hier schlagen die Weiber Knippchen unterm Singen und beobachten den Takt damit sehr genau. Da aber der Gesang innerhalb vier Töne eingeschränkt ist, so findet keine große Modulation statt. Zu ihren musikalischen Instrumenten gehört noch eine Pfeife aus Bambusrohr, die ohngefähr so dick als unsere Flöten war und hier auf ebendie Art wie zu Tahiti durch die Nasenlöcher geblasen wurde. Gemeiniglich waren sie mit allerhand kleinen eingebrannten Figuren geziert und hatten vier bis fünf Tonlöcher, dahingegen die tahitischen Flöten nur drei in allem hatten. Die Auszierungen mit eingebrannten Figuren fanden wir auch auf ihren Speiseschalen und anderm hölzernen Hausrat angebracht.

 

Am nächsten Morgen kam des Kapitäns Freund Attaha oder Attagha sehr zeitig an Bord und frühstückte mit uns. Seine Kleidung bestand aus Matten, wovon er eine, des kalten Morgens wegen, über die Schultern geschlagen hatte. Nach eingenommenem Frühstück schickten der Kapitän und mein Vater sich an, ihn wieder nach dem Lande zu begleiten. Als sie in dieser Absicht aufs Verdeck kamen, fiel ihm ein tahitischer Hund in die Augen. Über diesen Anblick geriet er vor Entzücken gleichsam außer sich. Er schlug beide Hände an die Brust, wandte sich gegen den Kapitän und rief voller Freude mehr als zwanzigmal Guri Uri bedeutet zu Tahiti einen Hund, Guri bedeutet ebendas auf Neuseeland. aus.

Es wunderte uns, daß ihm der Name eines Tieres bekannt war, dergleichen es doch in seinem Lande keine gibt. Die Kenntnis davon muß also entweder von einer Tradition ihrer Vorfahren herrühren, die aus andern Inseln oder vom festen Lande, wo es solche Tiere gegeben hat, hierhergekommen sind, oder aber sie müssen ehemals selbst welche auf den Inseln gehabt haben und durch einen oder andern Zufall darum gekommen sein; oder endlich sie müssen noch jetzt mit andern Ländern in Verbindung stehen, allwo es Hunde gibt. Um indessen die Freude des ehrlichen Attaha vollständig zu machen, schenkten wir ihm einen Hund und eine Hündin, die er ganz entzückt mit sich ans Land nahm.

Ich meinesteils blieb den ganzen Tag an Bord, um die Pflanzen und Vögel in Ordnung zu bringen, die wir bei unserer ersten Landung gesammelt hatten und deren Anzahl in Betracht des geringen Umfangs der Insel sehr ansehnlich war. Die Eingebornen hielten sich beständig mit einer Menge von Kanus bei dem Schiffe auf, und andere, die vermutlich nicht reich genug waren, um sich ein eigenes Kanu zu halten, schwammen vom Ufer ab und zu. Ihre Fahrzeuge waren von verschiedener Bauart. Die gewöhnlichen kleinen Kanus, in welchen sie Waren zu Markte brachten, hatten einen ganz scharfen Kiel und waren vorn und hinten gleich sehr zugespitzt, aber dabei so schmal, daß die Wellen oft über die äußersten Enden ganz zusammenschlugen; damit nun in dergleichen Fällen das Kanu nicht voll Wasser würde, so waren die beiden Spitzen oberhalb mit Brettern verdeckt oder zugeschlagen. Zu Verhütung des Umschlagens waren sie gemeiniglich mit einer leichtgebauten Auslage oder einem Balancier von Stangen versehen.

Das Kanu an und für sich bestand aus mehreren Planken von hartem braunem Holze, die mit Kokosnußfasern eine auf die andere genäht und so künstlich zusammengefügt waren, daß sie ausnehmend wasserdicht zu sein schienen. Die Tahitier begnügten sich, unmittelbar durch die Planken Löcher zu bohren und durch diese die Kokosfäden durchzuziehen, aber eben deshalb waren auch ihre Kanus fast immer leck. Zu Tonga-Tabu hingegen ist an der Inseite der Planken, dicht am Rande der Fuge, ein vorspringender Falz oder eine Leiste befindlich, und nur durch diese, nicht durch die ganze Dicke der Planken, gehen die Schnüre, welche die Naht ausmachen. Längs dem äußern Rande des Verdecks oder des schmalen Brettes an beiden Enden des Kanus sind sieben bis acht runde, knotenförmige Erhöhungen angebracht, die eine Nachahmung der kleinen Floßfedern am Bauche der Boniten, Albekoren oder Makrelen zu sein scheinen. Ich glaube auch wirklich, daß die Insulaner im Bau ihrer Boote diese schnellen Fische zum Modell genommen haben. Ohnerachtet die Kanus gemeiniglich fünfzehn bis achtzehn Fuß lang sind, so sind sie doch von einem Ende bis zum andern so schön als unsere beste Tischlerarbeit geglättet, welches desto mehr zu bewundern ist, als das hiesige Handwerkszeug nur aus elenden Stückchen von Korallen und die Hobel nur aus Rochenhaut bestehen. Die Ruder sind nicht minder schön poliert als die Fahrzeuge, auch von ebender Holzart gemacht und haben kurze blattförmige breite Schaufeln wie die tahitischen.

Die zweite Art von Kanus war zum Segeln eingerichtet, und Leute, die das Seewesen und den Schiffbau verstanden, mußten bekennen, daß sie dazu vortrefflich taugten. Wir sahen eines davon in Marien-Bai, das aus zwei kleinern bestand, die dicht aneinander befestigt waren. Die Planken waren auf ebendie Art als bei den vorbeschriebenen zusammengenäht, beide Kanus aber ganz bedeckt und, gleich den tahitischen Kriegsfahrzeugen, mit einem erhabenen. Gerüst oder einer Platteform versehen. Einige dieser Segelboote mögen einhundertfünfzig Mann tragen können. Die Segel, welche dreieckig sind, bestehen aus starken Matten, in welche zuweilen die Figur einer Schildkröte oder eines Hahns, wiewohl nach einer ziemlich unförmigen Zeichnung, eingewirkt ist. Schon aus dem wenigen, was ich von der guten Bauart der Segelboote gesagt habe, wird der Leser abnehmen, daß die Einwohner dieser Inseln weit erfahrenere und bessere Seeleute sein müssen als die Einwohner von Tahiti und den Sozietätsinseln.

Unter der Menge von Leuten, welche um die Schiffe her schwärmten, bemerkte ich verschiedene, deren Haar an den Spitzen verbrannt zu sein schien und gepudert war. Bei genauerer Untersuchung fand ich, daß dieser Puder aus Muschel- oder Korallenkalk zubereitet war, der vermöge seiner fressenden Eigenschaft die Haare angegriffen und gleichsam versengt oder verbrannt hatte. Der Geschmack am Haarpuder ging hier so weit, daß man schon auf die Künstelei verfallen war, ihm allerhand Farben zu geben, denn einer von den Männern hatte blauen und mehrere Leute, sowohl Männer als Weiber, einen orangefarbenen Puder gebraucht. Der heilige Hieronymus, der gegen die Eitelkeiten seiner Zeiten predigte, warf schon damals den römischen Damen eine ähnliche Gewohnheit vor. Die Torheiten der Menschen sind sich also so ähnlich, daß man die längst vergessenen Moden der ehemaligen Bewohner von Europa noch heutzutage unter den neuern Antipoden wiederfindet! Und unsere abgeschmackten Petitmäters, deren ganzer Ehrgeiz darin besteht, eine neue Mode zu erfinden, können diese unbedeutende Ehre nicht einmal für sich allein behalten, sondern müssen ihren Ruhm mit den unzivilisierten Einwohnern einer Insel in der Südsee teilen.

Mein Vater kam erst am Abend wieder, weil er einen weiten Gang, nämlich bis nach dem südlichsten Ende der Insel vorgenommen hatte. In der Mittagsstunde hatte ihn ein starkes Regenwetter überfallen und in eine Plantage zu gehen genötigt, um daselbst in der Hütte Obdach zu suchen. Zum Glück für ihn war der Eigentümer derselben zu Hause. Er nahm meinen Vater freundlich auf und bat ihn, auf den reinlichen Matten, die den Fußboden bedeckten, Platz zu nehmen. Mittlerweile ging er fort, um zur Bewirtung Anstalt zu machen, kam aber in wenig Augenblicken zurück und brachte etliche Kokosnüsse mit. Darauf öffnete er seinen Ofen unter der Erde und langte einige Bananen und Fische heraus, die, in Blätter gewickelt, vollkommen gar und von vortrefflichem Geschmack waren. Die hiesige Kochart ist also mit der tahitischen einerlei, und die Insulaner sind ebenso gastfrei als jene. Mein Vater belohnte seinen Wirt für die genossene gutherzige Aufnahme mit Nägeln und Korallen, die jener unter dem gewöhnlichen Fagafetai! über den Kopf hielt und dankbarlich annahm. Er begleitete auch seinen Gast bis an den Strand und trug ihm sehr willig und sorgfältig eine Menge von Speeren und Keulen nach, die er unterwegs eingehandelt hatte.

So harmlos sich aber die guten Leute auch gegen uns betrugen, so blieben sie dennoch von den Unglücksfällen nicht verschont, die bei der Entdeckung fremder Länder nur gar zu oft vorfallen. Unsre Waren hatten für sie gewiß nicht weniger Wert und Reiz, als den sie für die Tahitier hatten, kein Wunder also, daß sie auch ebenso geneigt waren als jene, sich daran zu vergreifen.

Die Kapitäne waren am nächstfolgenden Tage nicht lange am Lande gewesen, als ein Insulaner die Gelegenheit wahrnahm, eine Jacke aus unserm Boote wegzustehlen. Um seine Beute zu sichern, tauchte er gleich unters Wasser und lief, sobald er den Strand erreicht hatte, unter seine Landsleute, da wo das Gedränge am dicksten war. Gleichwohl ließen sich die Matrosen dadurch nicht abhalten, auf ihn zu feuern, und ohne daß es der Kapitän befahl, geschahen sieben Schüsse nach ihm. Dadurch wurden nun natürlicherweise mehrere ganz unschuldige Leute verwundet, und bei alledem war das Volk so gutherzig, daß sie weder Ufer noch Handelsplatz verließen, auch wegen dieses übereilten Betragens nicht das geringste Mißtrauen schöpften, sondern, sich die Kugeln getrost um die Ohren pfeifen ließen.

Wenige Stunden nachher machte es ein anderer an Bord unseres Schiffes ebenso, er schlich sich in die Kajüte des Piloten und entwendete daselbst verschiedene mathematische Bücher, einen Degen, ein Lineal und andere Kleinigkeiten, wovon er in seinem Leben keinen Gebrauch machen konnte. Indessen ward die Sache entdeckt, als er eben in einem Kanu entwischen wollte, man schickte ihm daher ein Boot nach, um des Gestohlenen wieder habhaft zu werden. Sobald er sah, worauf es angelegt sei, warf er alles über Bord. Man ließ also die Sachen durch ein anderes Boot auffischen, inmittelst das erstere den Dieb zu verfolgen fortfuhr. Um ihn einzuholen, schossen unsere Leute eine Flintenkugel durch das Hinterteil seines Kanus, worauf er nebst verschiedenen andern ins Wasser sprang. Ob man nun gleich nicht aufhörte, ihm nachzusetzen, so schützte ihn doch seine bewundernswürdige Hurtigkeit noch eine ganze Zeitlang; er tauchte zuweilen unter das Boot, in welchem unsere Leute waren, und einmal hob er ihnen gar das Steuerruder aus, ohne daß sie ihn erwischen konnten. Endlich ward einer von den Matrosen des Spiels überdrüssig, er warf den Boothaken nach ihm; unglücklicherweise drang das Eisen ihm unter die Rippen in den Leib, es ward also dem Matrosen nicht schwer, den Indianer vollends bis ans Boot heranzuziehen und ihn an Bord zu heben. Allein er sah die Zeit ab, sprang, ehe man sich's versah, wieder, in die See und entkam, auch ohnerachtet er viel Blut verloren hatte, glücklich vermittelst einiger Kanus, die zu seiner Rettung vom Lande abgestoßen hatten und ihn aufnahmen. Es ist gewiß sehr zu verwundern, daß die barbarische Verfolgung und Mißhandlung dieses armen Schelmen uns weder das Vertrauen noch die Zuneigung der Einwohner raubte! Alles blieb so ruhig und friedlich als zuvor.

Die Kapitäne brachten Attagha und einen anderen Befehlshaber zum Essen mit an Bord, und der Handel ging ebensogut vonstatten, als ob nichts vorgefallen wäre. Der Befehlshaber, der mit Attagha kam, schien von höherem Range zu sein, weil dieser, der sonst mit uns am Tisch zu sitzen pflegte, sich jetzt ein paar Schritte hinter jenem auf den Fußboden niedersetzte und durch nichts dahin zu bringen war, daß er in des anderen Gegenwart gegessen hätte. Jener war ein triefäugiger ältlicher Mann, für welchen die übrigen Leute in den Kanus so viel Achtung bezeugten, daß unsere Matrosen nach ihrer Art meinten, er müsse wenigstens Admiralsrang haben. Aus seiner Kleidung konnte man indessen nicht sehen, daß er von höherem Stande wäre, denn wie es scheint, so wissen die Insulaner überhaupt noch nichts von Verschwendung und Kleiderpracht, doch lassen sie es darum keineswegs an Ehrfurcht gegen die Vornehmeren ihrer Nation fehlen. Auf den Sozietätsinseln hingegen verhielt sich's gerade umgekehrt.

Die Achtung, welche Attagha dem andern Befehlshaber zeigte, war zwar groß, aber doch nichts im Vergleich mit dem, was wir nach Tische am Lande erfuhren. Wir trafen daselbst einen Mann von mittlerem Alter, der beim Handelsplatze auf der Erde saß und einen Kreis von Einwohnern um sich hatte. Einige unserer Leute, die auf der Jagd gewesen waren, erzählten, daß ihnen ebendieser Mann bei Marien-Bai begegnet wäre und daß alle Eingebornen, die neben ihm vorbeigegangen, sich vor ihm auf die Erde geworfen, seine Füße geküßt und solche auf ihre Köpfe gesetzt hätten. Bei genauerer Nachfrage hätten sie von unterschiedlichen Leuten vernommen, er sei das Oberhaupt der ganzen Insel, in ebendem Maße, als Cucki (Kapitän Cook) Befehlshaber auf unsern Schiffen sei, und heiße Ko-Haghi-Tu-Fallango. Ko ist hier auf Neuseeland der Artikel, welcher mit dem tahitischen O oder E übereinstimmt.

Es war uns darum zu tun, diesen Latu (König) näher kennenzulernen; wir gingen also zu ihm heran, und die Kapitäne machten ihm allerhand Geschenke, die er so hölzern und gleichgültig annahm, daß man ihn für ganz unempfindlich und einfältig hätte ansehen mögen. Unter anderm war auch ein Hemde dabei, welches sie ihm anzogen, damit er's zu gebrauchen wüßte. Allein bei seiner stupiden Unbehilflichkeit kostete ihnen das nicht wenig Mühe. Vermutlich würde er ihnen auch nicht einmal dafür gedankt haben, wenn nicht ein altes Weib, die hinter ihm saß, ihn so oft daran erinnert hätte. Dieses fruchtete endlich so viel, daß er ein Stück nach dem andern über den Kopf emporerhob, doch sagte er so gut als der Geringste seiner Untertanen nichts mehr als schlechtweg Fagafetai! dazu.

Der Priester, welcher die beiden Kapitäne am ersten Tage nach unserer Ankunft zu dem Begräbnis- oder Versammlungsplatze gebracht hatte, befand sich in ebendem Zirkel von Eingeborenen, in welchem auch der Latu saß, und ließ sich das berauschende Pfefferwasser Zu Tahiti Awa, hier aber und auf Hörn Island Kawa genannt. tapfer schmecken. Es ward ihm in kleinen viereckigen Bechern von künstlich gefalteten und geflochtenen Bananenblättern gereicht, und er verlangte, daß man auch uns von diesem köstlichen Getränk mitteilen sollte. Man bot uns also mit vieler Höflichkeit etwas davon an, und aus bloßer Höflichkeit kosteten wir es auch. Es war von milchweißer Farbe, hatte aber einen ekelhaft faden Geschmack und ließ eine unangenehme, brennende Empfindung auf der Zunge zurück. Von diesem ekelhaften Zeuge nahm der heilige Mann alle Abende so reichliche Portionen zu sich, daß er immer ganz berauscht ward. Kein Wunder also, daß ihm das Gedächtnis beim Gebet versagte, daß sein ganzer Körper mager, die Haut schäbigt, das Gesicht runzligt und die Augen rot und triefend waren. Er stand bei dem Volke in großem Ansehen, und eine Menge Bedienter waren geschäftig, ihm mit vollen Bechern zur Hand zu gehen. Die Geschenke, welche wir ihm gaben, behielt er für sich, dahingegen Attagha und andere alles, was sie von uns bekamen, an ihre Obern ablieferten.

Er hatte eine Tochter, die von unsern Leuten viel Geschenke erhielt, denn sie war ungemein wohlgebildet und heller von Farbe als die andern hiesigen Frauenspersonen, welche auch durchgehends einige Achtung für sie zu haben schienen. Hellere Farbe und sanftere Gesichtszüge sind natürliche Folgen einer bequemen, untätigen Lebensart, bei welcher man sich der Sonnenhitze nicht auszusetzen braucht und wobei man an allem, was das Land Gutes und Köstliches liefert, Überfluß hat. Dies auf den gegenwärtigen Fall angewandt, so wird es dem Anschein nach auch hier schon darauf angelegt, die Religion zum Deckmantel der Üppigkeit und des Wohllebens zu gebrauchen und auch diese Nation, gleich so vielen andern, der Bequemlichkeit eines trägen, wollüstigen Pfaffen zinsbar zu machen. Bis jetzt mag das freilich so weit noch nicht gehen, aber ein einziger Funke davon ist auch schon genug, um in der Folge weit und unaufhaltsam um sich zu greifen. Der Gehorsam und die Ergebenheit des Volkes gegen die Oberen beweisen zur Genüge, daß die hiesige Verfassung wenngleich nicht völlig despotisch, doch auch weit von der demokratischen entfernt ist, und auf die Art kann denn freilich der Luxus bald Eingang finden.

Was ich hier von diesen beiden Inseln gesagt habe, das läßt sich auch überhaupt von jenen behaupten, die in dieser Gegend weiter gen Westen liegen. Denn die zuverlässigen Beschreibungen, welche Schouten und Le Maire und Tasman uns von letzteren hinterlassen haben, stimmen mit dem, was wir selbst auf diesen hier beobachtet, genau überein, daß alles, was auf diese paßt, auch von jenen gelten kann. Die Bewohner derselben sind durchgehends zum Handel geneigt und haben von jeher die Fremden, welche bei ihnen landeten, freundlich und leutselig aufgenommen. Dies bewog uns, diese ursprünglich von Schouten und Tasman entdeckten Eilande zusammengenommen die Freundschaftlichen Inseln zu nennen.

 

Auf den Sozietätsinseln sind die Berge hoch und ziehen folglich die Dünste der Atmosphäre beständig an sich, daher findet man dort so viele Bäche, die sich von den Bergen herab in die See ergießen und den Einwohnern auf vielfältige Art Vorteil schaffen. Vermittelst derselben haben sie nicht nur reichliches und gesundes Trinkwasser, sondern auch Gelegenheit, sich oft zu baden, und sind folglich gegen alle Krankheiten der Haut, die aus Unreinlichkeit entspringen, ziemlich gesichert. Ganz anders muß es dagegen bei einem Volk aussehen, dem es an diesem Vorteil fehlt und das sich, gleich den Bewohnern von Tonga-Tabu, entweder mit faulem, stinkendem Regenwasser aus etlichen wenigen schlammigen Pfützen oder gar mit salzigem Wasser behelfen muß. Um sich nur einigermaßen reinlich zu erhalten und dadurch gewissen Krankheiten vorzubeugen, sind sie genötigt, ihre Zuflucht zu andern Hilfsmitteln zu nehmen; sie stutzen sich also die Haare, zwicken sich den Bart et cetera und werden folglich schon dadurch den Tahitiern im Äußern unähnlicher, als sie ohne das nicht sein würden. Gleichwohl sind in Ermangelung genügsamen und guten Wassers alle diese künstlichen Hilfsmittel zur Reinlichkeit nicht hinreichend, sie vor dem Aussatz zu sichern, der vielleicht durch den Gebrauch des Pfefferwassers noch nebenher begünstigt wird. Zur Verhütung oder Heilung desselben schien jenes Mittel gebraucht zu werden, dem wir die wundgemachten Flecken auf den Backenknochen zuschrieben, die so allgemein unter ihnen sind, daß fast kein einziger ohne dergleichen Merkmal war.

Auf den Sozietätsinseln ist das Erdreich in den Ebenen und Tälern so fett und reich und bekommt durch die vielen Bäche so viel Zufluß an gehöriger Feuchtigkeit, daß die mehresten Gewächse fast ohne alle Kultur gedeihen. Diese ungemeine Fruchtbarkeit veranlaßt und unterhält dann auch die Üppigkeit und Schwelgerei unter den dortigen Vornehmen. Davon aber findet man auf Tonga-Tabu keine Spur. Auf dieser Insel ist der Korallfelsen bloß mit einer dünnen Schicht von Erde bedeckt, in welcher die Bäume nur kümmerliche Nahrung finden, und der nützlichste von allen, der Brotfruchtbaum, kommt fast gar nicht fort, weil er keine andere Wässerung als Regen findet.

Auf solche Art erfordert die Bearbeitung des Landes hier weit mehr Mühe als auf Tahiti. Daher kommt's, daß die Leute mehr Fleiß auf ihre Pflanzungen wenden, denselben eine regelmäßige Form geben und daß jeder das Seinige genau einzäunt. Aus ebendieser Ursach läßt sich aber auch begreifen, warum sie auf die Lebensmittel immer einen höhern Wert legen als auf ihre Geräte, Kleider, Schmuck und Waffen (ob ihnen diese gleich in manchen Fällen unsägliche Arbeit müssen gekostet haben); sie sehen nämlich wohl ein, daß Lebensmittel ihr größter Reichtum sei, dessen Abgang schwer zu ersetzen ist. Daß sie von Person schlanker und muskulöser sind als die Tahitier, rührt natürlicherweise davon her, daß sie mehr arbeiten und ihren Körper mehr anstrengen als jene. Durch die Beschaffenheit des Erdereichs zu vieler Arbeit genötigt, ist ihnen die Arbeitsamkeit endlich dermaßen zur Gewohnheit geworden, daß sie nicht nur die vom Ackerbau übrige Zeit zur Verfertigung von mancherlei Handwerkszeug und Geräten anwenden, die viel Mühe, Geduld und Geschicklichkeit erfordern, sondern auch sogar bei ihren Ergötzlichkeiten Tätigkeit und Erholung miteinander zu verbinden wissen. Diese Arbeitsamkeit ist auch schuld daran, daß sie nach und nach auf neue Erfindungen gefallen sind und es in den Künsten ungleich weiter gebracht haben als die Tahitier.

Dabei sind sie von sehr aufgeräumtem Wesen und sehen stets vergnügt aus, denn ihre Bedürfnisse, deren vermutlich nur sehr wenige sind, werden alle befriedigt. Das Frauenzimmer ist vorzüglich aufgeweckt und konnte des Plauderns nicht satt werden, solange wir den geringsten Anteil an ihrer Unterhaltung zu nehmen schienen.

Wenn man annimmt, daß ohne einen gewissen Grad von Freiheit ein Volk unmöglich glücklich und, ohne glücklich zu sein, auch nicht froh sein könne, so ist es allerdings zu verwundern, daß diese Insulaner so vergnügt sind, da doch bei ihrer politischen Verfassung nur wenig allgemeine Freiheit stattzufinden scheint. Allein ohne dieses Phänomens wegen bis nach der Südsee zu gehen, sehen wir ja täglich mit Augen, daß eine benachbarte Nation, die bekanntermaßen unter dem Druck der größten Sklaverei lebt, gleichwohl eine der lustigsten und witzigsten auf Erden ist. Überdem glaube ich, daß der großen Unterwürfigkeit, die in Tonga-Tabu herrscht, ohnerachtet die Leute immer noch Ursach haben mögen, froh zu sein, denn außer jenen sonderbaren Zeichen von sklavischer Verehrung fordert der König vermutlich nichts von ihnen, das sie ihrer eignen Bedürfnisse berauben und arm oder elend machen könnte. Dem sei indessen, wie ihm wolle, soviel ist wohl ausgemacht, daß ihr Regierungs- und Religionssystem dem tahitischen ähnlich und, soweit wir es beurteilen können, aus einer und ebenderselben Quelle, vielleicht unmittelbar aus dem gemeinschaftlichen Vaterlande beider Kolonien, hergeflossen ist. Die geringe Verschiedenheit, welche man heutzutage in einzelnen Gebräuchen und Meinungen dieser beiden Völker wahrnimmt, scheint bloß aus einer allmählichen Abweichung von ihren ehemals gemeinschaftlichen Begriffen herzurühren, als welche sich nach und nach teils zufälligerweise, teils auf Veranlassung besonderer Grillen mögen verändert haben.

Wir fanden hier wie auf Tahiti einen König (Ariki) mit vielen ihm untergebenen Prinzen oder Chefs, denen vermutlich gewisse Bezirke gehören und denen das gemeine Volk noch mehr als die Tahitier ihrem Adel ergeben waren. Auch glaubten wir einen dritten Stand bemerkt zu haben, der mit den Manahaunaes auf den Sozietätsinseln übereinstimmt, und vielleicht war Attagha ein Mann von dieser Art. Ohnstreitig ist alles Land hier ein Privateigentum, denn wo der Boden so äußerst sorgfältig bearbeitet wird, daß nicht ein Flecken ungenutzt bleibt, da kann unmöglich alles gemeinschaftlich sein, sonst wäre ja der Müßiggänger glücklicher als der Arbeitsame. Oft habe ich sechs, acht bis zehn Leute, mit Früchten und andern Lebensmitteln beladen ans Ufer kommen sehen, ein Mann oder auch eine Frau, die nebenherging, verkaufte dies alles, und ohne ihren Willen durften die andern nicht ein Stückchen gegen unsere Waren vertauschen. Dergleichen Leute als die Träger machen also hier so wie die Tautaus in Tahiti die geringste Klasse von Menschen aus und müssen den andern dienen und für sie arbeiten.

Wir verließen unsere Freunde nicht eher als bei Untergang der Sonnen und versprachen ihnen, sie am folgenden Morgen nochmals zu besuchen. Beide Schiffe waren nun wieder mit einem guten Vorrat von Pisangen, Yams und Kokosnüssen versehen, auch hatte man des geringen Umfangs der Insel und der Kürze unseres Hierseins ohnerachtet sechzig bis achtzig Schweine nebst einer großen Menge von Hühnern zusammengebracht. Frisches Wasser hingegen war nirgends zu finden gewesen, ob man schon auch an der Ostseite der Insel darnach hatte suchen lassen. Bei dieser Gelegenheit hatte der dorthin geschickte Lotse die Marien-Bai nebst den davor liegenden flachen Inseln aufnehmen müssen, und die genaue Übereinstimmung seiner Zeichnung mit Tasmans älteren Karten gab einen neuen Beweis ab, wie sehr man sich auf die Treue und Genauigkeit jenes Seefahrers verlassen könne.

 

Als unser Boot gestern zum letztenmal vom Lande nach dem Schiff herüberkam, brachte es eine Menge Früchte und Wurzelwerk, desgleichen ein völlig bereitetes Schwein mit, welches insgesamt der Latu oder König dem Kapitän zum Geschenk übersandte. Um diese Höflichkeit nicht unerwidert zu lassen, nahmen wir am folgenden Morgen ein Hemd, eine Säge, ein Beil, einen kupfernen Kessel nebst andern Kleinigkeiten von geringerm Werte mit uns ans Land und händigten ihm solche nicht weit vom Strande ein, woselbst er im Grase saß. Er nahm diese Sachen mit jener finstern Ehrbarkeit an, die wir nun schon an ihm gewohnt waren und die er auch nur ein einziges Mal ablegte, da man ihn in einer Unterredung mit Attagha lächeln sah. Unter dem versammelten Volke bemerkten wir einen Mann, der dem eingeführten Landesgebrauch zuwider sein Haar hatte wachsen lassen, welches in verschiedene dicke Knoten auf geschürzt war, die ihm wild um die Ohren hingen. Dieser Mann und ein junges Mädchen waren die einzigen, welche das Haar nicht kurzgeschnitten trugen.

Wir hielten uns nicht lange bei den Einwohnern auf, sondern kehrten bald an Bord zurück, und gleich nach eingenommenem Frühstück wurden die Anker gelichtet. Indessen lagen die verschiedentlich eingekauften Lebensmittel noch auf dem Verdeck so unordentlich umher, daß wir nicht gleich in See stechen konnten, sondern unter der Insel beilegen mußten. Endlich gegen Abend, da alles über Seite geräumt war, gingen wir unter Segel und steuerten gen Süden.

Nunmehro verließen wir die tropischen Gegenden dieses Ozeans und steuerten zum zweiten Mal nach Neuseeland hin, von da wir vor vier Monaten hergekommen waren, um während des Winters die Südsee hier in den mittleren Breiten zu durchkreuzen. Diese Absicht war nun erreicht. Wir hatten zwischen den Wendezirkeln einen Strich von mehr als vierzig Grad der Länge untersucht und einunddreißig Tage lang teils auf den Sozietäts-, teils auf den Freundschaftlichen Inseln zugebracht, welches unserm gesamten Schiffsvolk ungemein wohl bekommen war. Der Sommer, als die tauglichste Jahreszeit, den südlichem Teil dieses Weltmeeres zu untersuchen, nahte heran, und die öden Klippen von Neuseeland sollten uns nur auf so lange Zeit zum Obdach dienen, als dazu erfordert ward, das leichtere oder Sommertakelwerk abzunehmen und stärkeres aufzusetzen, welches den Stürmen und aller übrigen strengen Witterung jener rauhen Himmelsgegend bessern Widerstand leisten konnte.

Besuch auf der Osterinsel

Am 13. März 1774 frühmorgens liefen wir dicht unter die südliche Spitze der Insel. Die Küste ragte in dieser Gegend senkrecht aus dem Meer empor und bestand aus gebrochenen Felsen, deren schwammigte und schwarze eisenfarbigte Masse vulkanischen Ursprungs zu sein schien. Zwei einzelne Felsen lagen ohngefähr eine Viertelmeile vor dieser Spitze in See. Einer derselben hatte eine sonderbare Form, er glich nämlich einer großen Spitzsäule oder Obelisk, und beide waren von einer ungeheuren Menge Seevögel bewohnt, deren widriges Geschrei uns die Ohren betäubte. Nicht lange nachher entdeckten wir eine andre Landspitze, ohngefähr zehn Meilen von der ersten, und hier ward das Land nach dem Ufer herab etwas flacher und ebener. In dieser Gegend entdeckten wir auch einige bepflanzte Felder, doch schien die Insel im ganzen genommen einen elenden dürren Boden zu haben. Der Pflanzungen waren so wenige, daß wir uns eben keine Hoffnung zu vielen Erfrischungen machen durften; dennoch blieben unsere Augen unablässig darauf gerichtet.

Mittlerweile sahen wir viele fast ganz nackte Leute eiligst von den Bergen gegen die See herabkommen. Soviel wir unterscheiden konnten, waren sie unbewaffnet, welches uns ein Merkmal freundlicher Gesinnung zu sein dünkte. Wenig Minuten nachher schoben sie ein Kanu ins Wasser, in welchem sich zwei von ihnen zu uns auf den Weg machten, die, indem sie sehr rasch näher ruderten, in kurzer Zeit neben dem Schiff waren. Sie riefen, wir möchten ihnen einen Strick zuwerfen, dessen Benennung in ihrer Sprache ebenso als in der tahitischen lautete. Sobald wir's getan hatten, befestigten sie einen großen Klumpen reife Pisange daran und winkten nun, daß man den Strick wieder heraufziehen möchte. Welche allgemeine und unvermutete Freude der Anblick dieser Früchte bei uns verursacht habe, ist kaum zu beschreiben; nur Leute, die ebenso elend sind, als wir damals waren, können sich einen richtigen Begriff davon machen. Mehr als fünfzig Personen fingen aus Übermaß der Freude auf einmal an mit den Leuten im Kanu zu sprechen, die natürlicherweise keinem einzigen antworten konnten. Kapitän Cook nahm allerhand Bänder, befestigte Medaillen und Korallen daran und ließ ihnen solche zum Gegengeschenk herab. Sie bewunderten diese Kleinigkeiten sehr, eilten aber unverzüglich wieder ans Land. Als sie auf dem Rückwege um das Hinterteil des Schiffes herumruderten und daselbst eine ausgeworfene Angelschnur vom Verdeck herabhängen sahen, banden sie zum Abschiedsgeschenk noch ein Stückchen Zeug daran. Beim Herausziehen fanden wir, daß es aus ebensolcher Baumrinde als das tahitische verfertigt und gelb gefärbt war.

Den wenigen Worten nach zu urteilen, die wir von ihnen gehört hatten, dünkte uns ihre Sprache ein Dialekt der tahitischen zu sein. Es wird also an beiden Enden der Südsee einerlei Sprache geredet. Ihr ganzes Ansehen ließ uns vermuten, daß sie ein Zweig desselbigen Volksstamms sein müßten. Sie waren von mittlerer Größe, aber mager und der Gesichtsbildung nach den Tahitiern ähnlich, jedoch nicht so schön. Der eine von den beiden, die im Kanu waren, hatte einen Bart, der bis auf einen halben Zoll abgeschnitten war. Der andere war ein junger Mensch von siebzehn Jahren. Sie hatten über den ganzen Körper ebensolche Punkturen als die Neuseeländer und als die Einwohner der Sozietätsinseln und der Freundschaftlichen Inseln, gingen aber völlig nackend. Das sonderbarste an ihnen war die Größe ihrer Ohren, deren Zipfel oder Lappen so lang gezogen war, daß er fast auf den Schultern lag. Daneben hatten sie große Löcher hineingeschnitten, daß man ganz bequem vier bis fünf Finger durchstecken konnte.

Ihr Kanu war in seiner Art nicht minder sonderbar. Es bestand aus lauter kleinen Stückchen Holz, die ohngefähr vier bis fünf Zoll breit und von drei bis vier Fuß lang sehr künstlich zusammengesetzt waren. Überhaupt mochte es ohngefähr zehn bis zwölf Fuß lang sein. Das Vor- und Hinterteil war jedes sehr hoch, in der Mitte aber war das Fahrzeug sehr niedrig. Es hatte einen Ausleger oder Balancier von drei dünnen Stangen, und jeder von den Leuten führte ein Ruder, dessen Schaufel gleichfalls aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt war.

Ohnerachtet wir der Stelle gegenüber, von wo das Kanu abgegangen war, einen Ankerplatz fanden, so liefen wir doch, in der Hoffnung, noch bessern Ankergrund zu finden, noch weiter längs der Küste und bis an die nördliche Spitze derselben hin, die wir gestern, wiewohl von der anderen Seite, gesehen hatten. Die Hoffnung aber, hier eine bequemere Reede zu finden, schlug uns fehl, und also kehrten wir nach vorgedachtem Platze wieder zurück. An dem Ufer sah man eine Menge schwarzer Säulen oder Pfeiler, die zum Teil auf Platteformen errichtet waren, welche aus verschiedenen Lagen von Steinen bestanden. Wir konnten nun an diesen Säulen nachgerade so viel unterscheiden, daß sie am obern Ende eine Ähnlichkeit mit dem Kopf und den Schultern eines Menschen hatten, der untere Teil aber schien bloß ein roher, unbearbeiteter Steinblock zu sein. Von angebauten Ländereien bemerkten wir hier am nördlichen Ende der Insel nur wenig, denn das Land war in dieser Gegend steiler als nach der Mitte der Insel hin. Auch sahen wir nunmehro ganz deutlich, daß auf der ganzen Insel kein einziger Baum über zehn Fuß hoch war.

Nachmittags setzten wir ein Boot aus, in welchem der Lotse ans Land gehen sollte, um die Reede zu sondieren, von wo das Kanu zu uns gekommen war. Sobald die Einwohner unser Boot vom Schiff abrudern sahen, versammelten sie sich am Ufer in der Gegend, nach welcher unsere Leute zu steuern schienen. Der größte Teil der Indianer war nackt, nur einige wenige hatten sich in Zeug von schöner hellgelber oder vielmehr Orangefarbe gekleidet, und diese mußten unserm Bedünken nach die Vornehmeren der Nation sein. Nunmehro konnten wir auch ihre Häuser bereits unterscheiden. Sie waren dem Anschein nach ungemein niedrig, aber lang, in der Mitte hoch und gegen beide Seiten schräg ablaufend, so daß sie der Form nach einem umgekehrten Kanu nicht unähnlich sahen. In der Mitte schienen sie eine kleine Öffnung oder Tür zu haben, die aber so niedrig war, daß ein Mann von gewöhnlicher Größe sich bücken mußte, um hineinzukommen.

Gegen Abend gingen wir an der südwestlichen Seite der Insel vor Anker, woselbst wir vierzig Faden Tiefe und einen guten Kiesgrund hatten. Bald nachher kam der Lotse von seiner Expedition zurück und brachte einen der Eingeborenen mit an Bord. Dieser Kerl war ohne Zeremonie oder Einladung dreist ins Boot gesprungen, als es dicht am Ufer lag, und hatte sogleich Verlangen geäußert, ans Schiff gebracht zu werden. Er war von kastanienbrauner Farbe und mittlerer Statur, ohngefähr fünf Fuß acht Zoll groß und auf der Brust und über den ganzen Leib merklich haarigt. Der Bart und das Haupthaar waren in gleichem Verhältnis stark, beides von schwarzer Farbe und ersterer gestutzt. Er hatte so lange Ohrlappen, daß sie ihm fast bis auf die Schultern herabhingen, und seine Schenkel waren felderweise oder nach würfelförmigen Figuren und in einem Geschmack punktiert, dergleichen wir sonst noch nirgends bemerkt hatten. Statt aller übrigen Bekleidung trug er bloß einen Gürtel um den Leib, woran vorne ein Netzwerk herabhing, das aber nichts bedeckte. Um den Hals hatte er eine Schnur, an welcher vorn auf der Brust ein breiter und ohngefähr fünf Zoll langer Knochen befestigt war, der die Figur einer Zunge vorstellen sollte. Er erzählte uns, dieser Knochen sei von einem Meerschwein, Ivi toharra, welcher Name in der tahitischen Sprache gerade ebenso lautet. Um sich noch deutlicher zu erklären, nannte er diesen Brustzierat auch Ivi-Ika, welches, wie wir wohl verstanden, einen Fischknochen bedeutet. Iya zu Tahiti und Ika auf Neuseeland und den Freundschaftlichen Inseln bedeuten einen Fisch. Sobald er sich im Boote niedergesetzt, gab er durch sehr vernehmliche Zeichen zu verstehen, daß ihn friere. Herr Gilbert, der Lotse, gab ihm also eine Jacke und setzte ihm einen Hut auf, in diesem Staat erschien er bei uns auf dem Schiff. Der Kapitän und die Passagiere schenkten ihm Nägel, Medaillen und Korallenschnüre. Letztere verlangte er um den Kopf gewunden zu haben. Anfänglich war er etwas furchtsam und mißtrauisch, denn er fragte, ob wir ihn als einen Feind umbringen würden (Matte-toa?). Da wir ihm aber gute Begegnung versprachen, so schien er völlig beruhigt und sicher zu sein und redete von nichts als Tanzen (Hiwa).

Anfänglich kostete es uns einige Mühe, seine Sprache zu verstehen. Als wir ihn aber fragten, wie er die Hauptglieder des Leibes nenne, fand sich bald, daß es ebendie Mundart sei, welche auf den Sozietätsinseln geredet wird, denn die Namen der Gliedmaßen lauteten hier ebenso als dort. Wenn wir ein Wort sagten, das er nicht verstand, so wiederholte er's oft und mit einem Blick, der sehr lebhaft ausdrückte, daß er nicht wisse, was wir damit meinten. Bei Herannahen der Nacht gab er uns zu verstehen, daß er schlafen wolle und daß ihn friere. Mein Vater gab ihm also ein großes Stück von dem gröbsten tahitischen Zeuge. Darein wickelte er sich und sagte, daß er nun völlig warm sei. Man brachte ihn in des Lotsen Kajüte, wo er sich auf einen Tisch niederlegte und die ganze Nacht sehr ruhig schlief. Maheine, der schon ungeduldig darüber ward, daß er noch nicht hatte ans Land gehen können, freute sich ungemein, daß die Leute eine Sprache redeten, die der seinigen ähnlich war. Er hatte schon verschiedenemal versucht, sich mit unserm Gast in Unterredung einzulassen, er war aber noch immer durch so viel andere Fragen daran gehindert worden.

 

In der Nacht riß der Anker aus, und das Schiff trieb fort, daher wir die Segel wieder aufsetzen mußten, um unsern vorigen Ankerplatz wieder zu erreichen. Gleich nach dem Frühstück ging der Kapitän mit dem Wilden, der Maruwahai hieß, imgleichen mit Maheinen, meinem Vater, Dr. Sparrmann und mir an Land. Mir waren die Beine und Schenkel so dick geschwollen, daß ich fast gar nicht gehen konnte. Wir fanden hier eine gute Bucht, die für Boote tief genug und am Landungsplatze durch Klippen gegen die berghohen Wellen gedeckt war, welche an den übrigen Stellen der Küste gewaltig gegen das Ufer anschlugen.

Ohngefähr einhundert bis einhundertfünfzig Einwohner hatten sich in dieser Gegend versammelt. Sie waren fast alle nackend, doch trugen einige einen Gürtel um den Leib, von welchem ein Stück Zeug, sechs bis acht Zoll lang, oder auch ein kleines Netz herabhing. Etliche wenige hatten Mäntel, welche bis auf die Knie reichten. Das Zeug dazu war von derselben Art als das tahitische, aber, um solches dauerhafter zu machen, mit Zwirn gesteppt oder durchnäht und mehrenteils mit Kurkumawurzel gelb gefärbt.

Die Leute ließen uns ruhig an Land steigen und machten überhaupt nicht die mindeste unfreundliche Bewegung, sondern fürchteten sich vielmehr vor unserm Feuergewehr, dessen tödliche Wirkung ihnen bekannt zu sein schien. Sie waren größtenteils unbewaffnet, doch führten einige unter ihnen Lanzen oder Speere, von unförmig und höckerigt gewachsenem Holz gemacht und mit einem scharfen dreieckigen Stück schwarzer Glaslava zugespitzt. Einer hatte eine Streitkolbe, die, aus einem dicken Stück Holz verfertigt, drei Fuß lang und an einem Ende mit Schnitzwerk verziert war, und ein paar andere hielten kurze hölzerne Keulen in der Hand, die den neuseeländischen Pattu-Pattus von Fischknochen völlig ähnlich sahen. Mitunter hatte einer einen europäischen Hut, ein anderer eine dergleichen Mütze, dieser ein gestreiftes baumwollenes Schnupftuch, jener eine alte zerrißne Jacke von blauem wollnem Zeuge an, alles ohnstreitig Denkmäler oder Überbleibsel von der letzten Anwesenheit der Spanier, die im Jahre 1770 hier gewesen waren.

Übrigens konnte man es den Eingebornen in aller Absicht ansehen, daß ihr Land sehr armselig sein müsse. Sie waren von Gestalt kleiner als die Neuseeländer und als die Einwohner der Sozietäts- und Freundschaftlichen Inseln, ja wir fanden nicht einen einzigen unter ihnen, den man hätte groß nennen können. Dabei waren sie mager und schmaler von Gesicht, als die übrigen Bewohner der Südsee zu sein pflegen. Ihr Mangel an Kleidung und ihre Begierde nach unseren Waren, ohne daß sie uns dafür wieder etwas angeboten hätten, waren zusammengenommen hinreichende Merkmale ihrer Armseligkeit. Sie waren durchgehends über den ganzen Leib sehr stark punktiert, vornehmlich aber im Gesicht.

Ihre Frauenspersonen, die sehr klein und zart gebaut waren, hatten auch Punkturen im Gesicht, die an Gestalt den Schönheitspflästerchen unserer Damen glichen. Doch fanden sich unter dem ganzen hier versammelten Haufen nicht über zehn bis zwölf Frauensleute. Sie waren gemeiniglich mit ihrer natürlichen hellbraunen Farbe nicht zufrieden, sondern hatten sich noch das ganze Gesicht mit rotbraunem Rötel überschmiert, über dem denn das schöne Orangerot der Kurkumawurzel gesetzt war, zum Teil hatten sie sich auch das Gesicht mit zierlichen Streifen von weißem Muschelkalk verschönert. Die Kunst, sich anzumalen, ist also nicht bloß auf die Damen eingeschränkt, welche Glück haben, die französischen Moden nachzuahmen. Die Weiber waren alle in Zeug gekleidet, aber so sparsam, daß es in Vergleichung mit den vollständigen und verschwenderischen Trachten, die in Tahiti Mode waren, hier ungleich seltener zu sein schien.

Männer und Weiber hatten hagere Gesichtsbildungen, doch war nichts Wildes in ihren Zügen, dagegen hatte die brennende Sonnenhitze, für welche man in diesem kahlen Lande fast nirgends Schatten findet, bei verschiedenen eine widernatürliche Verzerrung des Gesichts zuwege gebracht, indem die Augenbrauen zusammen- und die Muskeln vom Unterteil des Gesichts gegen die Augen heraufgezogen waren. Die Nasen sind nicht breit, zwischen den Augen aber ziemlich flach, die Lippen stark, aber nicht so dick als bei den Negern. Das Haar ist schwarz und kräuselt sich, ist aber durchgehends verschnitten und nie über drei Zoll lang. Ihre Augen sind schwarzbraun und klein, und das Weiße derselben ist nicht so helle als bei den andern Völkern der Südsee; daß sie lange Ohren und in den Ohrläppchen ungewöhnlich große Löcher haben, ist bereits erwähnt. Um letztere so groß zu machen, bedienen sie sich eines Blattes vom Zuckerrohr, das aufgerollt hindurchgesteckt wird und vermöge seiner eigentümlichen Elastizität den Einschnitt im Ohre beständig aufgespannt hielt.

Die unerträgliche Sonnenhitze hat sie genötigt, auf allerhand Mittel zu denken, um den Kopf dagegen zu schützen. In dieser Absicht trugen die Männer zum Teil einen zwei Zoll dicken Ring von stark und künstlich geflochtenem Grase um den Kopf, der rundumher mit einer Menge langer schwarzer Federn vom Halse des Fregattenvogels bedeckt war. Andere hatten große buschigte Mützen von braunen Möwenfedern, die fast ebenso dick waren als die großen Doktorenperücken des vorigen Jahrhunderts. Noch andere hatten einen bloßen hölzernen Reif auf dem Kopfe, in welchem eine große Anzahl langer weißer Federn von der Soland-Gans befestigt waren, die bei dem geringsten Lüftchen hin und her schwankten und auf die Art den Kopf nicht nur vor der Sonne schützten, sondern zugleich kühl erhielten. Die Frauenspersonen trugen einen weiten Hut von artigem Mattenwerk. Vorn war er spitz, die Vertiefung für den Kopf aber war nicht wie bei unserm Hute rund und oben glatt, sondern länglich und von beiden Seiten nach oben hin schräg zusammenlaufend, und hinten fielen zwei einzelne Krempen herab, welche vermutlich die Schultern schützen sollten. Diese Hüte fanden wir ungemein kühlend.

Nachdem wir eine Weile am Strande bei den Eingebornen geblieben waren, so gingen wir tiefer ins Land hinauf. Der ganze Boden war mit Felsen und Steinen von verschiedener Größe bedeckt, die alle ein schwarzes, verbranntes, schwammigtes Ansehen hatten und folglich einem heftigen Feuer ausgesetzt gewesen sein mußten. Zwei bis drei Grasarten wuchsen zwischen diesen Steinen kümmerlich auf und milderten einigermaßen, ob sie gleich schon halb vertrocknet waren, das verwüstete öde Ansehen des Landes.

Ohngefähr fünfzehn Schritt vom Landungsplatze sahen wir eine Mauer von viereckigen gehauenen Steinen, davon jeder anderthalb bis zwei Fuß lang und einen Fuß breit war. In der Mitte betrug die Höhe ohngefähr sieben bis acht Fuß, an beiden Enden aber war sie niedriger und überhaupt ohngefähr zwanzig Schritte lang. Das sonderbarste war die Verbindung dieser Steine, die so künstlich gelegt und so genau ineinandergepaßt waren, daß sie ein ungemein dauerhaftes Stück von Architektur ausmachten. Der Stein, woraus sie gehauen, ist nicht sonderlich hart, sondern nur eine schwarzbraune, schwammigte, spröde Steinlava. Der Boden lief von der Küste immer bergauf, dergestalt, daß eine zweite Mauer, welche parallel mit dieser und zwölf Schritte weiter hinauf lag, nur zwei bis drei Fuß hoch sein durfte, um in dem Zwischenraum eine Art von Terrasse zu formieren, auf welcher das Erdreich eine ebene Fläche ausmachte, die mit Gras bewachsen war.

Fünfzig Schritte weiter gen Süden fanden wir einen andern erhabenen ebenen Platz, dessen Oberfläche mit ebensolchen viereckigen Steinen bepflastert war, als man zum Mauerwerk gebraucht hatte. In der Mitte dieses Platzes stand eine steinerne Säule aus einem Stück, die eine Menschenfigur, bis auf die Hüften abgebildet, vorstellen sollte und zwanzig Fuß hoch und fünf Fuß dick war. Diese Figur war schlecht gearbeitet und bewies, daß die Bildhauerkunst hier noch in der ersten Kindheit sei. Augen, Nase und Mund waren an dem plumpen ungestalten Kopfe kaum angedeutet. Die Ohren waren nach Landessitte ungeheuer lang und besser als das übrige gearbeitet, ob sich gleich ein europäischer Künstler derselben geschämt haben würde. Den Hals fanden wir unförmig und kurz, Schultern und Arme aber nur wenig angedeutet. Auf dem Kopfe war ein hoher, runder, zylindrischer Stein aufgerichtet, der über fünf Fuß im Durchmesser und in der Höhe hatte. Der Aufsatz, der dem Kopfputze einiger ägyptischer Gottheiten gleichsah, bestand aus einer andern Steinart, denn er war von rötlicher Farbe, auch war an dessen beiden Seiten ein Loch zu sehen, als hätte man ihm seine runde Form durch ein Dreh- oder Schleifwerk gegeben. Der Kopf nebst dem Aufsatz machte die Hälfte der ganzen Säule aus, so weit sie über der Erde sichtbar war. Wir merkten übrigens nicht daß die Insulaner diesen Pfeilern, Säulen oder Statuen einige Verehrung erwiesen hätten, doch mußten sie wenigstens Achtung dafür haben, denn es schien ihnen manchmal ganz unangenehm zu sein, wenn wir über den gepflasterten Fußboden oder das Fußgestell gingen und die Steinart untersuchten, wovon sie gemacht waren.

Je weiter wir ins Land kamen, desto kahler und unfruchtbarer fanden wir den Boden. Das kleine Häufchen von Einwohnern, die uns am Landungsplatze entgegengekommen, schien der Hauptstamm des ganzen Volkes gewesen zu sein, denn unterwegs hatten wir nicht einen einzigen Menschen zu Gesicht bekommen, auch waren in der ganzen großen Gegend, die wir überschauen konnten, nicht mehr als zehn bis zwölf Hütten zu sehen. Eine der stattlichsten war auf einem kleinen Hügel erbaut, der ohngefähr eine halbe Meile weit von der See lag. Die Neugier trieb uns darnach hin, allein es war eine elende Wohnung, die von der Armut ihrer Eigentümer zeugte.

Außer diesen Hütten sahen wir auch etliche Steinhaufen, die an einer Seite ganz steil waren und daselbst eine Öffnung hatten, welche unter die Erde ging. Allem Anschein nach konnte der innere Raum nur sehr klein sein, und dennoch ist's zu vermuten daß auch diese Löcher des Nachts zum Obdach dienten. Vielleicht hängen sie aber mit natürlichen unterirdischen Höhlen zusammen, deren es in vulkanischen Ländern, wo alte Lavaströme vorhanden sind, so viele gibt.

 

Der Kapitän war in dem Handel mit den Leuten nicht glücklich gewesen. Sie schienen keine Lebensmittel übrig zu haben. Ein paar Mattenkörbe mit süßen Kartoffeln, etwas Zuckerrohr, einige Klumpen Pisange und zwei oder drei kleine, schon gargemachte Hühner, das war alles, was er für etwas Eisengerätschaften und tahitisches Zeug einzuhandeln imstande gewesen war. Er hatte den Leuten Korallen geschenkt, welche sie aber immer mit Verachtung weit von sich geworfen. Was sie hingegen von andern Sachen an und um uns sahen, verlangten sie zu haben, ob sie schon nichts wiederzugeben hatten. Während unserer Abwesenheit hatten sie sich vom Landungsplatze ziemlich verlaufen und schienen nach ihren Wohnungen zum Mittagessen gegangen zu sein.

Die Zahl der Weiber war in dem Verhältnis zu den Männern immer sehr geringe. Bei unserer Landung sahen wir ihrer nicht über zwölf oder fünfzehn, und jetzt waren nur noch sechs oder sieben zugegen. Sie waren weder zurückhaltend noch keusch, für ein Stückchen tahitisches Zeug hatten unsere Matrosen von ihnen, was sie wollten. Ihre Gesichtszüge dünkten uns sanft genug, und der große gespitzte Hut gab ihnen ein leichtfertiges, buhlerisches Ansehen.

Noch ehe es Mittag war, kehrten wir an Bord zurück und teilten die eingekauften Bäume, Früchte und Wurzeln, so weit sie reichen wollten, unter die Mannschaft aus zur großen Stärkung unserer Kranken, die nach einer Erfrischung schmachteten. Wir kosteten auch von den Hühnern, die, in grüne Blätter gewickelt, mit heißen Steinen unter der Erde gargemacht zu sein schienen, welche Art der Zubereitung in allen Inseln der Südsee, soviel wir deren bisher gefunden hatten, üblich ist. Die Kartoffeln waren goldgelb und so süß als gelbe Rüben, daher schmeckten sie auch nicht einem jeden, doch waren sie nahrhaft und antiskorbutisch. Der Saft aller hiesigen Gewächse schien durch die Hitze und die Trockenheit des Bodens ungemein konzentriert zu sein. Die Pisange wurden in ihrer Art für vortrefflich gehalten, und das Zuckerrohr war süßer, als wir's in Tahiti gefunden hatten.

Nachmittags gingen wir wiederum ans Land, und in einem andern Boote ward ein Offizier mit der nötigen Mannschaft ans Land geschickt, um beim Brunnen die Wasserfässer füllen zu lassen. Wir trafen nur wenig Leute am Landungsplatze an, unter selbigen aber bemerkten wir einen, der ein gewisses Ansehen zu haben schien und sehr geschäftig war, den Kapitän überall, wo er nur Lust bezeigte, hinzuführen. Er tat nicht so scheu als seine Landsleute, sondern ging immer dreist neben uns, dahingegen die andern bei der geringsten ungewöhnlichen Bewegung stutzten und in Schrecken gerieten. Aber bei aller ihrer Furchtsamkeit leerten sie uns die Taschen aus und entwandten, was ihnen sonst anstand.

Wir waren noch keine halbe Stunde am Lande, als einer leise hinter dem Maheine herschlich, ihm die schwarze Mütze, die er aufhatte, schnell vom Kopfe riß und damit über den holprigten Boden voller Steine fortrannte, wohin keiner von uns nachzulaufen imstande war. Maheine geriet darüber in solchen Schrecken, daß er erst eine ganze Weile nachher Worte finden konnte, es dem Kapitän zu klagen; da war aber der Dieb, schon über alle Berge. Um ebendie Zeit saß Herr Hodges auf einer kleinen Anhöhe, um einen Prospekt zu zeichnen, und verlor auf gleiche Weise seinen Hut. Herr Wales stand mit einer Flinte neben ihm, war aber, wie billig, der Meinung, daß ein so geringes Verbrechen keine Kugel verdiene.

Bei Untergang der Sonne verließen wir den Wasserplatz und gingen nach der Bucht, wo unser Boot vor Anker lag. Unterwegens kamen wir über den ebenen Platz, auf welchem die vorbeschriebene Säule aufgerichtet ist. Einige Einwohner, die uns dort begleiteten, winkten uns, daß wir auf dem Grase am Fuß des Piedestals und nicht über das Mauerwerk gehen sollten; da wir uns aber nicht daran kehrten, so hatten sie auch nichts dawider.

Wir erkundigten uns bei einigen, die am verständigsten zu sein schienen, was diese Steine zu bedeuten hätten, und soviel wir aus ihrer Antwort schließen und erraten konnten, müssen es Denkmäler ihrer Erikis oder Könige sein. Also ist das gemauerte Piedestal vermutlich als der Begräbnisplatz anzusehen, und bei genauer Untersuchung fanden wir wirklich nicht weit davon eine Menge Menschengebeine, welches denn unsere Vermutung bestätigte. Die Länge der Knochen paßte zu Körpern mittlerer Länge, und ein Schenkelbein, das wir maßen, kam genau mit dem Maße desselbigen Knochens an einer Person überein, die ohngefähr fünf Fuß neun Zoll lang war.

An der Westseite der Bucht standen drei Säulen auf einem sehr breiten und erhöhten Postament in einer Reihe aufgerichtet. Diese Reihe nannten die Einwohner Hangaroa. Die vorerwähnte einzelne Säule aber hießen sie Obina. Nahe bei diesen Pfeilern saßen zehn oder zwölf von den Einwohnern um ein kleines Feuer, an welchem sie ein paar Kartoffeln brateten. Dies war ihr Abendessen, und sie boten uns, als wir vorbeigingen, etwas davon an. In einem so armseligen Lande war uns diese Gastfreiheit unerwartet. Man vergleiche sie einmal mit den Gebräuchen der zivilisierten Völker, die sich fast aller Empfindungen gegen ihre Nebenmenschen zu entledigen gewußt haben! Übrigens war es uns sehr angenehm, bei dieser Gelegenheit augenscheinlich überzeugt zu werden, daß die Vermutung der Holländer wegen solcher Feuer ungegründet gewesen, denn wir fanden nicht den mindesten Grund, diese Feuer für eine religiöse Zeremonie anzusehen. Mit einem kleinen Vorrat von Kartoffeln, den wir eingekauft, und ohngefähr sechs oder sieben bekannten Pflanzen, die wir gesammelt, kehrten wir nun an Bord zurück. Den skorbutischen Patienten bekam unser Spaziergang ungemein wohl und besser denn jedem andern. Ich für meine Person, der ich am Morgen noch geschwollne Beine hatte und kaum darauf stehen konnte, befand mich heute abend schon weit besser.

 

Ich ging am folgenden Tage nach dem Frühstück mit Kapitän Cook und einigen anderen Offizieren ans Ufer, wo wir ohngefähr zweihundert Einwohner und unter diesen vierzehn oder fünfzehn Weiber nebst ein paar Kindern versammelt fanden. Bei unserer Zurückkunft am Landungsplatze fanden wir den Kapitän Cook noch im Handel mit den Eingeborenen beschäftigt. Sie brachten ihm Hühner, die schon zubereitet waren, und einige Mattenkörbe mit süßen Kartoffeln, zuweilen aber betrogen sie ihn, indem sie die Körbe unten mit Steinen gefüllt und obenher nur mit einigen Kartoffeln bedeckt hatten. Die schätzbarsten Artikel unter unsern Waren, wogegen sie uns die ihren vertauschten, waren ledige Kokosnußschalen, die wir auf den Sozietäts- und Freundschaftlichen Inseln bekommen hatten. Indessen fanden diese nur dann einen gewissen Wert bei ihnen, wenn sie nur eine kleine Öffnung oder einen Deckel hatten. Nächst diesen wurde das tahitische und europäische Zeug zum Eintausch gebraucht, und bei der Schätzung kam es hauptsächlich auf die Größe an. Eisenware hatte hier den geringsten Preis.

Der größte Teil der Leute, die mit uns handelten, lief gemeiniglich sogleich, als der Kauf geschlossen war, mit dem eingehandelten Zeuge, Nußschalen oder Nägeln, davon. Sie besorgten vielleicht, daß uns der Handel gereuen möchte, wenn sie auch für ihr Teil ganz ehrlich dabei zu Werke gegangen waren. Einige hatten indessen Kühnheit genug, vor Ablieferung ihrer Güter mit den bedungenen und erhaltenen Preisen davonzulaufen; ein Umstand, der den erbärmlichen Zustand dieser elenden Menschen sehr deutlich an den Tag legt.

Der Mangel an Kleidungszeuge war unter ihnen sehr groß. Aus Not gingen sie mehrenteils nackend, und dennoch verkauften sie ihr bißchen eigenes Zeug gegen anderes von Tahiti. Die Begierde, etwas von diesem zu besitzen, machte, daß sie manches von ihren eigenen Habseligkeiten verkauften, was sie sonst wohl nicht weggegeben haben würden. Dahin gehörten ihre verschiednen Hüte und Kopfdecken, ihre Halsbänder, Ohrenzieraten und verschiedene kleine Menschenfiguren, die aus schmalen achtzölligen oder zweifüßigen Stücken Holz, aber feiner und proportionierter geschnitzt waren, als wir, nach der plumpen Arbeit ihrer großen steinernen Statuen zu urteilen, erwartet hätten. Sie stellten Personen beiderlei Geschlechts vor, die Gesichtszüge derselben waren freilich nicht angenehm, und die ganze Figur war gemeiniglich zu lang, aber etwas Charakteristisches, aus dem sich ein gewisser Geschmack für die Künste abnehmen ließ, war bei dem allen darin anzutreffen. Das Holz, woraus sie bestanden, war schön poliert, dabei dicht und von dunkelbrauner Farbe wie das Holz von der Kasuarina. Da wir aber diesen Baum hier noch nicht gefunden hatten, so erwarteten wir die Rückkunft unserer Parteigänger mit desto größerer Begierde, in Hoffnung, daß sie auch in Absicht dieses Umstandes einige nähere Entdeckungen gemacht haben würden.

Maheine fand an diesen geschnitzten menschlichen Figuren ein großes Wohlgefallen, denn sie waren weit besser gearbeitet als die E-Ties, die man bei ihm zulande verfertigt. Er kaufte auch verschiedene davon mit der Versicherung, daß sie zu Tahiti ungemein hochgeschätzt werden würden. Da er sich viel Mühe gab, diese Seltenheiten aufzusuchen, so fand er eines Tages eine geschnitzte Frauenshand von gelbem Holz, ohngefähr in der natürlichen Größe. Die Finger derselben waren aufwärts gebogen, wie sie die Tänzerinnen auf Tahiti zu halten pflegen, und die Nägel daran waren sehr lang, denn sie standen mehr als dreiviertel Zoll über die Spitzen der Finger hervor. Sie war von dem seltenen wohlriechenden tahitischen Holz gemacht, womit man allhier dem Öl einen guten Geruch zu geben pflegt. Auch dieses Holz hatten wir auf Oster-Eiland nicht gefunden, ebensowenig als wir bemerkt hatten, daß man hier lange Nägel zu tragen gewohnt sei. Wir konnten also nicht begreifen, wie dies hübsch gearbeitete Stück hierher gekommen. Maheine schenkte es hernachmals meinem Vater, der es im Britischen Museum niedergelegt hat. Ebenso ließ sich Maheine auch sehr angelegen sein, soviel Federhüte als möglich zusammenzubringen. Besonders waren ihm die von Fregattenfedern sehr angenehm, weil dieser Vogel zu Tahiti selten ist und wegen seiner glänzenden schwarzen Federn sehr hochgeschätzt wird.

Indessen daß Kapitän Cook in der Bucht war, ward auch am Wasserplatze um Kartoffeln gehandelt. Aus Begierde nach unsern Gütern ließen sich hier die Einwohner verleiten, eine Untreue an ihren eignen Landsleuten zu begehen. Dicht neben dem Brunnen lag ein Feld mit süßen Kartoffeln, und eine Menge Leute, alt und jung durcheinander, waren emsig darüber her, sie auszugraben und zu verkaufen. Dieser Handel dauerte schon einige Stunden, als ein anderer Indianer dazukam, sie mit vielem Unwillen davontrieb und darauf allein Kartoffeln auszugraben fortfuhr. Er war der rechte Eigentümer des Feldes, und die andern hatten ihn bestohlen, weil sie eine so gute Gelegenheit fanden, ihre gestohlenen Güter an den Mann zu bringen. Außer Zweifel gehen auf den Sozietätsinseln zuweilen ebensolche Diebereien vor, denn die Einwohner erzählten uns oft, daß sie mit dem Tode bestraft würden, wiewohl wir niemals ein Beispiel solcher Strafe gesehen haben. Auf Oster-Eiland sahen wir das Verbrechen ganz ungestraft hingehen. Der Grund davon liegt wahrscheinlich in dem verschiednen Grade der Kultur, den man unter diesen beiden Völkerschaften, so nahe sie auch sonst einander verwandt sind, antrifft.

Zu Mittag gingen wir an Bord und speisten ein paar Hühner mit Kartoffeln, die wir nach unserm mühsamen Spaziergange überaus vortrefflich fanden. Wir trafen einige Insulaner auf dem Schiffe, die es gewagt hatten, vom Lande herzuschwimmen, ob es gleich noch dreiviertel Meilen davon entfernt war. Sie schienen über alles, was sie sahen, erstaunt, und jeder von ihnen maß die Länge des Schiffes von einem Ende bis zum andern mit ausgebreiteten Armen aus. Einem Volke, dessen Kanus aus lauter kleinen Stückchen zusammengeflickt sind, mußte natürlicherweise eine solche Menge von Zimmerholz und noch dazu von solcher Größe etwas sehr Unbegreifliches sein.

Nachmittags gingen wir wieder ans Land, und ich besuchte die Berge gegen Süden, die sehr leicht zu ersteigen waren, weil sie außerordentlich sanft in die Höhe gingen. Ich fand eine große Pisangpflanzung darauf und weiter hinauf einige Ruinen von einer verfallenen Mauer, auf welcher vielleicht vor alten Zeiten eine Bildsäule gestanden hatte.

 

Selbst die sorgfältigsten Nachforschungen waren noch nicht hinreichend gewesen, ein gewisses Licht über die bewunderungswürdigen Gegenstände zu verbreiten, die wir auf dieser Insel antrafen. Was besonders die riesenmäßigen Monumente anlangt, die hier überall so häufig sind und doch die Kräfte der gegenwärtigen Einwohner gar weit zu übertreffen scheinen, so muß man wohl billig annehmen, daß sie Überbleibsel vormaliger besserer Zeiten sind. Denn die Zahl der Einwohner haben wir nach unsern genauesten Berechnungen niemals höher als auf siebenhundert für die ganze Insel ansetzen können, und diese alle haben fast keinen Augenblick ihres Lebens zu etwas anderm übrig, als sich die notdürftigsten Erfordernisse zum Fortkommen in ihrem jämmerlichen Zustande zu schaffen. Es fehlt ihnen an Handwerkszeug, sie haben nicht einmal ihr nötiges Obdach und die unentbehrlichste Kleidung. Hunger und Mangel verfolgen sie zu sehr, als daß sie auf Verfertigung solcher Bildsäulen denken könnten, zu deren Vollendung ihr ganzes Leben und zu deren Aufrichtung die vereinten Kräfte des ganzen Volkes erforderlich sein würden. Wir sahen auch überall auf unserer Wallfahrt kein einziges Instrument, das zur Bildhauerei oder Baukunst im mindesten hätte dienlich sein können, ebensowenig als wir etwa neue Steinbrüche oder unvollendete Statuen antrafen, die man als Arbeiten der jetzigen Bewohner der Insel hätte betrachten dürfen.

Das wahrscheinlichste ist also, daß die Einwohner ehemals weit zahlreicher, wohlhabender und glücklicher gewesen sein müssen, als sie es heutigentags sind, und wenigstens Zeit genug übrig gehabt haben, um der Eitelkeit ihrer Prinzen durch Errichtung verewigender Denkmäler schmeicheln zu können. Die Spuren alter Pflanzungen, so man noch hier und da auf den Spitzen der Berge antrifft, bestätigen einigermaßen diese Vermutung. Übrigens läßt sich's schwer bestimmen, durch was für Zufälle dies Volk sowohl in Absicht der Zahl als des Wohlstandes so weit heruntergekommen sei. Allerdings können mancherlei Ursachen, die diesen Umsturz veranlaßt haben, angeführt werden. Nur eine Ursache zu nennen, so war Verwüstung, welche durch einen Vulkan angerichtet werden kann, völlig ausreichend, hundertfaches Elend über ein Volk zu bringen, das in einem so kleinen Erdraum eingeschlossen war. Wer weiß, ob diese Insel nicht ehemals grade durch einen Vulkan hervorgebracht worden, denn alle hiesigen Steinarten sind vulkanisch. Und ebenso konnte sie auch durch neuere vulkanische Ausbrüche wieder zugrunde gerichtet werden. Alle Bäume und Pflanzen, alle zahmen Tiere, ja ein großer Teil ihrer Bewohner können in dieser fürchterlichen Revolution vernichtet worden sein, und auf diese Art mußten Hunger und Elend leider nur zu mächtige Verfolger derer werden, welche dem Erdbrande entgingen.

Die kleinen geschnitzten Menschenfiguren, deren wir oben erwähnt haben, und die Hand einer Tänzerin, welche Maheine fand, können wir bis jetzt noch ebensowenig erklären, denn sie sind aus einer Art Holz gemacht, welches heutigentags nicht mehr auf der Insel anzutreffen ist. Alles, was uns auch hiebei einfallen konnte, war dies, daß sie in weit früheren Zeiten verfertigt worden und bei der allgemeinen Katastrophe, die mit diesem Lande vorgegangen zu sein scheint, entweder durch einen bloßen Zufall oder durch eine besondere Sorgfalt so lange seien erhalten worden. Alle Weibsleute, welche wir in den verschiednen Teilen der Insel gesehen haben, machten zusammen nicht dreißig aus, und doch hatten unsere Leute die ganze Insel fast von einem Ende bis zum andern durchstreift und nicht die geringste Wahrscheinlichkeit gefunden, daß sich die übrigen etwa in einem oder dem andern entlegenen Distrikt der Insel versteckt hätten. Waren ihrer wirklich nicht mehr als dreißig oder vierzig gegen sechshundert oder siebenhundert Männer, so muß die gesamte Nation bald aussterben oder alles, was man bisher über die Mehrheit der Männer (Polyandrie) angenommen hat, muß unrichtig sein.

Die mehresten Frauenspersonen, welche uns zu Gesicht kamen, gaben uns freilich nicht Anlaß, zu vermuten, daß sie an einen einzigen Mann gewöhnt waren, sondern sie schienen vielmehr ganz des Geistes der Messalina oder der Kleopatra zu sein. Bei dem allen ist doch dies unglückliche Verhältnis zwischen den beiden Geschlechtern ein so sonderbares Phänomen, daß wir es noch nicht für so ganz ausgemacht und richtig halten können und daß wir lieber jedes Argument, so man uns dagegen beibringen möchte, annehmen wollen, wenn es auch mit noch so großen Schwierigkeiten verknüpft wäre. Zwar hat keine einzige unserer Parteien irgendwo ein entferntes oder abgesondertes Tal gefunden, in welchem sich vielleicht die übrigen Weiber während unseres Hierseins verborgen haben könnten; allein wir müssen den Leser an die Höhlen erinnern, deren wir oben erwähnt haben und wozu uns die Bewohner niemals den Eingang gestatten wollten.

 

Am folgenden Morgen ward ein Boot ans Land geschickt, um Wasser einzunehmen, und da es gerade windstill war, so ging ein zweites ab, um unsern Vorrat an Kartoffeln durch Handel mit den Einwohnern zu vermehren. Auch einer der Eingebornen ging mit dem geflickten Kanu vom Lande ab und zu, um Kartoffeln und Pisange ans Schiff zu bringen. Ein starker Regenguß gab unsern Leuten Gelegenheit, einen guten Vorrat frisches Wasser mit Hilfe der Segel und Decken aufzufangen. Nachmittags ging noch ein Boot ans Land. Da sich aber gegen Abend ein Wind erhob, so wurde eine Kanone abgefeuert, worauf es sogleich an Bord zurückkam, und hierauf segelten wir von Nordwest nach West ab.

Wir hatten geglaubt, daß wir hier einen guten Erfrischungs- und Handlungsplatz finden würden, aber unsere Hoffnung war fehlgeschlagen.

Wenn wir, wie wir uns schon eben darüber geäußert haben, voraussetzen, daß Oster-Eiland etwa ehemals das Unglück gehabt, durch vulkanisches Feuer zerstört zu werden, so sind die Einwohner weit mehr zu bedauern als jedes weniger zivilisierte Volk. Denn in diesem Falle müssen sie von vielen Vorteilen und Annehmlichkeiten des Lebens, die sie vorzeiten gehabt haben, wissen, und das Andenken davon und ihr jetziger Mangel müssen ihnen dann sehr bitter sein. Maheine bejammerte ihre Armseligkeit sehr oft, und er schien mit ihnen mehr Mitleid zu haben als mit den Neuseeländern, weil sie auch wirklich armseliger sind und in manchen Stücken weit größern Mangel leiden als jene. Er tat deshalb zu dem Bündel seines Journals ein zweites Stöckchen und erinnerte sich Oster-Eilands immer mit der Bemerkung: Tàta maitai whennua ino! Das ist: das Volk sei gut, aber die Insel sehr elend! Zu Neuseeland standen ihm die Einwohner weniger an als das Land selbst. Sein Gefühl blieb immer das Gefühl eines warmen Herzens, das durch Erziehung mit aufrichtiger Menschenliebe erfüllt war, auch war's gemeiniglich richtig, weil er unverdorben und scharfsinnig und sein Verstand zwar ungebaut, aber doch von vielen Vorurteilen frei war.

Zweiter Aufenthalt auf den Sozietätsinseln

Ein rascher Wind führte uns schnell von Tahiti weg. Noch betrachteten wir die schönen Aussichten dieser Insel, als sich auf unserm eigenen Verdeck ein unerwarteter Anblick zeigte, der eines jeden Aufmerksamkeit an sich zog. Es war nichts Geringeres als eines der schönsten Mädchen, welches den Vorsatz gefaßt hatte, mit uns nach ihrem Vaterlande, der Insel Raietea, zurückzugehen. Ihre Eltern, welchen sie vor ein paar Jahren ein glücklicher Liebhaber nach Tahiti entführt hatte, waren noch am Leben, und sie konnte der Sehnsucht, dieselben wiederzusehen, jetzt nicht länger widerstehen. Ihren Unwillen fürchtete sie also nicht, vielmehr hoffte sie eine gütige Aufnahme, und in der Tat muß auch da, wo Eigennutz und Ehrgeiz nur so wenig Herrschaft haben als hier, ein jugendlicher Fehltritt des Herzens leicht Verzeihung finden. Sie hatte sich bei O-Tus letzter Anwesenheit auf dem Schiff versteckt gehalten, weil er es ausdrücklich verboten, daß keine Frauensleute mit uns von der Insel weggehen sollten, und kam auch nicht eher zum Vorschein, bis wir in offener See waren. Nächst ihr gingen auch Maheine nebst seinem Bedienten und noch zwei andern Leuten von Borabora in dem festen Zutrauen mit, daß sie bei uns ebensogut aufgehoben sein würden als ihr Landsmann Maheine während der vorigen Reise. Ihre Gesellschaft half uns während der Überfahrt von Tahiti nach Huaheine die Zeit verkürzen. Das Mädchen hatte eines Offiziers Kleider angezogen und gefiel sich in dieser Tracht so wohl, daß sie solche gar nicht wieder ablegen wollte. Sie trug kein Bedenken, in Gesellschaft der Offiziere zu speisen, und lachte nur über das Vorurteil, welches ihre Landsmänninnen abhielt, ein Gleiches zu tun. Überhaupt zeigte sie viel gesunde Vernunft und würde sich mit Hilfe einer guten Erziehung selbst unter den europäischen Damen vorteilhaft ausgezeichnet haben, denn auch ohne alle Bildung ihres Verstandes gefiel sie einem jeden schon durch ihre natürliche Lebhaftigkeit und Freundlichkeit.

Nachdem wir die ganze Nacht hindurch fortgesegelt waren, lag am folgenden Morgen die Insel Huaheine vor uns, und am Nachmittag kamen wir in dem nördlichen Arme des Hafens Wharre ohngefähr fünfzig Schritt weit vom Ufer vor Anker. Dieser geringen Entfernung vom Lande hatten wir manchen Besuch zu verdanken. Die Insulaner brachten zum Teil Schweine zum Verkauf, forderten aber Beile dafür, die nun schon so selten bei uns waren, daß wir sie für wichtigere Gelegenheiten aufsparen mußten. Ori, der Befehlshaber der Insel, kam vor Untergang der Sonne in einem kleinen Kanu ebenfalls zu uns und brachte dem Kapitän ein Schwein und einen Kriegsbrustschild, wofür ihm dieser ein schickliches Gegengeschenk machte. Er überreichte auch noch einige Pfefferwurzeln, ohne jedoch die Zeremonien zu beobachten, die zur Zeit unserer vormaligen Anwesenheit dabei stattgefunden hatten.

Abends ward es gänzlich windstill, und da das Schiff nahe am Ufer lag, so konnten wir an dem häuslichen Abendzeitvertreib der Einwohner vom Bord her Anteil nehmen. Wir sahen mit Vergnügen zu, wie sie in den nächsten Hütten um ihre Lichter, die aus öligten, auf einen dünnen Stock gespießten Nüssen bestehen, vertraulich her saßen und miteinander plauderten.

Einer der ersten, der am folgenden Tage an Bord kam, war Porea, der junge Bursche von Tahiti, welcher vor einigen Monaten mit uns gereist war und wider Vermuten zu Raietea geblieben war. Er gestand uns, daß es bloß zufälligerweise und ganz wider seine Absicht geschehen war. Ein hübsches Mädchen, mit welchem er sich in ein Liebesverhältnis eingelassen, habe ihn gerade um die Zeit, als er dem Kapitän Cook so eilfertig das Pulverhorn abgeliefert, an einen gewissen Ort hinbestellt. Als er sich aber daselbst eingefunden, habe ihn statt seiner Geliebten der Vater dieser Schönen mit einigen handfesten Kerls erwartet, ihn derb abgeprügelt, seiner europäischen Kleider beraubt und bis nach unsrer Abreise gefangen behalten. Sobald er hierauf wieder in Freiheit gesetzt worden, sei er mit der ersten Gelegenheit hierher nach Huaheine gegangen. Die Gastfreiheit seiner hiesigen Freunde müßte ihm ganz gut behagen, denn er war dick und fett davon geworden. Aus der kläglichen Geschichte des armen Porea läßt sich meines Erachtens soviel abnehmen, daß die Töchter hierzulande bei ihren Liebeshändeln nicht immer nach eigenem Wohlgefallen zu Werke gehen dürfen. Doch weiß ich nicht, ob der Vater der Schönen sich deshalb für befugt halten konnte, den ehrlichen Porea bis auf die Haut auszuziehen.

Wir gingen diesen Morgen ziemlich früh ans Land, nach den salzigen Seen hin, die man nordwärts ohnweit des Hafens antrifft. Vom Meer sind sie bloß durch ein schmales Felsenriff getrennt, das überall mit Kokospalmen bewachsen ist, ohnerachtet es nur um ein ganz weniges über die Oberfläche des Meeres hervorragt, auch mit Sande kaum recht bedeckt ist. Unmittelbar von diesem Felsendamm an wird der Boden rings um den ganzen See her morastig und vertieft sich schräg gegen das Ufer herab, welches aus bloßem Schlamm besteht, der sowohl dem äußern Ansehen als dem üblen Gerüche nach eine Art von Schwefelleber enthalten mußte. In den äußersten Sümpfen wachsen allerhand ostindische Pflanzen, und auf dem See gab es ganze Scharen von wilden Enten, denen aber nicht füglich beizukommen war, weil man befürchten mußte, in dem Morast zu versinken. Diese Unannehmlichkeit ausgenommen, ist die Gegend hierherum in der Tat recht malerisch schön, jedoch nur wenig bewohnt, vielleicht weil die Eingeborenen die Ausdünstungen des schlammigen Ufers für ungesund halten. Einer von den Insulanern bewirtete uns auf diesem Spaziergange mit Kokosnüssen, die um jetzige Jahreszeit etwas Seltnes waren.

Auf dem Rückwege ward unser Bedienter, der einen Sack mit Pflanzen nebst einem andern voll kleinem Eisengeräte trug, wenige Schritte hinter uns von etlichen Indianern angefallen und zu Boden geworfen. Ohne Zweifel wollte man ihn seiner Habseligkeiten berauben, da wir es aber noch gerade zu rechter Zeit gewahr wurden, so machten sich die Räuber eilfertigst aus dem Staube. Dies war das zweite Mal, daß unsere Leute auf dieser Insel so kühn und freventlich waren angegriffen worden. Überhaupt schienen auch die hiesigen Einwohner unter der schläfrigen Regierung des alten Ori ausschweifender zu sein als ihre Nachbarn, die Tahitier, und andere Völker der Sozietätsinseln.

Der vorgedachte Befehlshaber kam uns diesmal noch weit untätiger und abgelebter vor als bei unserm ersten Besuche. Seine Verstandes- und Seelenkräfte schienen merklich abgenommen zu haben. Seine Augen waren ganz rot und entzündet und der ganze Körper mager und schäbigt. Die Ursach blieb uns nicht lange verborgen. Wir merkten nämlich, daß er jetzt dem Trunk sehr ergeben war und von der stärksten Art des berauschenden Pfeffergetränkes große Portionen zu sich zu nehmen pflegte. Maheine hatte die Ehre, einige Nächte hintereinander mit ihm zu zechen, und ließ sich's jedesmal so gut schmecken, daß er des Morgens gemeiniglich mit gewaltigem Kopfweh erwachte.

 

In den folgenden Tagen wurden wir verschiedentlich und zum Teil auf eine sehr verwegene Weise bestohlen, ohne daß wir imstande waren, uns dafür Ersatz zu verschaffen. Wen man indessen auf der Tat ertappte, der ward exemplarisch bestraft.

Eine Gesellschaft von Subalternoffizieren war nach einem Berge hin aufs Vogelschießen ausgegangen und hatte einen Seesoldaten mitgenommen, um sich ein paar Beile und andere Kleinigkeiten von Eisengerätschaften nachtragen zu lassen. Unterwegs versagten ihnen die Flinten einigemal, dies mochte einem Indianer, der ihnen nachschlich, Mut machen, eins zu wagen. Als daher der Soldat den Beutel einmal niederlegte, hatte ihn der Insulaner augenscheinlich erhascht und rannte mit selbigem davon. Am folgenden Tage wohnten ebendiese Herren einem Hiwa oder öffentlichen Tanze bei. Glücklicherweise trafen sie den Dieb unter den Zuschauern an. Er gestand sein Vergehen und versprach, wenn sie ihm verzeihen wollten, zur Vergütung des Entwendeten etliche Brustschilde zu bringen, die mit den Beilen fast immer in gleichem Wert standen. Dieses Anerbieten ließen sie sich gefallen, und am folgenden Tage stellte sich der Mann seiner Zusage nach richtig ein; er gehörte folglich noch nicht zu unsern verhärteten Bösewichtern, bei denen alles Gefühl erstorben ist, sondern wußte die Großmut, welche man ihm erwiesen hatte, dankbar zu schätzen. Ein anderer, der ein Pulverhorn zu stehlen suchte, ward ertappt und bekam eine volle Ladung Schläge. Die Insulaner ließen sogar ihre eigne Landsmännin, die von Tahiti aus mit uns hierhergekommen war, nicht unangetastet. Als sie sich's einst am wenigsten versah, ward sie in einem Hause überfallen und sollte die europäische Kleidung, die sie seit ihrem Hiersein beständig trug, mit Gewalt hergeben. Zum Glück kamen noch einige von unsern Leuten dazu und verjagten die Räuber. Dieser Vorfall hatte aber das arme Mädchen in solche Furcht gesetzt, daß sie sich nachher nie wieder ohne Gesellschaft ans Land wagte.

Indessen waren das die Drangsale, welche unsere Schöne hier erleben mußte, noch nicht alle, und gerade heute abend widerfuhr ihr ein recht schmählicher Schimpf. Sie wohnte nämlich in Gesellschaft etlicher Offiziere einem Hiwa oder dramatischen Tanze bei, aber unglücklicherweise hatte man ihre eigene Geschichte zum Gegenstand des Stücks gewählt und suchte ihre ehemalige romanhafte Entweichung von der Insel lächerlich zu machen. Sie wollte vor Scham und Tränen vergehen, und es kostete ihren Gesellschaftern, den Offizieren, nicht wenig Zureden, daß sie bis an das Ende des Stückes aushielt. Die letzte Szene, worin die Aufnahme vorgestellt ward, welche sie bei ihren Eltern würde zu gewarten haben, fiel, so wie es die Komödianten eingerichtet hatten, gar nicht schmeichelhaft für das trostlose Mädchen aus. Es wird dieser Nation leicht, solche kleine Stücke aus dem Stegreif aufzuführen, und nichts ist wahrscheinlicher, als daß dieses hier eine Satire gegen das Mädchen sein und andere von ihrem Beispiel warnen sollte.

 

Am 19. machten wir einen Spaziergang nach dem langen Seearm, wo Dr. Sparrmann bei unserer ehemaligen Anwesenheit vor ohngefähr acht Monaten war angefallen und beraubt worden. Das Wetter ließ sich zum Regen an, und die ersten Güsse wurden so heftig, daß wir in einer kleinen Hütte unter Dach traten, um nicht bis auf die Haut durchnäßt zu werden. In dieser Hütte wohnte eine Familie, die uns sehr freundschaftlich aufnahm und sogleich Fische nebst frischer Brotfrucht vorsetzte, denn Essen und Trinken ist bei den Völkern der Südsee allemal die erste Probe der Gastfreiheit. Eine ältliche Frau von einigem Ansehen und Stande, hatte nebst ihrem Knecht, der ein Schwein nach ihrem Hause bringen sollte, hier ebenfalls Obdach gesucht.

Als der Regen vorüber war und wir gemeinschaftlich miteinander fortgingen, bot uns die gute Frau nicht nur das Schwein zum Geschenk an, sondern bat zugleich, daß wir mit nach ihrer Wohnung kommen möchten, die ziemlich weit von hier liegen sollte. Da wir uns bei diesem Spaziergange eben keinen bestimmten Plan gemacht hatten, so war es uns ziemlich gleichgültig, hie- oder dahin zu geraten, und also folgten wir ihr. Der Regen hatte den Weg so schlüpfrig gemacht, daß man sehr behutsam gehen mußte, doch wurden wir für diese Unannehmlichkeit durch eine Menge neuer Pflanzen, welche hier anzutreffen waren, vollkommen schadlos gehalten.

Unsere Führerin brachte uns von dem Berge nach der andern Seite der Insel gegen das Meer zu herab, und ehe wir noch die Ebene erreichten, hatte sich das Wetter schon völlig wieder aufgeklärt. Das Gestade machte in dieser Gegend eine angenehme Bai aus, die durch ein weit ins Meer laufendes Korallenriff gedeckt war, und innerhalb dessen lag eine kleine Insel, auf welcher sich ganze Herden von wilden Enten, Brachhühnern und Schnepfen aufhielten. Indes wir hier eine Weile auf der Jagd zubrachten, sorgte unsere gutherzige Freundin dafür, daß die anwesenden Indianer allerhand Erfrischungen herbeischaffen mußten, und nachdem wir Wildbret genug geschossen, so folgten wir ihr von neuem über einen seitwärts gelegenen Berg und kamen endlich durch ein schönes angebautes Tal zu ihrer Wohnung, die am Ufer des Meeres lag. Hier trafen wir einen Alten, der ihr Ehemann war, und eine zahlreiche, zum Teil schon erwachsene Familie an. Sie bewirteten uns recht herrlich mit gestobten Hühnern, Brotfrucht und Kokosnüssen und ließen uns nach der Mahlzeit in ihrem Kanu wieder ans Schiff bringen, welches zur See fünf Meilen, aber dem Landweg nach wohl noch einmal so weit von hier entfernt lag.

In dem Betragen dieser guten alten Frau war etwas Sorgsames, als ich selbst an den gastfreiesten Personen, deren mir in diesen Inseln doch so viele vorgekommen waren, nicht leicht bemerkt hatte. Und wie herzlich freute es mich, hier einen abermaligen Beweis von der ursprünglichen Güte des menschlichen Herzens vor mir zu sehen, das in dem sich selbst überlassenen Stande der Einfalt, von Ehrgeiz, Wollust und andern Leidenschaften noch unverdorben, gewiß nicht böse ist.

 

Am folgenden Tage blieben wir den ganzen Vormittag über am Bord, nach Tische aber gingen wir mit Kapitän Cook ans Land und nach einem großen Hause, welches gleich einer Karawanserei von unterschiednen Familien bewohnt wurde, die hierhergekommen waren, um uns näher zu sein. Es befanden sich einige Befehlshaber von geringerm Range darunter, Ori aber war nach einer andern Gegend der Insel hingegangen.

Wir hatten uns noch nicht lange mit ihnen unterhalten, als verschiedene Indianer die Nachricht brachten, daß der Erste und Zweite Leutnant nebst einem von unsern Lotsen durch eine Partei Räuber völlig ausgeplündert worden wären. Diese Botschaft verbreitete unter den anwesenden Indianern einen allgemeinen Schrecken, und die mehresten suchten sich aus Furcht vor unserer Ahndung sogleich mit der Flucht zu retten. Wir selbst waren über das Schicksal unserer Gefährten nicht wenig verlegen, weil das tahitische Wort matte sowohl prügeln als wirklich totschlagen bedeutet und man, alles Nachfragens ohnerachtet, nicht ausfindig machen konnte, in welchem Sinne es hier gemeint sei. Unsere Besorgnis dauerte jedoch nicht lange, denn wir sahen die vier verlorengehaltnen Herren unbeschädigt in ihrer völligen Kleidung und Jägerausrüstung wiederkommen. Sie erzählten, daß, als sie bei den Landseen auf der Jagd gewesen, man sie unversehens überfallen und ihrer Vogelflinten, die sie gutwillig nicht abgeben wollten, mit Gewalt beraubt, auch mit Schlägen sehr gemißhandelt hätte. Endlich sei noch ein Befehlshaber dazugekommen, durch dessen Vermittlung ihnen die Räuber ihre Flinten und andere abgenommene Sachen wieder zurückgegeben hätten. Ganz vergnügt, daß die Geschichte einen bessern Ausgang genommen, als zu besorgen stand, kehrten wir allerseits an Bord zurück, bemerkten aber, daß die Einwohner sich aus dieser Gegend größtenteils verliefen.

Am folgenden Morgen ließ Ori den Kapitän durch Maheinen, der am Lande geschlafen hatte, wissen, daß die gestrige Tat durch dreizehn Mann begangen worden, daß er aber ohne Kapitän Cooks Hilfe nicht imstande sein würde, diese Bösewichter zur Strafe zu ziehen, er möchte ihm also zweiundzwanzig bewaffnete Leute zuschicken (welche Anzahl er durch ebensoviel Stöckchen andeuten ließ), alsdenn wolle er noch einige seiner Krieger dazunehmen und gegen die Rebellen marschieren. Kapitän Cook zweifelte, ob er Oris Botschaft recht verstanden habe, er kehrte also mit Maheinen nach dem Lande zurück, um den Befehlshaber selbst darüber zu befragen, konnte aber in Ermangelung genügsamer Sprachkenntnis nicht nähere Erkundigung einziehen. In dieser Ungewißheit berief er bei seiner Rückkunft die Offiziere zusammen und überlegte die Sache mit ihnen. Da gestand denn der Zweite Leutnant offenherzig, daß von ihrer Seite der erste Angriff geschehen sei und daß sie selbst sich ihren Unstern zugezogen hätten. Es habe nämlich einer von ihnen auf dem See ein paar wilde Enten geschossen und einen von den Indianern gebeten, sie aus dem Wasser zu holen, dieser aber, ob er's wohl vorher schon mehrmalen getan, habe sich nicht länger als Pudel wollen gebrauchen lassen. Dies habe der Offizier unbilligerweise übelgenommen und den armen Kerl so lange geprügelt, bis er sich dazu bequemt. Er sei hierauf mit ganz eigentümlicher Fertigkeit, halb schwimmend, halb gehend, durch den dicken Schlamm bis nach dem Wasser hin durchgedrungen. Als er aber die wilden Enten, die weit vom Ufer entfernt gelegen, erreicht gehabt, sei er damit nach dem jenseitigen Strand zugeschwommen, vielleicht in der Überzeugung, daß ihm zur Entschädigung für die erlittne Mißhandlung und angewandte Mühe dieses Wildbret mit Recht gebühre. Unser Seemann hingegen, der keineswegs gleicher Meinung gewesen, habe sein Gewehr mit einer Kugel geladen und nach dem Indianer geschossen, zum Glück aber nicht getroffen. Hierauf habe er zum zweitenmal laden wollen, allein die anwesenden Indianer, die ihren Landsmann einer so unbedeutenden Ursach wegen in Lebensgefahr gesehen, hätten dem Schützen das Gewehr abgenommen. Er habe zwar um Hilfe gerufen, sie wären aber sämtlich, ebenso wie jener, umringt gewesen. Gleichwohl habe einer von ihnen Mittel gefunden, sein Gewehr abzufeuern und einem der Indianer eine Ladung Schrot ins Bein zu schießen. Dadurch wären jedoch die übrigen nur immer mehr erbittert worden und hätten diese neue Gewalttätigkeit durch unbarmherzige Prügel gerächt. Maheinens Knecht, ein starker, untersetzter junger Kerl, der bei diesem Vorfall mit zugegen gewesen, habe für unsere Herren ganz verzweifelt gefochten, sei aber von der Menge überwältigt worden.

Durch dieses Geständnis bekam die Sache ein ganz anderes Ansehen. Dem ohnerachtet wollte der Kapitän den Befehlshaber nochmals um seine Meinung fragen und bat zu dem Ende, daß ihn mein Vater begleiten möchte, weil dieser von der Landessprache mehr verstand denn sonst irgend jemand an Bord. Ori eröffnete ihnen, seine Absicht sei, wir sollten auf die Häuser der Leute losgehen, die sich selbst Recht verschafft hatten und die vermutlich auch gegen ihn sich aufgelehnt haben mochten. Er wolle alsdenn ihre Schweine und alle übrigen Habseligkeiten wegnehmen und sie uns zur Schadloshaltung preisgeben. Mit dieser Erklärung kam Kapitän Cook ans Schiff zurück und beorderte eine Partei ausgesuchter Mannschaft, die mit Inbegriff der Offiziere, Dr. Sparrmanns, meines Vaters und nebst mir aus siebenundvierzig Mann bestand, ihn zu begleiten.

Es konnte des Kapitäns Absicht hierbei wohl gewiß nicht sein, dem alten Ori Beistand gegen seine rebellischen Untertanen zu leisten, zumal da diese soviel Ursach hatten, sich über die von den Unsrigen erlittene Mißhandlung zu beschweren, sondern er wollte vermutlich den Insulanern nur überhaupt zeigen, daß ihr eigenmächtiges Verfahren ihm nicht gefalle. Dem sei, wie ihm wolle, wir landeten und marschierten mit Ori und einigen Indianern nach der Gegend hin, wo die Gewalttätigkeit vorgegangen war. Je weiter wir vorrückten, desto größer ward der Zulauf von Indianern. Die Zahl unserer Begleiter belief sich in kurzem auf etliche hundert Mann, und sie fingen zum Teil schon an, aus den nächstgelegenen Häusern Waffen zu holen. Ori selbst schleppte einen zehn Fuß langen Speer mit sich, dessen Spitze aus dem zackigten Stachel eines Rochens bestand.

Nachdem wir zwei Meilen weit vorgedrungen waren, ward haltgemacht, und wir erfuhren durch Maheinen, daß die Indianer uns einzuschließen und vom Schiff abzuschneiden gedächten. Kapitän Cook ließ sich aber nicht abschrecken, sondern befahl nur, daß der Haufen, der uns nachfolgte, nicht weiter vorrücken sollte, damit wir im Falle eines Angriffs Freund und Feind desto besser unterscheiden könnten. Ori hingegen, der nebst etlichen andern Befehlshabern bei seinen Leuten bleiben wollte, mußte weiter mit uns fort.

Von hier aus stießen wir nach einem Marsche von drei Meilen auf einen Scheideweg. Der eine dieser beiden Wege ging über einen steilen Felsen, der andere hingegen schlängelte sich am Fuße des Berges herum. Der Kapitän wählte den ersteren, das Heraufsteigen war sehr mühsam, auf der anderen Seite aber fanden wir Tritte in den Felsen gehauen, vermittelst deren man ungleich bequemer nach der Ebene herabkommen konnte. Dieser Paß war für die Sicherheit unserer Rückkehr so wichtig, daß ihn der Kapitän durch einen Teil seiner Leute wollte besetzen lassen. Da er aber sah, daß Oris ausdrücklichem Befehl zuwider der große Haufe der Indianer, der zurückbleiben sollte, dennoch langsam nachkam, so dünkte es ihn der Klugheit gemäß, den ganzen Operationsplan aufzugeben und geradenwegs wieder umzukehren, und die Indianer ließen sich leicht bereden, es geschehe aus keiner anderen Ursach, als weil der Feind schon zu weit entfernt sei und man ihn nicht weiter verfolgen möchte.

Auf der Hälfte des Rückweges kamen wir bei einem geräumlichen Hause vorüber, darin uns Ori Kokosnüsse vorsetzen ließ. Während daß wir diese Erfrischungen verzehrten, brachten einige Indianer junge Pisangsprossen nebst zwei Hunden und einem Ferken herbei. Alles dieses überreichten sie dem Kapitän nach einer langen Rede, davon wir zwar herzlich wenig verstanden, die sich aber allen Umständen nach auf die Veranlassung unseres Feldzuges beziehen mußte. Außerdem ward uns noch ein großes Schwein vorgezeigt, aber auch wieder weggetrieben.

Sobald diese Zeremonie vorüber war, eilten wir nach dem Strande hin und kamen daselbst um Mittagszeit an. Der Kapitän ließ die Mannschaft dem Schiffe gegenüber ihre Gewehre plottonweise in die See feuern, und wir vergnügten uns an dem Erstaunen der Indianer, die nicht vermutet hatten, daß die Kugeln so weit reichten und daß wir mit unsern Flinten ein beständiges Feuer unterhalten könnten. Solchergestalt lief die vorgehabte Kriegsexpedition ohne Blutvergießen ab, so wie es alle diejenigen unter uns gewünscht hatten, denen das Leben ihrer Mitmenschen keine geringschätzige Kleinigkeit zu sein dünkte. Andere hingegen schienen ganz unzufrieden damit, daß es nicht zum Totschlagen gekommen war. An die schrecklichen Auftritte des Krieges und Blutvergießen gewöhnt, taten sie, als ob es gleichviel sei, nach Menschen oder nach einem Ziele zu schießen.

 

Unser militärischer Kreuzzug mochte die Insulaner abgeschreckt haben, an Bord zu kommen, wenigstens wurden diesen Nachmittag nur wenig Früchte zum Verkauf gebracht. Den anderen Morgen aber erhielten wir von unsern Bekannten mancherlei Geschenke, zum Zeichen, daß nun alles wieder beigelegt sei. Unter anderm besuchte uns auch ein Befehlshaber namens Morurua, der eine besondere Zuneigung gegen meinen Vater gefaßt hatte, in Begleitung seiner Frau und aller Angehörigen. Keiner kam mit leeren Händen, und daher ließen wir auch niemand unbeschenkt von uns. Morurua aber hielt sich durch das, was wir ihm gaben, weit über sein Verdienst belohnt und gab uns durch redende Blicke seine Freude und Dankbarkeit dafür zu erkennen. Am folgenden Morgen, als wir eben von der Insel absegeln wollten, kam er nochmals an Bord, brachte uns wiederum Geschenke und nahm endlich mit vielen Tränen Abschied.

Maheinens drei Freunde blieben bei unserer Abreise allhier zurück, dagegen nahmen wir einen andern Indianer an Bord, den Ori mit einer Botschaft an O-Puni, den König von Borabora, abschickte. Dieser Abgesandte schien ein sehr einfältiger Tropf zu sein, doch ließ er sich das Geheimnis seines Auftrages nicht abfragen, woran uns auch im Grunde so gar viel nicht gelegen war. Sein Name schickte sich ungemein gut zu seinem jetzigen Geschäft, denn er hieß Hurry-Hurry, welches im Englischen soviel als Eile, Eile bedeutet.

 

Am nächsten Mittag ankerten wir bei der Insel Raietea und zwar im Hafen Hamaneno, brachten aber bis abends zu, ehe wir das Schiff mitten in den Hafen hineinbugsieren konnten. Der Befehlshaber Orea kam an Bord und schien höchst vergnügt über unsere Wiederkunft. Ohne Zweifel mußte es uns auch durchgehends zur großen Empfehlung gereichen, daß Maheine und Hurry-Hurry sich uns anvertraut hatten.

Am folgenden Morgen begleiteten wir den Kapitän nach Oreas Hause, woselbst wir seine Frau und seine Tochter Poyadua antrafen. Bei unserm Eintritte in die Hütte waren diese beiden Frauenspersonen in vollem Weinen begriffen, und die Mutter verwundete sich den Kopf mit einem Haifischzahne und fing die Blutstropfen in einem Stückchen Zeug auf. Es dauerte jedoch nicht lange, so wurden die beiden wiederum so lustig, als wenn gar nichts vorgefallen wäre. Des heftigen Regenwetters wegen konnten wir erst um Mittag wieder nach dem Schiffe zurückkehren, welches unterdessen in eine enge Bucht nahe ans Land war gebracht worden, um bequemer Wasser einzunehmen.

Nachmittags machten wir, soweit das Regenwetter es zulassen wollte, an dieser Bucht einen Spaziergang. Längs dem Strande war eine unzählige Menge von Kanus aufs Land gezogen, und jedes Haus und jede Hütte war gepfropft voll Menschen. Sie schickten sich zum Teil zu gesellschaftlichen Mahlzeiten an, bei denen es gewiß an nichts fehlen sollte, denn überall lagen große Vorräte von den ausgesuchtesten Lebensmitteln dazu in Bereitschaft.

Wir wußten, daß es auf diesen Inseln eine besondere Gesellschaft oder Klasse von Leuten beiderlei Geschlechts gäbe, die Errioys genannt werden, und daß sie sich zuweilen weit und breit her versammelten, eine Insel nach der andern besuchten und überall bis zur Ausschweifung schmausten und schwelgten. Als wir zu Huaheine vor Anker lagen, hielt sich daselbst eine dergleichen Karawanen von mehr als siebenhundert solcher Errioys auf, und ebendiese waren es, die wir jetzt hier antrafen. Sie hatten sich eines Morgens mit etlichen siebzig Kanus von Huaheine nach Raietea übersetzen lassen und, nachdem sie einige Tage an der östlichen Küste dieser Insel zugebracht, nunmehro hier auf der Westseite ihr Quartier genommen. Es waren lauter Leute von gewissem Ansehen und schienen alle zu dem Stande der Befehlshaber zu gehören. Einige hatten große punktierte Flecken auf der Haut, dies sollten Maheinens Aussage nach die angesehensten Mitglieder der Gesellschaft, und zwar in ebendem Verhältnisse vornehmer sein, als man stärkere und mehrere Punkturen an ihnen wahrnähme. Sie waren fast alle durchgehends stark, wohlgebaut und nannten sich Kriegsleute. Maheine bezeigte viel Achtung für diese Gesellschaft und versicherte uns, daß auch er in dieselbe aufgenommen sei. Die Mitglieder sind alle durch die engsten Bande der Freundschaft untereinander verbunden und üben unter sich die Gesetze der Gastfreiheit im weitläufigsten Verstande. Sobald ein Errioy einen andern besucht, kann er darauf rechnen, mit allem, was sowohl zur Notdurft als zur Bequemlichkeit gehört, reichlich versehen zu werden. Persönliche Bekanntschaft oder Unbekanntschaft macht hierin keinen Unterschied. Er wird sogleich den übrigen Mitgliedern des Ordens vorgestellt, und alle wetteifern, wer es dem andern an Gefälligkeit, Freundschaftsbezeugungen und Geschenken zuvortun könne. Maheine behauptete, daß alle Vorteile, welche er in Tahiti gefunden, ihm bloß als Mitglied dieser Gesellschaft wären zuteil geworden. Die beiden jungen Leute, welche ihn daselbst auf unserm Schiff zuerst ansichtig wurden, waren seiner Aussage nach Errioys, und in dieser Qualität schenkten sie ihm ihre Kleidung, weil er selbst damals keine andere als europäische hatte. Es scheint fast, daß von jeder vornehmen Familie durchgehends eine oder mehrere Personen in diese Gesellschaft treten, deren unabänderliches Grundgesetz ist, daß keins ihrer Mitglieder Kinder haben dürfe. Soviel wir aus den Berichten der verständigsten Indianer abnehmen konnten, mußten die Errioys, der ersten Einrichtung nach, unverheiratet bleiben, da aber in diesem heißen Lande der Trieb zur Fortpflanzung sehr stark sein muß, so hat man sich nach und nach von jener Einrichtung entfernt und die Heiraten zugelassen. Um aber doch die Absicht des ledigen Standes beizubehalten, so ist man darauf verfallen, die unglücklichen Kinder gleich nach der Geburt umzubringen.

Die Errioys genießen mancherlei Vorrechte und werden in allen Sozietätsinseln sehr hochgeachtet. Das sonderbarste ist, daß sie selbst ihre größte Ehre darin setzen, keine Kinder zu haben. Als Tupaya hörte, daß der König von England eine zahlreiche Familie habe, dünkte er sich weit vornehmer als der König zu sein, bloß weil auch er, als Errioy, keine Kinder hatte. Fast in allen andern Ländern ist's eine Ehre, Vater zu heißen, wenn aber zu Tahiti ein Errioy jemandem den Vaternamen beilegt, so hat er es als einen verächtlichen Schimpfnamen und Vorwurf anzusehen. Zu gewissen Zeiten halten sie große Versammlungen und reisen von einer Insel zur andern. Denn schmausen sie die besten Früchte und verzehren eine Menge von Schweinen, Hunden, Fischen und Hühnern, welche die Tautaus oder die geringste Klasse zur Bewirtung dieser Schwelger herbeischaffen muß. An einer guten Portion des berauschenden Pfefferwurzeltrankes darf es bei solchen Gelegenheiten nicht fehlen, denn diese Herren zechen sämtlich gern. Überhaupt halten sie es mit allen Arten von sinnlichen Freuden, und daher ist Musik und Tanz allenthalben ihr Zeitvertreib. Diese Tänze sollen des Nachts ungebührlich ausschweifend sein, doch wird keinem als bloß den Mitgliedern der Gesellschaft der Zutritt verstattet.

In einem Lande, das so weit als Tahiti sich der Barbarei entrissen, würde man eine Gesellschaft, welche dem ganzen Volke so nachteilig zu sein scheint, gewiß nicht bis jetzt haben fortdauern lassen, wenn nicht die Nation auf einer andern Seite wichtige Vorteile davon hätte. Die vornehmste Ursach, warum man sie beibehält, mag vielleicht diese sein, daß beständig eine gewisse Anzahl von Kriegsleuten zur Verteidigung des Landes da sei (denn die Errioys sind Kriegsleute), und da man vielleicht befürchtet, daß Liebe und Familienbande sie feige und mutlos machen würden, so hat man ihnen den ehelosen Stand vorgeschrieben, den sie aber in der Folge vermutlich zu lästig gefunden haben.

Nächst dieser Absicht mag man durch Errichtung dieser Errioysgesellschaft auch wohl der gar zu schnellen Vermehrung der Befehlshaber und der Vornehmen überhaupt haben Schranken setzen wollen. Vielleicht sah ein alter vernünftiger Gesetzgeber zu Tahiti voraus, daß, wenn jene Klasse kleiner Tyrannen allzu zahlreich würde, der gemeine Mann unter dem Joche derselben bald würde erliegen müssen. Zu Verhütung dieses Übels gab es ohne Zweifel kein wirksameres Mittel als jene Verordnung, daß sie unverheiratet bleiben sollten. Dagegen mußten ihnen aber zur Versüßung dieses Zwanges freilich gewisse glänzende Vorzüge eingeräumt werden. Hieher rechne ich die große Achtung, die man dem gemeinen Volk für die Errioys beibrachte, und die Mittel, die man ihnen verschaffte, sich gütlich zu tun, tapfer zu schmausen und alle Tage in Freuden zu leben, als welches von jeher das Vorrecht der Krieger war, ehe sie zu hungerleidenden Söldnern der alles selbst verschlingenden Tyrannen ausarteten. Ehemals mögen sie freilich die Achtung, welche man ihnen bezeigt, durch ein unsträfliches Betragen mehr als heutzutage verdient haben. Wenn sie sich aber einmal in Betracht der Ehe über die Grundregeln ihres Instituts hinweggesetzt hatten, so ist es leichtlich zu begreifen, daß nach und nach der ursprüngliche Geist dieser Gesellschaft auch in den übrigen Stücken verlorengehen und daß Ausschweifung und Völlerei an die Stelle der ehemaligen Keuschheit und Mäßigkeit treten mußten.

Gegenwärtig sind die Errioys unter ihren Landsleuten ohnleugbar die größten Wollüstlinge, daß sie aber zu Befriedigung der Sinnlichkeit auf neue Erfindungen verfallen wären, bin ich nicht gewahr worden. Man hat ihnen zwar die häßlichste Art von wollüstiger Ausschweifung schuld geben und behaupten wollen, daß ihre Weiber allen Mitgliedern des Ordens gemeinschaftlich zugehörten. Allein nicht zu denken, daß eine solche Einrichtung an und für sich schon dem Charakter dieser Nation widerstreitet, so ist uns auch bei genauerer Nachfrage ausdrücklich das Gegenteil davon versichert worden. Man muß also diese Erzählung für eine bloße Grille von gewissen lustigen, kurzsichtigen Reisenden oder Reisebeschreibern ansehen, die das liebe Publikum wohl mit noch andern abenteuerlichen Märchen unterhalten haben.

Die Errioys sind zum Teil ebenso verheiratet, als Maheine sich mit Topiri verehelicht hatte, andere pflegen sich Beischläferinnen zu halten. Manche mögen sich freilich auch mit gemeinen Huren abgeben, deren auf allen diesen Inseln so viele vorhanden sind: Diese Art von Ausschweifung ist aber nichts so Unerhörtes, sondern vielmehr unter den zivilisierten Europäern weit herrschender als hier. Sollte man also bloß daher Anlaß genommen haben, die Errioys zu beschuldigen, daß sie einander ihre Weiber wechselweise preisgäben, so würde das ohngefähr ebenso herauskommen, als wenn man wegen der liederlichen Lebensart einzelner Europäer behaupten wollte, daß es in Europa eine Klasse von Leuten beiderlei Geschlechts gäbe, die ihre Tage in einer steten Befriedigung sinnlicher Lüste zubrächten!

Von dem Vorwurf des Kindesmordes hingegen sind die Tahitier nicht freizusprechen, so unerklärlich es auch beim ersten Anblick scheinen mag, daß eine Nation von so sanften, mitleidigen und zur Freundschaft gestimmten Herzen zugleich der äußersten Grausamkeit fähig sein soll. Wenn die Unmenschlichkeit der Väter hier schon Schaudern erregt, was soll man von den Müttern sagen, deren Herzen von Natur und durch Instinkt sonst überall so zärtlich sorgsam und zum Erbarmen geneigt sind? Die Wege und Stimmen der Tugend sind freilich nur gar zu leicht zu verfehlen. Aber bei alledem bleibt es immer noch unbegreiflich, wie ein Volk, das in den übrigen Stücken so sehr der Natur getreu blieb, gerade dem ersten Grundsatz derselben zuwiderhandeln und gegen eine so tief gepflanzte Empfindung sich habe verhärten können.

Sobald wir ohnleugbare Gewißheit davon hatten, daß eine so widernatürliche Barbarei unter den Errioys wirklich ausgeübt werde, verwiesen wir es unserm jungen Freunde Maheine, daß er sich's zur Ehre rechne, einer so verabscheuungswürdigen Gesellschaft anzugehören. Wir suchten ihm die Grausamkeit dieses Verfahrens begreiflich zu machen und ließen keinen Grund dawider ungenutzt, der uns nur beifiel, oder vielmehr den wir in seiner Sprache auszudrücken wußten. Auch gelang es uns, ihn zu überzeugen, daß es unrecht sei, und er versprach, seine Kinder nicht umzubringen, ja sich von der Gesellschaft überhaupt gänzlich loszumachen, sobald er Vater sein würde. Es gereichte uns einigermaßen zum Troste, bei dieser Gelegenheit von ihm zu vernehmen, daß die Errioys selten Kinder bekämen. Sie müssen also ihre Weiber oder Beischläferinnen wohl aus der Klasse der gemeinsten liederlichen Dirnen hernehmen und sowohl aus diesem Grunde als wegen ihrer ausgelassenen Wollust selten in den Fall geraten, ein unglückliches Kind aufzuopfern.

Ich hatte bei meiner Zurückkunft nach England Gelegenheit, mich über die Errioys mit O-Mai zu besprechen. Ich stellte ihm vor, wie sehr es dem ganzen Volke zur Schande gereiche, eine Gesellschaft von Kindermördern unter sich zu dulden. Allein er versicherte mich, daß der größere Teil der Nation keineswegs Anteil an dieser Grausamkeit nähme. Die Kinder müßten zwar den einmal eingeführten Gesetzen nach ums Leben gebracht werden, und zur Entschädigung für diesen bitteren Zwang habe man den Mitgliedern dieser Gesellschaft besondere Ehrenbezeugungen und große Vorrechte zugestanden. Demohnerachtet gäben die Mütter nie ihre Einwilligung zu dem Mord ihrer Kinder. Die Männer und andere Errioys überredeten sie daher, die Kinder wegzugeben. Wenn aber Bitten nicht helfen wollten, so würde bisweilen Gewalt gebraucht; vor allen Dingen aber, setzte er hinzu, würden dergleichen Mordtaten so ganz insgeheim verübt, daß auch nicht einmal die Tautaus oder Bedienten des Hauses etwas davon erfahren, weil, wenn es ruchbar würde, der Mörder mit dem Leben dafür büßen müßte.

Auf solche Art könnte denn freilich den Tahitiern und ihren Nachbarn in diesem Punkte nicht mehr zur Last gelegt werden, als was sich leider von jedem andern Volke sagen läßt, nämlich daß es einzelne Bösewichter unter ihnen gibt, die barbarisch genug sind, ihre eigenen Kinder umzubringen. Und folglich dürfen auch diejenigen, die das menschliche Herz bei allen Gelegenheiten zu verketzern suchen, nicht länger frohlockend wähnen, als ob es eine ganze Nation gäbe, die Mord und Totschlag begehen könne, ohne zu fühlen, daß sie daran unrecht tue. Wie groß die Verderbnis der Sitten in Europa sei, kann man unter anderm daraus abnehmen, daß es zu London Buben gibt, die sich ihrer Geschicklichkeit in der Kunst, Abortantia zu präparieren, öffentlich rühmen und in diesem Fach ihre Dienste anbieten. Avertissements von solchem Inhalt werden auf den Straßen ohne Scheu ausgeteilt und finden sich auch in fast allen Zeitungen.

Bei aller ihrer Schwelgerei vergaßen die hier versammelten Errioys doch die Gastfreiheit nicht, sondern luden uns fleißig ein, an ihrem Mahle teilzunehmen. Da wir selbst aber eben vom Tisch aufgestanden waren, so gingen wir statt dessen lieber spazieren und kehrten erst gegen Sonnenuntergang wieder nach dem Schiffe zurück, welches Maheine, das Mädchen und die übrigen indianischen Passagiere in der Zwischenzeit verlassen hatten.

 

Am nächsten Nachmittage gingen wir ans Land, um einem dramatischen Tanze beizuwohnen, in welchem Poyadua, Oreas Tochter, sich sollte sehen lassen. Die Anzahl der versammelten Zuschauer war sehr beträchtlich, denn auf dieses Schauspiel wird hier viel gehalten. Die Tänzerin legte bei dieser Gelegenheit von ihrer schon bekannten Geschicklichkeit neuen Beweis ab und fand bei allen Europäern den größten Beifall.

Die Zwischenspiele wurden durch Mannspersonen vorgestellt und waren ihrem Inhalte nach für uns von ganz neuer Komposition. Ohnerachtet wir nicht alles von Wort zu Wort verstanden, so konnten wir doch so viel unterscheiden, daß die Namen des Kapitäns Cook und anderer Herren von unserer Gesellschaft in diesen Gesängen vorkamen. Die ganze Handlung schien eine von denen Räubergeschichten vorzustellen, dergleichen uns in diesen Inseln so viele begegnet waren. Ein anderes Intermezzo stellte den Angriff der Krieger von Borabora vor, wobei derbe Schläge mit einem Riemen ausgeteilt wurden, daß es nur so klatschte. Das dritte Zwischenspiel war seltsamer als die übrigen alle. Es stellte eine Frau in Kindeswehen vor und erregte bei der Versammlung ein überlautes Gelächter. Ein anderer großer und starker Kerl, in tahitisches Zeug gekleidet, stellte das neugeborene Kind vor und gebärdete sich dazu so possierlich, daß wir herzlich mitlachen mußten. Das Kostüm war so genau beobachtet, daß selbst ein Accoucheur oder jeder andere Sachverständige an diesem großen Jungen keines von den wesentlichen Kennzeichen eines neugeborenen Kindes würde vermißt haben. Denen indianischen Zuschauern aber gefiel das vorzüglich, daß er unmittelbar nach seinem Eintritt in die Welt so drall auf dem Theater herumlief, daß die Tänzer ihn kaum wieder haschen konnten.

Kapitän Cook hatte bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß, sobald die andern Kerls den großen Jungen wieder eingeholt, sie ihm die Nase oben zwischen den Augen plattgedrückt hätten. Hieraus schließt er ganz richtig, daß diese Gewohnheit wirklich bei neugeborenen Kindern allhier stattfinde, wie sie denn auch fast durchgehends eingedrückte Nasen haben. Unter allen schien diese Vorstellung den Damen das mehreste Vergnügen zu machen. Auch konnten sie sich dem Eindruck desselben ohne Bedenken überlassen, weil nach hiesiger Landessitte gar nichts darin vorkam, welches sie in Verlegenheit hätte setzen können, wie es wohl unsern europäischen Schönen geht, die in den Schauspielen oft nur durch den Fächer schielen dürfen.

Am folgenden Nachmittag tanzte Poyadua wiederum, und es schien fast, als ob sie ihre übrigen Gespielen diesmal ausstechen wollte, wenigstens hatte sie sich mehr als gewöhnlich ausgeputzt und mit einer Menge von allerhand europäischen Glaskorallen behangen. Ihre bewunderungswürdige Gelenkigkeit, die reizende Bewegung ihrer Arme und das schnelle zitternde Spiel der Finger wurden von den Indianern ebensosehr als die Künste der Operntänzerinnen von uns bewundert. Doch verdiente Poyadua auch unsern Beifall wenigstens um deswillen, daß sie ihre Geschicklichkeit nicht einem Lehrer, sondern bloß der eigenen Ausbildung ihres natürlichen Talentes zu verdanken hatte. Nur darin konnten wir dem Nationalgeschmack nicht beistimmen, daß die außerordentlichen Verzerrungen des Mundes schön sein sollten. Unserm Urteil nach waren sie vielmehr recht häßlich und sogar abscheulich.

Unser Freund Maheine war vielleicht der einzige seines Standes, der nicht so ganz vergnügt sein mochte als die übrigen, und das um deswillen, weil man ihm hier nicht so viel Gunstbezeugungen erwies, als er zu Tahiti genossen hatte. Es scheint auch hier in der Südsee wie bei uns wahr zu sein, daß ein Prophet nirgends weniger gilt als in seinem Vaterlande. Er hatte allhier eine zahlreiche Verwandtschaft, aber das nützte ihm zu nichts weiter, als daß alle, die dazugehörten, Geschenke von ihm erwarteten, und zwar nicht als eine Gütigkeit, sondern beinahe als Pflicht. Zu Tahiti hingegen ward ihm jedes noch so geringe Geschenk als eine Freigebigkeit angerechnet, wodurch er sich Freunde und andere Vorteile zuwege brachte. Solange dem gutherzigen Jungen noch das Geringste von denen Seltenheiten übrigblieb, die er auf unserer beschwerlichen und zum Teil wirklich gefährlichen Reise mit Gefahr seines Lebens gesammelt hatte, solange nahm auch das Quälen kein Ende, und ob er gleich nach und nach seine Schätze ohne Rückhaltung dahingegeben, so schienen dennoch einige seiner Verwandten laut über seinen Geiz zu klagen. Er, der ehemals imstande gewesen war, andern mitzuteilen, mußte nun selbst wieder bei seinen europäischen Freunden um ein und anderes bitten, denn die Habsucht seiner Verwandten hatte ihm kaum noch ein paar rote Federn und andere Kleinigkeiten zum Geschenk für seinen hohen Anverwandten O-Puni, den König von Borabora, übriggelassen.

Auf solche Art war es denn kein Wunder, daß er sehnlich nach Tahiti zurückzukehren wünschte. Er sagte uns auch, daß, sobald er nur O-Puni und seine übrigen Verwandten auf Borabora besucht haben würde, ihn gewiß nichts abhalten solle, eiligst nach Tahiti und nie wieder von dannen zu gehen. Dennoch aber würde er gern mit uns nach England gekommen sein, wenn wir ihm nur die geringste Hoffnung hätten machen können, daß wir jemals wieder nach der Südsee zurückkehren würden.

Allein da ihm Kapitän Cook ausdrücklich das Gegenteil versichert hatte, so wollte er dem Vergnügen, unsern Weltteil zu sehen, lieber entsagen, als sich auf immer von seinem geliebten Vaterlande zu trennen. Und in Wahrheit, wenn man bedenkt, was sein Landsmann O-Mai bei uns gelernt hat, so war es für das Herz und die Sitten unsres unverdorbenen Freundes gewiß am zuträglichsten, daß er zurückblieb. Die Pracht von London hat er nun freilich nicht kennenlernen, aber dafür sind ihm auch alle die Greuel der Sittenlosigkeit unbekannt geblieben, welche die größeren Hauptstädte Europas fast durchgehends miteinander gemein haben.

Als der Tanz zu Ende war, nötigte uns Maheine, daß wir ihn morgen auf seinem eigenen Grund und Boden besuchen möchten. Er hatte uns schon oft erzählt, daß er auf dieser Insel Landeigentum besitze, und wollte die gegenwärtige Gelegenheit, sein Vorgeben zu bestätigen, um desto weniger ungenutzt lassen, als verschiedene von unsrer Schiffsgesellschaft bisher noch immer daran gezweifelt hatten.

Seiner Einladung gemäß, gingen wir also des folgenden Tages frühe in zwei Booten nach dem nordöstlichen Ende der Insel unter Segel, allwo der ihm zuständige Distrikt Wharai-te-wah liegen sollte. Orea begleitete uns nebst seiner Familie, und in einer Zeit von zwei Stunden langten wir glücklich daselbst an.

Maheine bewillkommte uns nebst zwei seiner älteren Brüder und brachte uns zu einem geräumlichen Hause. Hier ließ er gleich Anstalten zur Mahlzeit machen. Während dieser Zubereitungen gingen mein Vater, Dr. Sparrmann und ich zum Botanisieren auf die benachbarten Berge, wir fanden aber nicht eine einzige neue Pflanze.

Nach Verlauf zweier Stunden kamen wir wieder, und unterdessen, daß das Essen aufgetragen ward, erzählte uns Kapitän Cook ganz umständlich, wie es bei der Zurichtung hergegangen war. Er hatte alles selbst mit angesehen, und da wir uns über diesen Gegenstand noch nirgends ausführlich erklärt haben, so will ich zum Besten meiner Leser des Kapitäns Beschreibung hier wörtlich einrücken. Aus Kapitäns Cooks gedruckter Reisebeschreibung gezogen. »Drei Kerls ergriffen ein Schwein, das ohngefähr fünfzig Pfund schwer sein mochte, legten es auf den Rücken und erstickten es, indem sie ihm quer über den Hals einen dicken Stock drückten, so daß an jeder Seite einer mit seinem ganzen Körper darauf ruhte. Der dritte hielt die Hinterbeine, und um alle Luft im Leibe zu verschließen, stopfte er dem Schwein ein Büschel Gras in den Hintern. Nach Verlauf von zehn Minuten war das Schwein tot. Während dieser Zeit hatten zwei andere ein Feuer angemacht, um den sogenannten Ofen durchzuheizen, der aus einer Grube unter der Erde bestand, darin eine Menge Steine aufgepackt waren. An diesem Feuer ward das tote Schwein gesengt, und zwar so gut, als hätten wir's in heißem Wasser gebrüht. Um es vollends rein zu machen, trugen sie es an das Seeufer, rieben es dort mit Sand und Kieseln und spülten es hernach wiederum sauber ab. Darauf ward es an den vorigen Ort zurückgebracht und auf frische Blätter gelegt, um auch von innen rein gemacht zu werden. In dieser Absicht ward der Bauch geöffnet, hiernächst der äußere Speck abgelöst, auf grüne Blätter beiseite gelegt und dann das Eingeweide herausgeschnitten, letzteres wurde sogleich in einem Korb weggetragen und auch nicht wieder zum Vorschein gebracht. Doch ich bin überzeugt, daß sie es nicht weggeworfen haben. Zuletzt nahmen sie das Blut und das innere Fett heraus, jenes ward auf grüne Blätter, dieses aber zu dem vorher schon abgesonderten Speck geschüttet. Nachdem hierauf das Schwein nochmals von außen und innen mit frischem Wasser abgewaschen war, steckten sie etliche heiße Steine in den Bauch und ließen solche in die Höhlung der Brust hinunterfallen, stopften auch eine Anzahl frischer Blätter dazwischen ein. Mittlerweile ward der Ofen, der aus einer mit Steinen ausgefüllten Grube oder Vertiefung in der Erde bestand, sattsam durchgeheizt, man nahm also das Feuer und die Steine bis auf die unterste Schicht weg, die so eben als gepflastert war. Auf diese ward das Schwein mit dem Bauch zuunterst gelegt, Fett und Speck aber, nachdem es sorgfältig abgewaschen, ward in einem langen Troge, der aus einem jungen Pisangstamm ausdrücklich dazu ausgehöhlt worden, neben das Schwein gestellt. In das Blut warf man einen heißen Stein, damit es sich verdicken oder gerinnen möchte, alsdenn wurden kleine Portionen davon in Blätter gewickelt und auch diese nebst einer Menge Brotfrucht und Pisange in den Ofen gebracht. Hierauf bedeckten sie alles mit frischem Laube und dann mit dem Rest der geheizten Steine. Über diese wurde wieder eine Schicht Blätter hingestreut und zuletzt noch allerhand Steine und Erde hoch darüber aufgehäuft. Während der Zeit, daß dies Gericht unter der Erde stobte, deckten die Leute den Tisch. Das heißt, sie breiteten an einem Ende des Hauses eine Menge grüne Blätter auf die Erde. Nach Verlauf zweier Stunden und zehn Minuten ward der Ofen geöffnet und alles herausgezogen. Die Gäste setzten sich rund um die Blätter, die Eingebornen an das eine und wir an das andere Ende. Da, wo wir saßen, ward das Schwein aufgetragen, an jener Seite aber, welche die Indianer eingenommen hatten, ward das Fett und das Blut hingesetzt, welches beides sie auch allein verzehrten und für ungemein schmackhaft ausgaben. Dagegen ließen wir uns das Fleisch nicht minder gut schmecken, weil es in der Tat ganz vortrefflich zubereitet war, auch die Leute, welche die Küche besorgten, in allen Stücken eine nachahmenswerte Reinlichkeit beobachtet hatten.«

Kaum war das Schwein zerlegt, als die angesehensten Befehlshaber und Errioys gemeinschaftlich darüber herfielen und ganze Hände davon auf einmal verschlangen. Überhaupt aßen alle unsere Tischgenossen mit ungewöhnlicher Gierigkeit, indes die armen Tautaus, die in großer Menge um uns her standen, sich an dem bloßen Zusehen genügen lassen mußten, denn für sie blieb auch nicht ein Bissen übrig. Unter allen Zuschauern waren Oreas Frau und Tochter die einzigen, die etwas bekamen, und beide wickelten ihre Portionen sorgfältig in Blätter, um sie an einem abgesonderten Platze zu verzehren. Hier schien es, daß die Frauensleute essen dürfen, was durch Männer zubereitet und ausgeteilt wird, bei andern Gelegenheiten aber war es uns vorgekommen, als ob gewisse Leute nicht essen dürften, was von dieser oder jener Person in der Familie war berührt worden. Doch können wir nicht eigentlich bestimmen, nach was für Regeln sie sich in diesem Stück richten mögen. Zwar sind die Tahitier nicht das einzige Volk, wo die Männer von den Weibern abgesondert speisen, vielmehr ist diese Gewohnheit auch bei einigen Nationen unter den Negern, imgleichen bei den Einwohnern von Labrador, eingeführt. Allein sowohl jene Neger als auch die Eskimos bezeigen überhaupt eine ganze ungewöhnliche Verachtung für das andre Geschlecht, und ebendiese mag denn auch schuld daran sein, daß sie nicht gemeinschaftlich mit ihren Frauen essen wollen. Bei den Tahitiern hingegen, wo den Weibern in allen übrigen Stücken so gut und artig begegnet wird, muß jene befremdliche Ungeselligkeit noch eine andre Ursach zum Grunde haben, die sich vielleicht künftig einmal vermittelst genauer Beobachtungen wird entdecken lassen.

Der Kapitän hatte die Vorsorge gehabt, einige Flaschen Branntwein mitzunehmen, der, mit Wasser verdünnt, das Lieblingsgetränk der Seeleute, den sogenannten Grog, ausmacht. Die Errioys und einige andere vornehme Indianer fanden dieses Gemisch stark und fast ebensosehr nach ihrem Geschmack als das hiesige berauschende Pfefferwasser; sie tranken also tapfer herum und setzten gar noch etliche Spitzgläser Branntwein obendrauf, welches ihnen dann so wohl behagte, daß sie sich bald nach einem Ruheplätzchen umsehen und eins ausschlafen mußten.

Um fünf Uhr nachmittags kehrten wir nach dem Schiff zurück, badeten aber zuvor des heißen Wetters wegen in einer schönen Quelle, deren wir uns zu diesem Behuf schon mehrmalen bedient hatten.

 

Bei unserer Zurückkunft von der letzten botanischen Exkursion erfuhren wir eine wichtige Neuigkeit, es hatte nämlich einer von den Indianern, der eben aus Huaheine zurückkam, die Nachricht mitgebracht, daß allda zwei Schiffe vor Anker lagen, davon eins größer wäre als das unsrige. Kapitän Cook ließ diesen Mann in die Kajüte kommen, um ihn genauer zu befragen. Der Indianer wiederholte, was er bereits auf dem Verdeck ausgesagt hatte, und führte zur Bestätigung noch den Umstand an, daß er selbst an Bord des kleineren Schiffes gewesen und von den Leuten trunken gemacht worden wäre. Wir erkundigten uns nach den Namen der Kapitäne, worauf er zur Antwort gab, der Befehlshaber des größern sei Tabane, der aber in dem kleinern heiße Tonno. Da dies nun gerade dieselbigen Namen waren, welche die Indianer Herrn Banks und Furneaux beigelegt hatten, so stutzte Kapitän Cook nicht wenig und fragte weiter, von welcher Statur diese Herren wären. Der Indianer versetzte alsbald, Tabane sei groß, Tonno aber kleiner von Statur. Auch dies stimmte mit der uns bekannten Gestalt dieser beiden Herren genau überein. Gleichwohl hatten wir in manchem andern Betracht wieder ebensosehr Ursach, die ganze Erzählung in Zweifel zu setzen, denn wenn Kapitän Furneaux wirklich zu Huaheine war, so mußte er auch von den dortigen Einwohnern ohnfehlbar erfahren haben, daß Kapitän Cook noch in der Nachbarschaft sei, und da er unter den Befehlen desselben von England ausgesegelt war, so erforderte es auch jetzt seine Pflicht, ihn aufzusuchen. Weil aber dies nicht erfolgte, so blieb uns am Ende keine andere Vermutung übrig als daß, wenn überhaupt europäische Schiffe an jener Insel lägen, es doch nicht englische sein könnten. Bei unserer Zurückkunft nach dem Kap erfuhren wir auch, daß Kapitän Furneaux lange vor der Zeit, da ihn die Indianer zu Huaheine gesehen haben wollten, aus der Tafel-Bai abgesegelt, Herr Banks aber gar nicht aus Europa gekommen wäre.

 

Unter den Bewohnern der Sozietätsinseln gibt es hie und da gewisse Personen, die von den Traditionen, von der Mythologie und von der Sternkunde ihrer Nation Kenntnis haben. Maheine hat sie uns oft als die gelehrtesten seiner Landsleute gerühmt und sie Tata-o-Rerro genannt, welches man ohngefähr durch Lehrer übersetzen könnte. Nachdem wir lange darauf ausgewesen, einen solchen Mann kennenzulernen, so fanden wir endlich hier im Distrikt Hamaneno einen Befehlshaber, der Tutawai hieß und den Beinamen eines Tata-o-Rerro führte. Es tat uns um desto mehr leid, ihn nicht ehe ausgeforscht zu haben, weil unsere Abreise jetzt schon so nahe vor der Tür war. Indessen verwendete mein Vater wenigstens noch die letzten Augenblicke unseres Hierseins auf die Untersuchung eines so wichtigen Gegenstandes.

Dem hochgelehrten Tutawai schien damit gedient zu sein, daß er Gelegenheit fand, seine Wissenschaft auszukramen. Es schmeichelte seiner Eigenliebe, daß wir ihm so aufmerksam zuhörten, und dies vermochte ihn auch, sich über diese Materie mit mehr Geduld und Beharrlichkeit herauszulassen, als wir sonst von den flüchtigen und lebhaften Einwohnern dieser Insel gewohnt waren.

Im ganzen scheint die Religion aller dieser Insulaner das sonderbarste System von Vielgötterei zu sein, das jemals erdacht worden. Nur wenig Völker sind so elend und so ganz mit den Bedürfnissen der Selbsterhaltung beschäftigt, daß sie darüber gar nicht an den Schöpfer denken und versuchen sollten, sich einen wenngleich noch so unvollständigen Begriff von ihm zu machen. Diese Begriffe scheinen vielmehr seit jenen Zeiten, da sich Gott den Menschen unmittelbar offenbarte, durch mündliche Erzählungen unter allen Nationen verblieben und aufgehalten zu sein. Vermittelst einer solchen Fortpflanzung der ehemaligen göttlichen Offenbarung hat sich denn auch zu Tahiti und auf den übrigen Sozietätsinseln noch ein Funken davon erhalten, dieser nämlich, daß sie ein höchstes Wesen glauben, durch welches alles Sichtbare und Unsichtbare erschaffen und hervorgebracht worden.

Die Geschichte zeigt aber, daß alle Nationen, wenn sie die Eigenschaften dieses allgemeinen und unbegreiflichen Geistes näher untersuchen wollen, die Schranken, welche der Schöpfer unseren Sinnes- und Verstandeskräften vorgeschrieben, bald mehr, bald minder überschritten und dadurch gemeiniglich zu den törichten Meinungen verleitet wurden. Daher geschah es, daß die Eigenschaften der Gottheit durch eingeschränkte Köpfe, die sich von der höchsten Vollkommenheit keinen Begriff machen konnten, gar bald personifiziert oder als besondere Wesen vorgestellt wurden. Auf diese Art entstand jene ungeheure Zahl von Göttern und Göttinnen, ein Irrtum gebar den andern, und da jeder Mensch ein angeborenes Verlangen hegt, von Gott sich einen Begriff zu machen, so brachte der Vater das, was er davon wußte, in der ersten Erziehung auch seinen Kindern bei. Indessen vermehrte sich das Geschlecht der Menschen und fing gar bald an, sich in unterschiedene Stände zu teilen. Durch diesen eingeführten Unterschied in den Ständen ward verhältnisweise die Befriedigung der Sinnlichkeit einigen erleichtert, andern aber erschwert. Wenn nun unter denjenigen, welchen sie erschwert wurde, ein Mann von besondern Fähigkeiten war, der den allgemeinen Hang seiner Mitbrüder zur Anbetung eines höheren Wesens bemerkte, so geschah es oft (ich möchte fast sagen: immer), daß er diese herrschende Neigung mißbrauchte. Zu dem Ende suchte der Betrüger die Verstandeskräfte des großen Haufens zu fesseln und sich denselben zinsbar zu machen. Die Vorstellungen, welche er ihnen von der Gottheit beibrachte, mußten seinen Absichten behilflich sein, und deshalb pflanzte er dem Volke, das bisher von Natur eine kindliche Liebe zu Gott als seinem Wohltäter fühlte, nun Furcht und Schrecken vor dem Zorn desselben ein. Ebenso, dünkt mich, ist's auch auf den Sozietätsinseln zugegangen. Man verehrt daselbst Gottheiten von allerhand Art und Eigenschaften, und was vornehmlich befremdend ist: jede Insel hat eine besondere Theogonie oder Göttergeschichte.

Tutawai fing damit an, daß er uns sagte, der höchste Gott oder Schöpfer des Himmels und der Erden habe auf jeder Insel einen besonderen Namen oder, um es deutlicher auszudrücken, sie glaubten auf jeder Insel an ein besonderes höchstes Wesen, dem sie über alle andere Gottheiten den Rang zugeständen. Sie glaubten auch, daß jeder Mensch ein besonderes Wesen in sich habe, welches nach dem Eindruck der Sinne handelt und aus einzelnen Begriffen Gedanken zusammensetzt. Gedanken heißen parau no te obu, das ist nach dem buchstäblichen Verstande: Worte im Bauche. Dies Wesen nennen sie Tie, so wie wir es Seele heißen. Ihrer Vorstellung zufolge bleibt es nach dem Tode übrig und wohnt in den hölzernen Bildern, die um die Begräbnisse gestellt und daher auch Tie genannt werden. Die Begriffe von einer künftigen Fortdauer und von der Verbindung zwischen Geist und Materie haben sich folglich bis in die entferntesten Inseln der Erde fortgepflanzt. Ob man aber auch von künftigen Strafen und Belohnungen hier etwas wisse, das konnten wir, so wahrscheinlich mich's auch dünkt, dennoch nicht mit Fragen erforschen.

Die Opfer, welche den Göttern dieser Inseln dargebracht werden, bestehen in gargemachten Schweinen und Hühnern wie auch allerhand Arten von anderen Lebensmitteln. Die niedrigen, besonders aber die bösen Geister werden bloß durch eine Art von Gezisch verehrt. Einige derselben sollen des Nachts in die Häuser kommen und die Einwohner ums Leben bringen, andere sollen sich auf einer gewissen unbewohnten Insel namens Mannua in Gestalt starker großer Männer aufhalten, schrecklich funkelnde Augen haben und einen jeden verschlingen, der ihrer Küste zu nahe kommt. Diese Fabel scheint indessen nicht sowohl zu ihrer Götterlehre zu gehören als vielmehr eine Anspielung auf Menschenfresser zu sein, deren es vor undenklichen Zeiten auf diesen Inseln mag gegeben haben.

Kapitän Cook hat über die Religionsverfassung dieser Insulaner eine wichtige Entdeckung gemacht, davon mir aber bei unserm Aufenthalt in der Südsee nichts bekannt geworden. Ich will daher nicht Anstand nehmen, sie zum Besten meiner Leser mit des Verfassers eignen Worten hier einzurücken:

»Da ich«, sagt Kapitän Cook, »nicht ohne Grund vermutete, daß die tahitische Religion in manchen Fällen Menschenopfer vorschreibe, so ging ich einmal mit Kapitän Furneaux nach einem Marai oder Begräbnisplatz in Matavai und nahm, wie ich bei ähnlichen Gelegenheiten immer zu tun pflegte, einen meiner Leute mit, der die Landessprache ziemlich gut verstand. Etliche Eingeborne, darunter einer ein ganz gescheuter Mann zu sein schien, folgten uns. Auf dem Platze stand ein Tupapau oder Gerüst, worauf ein Toter nebst einigen Speisen lag, welches alles meiner Wißbegierde zustatten zu kommen schien. Ich fing an, kurze Fragen zu tun, zum Beispiel, ob die Pisange oder andre Früchte dem Eatua (der Gottheit) dargebracht wären, ob man dem Eatua Schweine, Hühner, Hunde und so fort opferte; auf alle diese Fragen wurde bejahend geantwortet. Nun fragte ich, ob man dem Eatua denn auch Menschen opferte? Mein Tahitier antwortete gleich: taata-ino, das ist: böse Menschen würden geopfert, nachdem sie erst tiparrahai, das ist: zu Tode geprügelt worden. Ich fragte weiter, ob man nicht auch zuweilen gute rechtschaffne Leute auf diese Art umbrächte? Nein, nur taata-ino! Werden auch Erihs jemals geopfert? Er antwortete: ›Die haben ja Schweine dem Eatua hinzugeben‹, und blieb bei seinem taata-ino. Um gewisser zu sein, verlangte ich noch zu erfahren, ob ein ehrlicher, unbescholtener Tautau, das ist: Kerl vom gemeinen Volk, der weder Schweine noch Hunde, noch Hühner hat, dem Eatua geopfert würde. Ich bekam aber immer die erste Aussage zu hören, man opfere nur Bösewichter. Nach einigen anderen Fragen, die ich noch an ihn tat, glaubte ich endlich, soviel verstanden zu haben, daß Menschen für gewisse Übeltaten und Laster den Göttern zum Opfer verurteilt werden, wenn sie nämlich nicht imstande sind, sich durch irgend etwas auszulösen oder loszukaufen, dergleichen Leute aber nicht nur in der niedrigsten Klasse des Volkes anzutreffen seien.

Der Mann, den ich hierüber befragte, gab sich Mühe, die ganze Zeremonie zu beschreiben, allein wir waren der Sprache noch nicht kundig genug, um ihn durchaus zu verstehen. Nachher habe ich von O-Mai erfahren, daß sie dem höchsten Wesen wirklich Menschenopfer darbringen. Seiner Aussage zufolge kommt es aber bloß auf den Hohenpriester an, wen er zum Opfer wählen will. Wenn das Volk versammelt ist, geht er allein in das Haus Gottes und bleibt da eine Zeitlang. Sobald er aber wieder heraustritt, erzählt er, daß er den großen Gott gesehen und gesprochen (ein Vorrecht, das dem Hohenpriester nur allein zusteht) und daß dieser einen Menschen zum Opfer verlangt habe. Er sagt ihnen hierauf namentlich, wen dies traurige Los getroffen habe, vermutlich aber fällt diese Wahl allemal auf jemand, der dem Priester gehässig ist. Der wird sogleich erschlagen, und wenn es allenfalls nötig sein sollte, so wird der Priester wohl soviel Verschlagenheit besitzen, um dem Volke einzureden, der Kerl sei ein Bösewicht gewesen.«

Die Priester dieses Volkes bleiben lebenslang in ihrem Amt, und ihre Würde ist erblich. Der Hohepriester jeder Insel ist allemal ein Erih und hat den nächsten Rang nach dem Könige. Sie werden bei wichtigen Angelegenheiten zu Rate gezogen, haben reichlichen Anteil an allen Herrlichkeiten des Landes, kurz, sie haben Mittel gefunden, sich notwendig zu machen. Außer den Priestern gibt es noch in jedem Distrikt einen oder zwei Lehrer oder Tata-orreros (dergleichen Tutawai einer war), welche sich auf die Theogonie und Kosmogenie verstehen und zu gewissen Zeiten dem Volk Unterricht darin geben. Ebendiese Leute sorgen auch dafür, daß die Nationalkenntnisse von der Geographie, Astronomie und Zeitrechnung nicht verlorengehen.

Sie zählen vierzehn Monate. Die ersten sieben Monate zusammengenommen heißen Uru oder die Brotfruchtzeit. Wie sie aber diese Monate berechnen, um genau ein Jahr daraus zu machen, das ist bis jetzt für uns noch ein Geheimnis. Fast sollte man auf die Vermutung geraten, daß einige, als zum Beispiel der zweite und siebente, Schaltmonate sein möchten. Wenn dem also wäre, so würden sie jedesmal nach Verlauf eines gewissen Zeitraums eingeschoben werden müssen. Jeder Monat besteht aus neunundzwanzig Tagen; während der beiden letzten sagen sie, der Mond sei tot, weil er alsdann nicht zu sehen ist. Hieraus folgt, daß sie den Anfang des Monats nicht von der wahren Zeit der Konjunktion, sondern von der ersten Erscheinung des Mondes an rechnen. Der 25. ihres 13. Monates traf auf unsern 3. Junius als dem Tag, da wir diese Nachricht einzogen.

Der tahitische Name eines Lehrers, Tahowa, wird auch denen beigegeben, welche sich auf die Heilkräfte solcher Kräuter verstehen, die hierzulande als Mittel gegen mancherlei Krankheiten angewendet werden. Doch ist leicht zu erachten, daß diese Wissenschaft nur von geringem Umfange sein könne, weil sie nur von wenigen Krankheiten wissen, folglich auch nur weniger und sehr einfacher Arzneimittel bedürfen.

Kaum war unser gelehrter Tutawai in seinem Unterricht so weit gekommen, als die Anker gelichtet wurden, und wir verließen diese Insel am 4. Junius des Morgens um zehn Uhr.

 

Maheine stellte sich mit den Seinigen ein, um Abschied zu nehmen. Der Auftritt war ungemein rührend. Die guten Leute weinten allerseits recht herzlich, am meisten aber der arme Maheine, der unter der Heftigkeit seines Schmerzes gleichsam zu erliegen schien. Er lief von einer Kajüte zur andern und umarmte einen jeden, ohne ein Wort sprechen zu können. Sein schluchzendes Seufzen, seine Blicke und seine Tränen lassen sich nicht beschreiben. Als das Schiff endlich anfing zu segeln, mußte er sich von uns losreißen und in sein Boot herabsteigen, doch blieb er, da alle seine Landsleute sich bereits niedergesetzt hatten, noch immer aufrecht stehen und sah uns mit unverwandten Augen nach, endlich aber ließ er das Haupt sinken und verhüllte sein Gesicht in seine Kleidung. Wir waren schon weit über dem Felsenriff hinaus, als er die Hände noch immer nach uns ausstreckte, und das dauerte fort, bis man ihn nicht länger unterscheiden konnte.

So verließen wir denn ein liebenswürdiges Volk, welches bei allen seinen Unvollkommenheiten vielleicht unschuldigem und reinem Herzens ist als manche andre, die es in der Verfeinerung der Sitten weiter gebracht und bessern Unterricht genossen haben. Sie kennen die geselligen Tugenden und Pflichten und üben sie auch getreulich aus. Die Gutherzigkeit, welche der ehrliche Maheine bei jeder Gelegenheit bewies, ist ein ziemlich richtiger Maßstab, nach welchem sich der Charakter dieses Volkes überhaupt beurteilen läßt. Wie oft habe ich gesehen, daß eine Menge von ihnen sich recht brüderlich in eine einzige Brotfrucht oder in ein paar Kokosnüsse teilte und daß sie mit den geringsten Portionen zufrieden waren, damit nur keiner leer ausgehen möchte. Auch schränkte sich diese hilfreiche Einträchtigkeit keineswegs auf bloße Kleinigkeiten ein, sondern so bereitwillig sie waren, einander mit Lebensmitteln auszuhelfen, ebenso gern und uneigennützig teilten sie einander auch Kleidungsstücke und Sachen von beträchtlicherem Werte mit.

Selbst mit uns, die wir Fremdlinge in ihrem Lande waren, gingen sie auf das liebreichste um. Wenn wir aus den Booten ans Land oder vom Ufer wieder in die Boote steigen wollten, so erboten sie sich jederzeit, uns auf dem Rücken hinüberzubringen, damit wir uns die Füße nicht naß machen sollten. Oft haben sie uns die Seltenheiten, die wir eingekauft, nachgetragen, und gemeiniglich waren sie auch gutwillig genug, wie die Hühnerhunde ins Wasser zu gehen und die Vögel herauszuholen, die wir geschossen hatten. Wenn uns Regenwetter überfiel oder wenn wir vor Hitze und Müdigkeit oft nicht mehr fortkonnten, so baten sie uns, in ihren Hütten auszuruhen, und bewirteten uns mit ihren besten Vorräten. Der gastfreie Hauswirt stand in solchen Fällen ganz bescheiden von fern und wollte nicht eher für sich selbst etwas nehmen, als bis wir ihn ausdrücklich dazu einluden. Andere von den Hausgenossen fächerten uns indes mit Baumblättern und buschigten Zweigen Kühlung zu, und beim Abschiede wurden wir gemeiniglich in die Familie nach Maßgabe unsers Alters entweder als Vater oder Bruder oder als Söhne aufgenommen. Was übrigens ihren Tugenden als der Gastfreiheit, der Gutherzigkeit und der Uneigennützigkeit einen doppelten Wert gibt, ist dieses, daß sie selbst sich derselben nicht einmal bewußt sind und es gleichsam den Fremdlingen, die zu ihnen kommen, überlassen, aus dankbarer Erkenntlichkeit ihren Tugenden Denkmäler zu stiften.

Die Entdeckung der Neuen Hebridischen Inseln

Am 18. Julius 1774 früh um acht Uhr hatten wir das Nordende von Aurora-Eiland erreicht und erblickten bereits allenthalben, selbst auf den höchsten Bergen, eine große Menge von Kokosnußpalmen. Überhaupt war das ganze Land, soviel man es des Nebels wegen unterscheiden konnte, durchaus mit Waldung bedeckt, die ein wildes, ungebautes, aber demohnerachtet angenehmes Ansehen hatte. Als sich der Nebel an einer Stelle etwas verzog, ward mein Vater den kleinen felsigen Pik gewahr, den Herr von Bougainville Pic de l'étoile oder Pic d'Averdi genannt hat. Wir wußten also um desto genauer, in welcher Gegend wir eigentlich waren. Mit Hilfe der Ferngläser entdeckte man auch Leute auf der Insel Aurora und hörte sie bei unserer Annäherung einander zurufen. Als wir um das Nordende herumgekommen waren, steuerten wir, soweit es der Südwind zulassen wollte, längs der westlichen Küste gegen Süden herab. Der Sturm dauerte zwar noch immer fort, doch hatten wir auf dieser Seite des Landes den Vorteil, daß wenigstens die See nicht so unruhig war, weil nach allen Gegenden hin Inseln umherlagen. Gerade vor uns befand sich die Isle des Lépreux des Herrn von Bougainville, und zwischen dieser und Aurora-Eiland lavierten wir den ganzen Tag über ab und zu.

Um vier Uhr nachmittags waren wir bis auf anderthalb Meilen an die erstere herangekommen, von den Bergen konnte man der Wolken halber nichts sehen, das flache Land hingegen war deutlich zu erkennen, und soviel sich nach diesem urteilen ließ, schien die Insel ganz fruchtbar zu sein. Das unmittelbar vor uns liegende Ufer war sehr steil und die See in dieser Gegend auch so tief, daß wir mit einhundertzwanzig Faden keinen Grund finden konnten. Das nordöstliche Ende der Insel war dagegen flach und mit allerhand Bäumen besetzt. Besonders erblickten wir die Palmen in unzählbarer Menge und sahen sie zu unserer Verwunderung auf den Bergen wachsen, welches uns noch auf keiner andern Insel vorgekommen war. Von dem steilen und mit allerhand Gesträuch bewachsenen Ufer stürzten sich beträchtliche Kaskaden in die See herab, welches diese Gegend dem romantischen Ufer der Dusky-Bai ungemein ähnlich machte. Auf dem Wasser wurden wir eine schlafende Schildkröte gewahr, welche, des heftigen Windes ohnerachtet, ganz ruhig fortschlief.

Um zwischen der Isle des Lépreux und Aurora-Eiland hindurchzukommen, lavierten wir die ganze Nacht über gen Süden und befanden uns am Morgen um acht Uhr dicht an der ersteren. In dieser Gegend wagte sich ein einziger Indianer mit seinem kleinen Kanu in See, und bald nachher wurden wir noch drei andere gewahr, die ihr Kanu ebenfalls flottmachten, um zu uns heranzukommen. Noch andere saßen auf den Felsen und gafften von dort her das Schiff an. Sie waren zum Teil vom Kopf bis auf die Füße und Brust schwarz gemacht, gingen aber sonst ganz nackend, außer daß sie einen Strick um den Unterleib und etwas Weißes auf dem Kopfe trugen. Nur ein einziger von allen hatte ein Stück Zeug, das wie ein Ordensband von der einen Schulter bis auf die gegenüberstehende Hüfte reichte und von da in Gestalt einer Schärpe um die Lenden geschlagen war. Es schien von weißer Farbe, aber ziemlich schmutzig und mit einem roten Rande versehen zu sein. Die Leute selbst waren durchgehends von dunkelbrauner Farbe, mit Bogen und langen Pfeilen bewaffnet. Die in den Kanus ruderten dicht zu uns heran und redeten eine ganze Weile sehr laut und deutlich, ihre Sprache aber war uns gänzlich unbekannt. Wir konnten sie auch nicht näher untersuchen, weil die Leute schlechterdings nicht an Bord kommen wollten. Als wir im Lavieren das Schiff wiederum seewärts wendeten, verließen sie uns und kehrten nach dem Lande zurück. Zwischen den Felsen waren hin und wieder Rohrhürden aufgestellt, vermutlich, um darin auf ebendie Art als mit Reusen Fische zu fangen.

Mittlerweile kamen wir dem Aurora-Eiland ganz nahe und fanden es überall mit einer herrlich grünen Waldung bedeckt, auch ringsherum mit einem schönen Strande versehen. Eine Menge von Schlingpflanzen hatte sich um die höchsten Stämme und von einem Baum nach dem andern hingerankt, so daß die Wälder durch natürliche Girlanden und Festons verschönert waren. Auf dem Abhänge des Hügels lag eine umzäunte Plantage, und unterhalb derselben stürzte sich schäumend ein Wasserfall durch das Gebüsch herab.

Sowohl auf Pfingst-Eiland als auf der Isle des Lépreux ist das Land nach der Seeküste hin ebener als auf den übrigen, weshalb diese beiden Inseln am besten angebaut sein und die mehresten Einwohner enthalten können. Wir sahen auch wirklich, so bald es dunkel ward, eine Menge von Hüttenfeuern auf denselben, und auf Pfingst-Eiland erblickte man deren sogar bis zu den höchsten Berggipfeln hin. Aus diesem letzteren Umstände folgre ich, daß die Einwohner größtenteils vom Ackerbau leben, mit der Fischerei hingegen sich nicht viel abgeben müssen, wie sie denn auch nur wenig Kanus und der steilen Küste wegen vermutlich auch nicht oft Gelegenheit haben, etwas zu fangen.

 

Am nächsten Morgen war das Wetter wiederum gelind und hell, daher wir des Herrn von Bougainville südlichste Insel sehr deutlich sehen konnten. Noch desselben Tages entdeckten wir auch gegen Westen hin Land, welches der Lage nach die südwestlichste derer vom Herrn von Bougainville allhier aufgefundenen Inseln zu sein schien.

Der Anblick so vieler und mannigfaltiger neuer Eilande war uns sehr erfreulich, und wir steuerten mit der größten Begierde darnach hin. Als wir das nordwestliche Ende jener Insel, auf der wir einen Vulkan vermuteten, erreicht hatten, blieb uns über die Richtigkeit dieser Meinung gar kein Zweifel übrig, denn nunmehro konnte man von dem Gipfel eines tief im Lande gelegenen Berges ganz deutlich weiße Dampfsäulen mit Ungestüm in die Höhe steigen sehen. Die südwestliche Küste der Insel bestand aus einer großen flachen Ebene, auf welcher zwischen den Bäumen, die wir seit unserer Abreise von Tahiti nirgends so schön gefunden hatten, unzählige Hüttenfeuer hervorblinkten. Das war ein doppelter Beweis von der Fruchtbarkeit und der ansehnlichen Bevölkerung dieses Landes. Nachdem wir das Westende desselben passiert hatten, kamen gegen Südosten wiederum zwei andere Inseln zum Vorschein. Die eine davon bestand aus einem sehr hohen Berge, der ebenfalls einem Vulkan gleichsah, und weit gegen Süden hin zeigte sich noch eine andere Insel mit drei hohen Bergen. Das westliche Land, auf welches wir zusegelten, war ebensoschön als dasjenige, welches wir jetzt hinter uns ließen. Die Wälder prangten mit dem vortrefflichsten Grün, und Kokospalmen zeigten sich überall in großer Menge. Die Berge lagen ziemlich tief im Lande, daher es zwischen denselben und dem Ufer flache Ebenen gab, die mit Waldung reichlich bedeckt und an der See mit einem schönen Strande umgeben waren.

Gegen Mittag kamen wir der Küste ziemlich nahe und sahen, daß viele Indianer bis mitten an den Leib ins Wasser wateten. Zwei derselben hatten der eine einen Speer, der andere Bogen und Pfeil in den Händen, die übrigen waren alle mit Keulen bewaffnet. Doch winkten sie uns, dieses kriegerischen Aufzuges ohnerachtet, mit grünen Zweigen, welche durchgehends für Friedenszeichen angesehen werden. Allein wider ihre Erwartung und vielleicht auch wider ihre Wünsche mußten wir in diesem Augenblick des Lavierens wegen umlenken. Nach Tische machten wir endlich zum Landen Anstalten und schickten zu dem Ende zwei Boote ab, um einen Hafen zu sondieren, den wir vom Schiffe aus bemerkt hatten. Auf dem Südende dieser kleinen Bai, die durch ein Korallenriff gedeckt ist, waren etliche hundert Indianer versammelt. Einige derselben kämen in ihren Kanus unsern voraufgeschickten Booten entgegen, bis an das Schiff aber getrauten sie sich nicht, weil es noch weit in See war. Endlich gab man uns von den Booten aus durch Zeichen zu erkennen, daß innerhalb der Bai guter Ankergrund vorhanden sei, wir liefen also, ihrer Anweisung gemäß, in einen engen Hafen ein, der beim Eingang Korallenriffe hatte und tief ins Land hineinzureichen schien. Darauf kamen unsere Lotsen an Bord zurück, und der Offizier berichtete, die Indianer wären in ihren Kanus dicht ans Boot herangekommen, ohne die geringste böse Absicht blicken zu lassen, vielmehr hätten sie mit grünen Zweigen gewinkt, in der hohlen Hand Wasser aus der See geschöpft und sich's auf die Köpfe gegossen, und weil der Offizier diese Zeremonie für ein Freundschaftszeichen angesehen, so habe er solche in gleichem Maße erwidert, worüber sie sehr zufrieden geschienen.

Sobald wir in die Bai eingelaufen waren, näherten sie sich dem Schiff und winkten uns mit grünen Zweigen. Dabei wiederholten sie ohne Unterlaß das Wort Tomarr oder Tamarro, welches mit dem tahitischen Tayo oder Freund vermutlich einerlei Bedeutung haben mochte. Bei alledem waren sie aber größtenteils mit Bogen und Pfeilen, einige auch mit Speeren bewaffnet und schienen folglich auf beides, Krieg und Frieden, vorbereitet zu sein. Als sie uns nahe genug waren, ließen wir ihnen ein paar Stücke tahitisches Zeug herab, welches sie überaus begierig annahmen, aber auch sogleich etliche Pfeile zum Gegengeschenk ins Schiff reichten. Die ersten hatten nur hölzerne Spitzen, bald hernach aber gaben sie uns auch einige, die mit Knochen zugespitzt und mit einer schwarzen gummiähnlichen Materie beschmiert waren, welche wir für eine Art von Gift ansahen. Um Gewißheit darüber zu bekommen, brachten wir einem jungen tahitischen Hund mit einem solchen Pfeile am Schenkel eine Wunde bei, es erfolgten aber keine gefährlichen Zufälle darnach.

 

Seit unserer Ankunft im Hafen hatten die Indianer das Schiff von allen Seiten umringt und schwatzten so lebhaft und aufgeräumt untereinander, daß es eine Freude war. Kaum sahen wir einem ins Gesicht, so plauderte er uns ohne Ende und Aufhören etwas vor, fletschte auch wohl aus Freundlichkeit die Zähne dazu.

Als es dunkel wurde, kehrten die Indianer nach dem Lande zurück und zündeten daselbst eine Menge von Feuern an, neben welchen man sie noch immer so laut als zuvor fortschwatzen hörte. Es war auch, als ob sie des Redens gar nicht satt werden könnten, denn am späten Abend kamen sie in ihren Kanus mit brennenden Feuerbränden schon wieder ans Schiff, um sich von neuem mit uns ins Gespräch einzulassen. Ihrerseits fehlte es dazu freilich nicht an Worten und gutem Willen, desto mißlicher aber sah es bei uns mit den Antworten aus. Der Abend war indessen sehr schön und windstill, auch blickte der Mond zuweilen aus den Wolken hervor. Da sie nun fanden, daß wir nicht so schwatzhaft waren als sie selbst, so boten sie ihre Pfeile und andere Kleinigkeiten zum Verkauf aus, allein der Kapitän befahl, daß, um ihrer loszuwerden, platterdings nichts eingekauft werden sollte.

Es war uns ganz etwas Ungewöhnliches und Neues, so spät noch einen Indianer munter und auf dem Wasser zu sehen. Unterschiedne von uns meinten, daß sie bei diesem nächtlichen Besuch nur ausforschen wollten, ob wir auf unserer Hut wären. Gleichwohl hatten sie durch ihr bisheriges Betragen zu einem solchen Verdacht gar nicht Anlaß gegeben. Als sie endlich merkten, daß wir ebensowenig zum Handel als zum Schwatzen aufgelegt waren, so gingen sie gegen Mitternacht wieder ans Land, jedoch nicht der Ruhe wegen, denn man hörte sie die ganze Nacht über singen und trommeln, und bisweilen tanzten sie auch dazu. Beweise genug, wie sehr sie von Natur zur Fröhlichkeit und zum Vergnügen aufgelegt sind.

Am folgenden Morgen hatten wir ebensowenig Ruhe vor ihnen. Schon bei Anbruch des Tages kamen sie in ihren Kanus herbei, fingen an uns zuzurufen und ließen mit überlautem Geschrei das Wort Tomarr einmal nach dem andern erschallen. Vier oder fünf von ihnen wagten sich ganz unbewaffnet aufs Schiff und gingen darin überall dreist und unbesorgt herum, stiegen auch mit der größten Hurtigkeit in dem stehenden Tauwerk bis zum obersten Mastkorb hinauf. Als sie wieder herunterkamen, führte sie der Kapitän in seine Kajüte und schenkte ihnen Medaillen, Bänder, Nägel und Stücken von rotem Boy.

Hier lernten wir sie als das verständigste und gescheuteste Volk kennen, das wir noch bis jetzt in der Südsee angetroffen hatten. Sie begriffen unsere Zeichen und Gebärden so schnell und richtig, als ob sie schon wer weiß wie lange mit uns umgegangen wären, und in Zeit von etlichen Minuten lehrten auch sie uns eine Menge Wörter aus ihrer Sprache verstehen. Diese war, wie wir gleich anfänglich vermutet hatten, von der allgemeinen Sprache, welche auf den Sozietätsinseln, auf den Marquesas, den Freundschaftlichen Inseln, den Niedrigen Eilanden, auf Oster-Eiland und Neuseeland durchgehends, obschon nach verschiedenen Mundarten üblich ist, ganz und gar verschieden. Der sonderbarste Laut, der darin vorkam, bestand in einer gleichsam wirbelnden Aussprache der Mitlaute brrr, welche sie mit den Lippen hervorbrachten. So hieß zum Exempel einer unserer indianischen Freunde Mambrrum und der andere Bonombrruai. Wenn sie über irgend etwas ihre Verwunderung ausdrücken wollten, so gaben sie einen zischenden Laut von sich, dergleichen wohl die Gänse hören lassen, wenn sie böse gemacht werden. Was sie nur sahen, das wünschten sie auch zu haben, doch ließen sie sich eine abschlägige Antwort nicht verdrießen. Die kleinen Spiegel, welche wir ihnen schenkten, gefielen ihnen vorzüglich, sie fanden viel Vergnügen daran, sich selbst zu begaffen, und verrieten also bei aller ihrer Häßlichkeit vielleicht noch mehr Eigendünkel als die schöneren Nationen auf Tahiti und den Sozietätsinseln.

Wir waren in voller Unterredung und die guten Leute dem Ansehen nach äußerst vergnügt, als der Erste Leutnant in die Kajüte trat und dem Kapitän berichtete, daß einer von den Indianern verlangt habe, ins Schiff gelassen zu werden, daß es ihm aber verweigert worden, weil es schon gedrängt voll gewesen. Der Indianer habe darauf einen Pfeil gegen den Matrosen gerichtet, der vom Boote aus das Kanu zurückgestoßen. Ob die anwesenden Insulaner aus des Leutnants und aus unsern Mienen den Inhalt seines Anbringens erraten oder ob sie durch ein einzelnes Wort ihrer Kameraden außerhalb dem Schiff gewarnt werden mochten, will ich nicht entscheiden. Genug, der Leutnant hatte noch nicht ausgeredet, als einer von den Indianern schon aus dem offenstehenden Kajütenfenster hinaussprang und nach seinem aufgebrachten Landsmann hinschwamm, um ihn zu besänftigen. Der Kapitän ging unterdessen mit einer geladenen Flinte aufs Verdeck und schlug auf den Indianer an, der wider Willen seiner Landsleute immer noch fortfuhr, nach dem Matrosen zu zielen. Sobald der Kerl bemerkte, daß der Kapitän ihm eins beibringen wollte, richtete er seinen Pfeil auf diesen. Nun riefen die Indianer, die sich um das Schiff her befanden, denen in der Kajüte zu, und da diese von der Widersetzlichkeit ihres Landsmannes die schlimmsten Folgen besorgen mochten, so stürzten sie sich einer nach dem andern zum Kajütenfenster heraus, ohnerachtet wir alles anwandten, ihre Besorgnisse zu stillen. Mittlerweile hörten wir einen Flintenschuß losgehen und eilten deshalb aufs Verdeck. Der Kapitän hatte auf den Kerl eine Ladung Hagel abgefeuert und ihn mit etlichen Körnern getroffen. Dieser ließ sich dadurch nicht abschrecken, sondern legte seinen Pfeil, der nur eine hölzerne Spitze hatte, ganz bedächtlich auf die Seite und suchte dagegen einen anderen hervor, der vergiftet zu sein schien. Sobald er mit diesem von neuem zu zielen anfing, schoß ihm der dritte Leutnant das Gesicht voll Hagel, worauf er mit einmal alle Lust verlor weiterzufechten und hurtig ans Land zurückruderte. An seiner Statt schoß ein anderer Indianer von jener Seite des Schiffes einen Pfeil aufs Verdeck, der im Tauwerk des mittelsten Mastes steckenblieb. Auf diesen feuerte man eine Kugel ab, die jedoch zum Glück nicht traf.

Nunmehro ruderten alle Kanus nach und nach ans Land, und die Indianer, die noch an Bord waren, stürzten sich in die See, um in der Flucht ihr Heil zu suchen. Einer besonders, der sich eben auf dem Mastkorb befand und gewiß nichts weniger als einen solchen Lärm besorgte, kam beim Abfeuern der beiden Schüsse höchst erschrocken und mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit vom Mast herunter. Um ihre Schrecken zu vergrößern und von unserer Gewalt eine Probe zu geben, ward eine Kanonenkugel über sie weg und zwischen die Bäume nach dem Lande hin gefeuert, welches ihre Flucht vollends beschleunigte. Die uns am nächsten waren, sprangen vor Angst aus den Kanus in die See, und alle retteten sich in der größten Verwirrung nach dem Ufer. Kaum hatten sie dasselbe erreicht, so hörte man in unterschiednen Gegenden Lärmtrommeln und sah die armen Schelme teils hin und her laufen, teils unter dem Buschwerk truppweise beisammenhocken, ohne Zweifel, um Rat zu halten, was bei so kritischen Zeitläuften zu tun sei. Wir unseresteils setzten uns indessen ganz ruhig zum Frühstück nieder.

Um neun Uhr ließen sich wiederum einige Kanus sehen, sie ruderten rund um das Schiff her, taten aber noch sehr schüchtern und besorgt. Wir winkten ihnen daher mit einem Zweige der Dracaena terminalis, den sie selbst uns gestern als ein Friedenszeichen überreicht hatten. Sobald sie dies gewahr wurden, tauchten sie ihre Hände in die See, legten sie alsdenn auf die Köpfe und kamen näher heran, um einige Geschenke in Empfang zu nehmen, die ihnen der Kapitän aus dem Schiffe herabließ und womit sie sich ans Land zurückbegaben. Wir folgten ihnen in zwei von unsern Booten, darin der Kapitän, mein Vater, der Dr. Sparrmann, ich und noch einige andere nebst einem Detachement von Soldaten befindlich waren. Ohngefähr dreißig Schritte weit vor dem Ufer lief ein Riff längs der Küste hin, innerhalb dessen das Wasser so seichte ward, daß wir aussteigen und bis an den Strand waten mußten. Unsere Soldaten formierten sich daselbst im Angesicht von wenigstens dreihundert Indianern, die zwar alle bewaffnet waren, sich aber ganz friedfertig und freundlich gegen uns bezeigten.

Ein Mann von mittlerem Alter, der von größerer Statur als die übrigen und dem Ansehen nach ein Befehlshaber war, gab seinen Bogen und Köcher einem anderen in Verwahrung, kam sodann unbewaffnet an den Strand herab und reichte uns zum Zeichen der Freundschaft und Aussöhnung die Hand. Darauf ließ er ein Ferken herbeibringen und überreichte es dem Kapitän zum Geschenk, vielleicht, um das Vergehen seines Landsmannes dadurch wiedergutzumachen, vielleicht aber auch, um die Erneuerung des Friedens zu bestätigen.

Nach Endigung dieses Geschäfts gaben wir ihm zu verstehen, daß es uns an Brennholz fehle. Diesem Mangel abzuhelfen, wiesen sie uns dicht am Strande einige Bäume an, die wir auch gleich auf der Stelle umhauen und in Stücken sägen ließen. Der Strand war in dieser Gegend nicht über fünfzehn Schritte breit, daher wir uns im Falle eines Angriffs in einer sehr gefährlichen Lage würden befunden haben. Um also einigermaßen gedeckt zu sein, ließ der Kapitän eine Linie vor der Front ziehen und den Indianern andeuten, daß sie jenseits derselben bleiben müßten. Dies beobachteten sie genau, doch vermehrte sich ihre Anzahl von allen Seiten. Ein jeder führte einen gespannten Bogen bei sich, der aus dunkelbraunem Holz, zäher und schöner als Mahagoni, verfertigt war. Die Pfeile steckten in runden, von Blättern geflochtenen Köchern und bestanden aus zwei Fuß langen Rohrstäben, die mehrenteils mit einer zwölf Zoll langen Spitze von Ebenholz oder einem ähnlichen glänzend schwarzen und spröden Holz versehen waren. Andere hatten eine kürzere, nur zwei bis drei Zoll lange, aber von Knochen verfertigte Spitze, die vermittelst einer Spalte in das Rohr eingefügt war und außerhalb durch umgewickelte Kokosfasern festgehalten ward. Da die Faden durchaus kreuzweise übereinander wegliefen, so machten die Zwischenräume lauter kleine verschobene Vierecke aus, und diese hatten sie buntfarbig, wechselweise mit roter, grüner und weißer Ockererde ausgefüllt. Die knöchernen Spitzen waren sehr scharf und mit einer schwarzen, harzigten Substanz als mit einem Firnis überzogen.

In gutem Zutrauen auf das neugeschlossene Friedensbündnis wagten wir uns jenseits der gezogenen Grenzlinie mitten unter die Wilden. Bei ihrer angeborenen Neigung zum Plaudern gerieten wir gleich ins Gespräch miteinander und ließen uns in ihrer Sprache Unterricht geben. Sie wunderten sich, daß wir die Wörter so schnell ins Gedächtnis faßten, und schienen eine Weile nachzudenken, wie es zugehen möchte, daß man den Klang der Worte durch Bleistift und Papier ausdrücken könne. So emsig sie einerseits waren, uns ihre Sprache zu lehren, so neugierig waren sie andererseits auch, etwas von der unsrigen zu lernen, und sprachen alles, was wir ihnen davon vorsagten, mit bewunderungswürdiger Fertigkeit ganz genau nach. Um die Biegsamkeit ihrer Organe noch mehr auf die Probe zu setzen, versuchten wir's, ihnen die schwersten Töne aus allen uns bekannten europäischen Sprachen, zum Beispiel das zusammengesetzte russische Schtsch anzugeben, aber auch da blieben sie nicht stecken, sondern sprachen es gleich aufs erstemal ohne Mühe und ohne Fehl nach. Kaum hatten wir ihnen die Namen unserer Zahlen vorgesagt, als sie solche sehr schnell an den Fingern wiederholten, kurz, was ihnen an körperlichen Vorzügen abging, wurde durch ihren Scharfsinn völlig ersetzt.

Wir wünschten verschiedene von ihren Waffen einzukaufen, fanden sie aber nicht geneigt, uns welche abzulassen, doch hörten alle ihre Bedenklichkeiten auf, sobald wir ihnen Schnupftücher, Stücken tahitischen Zeuges oder englischen Frieses dafür anboten. Gegen diese Waren, die in ihren Augen sehr viel wert sein mußten, vertauschten sie bald die gewöhnlichen und endlich auch die vergifteten Pfeile, warnten uns aber, die Spitze dieser letzteren ja nicht an den Fingern zu probieren, indem die geringste Verwundung mit denselben tödlich sei, dahingegen man mit den andern allenfalls durch den Arm geschossen werden könne, ohne in Lebensgefahr zu geraten. Wenn wir dieser Warnung ohnerachtet Miene machten, die Spitzen zu betasten und mit dem Finger zu untersuchen, ob sie scharf wären, so zogen sie uns aus gutherziger Besorglichkeit allemal den Arm zurück, als ob sie uns von einer unausbleiblichen Gefahr retten müßten.

 

Mittlerweile war die Ebbezeit eingefallen und das Wasser so weit vom Ufer zurückgetreten, daß man trockenen Fußes bis nach dem Riffe hinkommen konnte, woselbst die Indianer des Handels wegen haufenweise um unsere Boote her standen. Wir fanden uns also gewissermaßen eingeschlossen und ließen deshalb einen Teil der Seesoldaten gegen das Land, den anderen Teil aber gegen die See Front machen, wenngleich die Einwohner eben keine feindseligen Absichten gegen uns zu haben schienen. Wir fuhren auch ganz unbesorgt in unserer Unterredung fort, und sie ihrerseits plauderten ebenfalls unablässig miteinander, so daß es um uns her so laut war als auf dem größten, volkreichsten Jahrmarkt.

Aber mit einem Male hörte dies laute Gemurmel auf und verwandelte sich in eine tote Stille. Wir blickten einander voll Bestürzung an, sahen ängstlich umher und schlossen uns vorsichtshalber an die Soldaten. Die Wilden waren in nicht minderer Verlegenheit und schienen so gut als wir ein Unglück zu besorgen. Da sie aber sahen, daß wir uns ganz ruhig verhielten, so fingen sie wieder an zu plaudern, und in wenig Minuten war von beiden Seiten alle Besorgnis verschwunden. Der geringfügige Umstand, der diese bedenkliche Stille veranlaßt hatte, gab zu gleicher Zeit einen redenden Beweis, wie gut diese Leute gegen uns gesinnt waren. Es hatte nämlich ein Matrose von einem Indianer verlangt, daß er einen Pfeil so hoch als möglich in die Luft schießen möchte. Dieser war auch gleich dazu erbötig und spannte schon den Bogen, als unterschiedne seiner Landsleute, aus Furcht, daß wir die Absicht dieses Schusses mißdeuten möchten, ihn innezuhalten baten und zugleich den Rest der Versammlung durch einen lauten Ausruf warnten, auf guter Hut zu sein. Dadurch entstand plötzlich jene allgemeine Stille und überhaupt eine Szene, die sowohl dem Dichter als dem Maler zu einer trefflichen Zeichnung hätte Stoff geben können. Die ängstliche Erwartung, die auf allen Gesichtern schwebte, wilde argwöhnische Blicke, finstre drohende Mienen, hie und da ein heldenmäßig funkelndes Auge, eine unendliche Mannigfaltigkeit von Stellungen, die charakteristische Verschiedenheit in den Anstalten, die ein jeder mit seinen Waffen vornahm, die Landschaft an und für sich, die unterschiedenen Gruppen von Indianern, kurz, alles vereinigte sich, ein treffliches historisches Gemälde auszumachen.

Sobald dieser Lärm vorüber war, gingen unsere Holzhauer wieder an die Arbeit und wurden ihrer Geschicklichkeit wegen von den Indianern gar sehr bewundert. Es kamen auch einige Weiber zum Vorschein, hielten sich aber noch immer in einiger Entfernung von der abgesteckten Grenzlinie. Sie waren von kleiner Statur und dabei von der unangenehmsten Bildung, die uns nur je in der Südsee vorgekommen. Die erwachsenen, welche vermutlich verheiratete sein mochten, hatten kurze Stücken von Zeug oder Mattenwerk, die von den Hüften bis auf die Knie reichten. Die anderen trugen bloß eine Schnur um den Leib, daran ein Strohwisch gebunden war, der statt einer Schürze wenigstens das Notwendigste bedecken sollte. Die Kinder hingegen gingen ohne Unterschied des Geschlechts bis ins zehnte Jahr völlig nackend. Von diesen Frauenspersonen hatten sich einige das Haar mit gelben Kurkumapuder bestreut, andere hatten sich das Gesicht und noch andere den ganzen Körper damit bestrichen, welches gegen die dunkle Farbe ihrer Haut einen häßlichen Kontrast machte. Hierzulande mag es freilich wohl für etwas Schönes gehalten werden, denn der Geschmack der Menschen ist unendlich verschieden. Diese gelbe Schminke, wenn ich es so nennen darf, machte den ganzen Staat des Frauenzimmers aus, wenigstens sähen wir nicht eine einzige, die Ohrringe oder Hals- oder Armbänder gehabt hätte, sondern nur den Männern allein schien dergleichen Putzwerk vergönnt zu sein. Wo aber das der Fall ist, da sind die Weiber gemeiniglich verachtet und leben in der größten Sklaverei. Dies schien auch hier einzutreffen. Sie trugen zum Beispiel große Bündel auf dem Rücken und schleppten auf diese Art oft mehr denn eines von ihren Kindern mit sich herum, welches in Betracht ihrer ohnehin schwächlichen Gestalt kläglich aussah. Die Männer schienen nicht die mindeste Achtung für sie zu haben, wollten ihnen auch nicht erlauben, näher zu kommen, und die Weiber waren sich dieses Zwanges so gut bewußt, daß sie von selbst entliefen, wenn wir uns ihnen näherten.

Gegen Mittag verlor sich der größte Teil des Haufens, vermutlich, um zu essen. Der Befehlshaber lud den Kapitän nach seiner im Walde gelegenen Wohnung ein, welches dieser aber nicht annahm, sondern nach einigem Verweilen gegen ein Uhr mit uns an Bord zurückkehrte. Die Eingebornen ließen uns ruhig gehen, blieben aber am Strande beisammen, bis wir das Schiff erreicht hatten. So gut war es dem Herrn von Bougainville auf der Isle des Lépreux nicht ergangen, dort hatten die Indianer sich nur so lange freundlich gestellt, bis seine Leute wieder in das Boot getreten waren, alsdann aber hatten sie eine Menge Pfeile hinter sie her geschossen, welches diese mit einer Salve aus dem kleinen Gewehre erwiderten und dadurch etliche Indianer zu Boden streckten. Da diese Inseln sehr nahe beisammenliegen und Herr von Bougainville erst vor wenigen Jahren auf jener gewesen war, so mochten vielleicht auch die hiesigen Einwohner schon von der Übermacht der Europäer etwas gehört haben und bloß deswegen sich so vorsichtig gegen uns betragen.

Gleich nach Tische gingen Kapitän Cook und mein Vater nach der Nordseite des Hafens ans Land, um unsern Ankerwächter wiederzuholen, den die Eingeborenen weggestohlen und, wie wir vermittelst unserer Ferngläser entdeckten, dorthin geschleppt hatten. Diese ganze Zeit überließ sich auf dem südlichen Strande des Hafens, wo wir am Morgen gelandet waren, nicht ein einziger Indianer sehen. In den Wäldern aber hörte man oft Schweine quieken, und folglich mußte die Insel mit dergleichen Vieh ziemlich versehen sein.

Gleich nach Abgang unseres Bootes kamen unterschiedne Insulaner in ihren Kanus ans Schiff, um Handel zu treiben. Sie brachten bis zum späten Abend hin Bogen, Pfeile, Keulen und Spieße zum Verkauf und überließen uns solche gegen kleine Stücken Zeug. Ihre Kanus waren nicht über zwanzig Fuß lang, auch schlecht gearbeitet und ohne Zieraten, aber doch mit Auslegern oder Gegengewichten versehen. Wir zählten ihrer in allem nicht mehr als vierzehn, woraus sich abnehmen läßt, daß dieses Volk sich eben nicht sonderlich mit dem Fischfang abgeben mag.

Der Kapitän und mein Vater kamen noch vor Untergang der Sonne an Bord zurück. Die Einwohner hatten sie den Ankerwächter ruhig wieder an Bord nehmen lassen. Einige dazugehörende Stücke waren zwar verlorengegangen, konnten aber leicht ersetzt werden. Die Indianer hatten sich in der dortigen Gegend des Hafens mit den Unsrigen alsbald in Handel eingelassen, aber nichts als Waffen und Zieraten verkaufen wollen, doch bekamen sie auch nur lauter unbedeutende Kleinigkeiten dagegen.

Unsere Leute ließen sich angelegen sein, Lebensmittel und Erfrischungen zu erhalten, aber aller angewandten Bemühungen ohnerachtet wollten die Indianer nichts von der Art zu Markte bringen. Unsre Waren mochten ihnen nicht annehmlich genug dünken, um Lebensmittel dafür wegzugeben, die im Grunde überall den wahren Reichtum eines Volkes ausmachen. Dafür ließen auch alle Nationen der Südsee sie bei ihrem Tauschhandel gelten, und man konnte den Reichtum einer Nation, imgleichen die Fruchtbarkeit ihres Landes aus dem größern oder geringern Maß von Lebensmitteln, womit sie unsere Waren nach Verhältnis ihrer Brauchbarkeit bezahlten, fast durchgehends ziemlich genau beurteilen.

Bei dieser Gelegenheit gingen unsere Leute nach der Landspitze des Hafens hinauf, woselbst sie eine verzäunte Pflanzung von Pisang- und Brotfruchtbäumen, Kokospalmen nebst andern Pflanzen und nicht weit davon ein paar elende kleine Hütten antrafen. Es waren bloße Strohdächer von Palmblättern, die auf etlichen Pfosten ruhten, aber so niedrig, daß man nicht aufrecht darunter stehen konnte. In der Nachbarschaft derselben liefen Schweine und etwas zahmes Federvieh im Grase herum. Die Einwohner schienen über den unvermuteten Besuch so fremder Gäste gar nicht unruhig zu sein, bezeigten auch weniger Neugierde als ihre Landsleute, mit denen wir am Morgen zu tun gehabt hatten. Es waren ihrer nur wenige, und ob sie gleich nicht völlig damit zufrieden sein mochten, daß Kapitän Cook bis zu ihren Häusern hingekommen, so ließen sie ihren Unwillen doch wenigstens nicht in offenbare Widersetzlichkeit ausbrechen.

Von diesen Hütten gingen unsere Herren nach dem südlichsten Ende der Landspitze, von da aus gegen Osten hin drei Eilande zu sehen waren. Sie erkundigten sich bei ihren indianischen Begleitern nach den Namen jener Inseln und erfuhren, daß die größte, auf welcher wir einen Vulkan bemerkt hatten, Ambrym, die andere, mit dem hohen zuckerhutförmigen Berge Pa-uhm und die südlichste Api genannt werde. Nunmehro deuteten sie auch auf die Landspitze, auf welcher sie selbst standen, und fragten die Indianer, wie diese ihre eigene Insel in der Landessprache heiße. Mallikolo war die Antwort.

Der Kapitän ließ das Boot ohngefähr zwei Meilen weit in den Hafen hinaufrudern, am innersten Ende war der Strand mit Manglebäumen besetzt, frisches Wasser aber nirgends anzutreffen, ohnerachtet es wahrscheinlich ist, daß zwischen diesen Manglebäumen ein Strom aus dem Lande nach der See herabläuft. Entdecken konnte man ihn nur deshalb nicht, weil es platterdings unmöglich war, einen Weg durch diese Art von Bäumen zu finden, deren niederhangende Äste überall neue Wurzeln schlagen und auf solche Art zu neuen Stämmen werden, ohne sich weiter von dem Mutterstamm zu trennen. Bei der bis auf den Abend anhaltenden Hitze dieses Tages kamen unsre Leute äußerst ermüdet an Bord zurück, unterwegens hörten sie trommeln und sahen die Indianer bei ihren Feuern auf dem Strande dazu tanzen. Diese Musik sowie diejenige, welche wir in der vorigen Nacht gehört, war eben nicht wohlklingend, auch nicht abwechselnd, dagegen schien sie lebhafter zu sein als auf den Freundschaftlichen Inseln.

Am folgenden Morgen lichteten wir die Anker und verließen diese Insel. Ehe wir noch zum Riff hinauskamen, entstand eine Windstille. Wir mußten also unsere Boote aussetzen und uns hinausbugsieren lassen, welches endlich nach vieler angewandter Zeit und Mühe bewerkstelligt wurde. Die Indianer machten sich diesen zufälligen Aufschub zunutze und führten uns mit allen ihren vierzehn Kanus noch eine Menge von Waffen zu, um tahitisches Zeug dagegen einzutauschen, welches ihnen sehr wohl behagen mußte. Wir forderten auch heute wieder Lebensmittel, sie wollten aber so wenig als gestern darauf hören und nichts als solche Sachen weggeben, die sie leichter entbehren oder doch mit geringerer Mühe wieder schaffen konnten. Gegen Mittag waren wir endlich zum Hafen hinaus und entfernten uns von Mallikolo mit Hilfe eines aufsteigenden Seewindes. Nun ging die Fahrt nach Ambrym, das ist nach ebender Insel, auf welcher wir einen feuerspeienden Berg wahrgenommen hatten.

Sobald wir aus dem Riff von Port Sandwich heraus waren und auf Ambrym zusteuerten, bekamen wir nach und nach das südöstliche Ende von Mallikolo zu Gesicht, woselbst vier oder fünf kleine Inseln eine Art von Bai bilden. Der Rauch, den wir von allen diesen Eilanden häufig emporsteigen sahen, brachte uns auf die Vermutung, daß die Einwohner ihre Speisen an einem Feuer in freier Luft zubereiten müßten, denn auf den Sozietäts- und Freundschaftlichen Inseln, wo alle Lebensmittel unter der Erde vermittelst durchgehitzter Steine gar gemacht werden, hatten wir selten Rauch oder Feuer wahrgenommen.

Die Mahlzeit von frischen Fischen, daran sich unsre sämtliche Mannschaft heute etwas zugute getan, hätte einigen beinahe den Tod zuwege gebracht. Alle Leutnants nebst ihren Tischgenossen, imgleichen ein Unterpilote (Maat), unterschiedne Kadetten und der Schiffszimmermann hatten zwei rote Seebrachsen miteinander verzehrt. Allein wenige Stunden nachher zeigten sich die heftigsten Symptome einer Vergiftung. Das Übel, was sie davon verspürten, fing mit einer gewaltigen Hitze im Gesicht an, danach erfolgte unerträgliches Kopfweh, Brechen und Durchfall. In allen Gliedern, vorzüglich in den Armen, Knien und Beinen fand sich eine solche Betäubung ein, daß sie kaum stehen, geschweige gehen konnten. Die Speicheldrüsen liefen an und gaben eine Menge Schleim von sich. Endlich so war auch der Unterleib nicht frei von Schmerzen, und von Zeit zu Zeit klagten sie über Krämpfe in den Gedärmen.

Ein Schwein, das vom Eingeweide dieser Fische gefressen hatte, bekam dieselben Zufälle, dabei schwoll es erstaunlich auf und ward am folgenden Morgen gefunden tot im Stalle. Den Rest des Eingeweides und auch etwas vom Gekochten hatten einige Hunde verzehrt, die auf ebendiese Art dafür büßen mußten. Sie heulten und winselten erbärmlich, hatten beständig Neigung zum Brechen und konnten vor Mattigkeit kaum kriechen. Sogar ein kleiner Papagei von den Freundschaftlichen Inseln, der bei Tische ganz vertraut auf seines Herrn Schulter zu sitzen pflegte, starb unglücklicherweise, ohnerachtet er nur einen kleinen Bissen davon bekommen. Mit einem Wort, die Freude über dies Gericht frisch gefangener Fische war plötzlich in Schmerz und Wehklagen verwandelt. Zum Glück war der Wundarzt dem Schicksal seiner Tischgenossen dadurch entgangen, daß er diesen Mittag an unserm Tisch gespeist hatte, und also konnte er den Kranken die erforderliche Hilfe leisten.

 

Am nächsten Nachmittag gelangten wir auf unserm Laufe an die nordöstlichsten unter diesen Eilanden. Sie waren durchgehends weit kleiner als Mallikolo, Ambrym und Api, ja nicht einmal so groß als Three-Hills-Island und Pa-uhm. Demohngeachtet fanden wir die meisten bewohnt; dies konnte man vorzüglich des Abends bemerken, indem, sobald es dunkel ward, sogar auf den steilsten Felsen, denen wir bei Tage alle Einwohner abgesprochen hatten, Feuer zu sehen waren.

Nach Sonnenuntergang fiel eine Windstille ein, die etliche Stunden lang dauerte. Die Nacht ward ausnehmend dunkel, welches bei den vielen einzelnen Klippen, die sich auf allen Seiten um uns her befanden, unsere Lage doppelt gefährlich machte. Und wahrlich, der Seemann, der neue Inseln entdecken und ihre Lage genau bestimmen will, muß fast alle Augenblicke zu scheitern befürchten. Um die Küsten eines unbekannten Landes gehörig zu untersuchen, muß er dicht an denselben hinsegeln und es gleichsam auf gut Glück ankommen lassen, ob nicht ein plötzlicher Sturm, verborgene Klippen oder reißende Strömungen der See alle seine ruhmsüchtigen Hoffnungen auf einmal zernichten werden. Klugheit und Vorsicht werden zwar zu jeder großen Unternehmung erfordert, aber bei Entdeckungen zur See und fast in allen andern wichtigen Fällen scheint ein gewisser Grad von Verwegenheit und unbedingtes Zutrauen auf einen guten Ausgang der rechte Weg zum Ruhme zu sein, der, von dieser Seite betrachtet, oft mit größeren Belohnungen gekrönt wird, als er im Grunde verdienen mag.

Diese gefährlichen Eilande wurden, dem Professor der Sternkunde in Cambridge, Dr. Anton Shepherd, zu Ehren, Shepherd's-Eilande genannt. In der Nacht verstärkte sich der Wind, und wir lavierten bis zu Tagesanbruch ab und zu. Mit Sonnenaufgang segelten wir von der südlichsten der Shepherd's-Inseln ab und richteten unsern Lauf nach dem Lande hin, welches wir am vorigen Tage gegen Süden entdeckt hatten. Unterwegs kamen wir bei Three-Hills-Island vorüber und auf ein paar andere Eilande zu, die nur wenige Seemeilen davon gen Süden lagen. Sie waren ungleich kleiner, dennoch aber so gut als jenes mit Waldung und anmutigem Grün bekleidet. Zwischen einer von diesen Inseln und einem hohen säulenförmigen Felsen segelten wir mittendurch und nannten den Felsen seiner Figur wegen das Monument. Die Säule, die in London zum Andenken des großen Brandes errichtet ist, heißt das Monument. Dieser Umstand gab zur Benennung des obenerwähnten Felsens Anlaß. Die Wellen, die stets mit Ungestüm dagegen anprallten, hatten viele tiefe Furchen darin gemacht. Der ganze Felsen ragte ohngefähr dreihundert Fuß hoch aus der See hervor, war schwärzlich anzusehen und nicht ganz ohne alle Pflanzen. Tölpel und Meerschwalben flogen häufig darum her und schienen darauf genistet zu haben. Das Eiland, welchem dies Monument nahe lag, nannte Kapitän Cook Two-Hills-Island, Zwei-Hügel-Eiland, weil nur zwei Anhöhen von merklicher Größe darauf befindlich waren.

Von hier aus steuerten wir südwärts auf das in dortiger Gegend am 24. entdeckte große Land zu. Von Südwesten sahen wir ein Kanu mit aufgespanntem dreieckigem Segel ziemlich weit von dem Three-Hills-Island hinfahren. Es ist also wahrscheinlich, daß die Bewohner dieser Gruppe von Eilanden so gut als die Leute auf den Sozietäts- und Freundschaftlichen Inseln Verkehr und Umgang miteinander haben. Nachmittags waren wir fast bis an die südlichste Insel gekommen, welche jetzt aus zweien zu bestehen schien, und wollten eben daran vorbeilaufen, als der Wind mit einem Male aufhörte und dagegen die Flut oder Seeströmung das Schiff unaufhaltsam gen Westen forttrieb. Solchergestalt befanden wir uns diese Nacht wie in der vorigen wiederum in einer gefährlichen Lage, doch mit dem Unterschiede, daß der Mond sehr helle schien und wir also deutlich sehen konnten, wie schnell uns die Flut auf das westliche Eiland zuführte. Wir mußten befürchten, ah dem Nordende desselben zu scheitern, und desto schrecklicher zu scheitern, da es aus schwarzen hohen und beinahe senkrechten Felsen bestand, an deren Fuß ein schmaler, mit Klippen besäter Strand befindlich war. Bis gegen zehn Uhr blieben wir in der fürchterlichsten Ungewißheit über unser Schicksal. Die Boote in See zu setzen, um das Schiff bugsieren zu lassen, wäre bei der Heftigkeit der Strömung verlorne Mühe gewesen, die Wellen tummelten das Schiff wie im Kreise herum, so daß es bald der Quere, bald mit dem Vorder-, dann wieder mit dem Hinterteile nach dem Ufer zugekehrt wurde. Wie hallte das Geräusch der tobenden Wellen so fürchterlich vom Felsen zurück! Schrecklicher war uns das Getöse der Brandungen noch nie vorgekommen, denn noch nie hatte sie uns mit so augenscheinlicher Gefahr bedroht. Endlich trieb uns die Strömung zwar knapp genug, doch ohne Schaden bei dem Lande vorüber.

Sobald es Tag wurde, erhob sich der Wind wieder, worauf wir zwischen den beiden Inseln hindurchsegelten. Den Nachmittag und die ganze Nacht hindurch steuerten wir gegen Südosten. Bei Tagesanbruch befanden wir uns ohngefähr vierzehn Seemeilen von der Insel Sandwich und fast ebensoweit von einem vor uns liegenden neuen Eilande. Jetzt sah es auf unserm Schiffe nicht viel besser aus als in einem Hospitale. Die vergifteten Patienten waren immer noch übel dran, das Bauchweh und die Schmerzen in den Knochen wollten gar nicht nachlassen, außerhalb dem Bette konnten sie vor Schwindel kaum den Kopf aufrecht halten, und wenn sie sich niederlegten, so vermehrte die Bettwärme das Gliederreißen dermaßen, daß sie kein Auge dafür schließen konnten. Auch der Speichelfluß hielt nochbeständig an, dabei schälte sich die äußere Haut am ganzen Körper, und auf den Händen kam eine Menge kleiner Geschwüre zum Vorschein. Manche klagten nicht so sehr über Schmerzen als vielmehr über Mattigkeit und krochen blaß und abgezehrt wie die Schatten umher. Von den Leutnants war nicht ein einziger imstande, Wache zu tun, und weil ein Unterpilote nebst mehreren Kadetten ebenfalls von diesem unglücklichen Fisch gegessen hatte, so mußte die Schiffswacht wechselweise dem Konstabler und den zwei Unterpiloten anvertraut werden.

 

Seit der Abreise von Mallikolo hatten wir gelindes Wetter und von Zeit zu Zeit recht frischen Passatwind gehabt. Sobald wir aber nicht weit mehr von der letzten neuen Insel waren, ließ der Wind merklich nach. Den folgenden Tag ward es gänzlich windstill, doch schwankte das Schiff von der noch fortdauernden Bewegung des Wassers sehr unangenehm hin und her, auch trieb uns die Strömung etliche Seemeilen weit gen Norden. Am Abend bekamen wir in der Ferne gegen Südosten abermals eine Insel zu Gesicht, auf die wir jedoch vorderhand nicht sonderlich achteten. Mit Beihilfe des Windes, der sich am 29. wiederum erhob, befanden wir uns am folgenden 30. nur noch sechs Seemeilen weit vom Lande.

Des andern Morgens hatten wir wieder eine gänzliche Windstille, daher die Matrosen beinahe anfingen zu glauben, daß das Eiland behext sein müsse, weil wir aller Bemühung ohnerachtet gar nicht herankommen konnten. Höchst verdrießlich war es in der Tat, die Küste so nahe vor sich zu sehen und doch nicht näher heran zu können. Auf dem Schiffe eingesperrt zu sein und doch Menschen in der Nähe zu wissen, deren Meinungen und Lebensart vielleicht manches Neue an sich haben mochten, ihren Umgang zu entbehren und doch zur Mitteilung so geneigt zu sein! Hindernisse pflegen die Begierden oftmals nur noch heftiger zu machen, und das mochte auch hier der Fall sein, denn im Grunde war es eben kein so großer Schade, daß wir nicht anlanden konnten, weil die anscheinende Unfruchtbarkeit der Insel schwerlich Lebensmittel erwarten ließ.

Während der übernächsten Nacht erhob sich ein schwaches Lüftchen, mit dessen Hilfe wir nochmals dem Lande zusegelten. Am folgenden Morgen als dem 1. August entdeckten wir einen einzelnen Felsen, der etliche Seemeilen weit vom Lande lag, und je näher wir kamen, desto weniger Ursach fanden wir, die Insel für so unfruchtbar zu halten, als sie anfänglich geschienen hatte. Gegen zehn Uhr entstand Lärm, daß das Schiff in Brand geraten sei. Eine so fürchterliche Nachricht verbreitete ein allgemeines Schrecken, überall sah man verstörte Gesichter, und es dauerte eine gute Weile, ehe die geringste Anstalt zum Löschen gemacht wurde. Der unvermutete Anblick einer drohenden Gefahr läßt uns zu schneller Überlegung und tätiger Wirksamkeit gemeiniglich nicht Stärke genug übrig. Gegenwart des Geistes und Entschlossenheit sind dann sehr schätzbare, aber ebenso seltene Eigenschaften, und es war also kein Wunder, wenn sie unter der kleinen Anzahl von Personen, denen die Führung des Schiffes oblag, den mehresten fehlte. Doch kann es auch wohl für den Standfestesten nicht leicht eine härtere Prüfung geben als diese, sich in einem brennenden Schiffe zu befinden. Ein Sturm, selbst in der Nachbarschaft der gefährlichsten Küste, ist lange so schreckvoll nicht, weil man da noch immer Hoffnung hat, wenigstens das Leben zu retten. Bei dem heutigen Feuerlärm war indessen der Schreck das meiste. In der ersten Bestürzung glaubten wir, daß es in der Kammer, die voll Segeltuch lag, aufgekommen wäre. Es zeigte sich aber, daß in des Proviantmeisters Kajüte die Lampe nur ein Stückchen tahitisches Zeuges ergriffen und daß man bloß des entstandenen Dampfes wegen ein größeres Unglück befürchtet hatte.

Bei unserer Annäherung gegen das Land entdeckten wir immer mehrere Wälder mit dazwischenliegenden freien Gründen und Pflanzungen, die bis auf die Gipfel der Berge reichten. Man konnte auch bereits eine Menge Kokospalmen unterscheiden, doch hatten sie hier kein so stattliches Ansehen als wohl in andern Ländern. Nachmittags gelangten wir an die Westseite der Insel und liefen längs der Küste herunter. Zwischen den Bergen und dem Strand gab es hin und wieder kleine Ebenen, die größtenteils mit Pisangbäumen bepflanzt und mit zierlichen Hecken umsäumt waren. Neben diesen standen Hütten oder vielmehr bloße, auf Pfählen ruhende Dächer aufgebaut, und längs dem Strande liefen dreißig bis vierzig Einwohner, mit Bogen, Pfeilen und Speeren bewaffnet, herum.

Mittlerweile, segelten wir in eine offene Bai hinein, von deren Ufer mehrere Personen beiderlei Geschlechts sich ins Wasser wagten und uns mit freundschaftlichen Gebärden zuriefen. Der Kapitän fand aber nicht für gut, hier vor Anker zu gehen, sondern ließ vorbeisteuern. Als wir die südliche Spitze dieser Insel erblickten, von welcher sich die Küste gegen Osten hinstreckt, fing es bereits an, dunkel zu werden. Und da zugleich der Wind nachließ, so wandten wir uns seewärts, um nicht während der Nacht durch irgendeine Störung so leicht an die Küste zu geraten. Auch mußten die Matrosen unter anderm alle Morgen und Abend das Verdeck waschen, damit es bei der großen Hitze nicht zusammentrocknen und leck werden sollte.

Die Windstillen, die unsere Geduld bisher auf die Probe gesetzt hatten, nahmen noch immer kein Ende. Auch diese Nacht lag das Schiff wieder so unbeweglich als ein Klotz auf dem Wasser, und den andern Tag wurde es von der Strömung allgemach in die Bai zurückgetrieben, bei welcher wir am vergangenen Abend vorübergefahren. Es wurden also Boote ausgeschickt, um einen Ankerplatz aufzusuchen. Die Tiefe war nicht eher als ohngefähr fünfhundert Schritt vom Ufer zu ergründen, woselbst sie ohngefähr zwanzig Faden betrug. Die Einwohner kamen wieder an den Strand herab, unsre Leute konnten sich aber nicht in Unterredung mit ihnen einlassen, weil der Kapitän eben einen Wind aufsteigen sah und deshalb einen Signalschuß tun ließ, daß die Boote zurückkommen sollten. Soviel wir bemerken konnten, machte der Knall dieses Kanonenschusses eben keinen besonderen Eindruck auf die Insulaner, vermutlich deshalb, weil sie aus Mangel an Kenntnis sich weder Gutes noch Böses dabei vorstellen und überhaupt noch keine Europäer gesehen haben mochten.

Nunmehro segelten wir um das nordwestliche Ende der Insel und näherten uns am andern Morgen dem einzelnen Felsen, den wir vorher schon bemerkt hatten. Demselben gerade gegenüber war auf der Insel ein Berg gelegen, dessen Gipfel aus zwei Spitzen bestand und, in dieser Absicht einem Sattel nicht unähnlich, auch dem Ansehen nach ziemlich hoch war. Auf dem einzelnen Felsen gab es eine Menge Gesträuchs, und da wir an Brennholz Mangel litten, so schickte der Kapitän zwei Boote aus, um womöglich von dort etwas zu holen. Die Hoffnung, einige botanische Entdeckungen zu machen, verleitete uns, mit dahin zu gehen. Vom Schiffe aus hatte uns dieser Felsen ganz nahe gedünkt, allein wir mußten wenigstens fünf Meilen rudern, ehe wir herankamen, und als das endlich überstanden war, so fanden wir uns dennoch in allen unsern Erwartungen getäuscht. Die See schlug nämlich an dieser Klippe so schrecklich hohe Wellen, daß es nicht möglich war anzulanden. Umsonst ruderten wir rundherum und sahen das Gebüsch und die Bäume mit Sehnsucht an. Eine große Fledermaus und einige kleine Vögel, die im Gehölz herumflatterten, und Fische, die in großer Menge zwischen den Klippen umherschwammen, reizten unsere Neugierde nur noch mehr, allein jene kamen uns nicht zum Schuß, und diese wollten gar nicht anbeißen. Doch fingen wir noch auf der Rückkehr nach dem Schiffe eine Wasserschlange von ebender Art, als zu Tonga-Tabu und bei einem von den Niedrigen Eilanden so häufig waren anzutreffen gewesen. Unmittelbar nach unserer Rückkunft an Bord steuerten wir bei gelindem Winde dicht an der Westseite des sattelförmigen Piks nach einer Bai zu. Gegen Abend kamen wir hinein und fanden, daß sie über acht Meilen breit, aber nicht mehr als zwei Meilen tief war.

Die Einwohner standen haufenweise am Ufer, einige schwammen uns entgegen und kamen so nahe, daß wir ihr Zurufen deutlich hören konnten, aber bis ans Schiff wollte sich keiner wagen. Sie waren gleich den Mallikolesern, mit denen sie im Äußern überhaupt viel Ähnlichkeit hatten, von schwärzlicher Farbe. Doch bemerkten wir auch einen von hellerer Haut und rötlichem Haar. Es kam uns sehr seltsam vor, daß nirgends, weder auf dem Wasser noch am Strande, ein Kanu zu sehen war, da doch nicht füglich zu glauben ist, daß auf einem so angenehmen Eiland ganz und gar keine Kähne vorhanden sein sollten. Sobald es dunkel ward, schwammen die Einwohner ans Land zurück und zündeten in ihren Pflanzungen Feuer an. Weil unser Trinkwasser beinahe zu Ende und dasjenige, welches wir auf Namoka eingenommen hatten, von üblem Geschmack war, so freuten wir uns nicht wenig, an einer Insel, die nicht nur mit süßem Wasser, sondern auch mit mancherlei andern Lebensmitteln im Überfluß versehen zu sein schien, einen Ankerplatz gefunden zu haben. Diejenigen von unsern Leuten, die zu Mallikolo vom roten Seebrachsen vergiftet worden, waren noch immer nicht völlig hergestellt, sondern fühlten noch jede Nacht Schmerzen in den Gliedern, klagten über wankende Zähne und über schmerzhaftes Abschälen der Haut am Gaumen und am Schlünde. Indessen trösteten sie sich mit der Hoffnung, diese langwierige Krankheit während ihres hiesigen Aufenthalts vermittelst besserer Diät, als sie bisher beobachten können, gänzlich loszuwerden. Aber alle diese Aussichten wurden uns vereitelt.

 

Am nächsten Morgen ging der Kapitän mit zwei wohlbemannten Booten nach dem Lande ab. In dem einen kommandierte er selbst, in dem andern der Lotse. Beide wollten einen bequemen Platz zum Anfüllen der Wasserfässer aufsuchen. Zu dem Ende fuhren sie dem Schiff gerade gegenüber ans Land, woselbst wenigstens sechzig Einwohner am Strande versammelt waren. Sobald sie sich dem Ufer einigermaßen näherten, wateten die Einwohner ins Wasser und stellten sich rund um die Boote. Der Kapitän teilte zu ihrem großen Vergnügen Nägel, Medaillen und tahitisches Zeug unter sie aus, ging aber bald wieder ab, um jenseits der vorerwähnten flachen Landspitze zu kommen. Als die Einwohner in der Bai dieses sahen, liefen sie am Lande nach ebender Gegend hin. Nachdem die Boote um die Spitze herumgerudert waren, blieben sie fast eine Stunde lang hinter derselben, ohne daß wir etwas von ihnen gewahr wurden. Die Einwohner sah man von allen Seiten nach jener Bai zusammenlaufen, indes andre sich dem Schiff gegenüber setzten und es mit größter Aufmerksamkeit zu betrachten schienen.

Ehe wir uns versahen, geschahen etliche Flintenschüsse und hinterdrein ein unordentliches einzelnes Feuern, welches eine Zeitlang anhielt. Man säumte also nicht, den beiden Booten sogleich ein drittes zu Hilfe zu schicken, und feuerte zugleich aus einer Drehbasse (oder halbpfündigem Stück) eine Kugel gegen die Landspitze hin. Hiernächst ward auch eine Kanone auf das Vorderteil gebracht und gegen die Berge losgebrannt. Der Knall erschreckte alle Einwohner, die wir sehen konnten, dermaßen, daß sie eilfertigst nach dem Gebüsch rannten. Einige kamen wohl voll Verwunderung aus ihren Plantagen, kehrten aber, da sie ihre Landsleute auf der Flucht erblickten, alsbald wieder um, andere brachten aus der Gegend, wo der erste Flintenschuß geschehen war, einen Toten oder Verwundeten den Berg hinangeschleppt.

Endlich kam der Kapitän in seinem Boote zurück. Einer von den Matrosen war an zwei Orten, nämlich in der Backe und in der Hand verwundet, und Kapitän Cook erzählte uns den Verlauf dieses unglücklichen Vorfalls folgendermaßen: Kaum waren die Boote um die Spitze herumgekommen, als sie einen bequemen Landungsort antrafen. Auf diesem stieg der Kapitän mit noch einem aus und fand etliche hundert Einwohner, mit Bogen, Pfeilen, Streitkolben und langen Speeren bewaffnet, vor sich. Sie waren von nußbrauner Farbe und von mittelmäßiger, jedoch weit größerer Statur als die Mallikoleser, auch weit schöner von Gliedmaßen und Gesichtsbildung, erschienen aber, nach europäischen Sitten zu urteilen, in einem ebenso unanständigen Aufzuge als jene, das ist völlig so nackend, bloß mit einem Strick um den Leib. Manche hatten sich das Gesicht mit schwarz und roter Farbe angemalt. Haupthaar und Bart waren kraus und dick, bald mehr, bald minder wolligt, aber fast durchgehends schwarz, nur einige wenige hatten rötliches Haar.

Um sich das Zutrauen seiner neuen Bekannten zu erwerben, teilte der Kapitän allerhand Kleinigkeiten unter sie aus und beschenkte vorzüglich einen Mann, der, dem Ansehen nach, über die andern etwas zu sagen hatte. Ebendiesem gab er auch durch Zeichen zu verstehen, daß wir Wasser und andere Lebensmittel nötig hätten. Sobald der Befehlshaber merkte, worauf es abgesehen sei, schickte er augenblicklich etliche von den Indianern fort und unterhielt sich während ihrer Abwesenheit mit dem Kapitän. Die abgesandten Boten kamen auch bald zurück und brachten ein hohles Bambusrohr voll frischen Wassers, ein paar Kokosnüsse und eine Yamwurzel mit sich. Ihren Zeichen nach zu urteilen, mußten sie das Wasser irgendwo aus der Nachbarschaft geholt haben, schienen es aber auf alle Weise verhindern zu wollen, daß unsre Leute nicht selbst darnach hingehen und den Ort untersuchen sollten. Da nun überdem ihre Zahl beständig zunahm, so hielt es der Kapitän der Klugheit gemäß, sich wieder einzuschiffen.

Allein sein Rückzug war gleichsam das Signal zum Angriff, denn ehe noch das Boot vom Lande abgestoßen werden konnte, so hatte schon einer von den Indianern mit Gewalt ein Ruder weggenommen. Zwar riß es ihm ein anderer wiederum aus der Hand und warf es den Unsrigen zurück, dagegen aber suchten andre das Brett, worauf unsre Matrosen ins Boot gegangen waren, mit Gewalt ans Ufer zu ziehen. Noch andre wateten ins Wasser, bemächtigten sich zweier Ruder und packten das Boot selbst an, um es auf den Strand zu Schleppen. Da ihr Befehlshaber den ganzen Angriff zu kommandieren schien, so wollte Kapitän Cook Feuer auf ihn geben, es ging ihm aber hier wie in Savage-Eiland, die Flinte versagte. Die Einwohner sahen ihn zielen, und da sie natürlicherweise vermuten konnten, daß er ein Gewehr in der Hand hielt, so säumten sie nicht, das Boot von allen Seiten mit Pfeilen und Speeren zu beschießen. Einer von den Wurfspießen, welches ein bloßer, noch dazu ganz stumpfer Stecken war, fuhr einem Matrosen in die Backe. Der Kapitän ließ also die Mannschaft aus wirklicher Notwehr auf die Indianer feuern. Es dauerte zwar eine geraume Zeit, ehe eine einzige Flinte losgehen wollte, doch wurden endlich durch die ersten Schüsse gleich zwei Wilde dicht am Boote erlegt. Die übrigen ließen sich dadurch nicht abschrecken, sie rannten bloß einige Schritte zurück, kamen aber herzhaft wieder und erneuerten den Angriff mit Steinen und Pfeilen.

Nun fing das zweite Boot ebenfalls an zu feuern, allein auch da waren nur zwei bis drei Flinten brauchbar, doch wurden noch etliche Einwohner mehr verwundet. Ohnerachtet in England die besten Feuersteine vorhanden sind und für die Lieferung derselben von seiten der Regierung ein Ansehnliches gezahlt wird, so werden doch die Truppen mit den schlechtesten Flintensteinen von der Welt versehen. Es ist unerhört, wie hierzulande die Lieferanten bei allen Gelegenheiten auf Kosten des gemeinen Wesens Reichtümer zusammenzuscharren suchen.

Ein Rohrpfeil, der eine lange, an beiden Seiten ausgezackte Spitze von schwarzem Holz hatte, traf den Lotsen auf die Brust, verursachte ihm aber, weil es ein matter Schuß war, nur eine Kontusion. Die verwundeten Indianer krochen auf allen vieren ins Gebüsch, und sobald das grobe Geschütz zu spielen anfing, lief der ganze Trupp eilfertigst davon. Nur etliche wenige hatten das Herz, hinter einem Sandhügel wiederum Posto zu fassen und unter Begünstigung dieser Brustwehr die Unsrigen noch ferner zu beunruhigen, sie konnten aber auch nicht lange standhalten, weil man tapfer nach ihnen schoß, sooft nur ein Kopf über dem Sandhaufen zum Vorschein kam. Als der Kapitän das ihm zu Hilfe geschickte dritte Boot ankommen sah, kehrte er an das Schiff zurück und ließ durch die beiden andern die Bai allerorten sondieren.

Ich meinesteils kann mich noch immer nicht überreden, daß diese Wilden, als sie unser Boot aufhielten, die geringste Feindseligkeit sollten im Sinne gehabt haben, nur das mochte sie aufbringen, daß auf sie oder vielmehr auf ihren Anführer mit einem Gewehr gezielt ward. Gleichwohl war das den Unsrigen auch nicht zu verdenken, und so scheint es denn schon ein unvermeidliches Übel zu sein, daß wir Europäer bei unsern Entdeckungsreisen den armen Wilden allemal hartfallen müssen.

 

Nach dem Frühstück lichteten wir den Anker, um tiefer in die Bai zu gehen, weil unsere Boote nicht weit vom Strande einen bequemeren Ankerplatz gefunden hatten. Die ganze westliche Küste der Bai war mit viel tausend Palmen bedeckt, welches einen herrlichen Anblick ausmachte, doch schienen diese Bäume von den Kokospalmen unterschieden zu sein. Unterwegens kamen wir bei dem Orte vorüber, wo das Gefecht vorgegangen war. Es hielten sich daselbst noch etliche Indianer auf, allein sobald sie das Schiff gewahr wurden, entflohen sie in die Wälder. Die beiden Ruder, welche wir eingebüßt hatten, standen noch gegen die Büsche gelehnt da. Man hielt es aber nicht der Mühe wert, sie durch ein Boot zurückholen zu lassen. Schon freuten wir uns darauf, hier vor Anker zu kommen, als der Kapitän das Schiff unvermutet wenden und ostwärts um den Sattelberg steuern ließ. Dieses Vorgebirge nannten wir wegen des von den Indianern erlittenen hämischen Angriffes traitor's head, das ist Verräters Haupt.

Es ward drei Uhr nachmittags, ehe wir dasselbe passiert hatten. Als wir an der Ostseite herumkamen, lag eine Bai vor uns, die weit ins Land hinaufzureichen und verschiedene bequeme Buchten oder Häfen zu enthalten schien. An beiden Ufern war das Land mit dichtem Gehölze bedeckt, so ein vortreffliches, für Botaniker äußerst einladendes Aussehen hatte. Gegen Süden lief die Landschaft sanft bergan und zeigte dem Auge eine weitläufige, fast überall bebaute Gegend, wo sich ein großer Reichtum an Pflanzenprodukten vermuten ließ. So reizend dieser Anblick war, so schien der Kapitän doch noch anzustehen, ob er in die Bai hineinlaufen solle oder nicht. Mittlerweile kam gerade jene Insel, welche wir schon am 28. Julius entdeckt hatten, im Süden wieder zum Vorschein, und nun entschloß sich der Kapitän kurz und gut, aus der Bai heraus- und nach der entfernten Insel hinzusegeln, um soviel als möglich alle zu dieser Gruppe gehörenden Eilande in Augenschein zu nehmen. Ein frischer günstiger Wind beschleunigte unsere Fahrt gegen das neue Eiland hin, auf welchem wir des Nachts unterschiedne Feuer gewahr wurden, darunter das eine stoßweise in die Höhe schlug, wie die Flamme eines feuerspeienden Berges zu tun pflegt.

Nach acht Uhr wurden die Boote ausgesetzt und der Lotse abgeschickt, einen Hafen, der ostwärts vom Vulkane vor uns lag, zu sondieren. Unterdessen, daß sie mit Hilfe eines günstigen Windes hineinliefen, sah man zwei Kanus mit Einwohnern aus unterschiednen Gegenden von der Küste abstoßen, um den Unsrigen nachzufolgen, und ein drittes Kanu segelte in der Ferne längs dem Ufer. Unsere Leute winkten, daß wir ihnen mit dem Schiff folgen möchten. Wir steuerten also in den Hafen, der eine enge Einfahrt hatte, erschraken aber nicht wenig, als das Senkblei, welches unablässig ausgeworfen wurde, von sechs Faden auf einmal nur viereinhalb angab. Indes vertiefte sich das Wasser gleich darauf wieder bis auf viereinhalb und mehrere Faden. Man fand nachher, daß an der seichten Stelle eine verborgene Felsenklippe vorhanden war, an der wir bei der ohnehin engen Einfahrt gar leicht hätten scheitern können. Der Hafen an sich war rund und klein, aber sicher und bequem und hatte auf der Stelle, wo wir den Anker auswarfen, vier Faden Tiefe.

 

Sobald das Schiff vor Anker lag, sahen wir mit vielem Vergnügen die Einwohner aus allen Gegenden der Bai mit ihren Kanus herankommen und in einiger Entfernung rund um das Schiff herumrudern. Sie waren durchgehends mit Speeren, Keulen, Bogen und Pfeilen bewaffnet, schienen aber unschlüssig, ob sie uns für Freunde oder für Feinde halten sollten. Endlich wagte sich doch hie und da einer heran und reichte uns eine Yamwurzel oder eine Kokosnuß aufs Verdeck, wofür er dann ein Gegengeschenk bekam.

In kurzer Zeit belief sich die Anzahl der Kanus auf siebzehn, davon einige mit zweiundzwanzig, andere mit zehn, sieben, fünf und die kleinsten nur mit zwei Mann besetzt waren, so daß sich in allem mehr als zweihundert Indianer um uns her befanden. Mitunter ließen sie einzelne Worte von sich hören, als ob sie uns um etwas befragten. Wenn wir aber in tahitischer oder mallikolesischer Sprache antworteten, so wiederholten sie diese Worte, ohne das geringste davon zu verstehen. Nach und nach verlor sich der erste Eindruck, den unsere Gegenwart auf sie gemacht zu haben schien, und sie kamen endlich ganz unbesorgt dicht ans Schiff heran. Vom Hinterteil desselben hatten wir in einem kleinen Handnetze ein Stück Pökelfleisch in die See herabgelassen, welches unsre gewöhnliche Art war, es auszuwässern. An dieses Netz machte sich ein alter Kerl von den Einwohnern und würde es losgeknüpft haben, wenn wir ihm nicht ernstlich zugerufen hätten, da er denn augenblicklich davon abstand. Dafür drohte uns aber ein anderer mit seinem Speer, und ein dritter legte einen Pfeil auf seinem Bogen zurecht und zielte damit nach unterschiednen Personen auf dem Verdecke.

Kapitän Cook hielt dafür, daß es jetzt die rechte Zeit sein würde, eine Kanone abzufeuern, um den Insulanern einen Begriff von unserer Übermacht beizubringen und allen Feindseligkeiten auf einmal vorzubeugen. Er winkte ihnen deshalb zu, daß sie ihrer eigenen Sicherheit wegen auf die Seite rudern sollten. Ich besorgte, daß die Wilden diesen gebieterisch scheinenden Wink übel auslegen oder wenigstens unbefolgt lassen würden, sah aber zu meiner Verwunderung, daß sie sich alsbald dicht am Hinterteil des Schiffes versammelten. Die Kanonen wurden also gegen das Ufer gefeuert, und in demselben Augenblick sprangen die zweihundert Kerle, aus ihren Kanus auf einmal in die See. Nur ein einziger wohlgestalteter junger Mann von offener, einnehmender Gesichtsbildung blieb dreist in dem seinigen stehen und lächelte mit einer Art von Verachtung über seine furchtsamen Landsleute. Der Schrecken ging indessen bald vorüber; da sie fanden, daß der Knall keine üblen Folgen gehabt, so schwangen sie sich bald wieder in ihre Kanus, sprachen sehr laut untereinander und schienen über ihre eigene Furcht zu lachen. Demohngeachtet hielten sie sich in einer gewissen Entfernung, wiewohl ohne die geringsten feindlichen Gesinnungen zu äußern.

Kapitän Cook war mit der Lage des Schiffs nicht zufrieden, sondern wünschte, es tiefer in die Bai ziehen zu lassen. In dieser Absicht schickte er ein starkbemanntes Boot vorauf, welches auch von seiten der Indianer keinen Widerstand fand. Sie hatten vielmehr alle ihre Aufmerksamkeit auf den Buoy gerichtet, der zum ersten Anker gehörte, und betrachteten denselben mit begierigen Blicken, bis endlich ein alter Kahlkopf sich nicht länger erwehren konnte, einen Versuch darauf zu wagen. Er kam mit seinem Kanu herangerudert und wollte ihn fortschleppen. Anfänglich zog er am Stricke, und als das nicht gehen wollte, versuchte er's, ihn loszumachen. Sobald wir gewahr wurden, daß es ihm ernst damit sei, winkte ihm Kapitän Cook davonzubleiben, woran er sich aber im geringsten nicht kehrte. Der Kapitän schoß also mit Schrot nach ihm; sobald er sich verwundet fühlte, warf er den Buoy sogleich ins Wasser. Kaum aber war der erste Schmerz vorüber, so kehrte er zurück, um in der Unternehmung fortzufahren. Nun ward eine Flintenkugel dicht vor ihm ins Wasser geschossen, worauf er den Buoy abermals fahrenließ und mit einer Kokosnuß zum Geschenk ans Schiff kam. In diesem Betragen war meines Erachtens etwas Kühnes und Großes, es schien gleichsam, als böte er uns seine Freundschaft zur Belohnung unserer Tapferkeit an.

Mittlerweile hatte das ausgeschickte Boot den andern Anker ausgelegt, und wir fingen nun an, mit Hilfe desselben das Schiff in den Hafen zu ziehen. Ohnerachtet es dem Indianer, der sich an jenem Ankerbuoy hatte vergreifen wollen, nicht ungestraft hingegangen war, so ließ sich doch ein anderer dadurch nicht abhalten, auf den Buoy des zweiten Ankers einen ähnlichen Versuch zu wagen. Nachdem er ziemlich unentschlossen bald darnach hin-, bald wieder zurückgefahren war, siegte die Versuchung über alle seine Bedenklichkeiten, und er fing an, den Buoy getrost in sein Kanu zu ziehen. Diesem Unfug zu steuern, ward ein Musketon dergestalt abgefeuert, daß die Kugel dicht bei ihm niederschlug, alsdenn noch ein paarmal vom Wasser absetzte und endlich auf den Strand fiel. Eine so unerwartete Erscheinung jagte alle dort versammelten Indianer augenblicklich auseinander, nur die Hauptperson, der Täter, kehrte mit seinem Kanu ganz unerschrocken nach dem Buoy zurück. Man ließ deshalb von neuem einen Musketon, und da auch dieses noch nicht helfen wollte, eine Drehbasse, endlich gar eine Kanone abfeuern, wodurch denn sowohl er als alle übrigen Indianer auf dem Lande und auf dem Wasser mit einem Male verscheucht, jedoch niemand beschädigt wurde.

Nach dieser kleinen Unruhe brachten wir das Schiff an seinen bestimmten Ort. Beim Hereinbugsieren geriet es etliche Male auf den Grund, weil man damit auf einer Seite etwas zu nahe ans Ufer kam, doch war zum Glück das Wasser hier so ruhig und der Grund so weich, daß es ohne, Mühe und Schaden wieder flott wurde. Sobald dies Geschäft vorüber war, setzten wir uns ruhig zu Tische und fuhren nachher in drei gutbemannten Booten, darin unter anderm alle unsre Seesoldaten befindlich waren, nach dem Lande hin. Der Anschein ließ uns eine ganz ruhige Landung hoffen, denn die Zahl der an der Küste befindlichen Einwohner war zu geringe, um uns dieselbe streitig zu machen. Sie hatten sich nicht weit von der See ins Gras gelagert und liefen auch wirklich fort, als sie uns aus dem Boote steigen sahen; da wir ihnen aber freundlich zuwinkten, so kehrten sie wieder zurück.

Von Westen kam ein Haufen von etwa einhundertfünfzig Wilden her, die allesamt in der einen Hand Waffen, in der andern aber grüne Palmzweige hatten. Diese überreichten sie uns als Friedenszeichen, und wir beschenkten sie dagegen mit Medaillen, tahitischem Zeug und Eisenwerk, tauschten auch für dergleichen Waren etliche Kokosnüsse ein, nachdem es eine ganze Weile gedauert hatte, ehe sie aus unserm Hindeuten auf die Kokospalmen und aus andern Gebärden begreifen konnten, daß wir von diesen Bäumen die Früchte zu haben wünschten. Hierauf verlangten wir, daß sie sich alle niedersetzen möchten, welches auch zum Teil geschah, und alsdann ward ihnen angedeutet, daß sie eine in den Sand gezogene Linie nicht überschreiten sollten, womit sie ebenfalls zufrieden waren.

Ein Teich von wohlschmeckendem frischem Wasser, der sich in der Nähe befand, verschaffte uns Gelegenheit, ihnen zu verstehen zu geben, daß wir bloß in der Absicht hierhergekommen wären, uns mit einem Vorrat von Trinkwasser, imgleichen mit etwas Brennholz zu versorgen. Sie wiesen uns zu dem Ende verschiedene wilde Bäume an und bäten nur, daß wir keine Kokospalmen, die in unzähliger Menge längs dem Ufer standen, umhauen möchten. Damit sie sehen sollten, auf was für Art wir beim Wasserschöpfen und Holzfällen zu Werke gingen, wurde mit beidem sogleich in ihrer Gegenwart der Anfang gemacht, welches sie auch ruhig geschehen ließen. Während dieser Zeit hatten die Soldaten sich in Ordnung gestellt, und die Indianer bezeigten so viel Furcht vor ihnen, daß sie bei der geringsten Bewegung derselben allemal eine Ecke fortliefen.

Nur etliche alte Männer waren so herzhaft, sich dadurch nicht erschrecken zu lassen. Wir verlangten, daß sie ihre Waffen von sich legen sollten, welcher Forderung, so unbillig sie an sich auch sein mochte, dennoch von den mehresten Genüge geleistet wurde.

Wir lernten gleich bei dieser ersten Unterredung eine ziemliche Anzahl Wörter von der hiesigen Landessprache, die mehresten waren uns ganz neu und unbekannt, zuweilen aber hatten sie für einerlei Gegenstand zwei unterschiedne Ausdrücke, davon der eine fremd, der andere aber mit einem ebensoviel bedeutenden Worte aus der Sprache, die auf den Freundschaftlichen Inseln geredet wird, gleichlautend war. Es müssen folglich hier in der Nachbarschaft noch andere Inseln vorhanden und mit Leuten von ebender Nation, welche auf den Sozietäts- und Freundschaftlichen Eilanden wohnt, bevölkert sein. Unter anderm brachten wir auch von unsern neuen Bekannten heraus, daß ihre eigene Insel Tanna genannt werde, welches Wort in der malaiischen Sprache soviel als Erde bedeutet.

Ich muß bei dieser Gelegenheit anmerken, daß wir es uns zur Regel gemacht hatten, von allen fremden Ländern, die wir besuchen würden, allemal die eigentümlichen Namen, welche sie in der Landessprache führen, auszukundschaften, denn die allein sind selbständig und nicht so häufiger Veränderung unterworfen als die willkürlichen Benennungen, welche jeder Seefahrer seinen eigenen und andern Entdeckungen beizulegen das Recht hat. – Sobald die Fässer gefüllt waren, kehrten wir ans Schiff zurück, ganz erfreut, daß der erste Schritt zur Bekanntschaft mit den Eingebornen glücklich geschehen und so ruhig abgelaufen war.

Am folgenden Morgen zeigte sich aber, daß die Insulaner nur in Ermangelung einer größeren Anzahl so friedlich gegen uns verfahren, im Grunde aber keineswegs gesonnen waren, uns freien Zugang in ihre Insel zu gestatten. Sie befürchteten, daß wir auf ihr Land und anderes Eigentum Absicht hätten, und machten daher Anstalt, beides zu verteidigen.

Um den Faden dieser Erzählung nicht zu unterbrechen, habe ich von einem merkwürdigen Phänomen, dem auf dieser Insel vorhandenen Vulkan, bisher noch nichts erwähnen können. Er war zur Zeit unseres Hierseins gerade in vollem Ausbruch und lag fünf bis sechs Meilen weit im Lande, so daß man verschiedner dazwischenliegender Hügel wegen vom Schiffe nichts als den rauchenden Gipfel desselben sehen konnte. Dieser war an mehreren Stellen geborsten und am äußeren Rande gleichsam ausgezackt. Von fünf zu fünf Minuten fuhr mit donnergleichem Krachen ein Flammenstoß daraus empor, wobei das unterirdische Getöse oft eine halbe Minute lang währte. Zu gleicher Zeit war die Luft durchaus mit Rauch und schwarzer Schörlasche angefüllt, die, wenn sie ins Auge kam, einen beißenden Schmerz verursachte. Sie fiel in solcher Menge herab, daß in Zeit von wenig Stunden das ganze Schiff damit bedeckt war, und auch der Strand lag überall voll kleiner Bimssteine und ausgebrannter Kohlen.

 

Am nächsten Morgen brachten wir das Schiff in eine noch bequemere Lage näher ans Ufer, indes die Einwohner, sobald es nur Tag wurde, aus ihren Wäldern hervorkamen und am Strande sich zu beratschlagen schienen.

Hin und wieder stießen die Indianer ihre Kanus einzeln vom Ufer und brachten je eine oder zwei Kokosnüsse und Pisange zum Verkauf. Sie vertauschten solche gegen tahitisches Zeug und kehrten, sobald sie ihre Waren angebracht hatten, nach dem Ufer zurück, um mehrere zu holen. Einer bot dem Kapitän auch seine Keule zum Verkauf, dieser zeigte ihm ein Stück Zeug dagegen, und so wurden sie handelseinig. Als man dem Indianer das Zeug an einem Stricke ins Kanu herabließ, knüpfte er es los, machte aber gar nicht Anstalt, die Keule dafür abzuliefern. Der Kapitän versuchte es daher, ihn durch allerhand Zeichen an sein gegebenes Wort zu erinnern, welches jener auch wohl zu verstehen schien, aber doch nicht im mindesten darauf achtete. Der Kapitän schoß ihm also eine Ladung Schrot ins Gesicht, worauf der Indianer mit den beiden andern, die in seinem Kanu waren, eiligst fortruderte. Nun wurde vom Verdeck aus mit einem Musketon ein paarmal hinter ihnen dreingefeuert, bis sie vor großem Schreck über eine Kugel, die dicht neben ihr Kanu fiel und etlichemal vom Wasser abprellte, in die See sprangen und vollends nach dem Ufer hinschwammen.

In der Gegend, wo sie ans Land stiegen, entstand alsbald ein großer Zusammenlauf von Menschen, die vermutlich zu erfahren suchten, was ihren Landsleuten begegnet wäre. Ein paar Minuten nachher kam ein kleiner alter Mann mit einem Kanu voll Zuckerrohr, Kokosnüssen und Yamwurzeln ganz allein an das Schiff. Schon gestern nachmittag hatte er sich Mühe gegeben, zwischen uns und den Seinigen Frieden zu erhalten, und seine freundliche, treuherzige Miene ließ uns hoffen, daß er auch jetzt wieder in einer so löblichen Absicht kommen müßte. In dieser Überzeugung schenkte ihm Kapitän Cook, einen vollständigen Anzug vom besten roten tahitischen Zeuge, worüber der Alte ungemein vergnügt zu sein schien. Gleich seinen übrigen Landsleuten, die niemals ohne Waffen gehen, hatte auch dieser zwei große Keulen bei sich. Kapitän Cook, der sich in einem unserer Boote befand, ergriff diese Keulen, warf sie in die See und gab dem Alten zu verstehen, daß alle Insulaner ihre Waffen von sich legen sollten. Mit diesem Anbringen ruderte der ehrliche Greis, ohne sich über den Verlust seiner Keulen zu beklagen, ans Ufer zurück und spazierte daselbst mit seinem neuen Staat eine Zeitlang herum. Nunmehro kamen aus allen Gegenden der Insel, hauptsächlich von dem steilen Berge an der Westseite des Hafens, eine unzählige Menge von Menschen an den Strand herab, so daß es in den Gebüschen und Waldungen auf der Ebene überall von Menschen wimmelte, deren keiner unbewaffnet war.

Mittlerweile hatten wir das Schiff der Quere nach gegen das Ufer gekehrt, damit die Kanonen das Land bestreichen könnten, und nach dieser Vorsicht bereiteten wir uns, in dem großen und zwei kleineren Booten mit allen Seesoldaten und einer wohlbewaffneten Partei Matrosen eine Landung zu versuchen. Sobald die Wilden uns kommen sahen, eilten sie alle aus den Wäldern an den Strand und stellten sich daselbst in zwei großen Haufen zu beiden Seiten des Wasserplatzes. Der westliche Haufen war der beträchtlichste, indem er wenigstens aus siebenhundert Mann bestand, die in einem geschlossenen Trupp zum Angriff nur das Signal zu erwarten schienen. An der Ostseite mochten ohngefähr zweihundert Mann stehen, die zwar ebenfalls bewaffnet waren, aber gleichwohl zu Feindseligkeiten nicht so offenbar Miene machten. Mitten zwischen diesen beiden Haufen hatte sich der kleine Alte, der eben bei uns gewesen, nebst noch zwei andern unbewaffnet hingestellt und eine Menge Pisange, Yamwurzeln und dergleichen vor sich aufgehäuft.

Als wir ohngefähr noch zwanzig Schritte weit vom Ufer waren, rief Kapitän Cook den Einwohnern zu und gab ihnen durch Zeichen zu verstehen, daß sie die Waffen niederlegen und sich vom Strande zurückziehen sollten. Auf diese Forderung achteten sie nicht, und vielleicht kam es ihnen gar unbillig und lächerlich vor, daß eine Handvoll Fremde sich's beigehen ließ, ihnen in ihrem eigenen Lande Gesetze vorzuschreiben. Es würde eine Unvorsichtigkeit gewesen sein, zwischen jenen beiden Haufen zu landen, weil wir uns auf solche Art zu dreist einem Angriff ausgesetzt hätten, bei welchem viele dieser unschuldigen Leute und wohl gewiß auch mancher von uns das Leben dürfte eingebüßt haben. Um sie womöglich im voraus davon abzuschrecken, ließ der Kapitän eine Flintenkugel über ihre Köpfe hinfeuern. Der unvermutete Knall brachte auch wirklich den ganzen Haufen in Bewegung, sobald aber das erste Erstaunen vorüber war, blieben sie fast alle wieder stehen. Einer, der dicht ans Ufer kam, hatte sogar die Verwegenheit, uns den Hintern zu zeigen und mit einer Hand draufzuklatschen, welches unter allen Völkern im Südmeer das gewöhnliche Zeichen zur Herausforderung ist. Dieses Großsprechers wegen ließ der Kapitän noch einen Flintenschuß in die Luft tun, und da man dieses auf dem Schiffe für ein Signal hielt, so ward alles grobe Geschütz, welches aus fünf vierpfündigen Kanonen, zwei halbpfündigen Drehbassen und vier Musketons bestand, mit einemmal abgefeuert. Die Kugeln pfiffen über die Indianer weg und kappten etliche Palmbäume; dadurch erreichten wir unsern Zweck, daß nämlich in wenig Augenblicken nicht ein Mann mehr auf dem Strande zu sehen war. Nur allein der alte Friedensstifter und seine beiden Freunde waren unerschrocken bei ihren Früchten stehengeblieben. Sobald wir ans Land traten, schenkte der Alte diese Lebensmittel dem Kapitän und bat ihn zugleich, nicht länger zu schießen.

Wir ließen es nunmehro unsere erste Sorge sein, zu Bedeckung der Arbeitsleute die Seesoldaten in zwei Linien zu stellen. An beiden Seiten schlug man Pfähle in die Erde und zog einen Strick dazwischen, so daß die Wasserschöpfer einen Platz von wenigstens einhundertfünfzig Fuß breit innehatten, wo sie ihre Arbeit ungestört vornehmen konnten. Nach und nach kamen die Einwohner aus dem Gebüsch auf den Strand, wir winkten ihnen aber, jenseits unserer Linie zu bleiben, welches sie auch allerseits beobachteten. Der Kapitän wiederholte nun seine vorige Zumutung, daß sie ihre Waffen niederlegen möchten. Der größere Haufen an der Westseite kehrte sich nicht daran, die andere Partei hingegen, die mit dem friedlichen Alten einerlei Sinnes zu sein schien, ließ sich größtenteils dazu bewegen. Diesem Alten, der Pao-vjangom hieß, hatten wir als einen Beweis unseres Zutrauens vorzugsweise die Erlaubnis gegeben, sich innerhalb der abgesteckten Linie aufhalten zu dürfen.

Nach und nach fingen wir an, uns in die Wälder zu wagen. um Pflanzen zu suchen. Wir waren aber kaum zwanzig Schritte weit gegangen, als wir hinter dem Gebüsch überall Indianer gewahr wurden, die zwischen den beiden Haufen am Strande wechselweise hin und her liefen. Es dünkte uns also nicht ratsam, weit vorzudringen. Wir ließen uns vielmehr an zwei bis drei neuen Arten von Kräutern genügen und kehrten mit dieser kleinen Ausbeute nach dem offenen Strand zurück.

Bei dem friedlichen Anschein des kleinern, nach Osten hin postierten Haufens versuchten wir's, mit den Leuten desselben ins Gespräch zu kommen. Es war uns um die Kenntnis ihrer Sprache zu tun, und wir lernten auch wirklich eine Menge neuer Wörter, mit dem Handel aber glückte es uns nicht so gut, denn aller Anfrage ohnerachtet wollten sie uns nicht von ihren Waffen das mindeste überlassen. Ein zylindrisches, zwei Zoll langes Stück Alabaster, welches als ein Zierat in der Nase getragen wird, war alles, was wir eintauschen konnten. Ehe der Eigentümer es ablieferte, wusch er's in der See, ob dies aber aus Reinlichkeit oder aus irgendeinem anderen Beweggrunde geschah, kann ich nicht entscheiden.

Die ganze Zeit über, die wir am Lande zubrachten, machten die Einwohner nicht im geringsten Miene, uns angreifen zu wollen oder in der Arbeit zu stören; die kleinere Partei schien vielmehr ganz gut gegen uns gesinnt zu sein, so daß wir bald auf einen freundschaftlichen Fuß mit ihnen umgehen zu können hofften. Die große Anzahl von Eingeborenen, die aus allen Gegenden der Insel hier beisammen waren, gab uns zur Untersuchung ihrer Bildung, Kleidung und Waffen die beste Gelegenheit. Im ganzen genommen sind sie von mittlerer Statur, doch gibt's auch manche von mehr als gewöhnlicher Größe darunter. Sie haben wohlgebildete, aber mehrenteils schlanke Gliedmaßen, wiewohl es auch an einzelnen recht starken Kerlen nicht fehlt. So schön gebaute Leute, als man unter den Einwohnern der Sozietäts- und Freundschaftlichen Inseln und den Marquesas ziemlich häufig antrifft, gibt es in Tanna nur sehr wenige. Sie haben ein männliches, offnes, gutherziges Ansehen, doch findet man freilich hier so gut als unter jedem andern Volk einzelne Physiognomien, die nicht viel Gutes vermuten lassen. Die Farbe ihres Haares ist schwarz, bei manchen auch braun oder gelblich an den Spitzen. Es wächst sehr dick, straubigt und ist mehrenteils kraus, hat auch zuweilen etwas Wollartiges an sich. Der Bart ist ebenfalls schwarz, stark und gekräuselt, die Leibesfarbe dunkelbraun und zum Teil schwärzlicht, so daß man beim ersten Anblick glauben möchte, sie hätten sich mit Ruß beschmutzt.

Das seltsamste ist ihre Frisur. Diese besteht nämlich aus lauter kleinen Zöpfen, die kaum so dick als die Spule einer Taubenfeder und statt eines Bandes mit dem zähen Stengel einer Glockenwinde dergestalt bewickelt sind, daß am untern Ende nur ein kleines Büschchen hervorragt. Wer einigermaßen starkes Haar hat, muß wenigstens etliche hundert solcher kleinen steifen Zöpfchen am Kopfe haben, und da diese mehrenteils nur drei bis vier Zoll lang sind, so pflegen sie wie die Borsten eines Stachelschweins gemeiniglich aufrecht und auseinander zu stehen.

Ist aber das Haar etwas länger, zum Beispiel zwischen fünf und neun Zoll, so fallen die Zöpfe an beiden Seiten des Kopfes gerade herunter, und dann sehen die Leute aus wie die Flußgötter mit ihrem von Nässe triefenden Binsenhaar. Einige, besonders diejenigen, die wolligtes Haar haben, lassen es entweder so, wie es von Natur gewachsen ist, oder sie binden es höchstens vermittelst eines zähen Blattes auf dem Scheitel in einen Schopf zusammen. Fast durchgehends tragen sie ein Rohr oder ein dünnes Stöckchen, etwa neun Zoll lang, in den Haaren, um sich von Zeit zu Zeit vor dem Ungeziefer Ruhe zu schaffen, welches auf ihren Köpfen in großer Anzahl vorhanden ist. Sie stecken auch wohl einen kleinen Rohrstab, mit Hahnen- oder Eulenfedern ausgeziert, ins Haar. Zur Bedeckung des Kopfes wickeln sich manche ein frisches Pisangblatt schräg um den Scheitel, oder sie tragen eine ordentliche Mütze von geflochtenen Matten, doch ist keines von beiden allgemein.

Den Bart lassen die mehresten in seiner natürlichen Gestalt lang wachsen, andere flechten ihn in einen Zopf. Der Nasenknorpel ist fast bei allen durchbohrt und durch die Öffnung ein dünner Rohrstab oder ein Stein von ähnlicher Figur hindurchgesteckt. Statt der Ohrgehänge tragen sie eine Menge Ringe von Schildkrötenschalen oder von weißen Muscheln, entweder einen neben dem andern oder in Form einer Kette einen in den andern gehängt. In beiden Fällen macht dieser Zierat das Loch im Ohrläppchen ungemein weit, indem jeder einzelne Ring nicht weniger als einen halben Zoll breit und dreiviertel Zoll dick ist. Um den Hals binden sie zuweilen eine Schnur, von welcher eine Muschel oder statt dessen ein kleines langrundes Stückchen von grünem, dem neuseeländischen gleichkommenden Talkstein vorn auf der Brust herabhängt.

Am Oberteil des linken Arms, zwischen der Schulter und dem Ellbogen, tragen sie mehrenteils ein Armband, welches aus einem Stück Kokosschale besteht und entweder künstlich geschnitzt oder auch nur ganz glatt, aber allemal schön poliert ist. Um diesem noch mehr Ansehen zu geben, pflegen sie wohl etwas Grünes dazwischenzustecken. Einige gehen mit einer Binde von grobem Zeug umgürtet, das aus der inneren Rinde eines Baumes verfertigt und gemeiniglich dunkelzimmetbraun ist. Andere begnügen sich mit einer dünnen Schnur um den Leib; beides geschieht, um die männlichen Geburtsglieder, die hier mit den Blättern einer ingwerähnlichen Pflanze bewickelt werden, nach Art der Mallikoleser in die Höhe zu ziehen und in der Gegend des Nabels an den Gürtel festzuknüpfen. Sobald ein Knabe sechs Jahr alt ist, muß er schon in dieser Tracht einhergehen, sie kann folglich, wie ich bereits in Ansehung der Mallikoleser gemutmaßt habe, wohl nicht aus einer Art von Schamhaftigkeit entstanden sein, denn auf diese wird bei unzivilisierten Völkern während den Kinderjahren gerade am wenigsten Rücksicht genommen. In unsern Augen erregte sie ihrer Form wegen vollends ganz entgegenstehende Begriffe, so daß wir an jedem Tanneser oder Mallikoleser statt einer ehrbaren Verschleierung vielmehr eine leibhaftige Vorstellung jener fruchtbaren Gottheit zu sehen glaubten, welcher bei den Alten die Gärten geweiht waren.

Zu den Zieraten dieser Nation gehören ferner noch verschiedene Arten von Schminken und allerhand Figuren, welche sie sich in die Haut einritzen. Die Tanneser nehmen ein Bambusrohr oder eine scharfe Muschel zu dieser Operation, mit einem oder dem andern machen sie nach allerhand willkürlichen Zeichnungen ziemlich tiefe Einschnitte in die Haut und legen alsdann ein besonderes Kraut darauf, welches die Eigenschaft hat, beim Heilen eine erhabne Narbe zuwege zu bringen. Diese Narben, auf welche sich die guten Leute nicht wenig einbilden, stellen Blumen oder andre seltsame Figuren vor.

 

Die Waffen der Tanneser, ohne welche sie sich niemals sehen lassen, bestehen in Bogen und Pfeilen, in Keulen, Wurfspießen und Speeren und in Schleudern. Auf den Bogen und auf die Schleuder verstehen sich die jungen Leute am besten, die Älteren hingegen wissen den Speer und die Streitkolbe vorzüglich gut zu führen. Die Bogen sind sehr stark, vom schönsten elastischen Kasuarinaholz gemacht und trefflich geglättet, werden auch vermutlich von Zeit zu Zeit mit Öl eingeschmiert, damit sie stets glänzend und biegsam bleiben. Die Pfeile bestehen aus einem beinahe vier Fuß langen Rohrstab und die Spitze aus ebender Art von schwarzem Holze, welche von den Mallikolesern zu gleichem Endzweck gebraucht wird. Doch sind die Spitzen hier anders geformt als dort, nämlich dreieckig, zum Teil über zwölf Zoll lang und auf zwei, oftmals auch auf allen drei Seiten eingekerbt oder mit Widerhaken versehen. Zur Vogeljagd und zum Fischen gebrauchen sie Pfeile, die drei Spitzen haben. Die Schleudern werden aus Kokosfasern, und zwar in der Mitte, wo der Stein zu liegen kommt, etwas breiter gemacht als an den Enden. Sie pflegen solche um den Arm oder um den Leib, die Steine aber besonders in ein großes Blatt gewickelt mit sich herumzutragen. Die dritte Art von Wurfgewehren sind die Spieße oder Speere. Gemeiniglich nehmen sie dazu knotige, ungestaltete Stecken, kaum einen halben Zoll dick, aber neun bis zehn Fuß lang, das dickste Ende derselben macht eine dreieckige Spitze von sechs bis acht Zoll aus, die auf allen drei Seiten ohngefähr zehn Einschnitte oder Widerhaken hat. Mit einem dergleichen Speere verfehlt der Tanneser, zumal wenn die Entfernung gering ist, nicht leicht sein Ziel. Hiezu ist ihm ein viertel bis fünf Zoll langes, aus Baumrinde geflochtenes Stück von einem Stricke behilflich, das an einem Ende einen Knoten, an dem andern aber eine Schleife hat und auf solche Art gebraucht wird: Durch die Schleife steckt man den Zeigefinger, ergreift hierauf mit diesem Finger und dem Daumen den Spieß und wickelt das andre Ende jenes Stricks oberhalb der Hand einmal um den Schaft des Speeres herum. Wird nun der Speer abgeworfen, so kann er aus der Richtung, die man ihm gegeben, wenigstens nicht ehe weichen, als bis er die Schlinge mit Gewalt auseinandergetrieben hat, und diese bleibt dann in ihrer ursprünglichen Form an dem Zeigefinger des Schützen, woran sie befestigt ist, zurück. Ich habe mehr als einen solchen Wurf gesehen, wo auf eine Entfernung von dreißig bis vierzig Fuß die zackigte Spitze des Speeres durch einen vier Zoll dicken Pfahl glatt hindurchging. So geht es auch mit ihren Pfeilen, auf acht bis zehn Schritte treffen sie mit voller Kraft, in einer größeren Entfernung aber, zum Beispiel auf fünfundzwanzig bis dreißig Schritte weit, hat man gar nichts davon zu befürchten, denn aus Furcht, die Bogen zu zerbrechen, spannen sie solche nie stark genug, um so weit damit zu reichen. Außer diesen Wurfgewehren, davon die Erwachsenen bald die eine, bald die andre Art führen, hat auch ein jeder eine Keule bei sich, und die werden beim Handgemenge gebraucht.

 

Der Vulkan, der sich gestern früh noch dann und wann hatte hören lassen, ward nachmittags ganz still. In der Nacht regnete es zu verschiedenen Malen, und nun fing der Berg am folgenden Morgen von neuem an unruhig zu werden. Das aufbrennende Feuer desselben verschaffte uns jedesmal ein angenehmes und zugleich prächtiges Schauspiel. Es teilte dem Rauche, der in dicken Wolken kräuselnd emporstieg, wechselweise die glänzendsten Schattierungen von gelber, Orange-, Scharlach- und Purpurfarbe mit, welche endlich in ein rötliches Grau und dunkleres Braun verlosch. Sooft ein solcher Flammenwurf erfolgte, so oft ward auch die ganze waldigte Gegend des Berges plötzlich durch ein gold- und purpurfarbnes Licht erhellt, welches die verschiedenen Gruppen von Bäumen nach Maßgabe ihrer Entfernung bald lebhafter, bald sanfter kolorierte.

Nach dem Frühstück gingen wir ans Land, woselbst die Einwohner ganz zahlreich, doch nicht in solcher Menge als gestern versammelt waren. Sie ließen uns nicht nur ruhig aussteigen, sondern machten auch von selbst Platz, daß wir gemächlich nach dem Ort hingehen konnten, wo wir die Wasserfässer anzufüllen pflegten. Der Kapitän fand aber dennoch für gut, zu unserer Sicherheit Stricke ziehen zu lassen.

Von Seiten der Insulaner schien das Mißtrauen noch nicht ganz verschwunden zu sein, wenigstens wollten sich die mehresten noch nicht bewegen lassen, ihre Waffen zu verkaufen; einige hielten indessen nicht mehr so genau darauf, sondern vertauschten beides, Keulen und Speere. Mein Vater gab Pao-vjangom für das Schwein, welches dieser ihm gestern geschenkt hatte, ein Beil und zeigte ihm zugleich, wie es gebraucht werden müsse. Das gefiel ihm so wohl, daß er's unter seinen Landsleuten sogleich weiter bekanntmachte. Nun entstand bald häufig Nachfrage nach Beilen. Wir versprachen ihnen auch welche, wenn sie uns Schweine dafür beibringen würden; das erfolgte aber nicht.

Zum Behuf astronomischer Beobachtungen ließ der Kapitän für Herrn Wales heut ein Zelt aufschlagen. Unter den Wilden, die sich bei dieser Gelegenheit versammelten, gab es einige, die ziemlich übermütig waren, herumtanzten und dabei mit ihren Speeren drohten. Zu Tätlichkeiten kam es indessen nicht, und gegen Mittag gingen wir in Gesellschaft des Kapitäns ruhig an Bord zurück.

Kaum waren wir daselbst angelangt, als von einem Seesoldaten, deren etliche unter Kommando eines Leutnants am Lande geblieben waren, ein Schuß geschah, weshalb man die Einwohner in ziemlicher Verwirrung untereinander herumlaufen sah. Sie wurden jedoch bald wieder ruhig und fanden sich von neuem auf dem Strande ein. Bei der Rückkunft unsrer Leute, die gegen drei Uhr zum Essen an Bord kamen, vernahmen wir, daß die Indianer selbst an jenem Lärm schuld gewesen wären, indem einer von ihnen den Offizier durch die unartige Gebärde, wodurch man einander hierzulande herausfördert, bös gemacht habe. Ebendas war auch uns gestern begegnet, und der Leutnant hatte diesmal, so wie der Kapitän am vorigen Tage, mit einer Ladung Schrot darauf geantwortet, der Wilde war dadurch in den Fuß verwundet worden und hatte sich ins Gebüsch verkrochen; seine Landsleute waren ihm dahin gefolgt und würden vermutlich zu den Waffen gegriffen haben, wenn sie nicht von einigen friedfertiger gesinnten Alten noch zu rechter Zeit wären besänftigt worden.

Gegen Abend ließen wir uns wieder nach dem Strand übersetzen und warfen unterwegs das Netz aus, in Hoffnung, einen glücklichen Zug zu tun. Es gab aber nicht mehr als ohngefähr einen halben Zentner Fische. Auf dem Landungsplatze, wo wir anfänglich nur wenig Leute antrafen, versammelten sich bald mehrere, doch kamen sie größtenteils unbewaffnet oder legten uns zu Gefallen ihre Waffen von sich ins Gebüsch. Bei Sonnenuntergang verloren sie sich wieder bis auf einige, die zu unserer Verwunderung noch immer bei uns aushielten. Endlich aber bezeugten auch diese, daß sie entlassen zu werden wünschten, und kaum hatten wir ihnen zugewinkt, daß sie unseretwegen nicht einen Augenblick länger dableiben dürften, so gingen sie auch gleich bis auf den letzten Mann fort. In diesem Betragen scheint etwas Zeremoniöses zu sein, als hielten sie es gleichsam für unhöflich, auf ihrem eignen Grund und Boden den Fremden nicht Gesellschaft zu leisten. Eine solche Auslegung würde aber freilich gewisse Begriffe von Lebensart und äußerem Anstand voraussetzen, die sich doch mit dem in allen übrigen Stücken noch sehr unzivilisierten Zustand dieser Nation nicht füglich reimen lassen.

 

Am folgenden Morgen kehrten wir nach dem Ort zurück, wo unsere Leute gestern Ballast geladen hatten. Hier kletterten wir der Hitze ohnerachtet etliche Stunden lang auf den Felsen herum, fanden jedoch nicht viel Neues und mußten den höher gelegenen dickeren Wald mit vergeblicher Sehnsucht ansehen, weil man es aus Besorgnis vor den Indianern noch nicht wagen durfte, den botanischen Schätzen desselben nachzuspüren. Auf dem Rückwege entdeckten wir eine heiße Quelle, die aus dem Felsen dicht am Strande des Meeres hervorsprudelte. Wir hatten eben kein Thermometer zur Hand, konnten aber schon dem bloßen Gefühl nach abnehmen, daß der Grad von Hitze ziemlich groß sein müsse, denn ich war nicht vermögend, den Finger nur eine Sekunde lang darin zu leiden. Kaum hatten wir am Mittage das Schiff erreicht, so kam auch der Kapitän vom Wasserplatz zurück und brachte einen Indianer mit an Bord. Dieser war ebender junge Mann, der gleich bei unserer Ankunft so viel kaltblütigen, ruhigen Mut gezeigt hatte, indem er unter mehr als zweihundert Leuten von seiner Nation der einzige war, der bei Abfeuerung einer Kanone in seinem Kanu stehen blieb, indes alle übrigen vor Schreck in die See sprangen. Er sagte, sein Name sei Fanokko, verlangte dagegen die unsrigen zu wissen und suchte sie, so gut es ihm möglich war, nachzusprechen und auswendig zu behalten. Es fehlte ihm aber so wie allen seinen übrigen Landsleuten gar sehr an jener Biegsamkeit der Sprachorgane, die den Mallikolesern in so bewunderungswürdigem Maße eigen war. Wir mußten ihm deshalb unsere Namen nach der sanfteren Modifikation angeben, welche sie von den Tahitiern bekommen hatten. Mein Vater und Kapitän Cook hatten in ihren Wörtersammlungen aus der hiesigen Sprache jeder einen ganz unterschiedenen Ausdruck aufgezeichnet, die beide soviel als Himmel bedeuten sollten. Um nun zu erfahren, welches eigentlich die wahre Benennung sei, wandten sie sich an Fanokko. Dieser war der Erklärung wegen nicht einen Augenblick verlegen, sondern streckte sogleich seine rechte Hand aus und legte ihr das eine Wort bei, darnach bewegte er unterhalb der ersteren die andere hin und her, nannte sie mit dem zweiten streitigen Worte und gab dabei zu verstehen, die oberste Hand bedeute eigentlich den Himmel, die andere hingegen die Wolken, die darunter wegziehen. Auf eine ebenso einfache und deutliche Weise lehrte er uns auch die Namen unterschiedner Eilande, die hier umherliegen.

Die Insulaner mußten über das Außenbleiben des guten Fanokko unruhig werden, denn er war noch nicht lange bei uns an Bord, als etliche derselben in einem Kanu an das Schiff kamen und ganz ängstlich nach ihm fragten. Sobald dieser es hörte, zeigte er sich am Kajütenfenster, rief ihnen ein paar Worte zu und schickte sie auf die Art nach dem Lande zurück. Es währte aber nicht lange, so kamen sie wieder und brachten ihm einen Hahn, etwas Zuckerrohr und Kokosnüsse, womit er als ein dankbarer Gast seinem Wirte, dem Kapitän, ein Geschenk machte. Nun setzten wir uns miteinander zu Tisch; Fanokko kostete von dem gepökelten Schweinefleisch, hatte aber schon am ersten Bissen genug. Gebratene und gekochte Yams waren mehr nach seinem Geschmack, doch aß er überhaupt sehr mäßig und schloß seine Mahlzeit mit einer Art von Torte, die ihm sehr gut schmeckte, ohnerachtet sie nur aus gebackenen und überdem wurmstichig gewordenen Äpfeln zubereitet war. Wir setzten ihm auch ein Glas Wein vor, dies trank er zwar ohne Widerwillen, wollte aber doch das zweite nicht annehmen. Er betrug sich bei Tische überaus artig und anständig, das einzige, was uns an seinen Manieren nicht ganz gefiel, war, daß er den Rohrstab, den er im Haare stecken hatte, anstatt einer Gabel brauchte und sich dann wieder bei Gelegenheit wieder damit im Kopf kratzte. Da er nach der Landesmode aufs zierlichste frisiert und der Kopf mit Öl und allerhand Farben beschmiert war, so kam es uns sehr ekelhaft vor, den Rohrstecken bald auf dem Teller, bald in dem Haar herumfahren zu sehen. Dem ehrlichen Fanokko mochte es aber freilich wohl nicht einfallen, daß so etwas unschicklich sein könnte.

Nach Tische führten wir ihn im ganzen Schiffe umher und zeigten ihm alles Merkwürdige. Ein tahitischer Hund, welchen er gewahr wurde, machte seine ganze Aufmerksamkeit rege. Ohne Zweifel mußte ihm diese Art von Tieren noch gar nicht bekannt sein, denn er nannte es buga (welches in der hiesigen Landessprache eigentlich ein Schwein bedeutet) und bat sehr angelegentlich, daß man es ihm schenken möchte. Der Kapitän gab ihm also nicht nur den Hund, sondern auch eine Hündin dazu. Hiernächst bekam er noch ein Beil, ein großes Stück tahitisches Zeug, etliche lange Nägel, Medaillen nebst allerhand andern Kleinigkeiten von geringerem Werte, und alsdann brachten wir ihn, der vor Freude über alle diese Geschenke gleichsam außer sich war, ans Land zurück.

Sobald wir daselbst ausgestiegen waren, nahmen Fanokko und seine Freunde den Kapitän bei der Hand, als wollten sie ihn nach ihren Wohnungen führen. Dies mochte ihnen aber bald wieder leid werden, denn anstatt weiterzugehen, fertigten sie bloß einen der Ihrigen ab, um das Geschenk, welches sie gemeinschaftlich hatten holen wollen, von diesem allein herbeischaffen zu lassen. Mittlerweile kam der alte Paovjangom und brachte dem Kapitän einen kleinen Vorrat von Yams und Kokosnüssen, den er wie zur Schau durch zwanzig Mann tragen ließ, ohnerachtet ihrer zwei denselben gemächlich hätten fortbringen können. Es schien aber, daß der Alte seinem Geschenk durch diesen Aufzug nur ein desto stattlicheres Ansehen geben wollte. Fanokko und seine Freunde warteten noch immer mit Ungeduld auf die Rückkunft ihres Boten. Da es schon anfing finster zu werden, ohne daß von diesem etwas zu sehen gewesen wäre, so verließ der Kapitän die guten Leute, die nicht wenig betreten zu sein schienen, daß sie seine Geschenke unerwidert lassen sollten.

Wir hatten in der Zwischenzeit längs dem Ufer der Bai einen Spaziergang gemacht und am Fuße der flachen Anhöhe in den Wäldern und Pflanzungen nach Pflanzen umhergesucht. Die Waldung bestand größtenteils aus Palmen und unterschied neue Arten von Feigenbäumen, deren Früchte eßbar und so [ein Wort fehlt] als gewöhnliche Feigen waren. In ebendieser Gegend trafen wir auch etliche Schober an, worunter die Kanus, aufs Trockne gezogen, vor Sonne und Regen bedeckt lagen, Wohnhütten aber sah man nirgends als an der äußersten Spitze des Hafens gen Osten. Wir waren eben im Begriff, dahin zu gehen, als uns ohngefähr dreihundert Schritte weit davon eine Menge Indianer entgegenkamen und zurückzugehen baten. Andre liefen zum Kapitän und zeigten auf uns und verlangten, er solle uns zurufen, daß wir umkehren möchten. Dies taten wir auch, um nicht zu Händeln Gelegenheit zu geben, versuchten es aber dagegen auf einer andern Seite, nämlich vom Wasserplatz aus, mit guter Manier ins Land zu dringen.

In dieser Absicht folgten wir einem Fußsteig, der nach der hohen Fläche hinführte und uns bald durch dickes Gebüsch, bald über freie Plätze brachte, die so gut als unsere besten Graswiesen mit dem schönsten Rasen bewachsen und ringsumher mit Waldung eingefaßt waren. Indem wir die Anhöhe heranstiegen, kamen drei Einwohner davon herunter und wollten uns bereden, daß wir wieder umkehren möchten. Da sie aber sahen, daß wir gar nicht Lust dazu bezeigten, so fanden sie für gut, uns wenigstens zu begleiten, vermutlich, damit wir nicht zu weit gehen sollten.

Nach und nach gelangten wir durch ein kleines luftiges Wäldchen an große Pisanggärten; die auf eine ziemliche Strecke mit Yam- und Arumfeldern, imgleichen mit Pflanzungen von Feigenbäumen abwechselten und zum Teil steinerne, zwei Fuß hohe Einfassungen hatten. Wir wurden bald inne, daß dieser Weg quer über die südöstliche schmale Landspitze des Hafens führen müsse, denn das Geräusch der Wellen schallte bereits ganz laut vom jenseitigen Ufer her. Unsere indianischen Begleiter wurden auch schon unruhig, daß wir noch immer weitergingen. Da wir sie aber versicherten, daß es uns bloß um eine freie Aussicht nach dem Meere zu tun sei, so brachten sie uns auf eine Anhöhe, von dannen die offene See und in einer Entfernung von acht bis zehn Meilen auch das Eiland, welches Fanokko Anatom genannt hatte, zu sehen war. Es schien voll hoher Berge und, wenngleich kleiner als Tanna, doch wenigstens zehn bis zwölf Meilen im Umkreise zu sein. Als wir uns in dieser Gegend eine Zeitlang umgesehen, kehrten wir auf demselben Wege, wo wir hergekommen waren, wiederum zurück. So ernstlich uns die Indianer zuvor abgeraten hatten, daß wir nicht tiefer ins Land dringen möchten, ebenso eifrig luden sie uns jetzt dazu ein und erboten sich zu führen. Ich will sie zwar nicht geradezu einer bösen Absicht beschuldigen, allein wir durften uns doch nicht darauf einlassen, denn kurz zuvor hatten sie einen von den Ihrigen voraufgeschickt, und das sah allerdings ein wenig verdächtig aus. Wir wanderten also geradenwegs nach dem Strande zurück, ohnerachtet wir erst eine einzige neue Pflanze gefunden und dieser kleine Vorgeschmack uns nur noch lüsterner danach gemacht hatte, die Insel weiter zu untersuchen.

Die Matrosen waren bei unserer Rückkehr gerade mit dem Fischfange beschäftigt, hatten aber bei weitem keinen so guten Zug getan als das erstemal. Eine Menge von Indianern sah ihnen sehr aufmerksam zu und gab durch Gebärden zu erkennen, daß diese Art zu fischen ein ganz neues Schauspiel für sie sei, indem man hierzulande die Fische nicht anders als, wenn sie sich an der Oberfläche des Wassers zeigen, mit Pfeilen oder Speeren (wie bei uns mit Harpunen) zu schießen wisse. Sooft sie etwas Unbekanntes sahen, entfuhr ihnen der Aufruf Hibau! Ebendies Wort ließen sie auch für Schreck, imgleichen aus Bewunderung, aus Abscheu und selbst aus Begierde nach einer Sache von sich hören. Welche von diesen Bedeutungen es jedesmal haben sollte, das konnte man teils aus den Gebärden, teils aus dem Ton und der Art, wie es bald gedehnt, bald etlichemal schnell hintereinander ausgestoßen ward, sehr gut unterscheiden.

 

An einem der folgenden Tage fuhren wir gleich nach der Mahlzeit wiederum ans Land und eilten längs dem Strande nach der östlichen Spitze des Hafens, von welcher uns die Einwohner des letztemal zurückgewiesen hatten. Unterwegens begegneten wir einigen, die stehenblieben, um mit uns zu sprechen, ein anderer Indianer aber hockte sich hinter einem Baum nieder, spannte seinen Bogen und richtete einen Pfeil auf uns. Dies wurden wir nicht sobald gewahr, als einer von uns gleich mit der Flinte nach ihm zielte, worauf der Kerl augenblicklich den Bogen von sich warf und ganz demütig zu uns hervorgekrochen kam. Es mag sein, daß er keine böse Absicht gehabt, doch ist dergleichen Spaß nicht immer zu trauen.

Indem wir über die Landspitze weg und längs dem jenseitigen Ufer fortgehen wollten, stellten sich mit einmal fünfzehn bis zwanzig Indianer in den Weg und baten uns sehr ernstlich umzukehren. Als sie sahen, daß wir nicht die geringste Lust dazu bezeigten, so wiederholten sie ihre Bitte und gaben endlich durch allerhand Gebärden zu verstehen, daß ihre Landsleute uns ohnfehlbar totschlagen und fressen würden, wenn wir noch weiter vordringen wollten. Es befremdete uns, daß diese Insulaner, die wir nimmermehr für Menschenfresser gehalten hätten, sich auf solche Art selbst dafür ausgaben. Zwar hatten sie sich schon bei anderen Gelegenheiten etwas Ähnliches merken lassen, da es aber lieblos gewesen wäre, sie auf eine bloße Vermutung einer solchen Barbarei zu beschuldigen, so stellten wir uns, als hätten wir ihre Zeichen dahin verstanden, daß sie uns etwas zu essen anboten, gingen also immer weiter fort und winkten ihnen zu, daß wir's uns recht gut würden schmecken lassen. Nun gaben sie sich alle Mühe, uns aus dem Irrtum zu reißen, und deuteten uns durch Zeichen sehr verständlich an, daß sie einen Menschen zuerst totschlügen, hierauf die Glieder einzeln ablösten und dann das Fleisch von den Knochen schabten. Endlich setzten sie die Zähne an den Arm, damit uns gar kein Zweifel übrigbleiben sollte, daß sie wirklich Menschenfleisch äßen.

Auf diese Warnung kehrten wir von der Landspitze zurück und gingen nach einer Wohnhütte hin, die ohngefähr fünfzig Schritt davon auf einer Anhöhe lag. Sobald uns die Bewohner derselben heraufkommen sahen, liefen sie hinein und holten sich Waffen heraus, vermutlich, um uns zurückzutreiben, weil sie glauben mochten, daß wir als Feinde ihnen das Ihrige rauben wollten. Zur Steurung dieses Argwohns mußten wir einer Wißbegierde Schranken setzen, die uns sonst gewiß nachteilig geworden sein würde. Gleichwohl lief sie keineswegs auf eine Kleinigkeit hinaus. Es pflegten nämlich die Indianer auf dieser Landspitze an jedem Morgen bei Tagesanbruch einen langsamen feierlichen Gesang anzustimmen, der gemeiniglich über eine Viertelstunde dauerte und wie ein Totenlied klang. Dies dünkte uns eine religiöse Zeremonie zu sein und ließ vermuten, daß dort irgendwo ein geheiligter Ort verborgen sein müsse, zumal da die Einwohner uns auch immer so geflissentlich von dieser Gegend abzuleiten suchten.

Indem wir einige Schritte zurückgegangen, stiegen wir auf die hohe Ebene, in Hoffnung, von da aus etwas entdecken zu können, weil sie wenigstens um vierzig bis fünfzig Fuß liegt als die Landspitze. Wir fanden aber eine weitläufige Pflanzung vor uns, die aus unzähligen Pisangen, zum Teil auch aus Kokospalmen und andern hohen Bäumen bestand, welche uns nirgends freie Aussicht gestatteten. Überdem war diese Plantage ringsumher, so wie es zu Tonga-Tabu und Namoka gebräuchlich ist, mit dichten Hecken von Rohr umzäunt. Die Indianer folgten uns noch immer auf dem Fuße nach, fingen an, uns von neuem zu warnen und endlich ganz offenbar zu drohen, daß sie uns schlachten und fressen würden, wofern wir darauf beharrten, weiterzugehen. Mit dem alten Vorwand, daß es uns lediglich um die Jagd zu tun sei, war diesmal nichts auszurichten, vielmehr schien unsere heutige Beharrlichkeit sie von neuem so mißtrauisch gemacht zu haben, daß wir wohl nicht ganz friedlich auseinandergekommen sein möchten, wenn uns nicht der alte Pao-vjangom begegnet wäre. Mit diesem ließen sie uns geruhig längs der ganzen Anhöhe gegen das Westende des Hafens fortgehen. Diese Gegend war durchgehend mit Feigenbäumen besetzt, die wegen ihrer eßbaren Blätter und Früchte ordentlich angepflanzt werden.

Jenseits dieser Plantage kamen wir in ein kleines Wäldchen von allerhand blühenden Sträuchen, welches einen anmutigen freien Platz enthielt, der wenigstens hundert Ellen im Gevierte hatte. und auf allen Seiten mit hohen, so dickbelaubten Bäumen eingeschlossen war, daß man kaum hindurchsehen konnte. Am Rande desselben lagen drei Wohnhütten, und in einer Ecke stand ein wilder, ungewöhnlich großer Feigenbaum, der ohnweit der Wurzel wenigstens drei Ellen im Durchmesser hielt und seine Äste auf eine malerische Art wohl vierzig Ellen weit nach allen Seiten ausbreitete. Unter diesem stattlichen Baume, der noch im besten Wüchse war, saß eine kleine Familie bei einem Feuer, an welchem sie Yams und Pisange brateten. Sobald sie uns gewahr wurden, liefen sie fort, sich in den Hütten zu verbergen, allein Pao-vjangom rief ihnen zu, daß sie nichts zu befürchten hätten, und auf diese Versicherung kamen sie wieder zum Vorschein. Die Weiber und Mädchen blieben jedoch in einer ziemlichen Entfernung und sahen nur dann und wann schüchtern hinter den Büschen hervor. Wir taten, als ob wir gar nichts bemerkten, und setzten uns indessen bei den Männern nieder, die uns mit ebender gastfreien Gemütsart, welche wir fast in allen diesen Inseln angetroffen hatten, an ihrer Mahlzeit teilzunehmen baten.

Die Hütten sind eigentlich nur große Dächer, die auf der Erde ruhen und oberhalb schräg zusammenstoßen. An beiden Enden standen sie offen, außer daß ein kleines Geländer, von Rohr und Stecken geflochten, ohngefähr achtzehn Zoll hoch davorgesetzt war. In den größten Hütten betrug die Höhe des Daches neun bis zehn Fuß und die Breite zwischen beiden Dachwänden unten am Boden ohngefähr ebensoviel. Die Länge hingegen war beträchtlicher, indem sie sich zuweilen wohl auf fünfunddreißig bis vierzig Fuß erstreckte. Nichts kann einfacher sein als der Bau dieser Wohnungen. Zwei Reihen Pfähle werden schräg in die Erde gesteckt, so daß sie mit den obern Enden zusammenstoßen. In dieser Richtung werden von den gegenüberstehenden je zwei und zwei aneinander festgebunden und das ganze Sparrwerk mit Matten belegt, bis das Dach dicht genug ist, um weder Wind noch Regen durchzulassen. Inwendig fanden wir nicht das geringste Geschirr oder Hausgerät, sondern bloß etliche aus Palmblättern geflochtene Matten hin und wieder ausgebreitet und den Rest des Fußbodens mit trocknem Grase bestreut. In jeder Hütte war an mehr denn einer Stelle Feuer gemacht gewesen, welches auch die Seitenwände bezeugten, insofern sie über und über von Ruß glänzten.

Mitten auf dem freien Platze standen drei hohe Stangen nebeneinander, die aus Kokosstämmen gemacht und durch kleine Latten unter sich verbunden waren. Von der Spitze an bis zehn Fuß von der Erde herab hatte man viele kurze Stecken der Quere nach an diesen Stangen befestigt und eine Menge alter Kokosnüsse daran aufgehangen. Da die Einwohner das Öl dieser Frucht zum Salben und die Schale zu Armbändern und andern solchen Zieraten gebrauchen, so mag dieses Aufhängen derselben in freier Luft wohl eine Art von notwendiger Zubereitung sein, aus bloßer Wirtschaftlichkeit kann es wenigstens nicht geschehen, dann sonst würden sie in dem großen Hain von wilden Kokospalmen, der längs dieser bebauten Anhöhe ohnweit dem Ufer stand, nicht so viel Nüsse unter den Bäumen haben liegen und verderben lassen. Rings um den grünen Platz hingen auf den Gebüschen kleine Lappen von dem Zeuge, welches sie aus der Rinde eines Feigenbaumes machen und in Form eines Gürtels oder einer Schärpe zu tragen pflegen. Auch die Geschenke, die Pao-vjangom von uns erhalten, worunter sich ein Tressenhut befand, waren gleichsam als Ehrenzeichen zur Schau gestellt.

Dies sorglose Verfahren dünkt mir ein unleugbarer Beweis von der allgemeinen Ehrlichkeit der Tanneser unter sich. In Tahiti muß jeder Eigentümer schon seine kleine Habe ans Dach hängen und die Leiter des Nachts statt eines Kissens unter den Kopf legen, um vor Dieben sicher zu sein. Hier hingegen ist alles auf dem ersten besten Strauch in Sicherheit. Daher kam es auch, daß wir während unsers Aufenthalts unter diesen Insulanern nicht das geringste durch Diebstahl eingebüßt haben. Sobald die Bewohner vorgedachter Hütten sahen, daß wir in ihren Wohnungen keinen Unfug anrichteten, nichts wegnahmen oder auch nur verschoben, so ließen sie sich unsere Gegenwart ganz gern gefallen. Die Jugend, die mit Mißtrauen und Argwohn noch unbekannt, gemeiniglich die ganze Welt für so offenherzig und ehrlich hält, als sie es selbst ist, gewann bald Zutrauen zu uns. Jungen von sechs bis vierzehn Jahren, die anfänglich in einiger Entfernung geblieben waren, kamen unvermerkt näher und ließen sich bei der Hand nehmen. Wir teilten Medaillen an seidenen Bändern, ungleichen Stücken von tahitischem Zeug unter sie aus, welches ihnen denn vollends alle Furcht und Schüchternheit benahm. Wir fragten auch nach ihren Namen und suchten sie auswendig zu behalten. Dieser kleine Kunstgriff brachte uns ihr ganzes Vertrauen zuwege. Sie freuten sich unbeschreiblich sehr, daß wir ihre Namen zu nennen wußten, und liefen sich schier außer Atem, wenn wir sie herbeiriefen.

Endlich standen wir auf, um nach dem Strande zurückzukehren. Unser gewöhnlicher Begleiter, der alte Pao-vjangom, wollte diesmal nicht mitgehen, weil es schon Abend zu werden anfing, dagegen gab er uns drei von seinen Landsleuten zu Führern und trug ihnen ausdrücklich auf, den nächsten Fußsteig zu wählen. Beim Weggehen beschenkten wir ihn für seine geleisteten Dienste aufs neue und schieden vergnügt voneinander. Unsre Führer waren gutwillige junge Leute. Als wir unterwegs über Durst klagten und von den Kokospalmen, die am Strand in großer Menge wuchsen, etliche Nüsse verlangten, schlugen sie alsbald einen andern Pfad ein, der nach einer Pflanzung zu führte. Hier stand eine Partei Kokosbäume in der Mitte der Plantage, und von diesen pflückten sie uns einige Nüsse. Sobald wir sie kosteten, zeigte sich, warum die guten Jungen so weit danach gegangen, da ihnen doch die Palmen am Strande weit näher zur Hand gewesen wären. Es trugen nämlich diese hier ungleich wohlschmeckendere Früchte als jene. Am Strande wuchsen sie sich selbst überlassen und wild, indes die in den Plantagen durch Verpflanzung und sorgfältige Wartung um vieles verbessert waren. Nachdem uns unsere gutherzigen Führer genugsam erquickt, brachten sie uns auf dem kürzesten Wege nach dem Strand herab, so daß wir in wenig Minuten wieder bei unseren Wasserleuten ankamen. Hier belohnten wir sie, so gut es in unserem Vermögen stand, und eilten der einbrechenden Nacht wegen an Bord.

 

Am 13. verfügten wir uns nach der ostwärts gelegenen Anhöhe, um unsere Freunde, die beim alten Paovjangom wohnten, zu besuchen. Sowohl die Neugier als auch das Mißtrauen der Insulaner gegen uns hatten jetzt schon so weit nachgelassen, daß sie weder so oft noch so zahlreich als sonst an den Strand herabkamen. Daher geschah es, daß uns auf unserm heutigen Spaziergang vom Wasserplatz an bis innerhalb der ersten Pflanzungen nicht ein einziger Indianer zu Gesicht kam. Statt dessen hörten wir im Walde Holz fällen und entdeckten durchs Gebüsch einen von den Eingeborenen, der beschäftigt war, mit einer Axt von Stein einen Baum umzuhauen. Ohnerachtet der Stamm im Durchmesser kaum acht Zoll dick sein mochte, so schien es doch mit einem so unzulänglichen Instrument ein sehr mühsames Unternehmen zu sein. Nachdem wir dem Manne eine Zeitlang unbemerkt zugesehen, gingen wir näher heran, da er denn mit der Arbeit innehielt, um sich mit uns zu besprechen. Die Knaben, welche uns von dem letzten Besuche her kannten, kamen herbeigelaufen, riefen uns mit Namen, und brachten jeder eine Handvoll Feigen und Yambos zum Geschenk. Auch die Weiber wagten es, hervorzukommen und uns in Augenschein zu nehmen.

Die Axt, mit welcher der Mann arbeitete, war völlig so gestaltet wie jene, die auf den Freundschaftlichen und Sozietätsinseln im Gebrauch sind, auch der Stein, der die Klinge ausmacht, war hier ebenso wie dort schwarz und dem Basalt ähnlich. Der Besitzer sagte uns, diese Steinart käme von der benachbarten Insel Anatom. Er zeigte uns auch noch eine zweite Axt, daran statt des Steins ein scharfgemachtes Stück von einer Muschel befestigt war. Dies schien von dem sogenannten Bischofshut genommen zu sein und sollte nach der Aussage unseres Indianers von dem niedrigen Eiland Immer (welches etliche Meilen weiter gen Norden liegt) hierher nach Tanna gebracht werden. Der Mann wollte das Stück Land, auf welchem wir ihn trafen, eben von Bäumen und Gebüsch reinigen, um alsdann Yams darauf zu pflanzen. In dieser Absicht hatte er schon vieles Gesträuch umgehauen und in Haufen gelegt, die nachmals verbrannt werden sollten. Als wir von ihm gingen, begleitete uns eine Menge kleiner Jungen nebst zwei erwachsenen Knaben nach dem jenseitigen Strand hin. Auf dem Wege wurden Vögel geschossen und allerhand neue Kräuter eingesammelt.

Bei unserer Rückkunft an den Strand gingen wir eine gute Strecke weit längs dem Ufer fort, um vermittelst eines Umweges von Norden aus nach der östlichen Landspitze des Hafens hinzukommen, weil die Indianer uns auf der Südseite allemal zurückgewiesen hatten. Ohnweit dem Ufer standen etliche kleine Wohnungen, die ihrer Lage nach wie Fischerhütten aussahen. In dem Fall hätten wir unsre ehemalige Vermutung, als ob sich die Tanneser eben nicht sonderlich mit dem Fischfang abgäben, wieder zurücknehmen müssen. Allein es fanden sich weder Leute noch Netze, noch Fische, sondern nur ein paar Wurfspieße darin, die höchstens statt Harpunen konnten gebraucht worden sein.

Als unsere indianischen Begleiter sahen, daß wir weiter gegen die Landspitze zugingen, äußerten sie ungemein viel Besorgnis und baten uns nicht nur sehr dringend, diese Gegend der Insel undurchsucht zu lassen, sondern drohten auch bald, daß man uns im Weigerungsfall totschlagen und auffressen würde. Wir kehrten also um. Es war jetzt das dritte Mal, daß sie selbst durch die deutlichsten Zeichen sich für Menschenfresser ausgaben. Mithin muß diese Barbarei wohl in der Tat bei ihnen im Schwange sein. Gemeiniglich pflegt man dieselbe dem äußersten Mangel an Lebensmitteln schuld zu geben, allein was für einer Ursach will man sie hier beimessen, wo das fruchtbarste Land seinen Einwohnern die nahrhaftesten Pflanzen und Wurzeln im Überfluß und nebenher auch noch zahmes Vieh liefert? Wohl ungleich wahrscheinlicher und richtiger läßt sich diese widernatürliche Gewohnheit aus der Begierde nach Rache herleiten. Selbsterhaltung ist ohnleugbar das erste Gesetz der Natur, bloß um diese zu befördern, pflanzte sie unsern Herzen Leidenschaften ein. In der bürgerlichen Gesellschaft sind wir vermittelst gewisser Gesetze und Verordnungen freiwillig dahin übereingekommen, daß nur einigen wenigen Personen die Sorge überlassen sein soll, das Unrecht zu rügen, was jedem Mitglied insbesondere widerfährt. Bei den Wilden hingegen verschafft sich ein jeder selbst Recht und sucht daher bei der geringsten Beleidigung oder Unterdrückung seinen Durst nach Rache zu befriedigen. Diese feindselige Gesinnung ist uns aber ebensogut von Natur eigen als das andere Gefühl der allgemeinen Menschenliebe, und so entgegengesetzt diese beiden Leidenschaften auch zu sein scheinen, so sind sie doch im Grunde zwei der vornehmsten Triebräder, durch deren gegenseitige Einwirkung die ganze Maschine der menschlichen Gesellschaft in beständigem Gange erhalten und vor der Zerrüttung bewahrt wird.

Die Indianer waren sehr froh, als wir ihnen endlich Gehör gaben und umkehrten. Sie führten uns auf einem Pfade, den wir noch nie gegangen, durch viele stattliche und wohlgehaltene Pflanzungen, die in der schönsten Ordnung waren. Die Jungen liefen vor uns her und ließen ihre Geschicklichkeit in mancherlei Kriegsübungen sehen. Sie wußten nicht nur mit der Schleuder, sondern auch mit dem Wurfspieß sehr gut umzugehen. Statt des letzteren nahmen sie ein grünes Rohr oder auch nur einen etwas starken Grashalm, und so unsicher mit beiden der Wurf hätte sein sollen, indem sowohl das eine als das andere durch den geringsten Hauch vom Winde aus seiner Richtung gebracht werden konnte, so wußten sie doch dem Wurfe so viel Schnellkraft mitzuteilen, daß jene so leichten und biegsamen Körper unverrückt auf das Ziel trafen und bisweilen über einen Zoll tief in das festeste Holz eindrangen. Das sonderbarste dabeiwar, daß sie diese Rohr- oder Schilf Stengel mit keinem Finger anrührten, sondern sie zwischen den Daumen und Zeigefinger bloß ins Gleichgewicht hinlegten und dann so schwebend abwarfen. Knaben von fünf bis sechs Jahren übten sich schon auf diese Art, um eines Tages ihre Waffen mit Fertigkeit und Nachdruck führen zu können.

Der Weg brachte uns endlich nach vielen Krümmungen zu den Wohnhütten unserer freundschaftlichen Begleiter. Die Frauenspersonen hatten daselbst unter dem großen Feigenbaum ein Feuer von kleinen Reisern angelegt und waren eben darüber her, zum Mittagbrot Yams und Arumwurzeln daran zu braten. Als sie uns gewahr wurden, rafften sie sich auf und wollten davonlaufen, der Zuruf unserer Begleiter brachte sie aber bald zu ihrem vorhabenden Geschäft zurück. Wir setzten uns auf den Stamm eines Baumes, der neben einer Wohnung lag, und indes etliche von den Indianern weggingen, Erfrischungen für uns zu holen, suchten wir mit den übrigen ins Gespräch zu kommen. Sie erkundigten sich nach der Beschaffenheit und dem Gebrauch unserer Kleidung, Waffen und Gerätschaften; hievon konnten wir ihnen zwar nicht viel Auskunft geben, lernten aber doch aus ihren Fragen manches neue Wort.

Die Bewohner der zunächst gelegenen Pflanzungen hörten nicht so bald, daß wir da wären, als sie sich sogleich um uns her versammelten und dem Anschein nach Vergnügen an unserm Umgang fanden. Zufälligerweise brummte ich eben ein Liedchen für mich, dadurch zog ich mir bald vieles Bitten zu, der ganzen Versammlung etwas vorzusingen. Ohnerachtet nun keiner unter uns sich ordentlich auf Musik verstand, so probierten wir's doch, ihre Neugier zu befriedigen, und ließen sie allerhand sehr verschiedene Melodien hören. Einige deutsche und englische Lieder, besonders die von lustiger Art, gefielen ihnen sehr, aber keines trug so allgemeinen Beifall davon als Dr. Sparrmanns schwedische Volkslieder. Es fehlte ihnen also weder an Beurteilungskraft noch an eigentümlichem Geschmack in der Musik.

Als wir mit unsern Liedern fertig geworden, sagten wir, die Reihe sei nun an ihnen. Darauf stimmte einer ein sehr simples Lied an, welches harmonisch genug klang, auch, unserm Bedünken nach, weit mehr Melodie hatte denn irgendeins von denen, die wir unter dem heißen Himmelsstrich im Südmeer gehört. Es war ungleich reicher und mannigfaltiger an Tönen als die Gesänge der Tahitier und der Einwohner von Tonga-Tabu, von welchen es sich zugleich durch seine ernsthafte Melodie unterschied. In den Worten mußte ein eignes Silbenmaß beobachtet sein, so leicht und sanft flossen sie ihnen von den Lippen. Sobald der eine ausgesungen, fing der zweite an, sein Lied war von anderer, jedoch ebenso ernsthafter Komposition als das erste, und diese Ernsthaftigkeit in der Musik stimmte mit der Gemütsart der Nation in andern Stücken vollkommen überein. In der Tat sah man sie selten so herzlich lachen oder so aufgeräumt scherzen als die mehr gesitteten Völker auf den Sozietäts- und Freundschaftlichen Inseln, die den Wert der Freude im geselligen Umgange schon besser kannten.

Unsere Indianer brachten nunmehro auch ein musikalisches Instrument zum Vorschein, welches gleich der Syrinx- oder Panflöte von Tonga-Tabu aus acht Rohrpfeifen bestand, mit dem Unterschied, daß hier die Röhren stufenweise kleiner wurden und eine ganze Oktave ausmachten, obgleich der Ton jeder einzelnen Pfeife nicht völlig rein war. Vielleicht hätten wir sie auf diesem Instrument auch spielen gehört, wenn nicht gerade in dem Augenblick ein anderer mit Kokosnüssen, Yams, Zuckerrohr und Feigen gekommen und durch dieses Geschenk unsere Aufmerksamkeit von dem musikalischen Indianer abgelenkt worden wäre.

Ohnerachtet im Vorhergehenden angemerkt worden, daß die Tanneser von mißtrauischer und rachsüchtiger Gemütsart sind, so kann ich ihnen doch bei alledem einen gewissen Grad von Gutherzigkeit und menschenfreundlichem Wesen keineswegs absprechen. Jene scheint ihnen nicht sowohl von Natur eigen, sondern vielmehr eine Folge ihrer unablässigen Kriege zu sein, um derentwillen sie fast in steter Lebensgefahr sein mögen. In dieser Vermutung bestärkt mich ihr Betragen gegen uns. Sie gingen nämlich nicht länger so vorsichtig und zurückhaltend mit uns um, als bis sie überzeugt waren, daß wir in keiner feindseligen Absicht zu ihnen kamen. Zwar ließen sie sich nicht so leicht und viel als die Tahitier mit uns in Handel ein, allein das rührte daher, weil sie nicht so wohlhabend waren als diese.

Wir beschenkten unsere indianischen Freunde, so gut wir konnten, gingen hierauf nach dem Strand zurück und hielten uns daselbst noch eine Zeitlang bei den anwesenden Indianern auf. Unter denselben befand sich eine größere Anzahl Frauenspersonen, als wir jeher beisammen gesehn hatten, die mehresten mußten verheiratet sein, denn sie trugen in Mattensäcken Kinder auf dem Rücken. Einige führten auch in Körben, aus Ruten geflochten, eine Brut junger Hühner oder aber Yambos und Feigen bei sich und boten uns beides zum Verkauf an. Eine von diesen Frauen hatte auch einen ganzen Korb voll grüner Orangen, da doch wir auf allen unseren Spaziergängen nicht einen einzigen Orangenbaum zu Gesicht bekommen. Indessen war es uns angenehm, auf diese Art wenigstens gelegentlich zu erfahren, daß sowohl hier als zu Mallikolo Orangen wachsen, denn daraus läßt sich abnehmen, daß dergleichen auch auf den übrigen dazwischenliegenden Eilanden vorhanden sein müssen.

Mit Entdeckungen dieser Art begünstigte uns das Glück heut ganz vorzüglich. Wir bekamen nämlich von einer Frauensperson auch eine Pastete oder Torte geschenkt, daran die Rinde oder der Teig aus Pisang- und Arumwurzeln, die Fülle aber aus einem Gemisch von Okrasblättern und Kokoskern bestand. Diese Pastete war sehr wohlschmeckend und machte der Kochkunst der hiesigen Damen ungemein viel Ehre. Wir kauften auch etliche achtröhrige Pfeifen ein, die nebst Bogen, Pfeilen, Streitkolben und Speeren feilgeboten wurden, und kamen bei so vielfältigem Aufenthalt ziemlich spät wieder an Bord.

Gleich nach Tische eilten wir wieder nach dem Strande zurück, wo unsre Leute beim Fischfange beschäftigt waren. Dr. Sparrmann und ich gingen auf die Anhöhe, um bei den dort wohnenden Insulanern nochmals einzusprechen. Auf der Hälfte des Weges begegneten uns schon einige und zeigten uns die nächsten Fußsteige. Kaum waren wir bei den Hütten angekommen und hatten uns neben einem ehrlichen, wohlaussehenden Hausvater von mittlerem Alter niedergelassen, so verlangten unsere Freunde, daß wir ihnen wieder etwas vorsingen sollten. Wir machten ihnen diese Freude ohne lange Weigerung, und weil sie sich über die Verschiedenheit unserer Lieder zu wundern schienen, so bemühten wir uns, ihnen begreiflich zu machen, daß wir in unterschiednen Ländern geboren wären. Sobald sie dies verstanden, riefen sie einen ältlichen, hageren Mann aus dem Zirkel der Zuhörer hervor und sagten, dieser sei auch aus einem anderen Lande als sie, nämlich aus der Insel Irromanga, und sollte uns nun ebenfalls eins vorsingen. Er stimmte also sein Lied an, machte aber unzählige Stellungen und Grimassen dazu, worüber nicht nur alle anwesenden Indianer, sondern auch wir rechtschaffen lachen mußten. Sein Lied war übrigens vollkommen so wohlklingend als jene, welche wir von den eingebornen Tannesern gehört hatten.

Wir blieben bei diesen guten Indianern bis gegen Sonnenuntergang, hörten ihren Gesängen zu und bewunderten ihre Geschicklichkeit in Waffenübungen. Sie schossen ihre Pfeile, je nachdem wir es verlangten, teils in die Höhe, teils gerade vor sich nach einem Ziele. Sehr hoch konnten sie solche zwar nicht treiben, in einer geringen horizontalen Entfernung aber waren sie, wie ich bereits erwähnt, vortreffliche Schützen. Auch wußten sie mit den Keulen oder Streitkolben die Wurfspieße fast auf ebendie Art als die Tahitier abzuwenden. Die Keulen, die an beiden Seiten mit einem hervorragenden Zapfen versehen sind (der flach und ohngefähr wie die Lanzetten der Roßärzte gestaltet ist), kommen ihrer Aussage nach von der niedrigen Insel Immer, ob sie aber von den dortigen Einwohnern verfertigt werden oder ob das Eiland unbewohnt ist und um des Muschelfangs, imgleichen, um diese Holzart zu holen, nur von Zeit zu Zeit besucht wird, konnten wir nicht herausbringen. Ehe wir sie verließen, zündeten die Weiber zur Bereitung des Abendbrots teils in, teils außerhalb der Hütten verschiedene Feuer an, zu welchen die Männer und Kinder sich sehr hinzudrängten, weil sie bei nacktem Leibe die Abendluft zu kühl finden mochten.

Als wir an den Strand zurückkamen, waren die mehresten von den Eingebornen schon zur Ruhe gegangen, und in kurzer Zeit befanden wir uns ganz und gar allein. Die Kühle des Abends, welche den armen nackten Indianern so empfindlich gewesen, war uns Bekleideten so angenehm, daß wir noch eine ganze Zeit lang einsam in den Wäldern herumspazierten. Die Dämmerung lockte daselbst eine Menge Fledermäuse aus ihren Schlupfwinkeln. Fast aus jedem Strauch flatterten uns welche entgegen, doch bekamen wir nicht eine einzige zum Schuß. Man konnte sie nämlich nicht früh und nicht lange genug sehen, um nach ihnen zu zielen. Sowenig es uns mit der Jagd gelingen wollte, sowenig war es auch den Matrosen bei ihrem Fischzuge geglückt. Sie trugen die Netze wieder ins Boot, ohne nach langer Arbeit mehr als ein paar Dutzend Fische gefangen zu haben.

 

Am folgenden Morgen gingen Kapitän Cook, Herr Wales, Herr Patton, Dr. Sparrmann, mein Vater, ich und noch einige andere, die sämtlich Lust hatten, den Vulkan in der Nähe zu sehen, nebst zwei Matrosen nach dem auf der Westseite des Hafens gelegenen Berg.

Beim Bergansteigen fanden wir den Wald an mehreren Orten ausgehauen und das Land zu Pflanzungen vorbereitet. Diese Stellen mochten zusammengenommen wohl einen Morgen Landes ausmachen und mußten nach der Probe, die wir vor etlichen Tagen mit eigenen Augen gesehen, den Indianern nicht wenig Zeit und Mühe gekostet haben. Wir kamen bei verschiedenen Hütten vorüber, trafen aber nirgends einen Einwohner an, ausgenommen in einer sehr wohlgehaltenen Plantage. Dort war ein einzelner Mann beschäftigt, Yamwurzeln zu setzen. Unsere unvermutete Gegenwart jagte ihm keinen geringen Schrecken ein. Da er aber hörte, daß wir nur den nächsten Weg nach dem Vulkan zu wissen verlangten, so faßte er sich bald wieder, zeigte uns einen Fußpfad, der gerade darnach hinführen sollte, und fuhr hierauf getrost in seiner Arbeit fort. Bei den Wohnungen sahen wir etliche Schweine und Hühner, die frei herumliefen. Um dieser Tiere willen geschieht es vermutlich, daß die Einwohner ihre Ländereien mit Zäunen und Hecken einfassen.

Etwas weiter hinauf kamen zwei Indianer aus einem benachbarten Pisanggarten und gesellten sich zu uns. Mit diesen gerieten wir an einen Scheideweg. In dem einen, der tiefer ins Land ging, stand ein Wilder, der uns mit aufgehobenem Speer das Weitergehen verbieten wollte. Wir sagten ihm, daß wir bloß nach dem Vulkan hinzukommen wünschten. »So müßt ihr«, erwiderte er, »den anderen Fußsteig wählen.« Und damit ging er selbst voran. Indem wir ihm folgten, sah er sich zu verschiedenen Malen um und zählte, wie viele unserer wären. Nach Verlauf einiger Zeit erreichten wir einen offenen Platz, wo das Land weit und breit zu übersehen war, und nun zeigte sich, daß er uns geflissentlich irregeführt hatte. Wir kehrten also, aller seiner Zeichen ohngeachtet, wieder um. Da er seine List entdeckt und sich allein nicht stark genug fand, Gewalt gegen uns zu gebrauchen, so nahm er seine Zuflucht in einem andern Hilfsmittel. Er blies nämlich wie auf einem Horne durch die hohle Hand. Auf dieses Signal ward auf verschiedenen Seiten des Berges gleichsam zur Antwort in die Trompetenmuschel gestoßen. Sobald er dieses hörte, rief er so laut als möglich seinen Landsleuten zu, wie viele unserer wären, vermutlich, damit sie sich in genügsamer Anzahl versammeln und zur Wehr setzen möchten.

Wir hatten uns mittlerweile von neuem verirrt und waren in ein schönes, einsam gelegenes und ringsum mit hohen schattigen Bäumen eingeschlossenes Tal gekommen, wo sich eine Menge Tauben und Papageien aufhielten. Von diesen schossen wir unterschiedene. Der Knall unserer Gewehre brachte bald einige Insulaner und unter anderm ein paar Knaben herbei, die wir durch Geschenke zu gewinnen suchten. Dies fruchtete so viel, daß sie uns ungehindert einem Fußsteig folgen ließen, der schlängelnd durch ein dickes, finsteres Gebüsch nach einem offenen Platz hinging, wo wir drei oder vier Häuser so groß als die Wohnungen des alten Pao-vjangom vor uns fanden. Zehn bis zwölf Wilde, die mit Bogen, Pfeilen, Streitkolben und Speeren wohlbewaffnet ohnweit der Hütten in einer Reihe saßen, sprangen bei unserm Anblick alsbald von der Erde auf. Wir winkten ihnen und gaben durch Zeichen zu verstehen, daß wir nichts Übles im Sinne hätten. Sie schienen uns aber dennoch nicht recht zu trauen. Die ältesten unter ihnen bezeigten sich friedlicher als die jüngeren, von denen zwei bis drei die Stirn runzelten und mit ihren Waffen allerlei Schwenkungen machten. Dies hätten wir ihnen leicht zu einer Ausforderung anrechnen können. Da es uns aber im geringsten nicht um Händel zu tun war, so baten wir sie, uns den Weg nach dem Strande anzuweisen. Ein wirksameres Mittel zu ihrer Beruhigung hätten wir gar nicht anwenden können. Es erboten sich gleich ein paar von ihnen zu Führern und brachten uns auf einen schmalen Fußsteig, der anfänglich sehr steil, doch bald nachher bequemer wurde.

Als wir etwa eine Viertelmeile weit heruntergestiegen sein mochten, rieten sie uns, ein wenig auszuruhen, und kaum hatten wir uns niedergesetzt, so kamen ihre Landsleute, die bei den Hütten zurückgeblieben waren, mit Kokosnüssen, Pisangen und einer Menge Zuckerrohr beladen, nachgewandert. Des schwülen Wetters halber waren uns diese Erfrischungen überaus angenehm, und wir bezeigten den guten Leuten unsere Erkenntlichkeit dafür durch allerlei Geschenke. Wir sahen nunmehro auch offenbar, daß sie uns lediglich aus Mißtrauen, nicht aber aus wirklich menschenfeindlicher Gesinnung hatten abhalten wollen, tiefer in ihr Land zu dringen. Nach Verlauf einer halben Stunde kamen wir endlich in die Gegend des Strandes zurück, von da wir am Morgen unsere Wanderschaft angetreten. So endigte also diese kleine Reise, die bei etwas mehr Unbesonnenheit von unserer Seite den Einwohnern sowohl als uns hätte nachteilig werden können, ohne die geringste Unannehmlichkeit. Unsere Absicht, den Vulkan näher zu untersuchen, war freilich vereitelt und selbst kein Anschein da, sie in der Folge glücklich zu erreichen, allein die Billigkeit und Klugheit erfordern es doch einmal, daß man seiner Wißbegierde Schranken setzt, wenn sie nicht ohne Ungerechtigkeit und Blutvergießen befriedigt werden kann.

Unter denen am Strande versammelten Indianern trafen wir einen alten abgelebten Mann, den noch keiner von uns zuvor gesehen hatte. Die Wilden versicherten, er sei ihr Eriki und heiße Jogai. Er war lang, hager, ausgezehrt und hatte einen fast gänzlich kahlen Kopf nebst eisgrauem Bart. Seine Gesichtsbildung zeigte viel Gutherzigkeit und, so runzligt sie auch war, noch immer Spuren von ehemaliger Schönheit an. Neben ihm saß ein anderer, der ohne die Anwesenheit eines so ganz abgelebten Greises ebenfalls schon für einen alten Mann hätte gelten können. Diesen gaben die Indianer für des alten Jogai Sohn aus und nannten ihn Jatta. Er war groß, wohlgebaut und für einen Tanneser wirklich schön zu nennen. Sein Blick, der etwas Geistreiches, Einnehmendes und gegen uns Fremde überaus Freundliches an sich hatte, trug hierzu nicht wenig bei; auch kleidete es ihn gut, daß er sein schwarzes beinahe wolligt-krauses Haar, so wie es von Natur war, ganz ungekünstelt ließ. Die Insulaner sagten, er wäre ihr Kau-Wosch, welches vermutlich ein Titel ist, der soviel als Thronfolger, Erb- oder Kronprinz und dergleichen bedeuten mag. Von Leibesfarbe waren diese Befehlshaber so schwarz als der Geringste ihrer Untertanen, unterschieden sich auch sonst durch keinen äußeren Putz oder Zierat, ausgenommen, daß ihr Leibgürtel schwarz gestreift und wechselweise mit weißen, roten und schwarzen Feldern bemalt war, anstatt daß dergleichen Schärpen sonst nur einfarbig, entweder gelb oder zimmetfarben, zu sein pflegten. Dennoch konnte diese Verschiedenheit auch nur etwas Zufälliges und nicht ein eigentümliches Zeichen der königlichen Würde sein. Das einzige abgerechnet, daß man ihnen den Titel Eriki beilegte, ward keinem von beiden besondere Ehrerbietung bezeigt, auch sahen wir nicht, daß sie Befehle erteilt hätten. Ich vermute daher, daß ihr Ansehen nur zu Kriegszeiten etwas gilt.

Wir machten diesen Befehlshabern einige kleine Geschenke und baten sie, uns ans Schiff zu begleiten, welches sie aber ausschlugen. Also kehrten wir allein zum Mittagessen an Bord zurück. Unsere Leute brachten heute vieles Kasuarinaholz vom Lande mit, indem sie auf der hohen Ebene einen schönen Baum dieser Art gefällt hatten. Die Veranlassung hierzu war, daß wir an unserm Ruderbalken einen Riß entdeckt und keinen andern im Schiffe vorrätig hatten. Der Kapitän wollte also aus diesem Stamm einen neuen Ruderbalken machen lassen. Sobald von den Zimmerleuten mit Durchsägung des Stammes der Anfang gemacht worden, war Pao-vjangom unverzüglich zum Kapitän Cook gekommen und hatte sich über dieses Unternehmen beschwert. Denn die Kasuarinabäume sind hierzulande sehr geschätzt und dabei so selten, daß die Einwohner ihre daraus verfertigten Keulen von Irromanga, woselbst diese Holzart häufig wächst, herholen müssen. Der Kapitän erteilte gleich Befehl, daß mit der Arbeit innegehalten werden sollte, weil aber der Stamm schon zu tief eingeschnitten war, als daß der Baum sich wieder hätte erholen können, so schenkte er dem Alten einen Hund, die Menge tahitischen Zeuges nebst verschiedenen andern Sachen und bekam dafür von ihm und den Seinigen Erlaubnis, den Baum zu nehmen. Bei diesem und einigen anderen Vorfällen sah man augenscheinlich, daß Pao-vjangom unter den Leuten, die auf der ostwärts gelegenen hohen Ebene wohnten, vielen Einfluß hatte. Doch rührte dieser vermutlich bloß von seinem ehrwürdigen Alter her, denn die Regierungsform scheint hier noch auf der untersten Stufe, das ist patriarchalisch zu sein. Jede Familie hält sich nämlich an den Rat des Ältesten, und dieser wagt es nicht, sein Ansehen zu Härte und Tyrannei zu mißbrauchen.

 

Die Vorräte von Trinkwasser, Brennholz und Ballast waren seit unserm Hiersein nun wiederum so weit ergänzt, daß wir am folgenden Morgen absegeln wollten. Allein der Wind verhinderte es, indem er gerade in die Mündung des Hafens hineinblies. Wir gingen also nach dem Frühstück in Begleitung des Kapitäns wie gewöhnlich ans Land, er, um mit den Einwohnern zu handeln, wir aber, um uns zu guter Letzt noch einmal auf der Insel umzusehen. In dieser Absicht nahm jeder einen andern Weg. Auf dem, den ich gewählt hatte, begegneten mir viele von den Insulanern, die nach dem Strande herab wollten. Es war nicht ein einziger darunter, der nicht aus dem Fußsteige gewichen wäre, um mir Platz zu machen, und ohnerachtet sie sahen, daß ich ganz ohne Begleitung war, so verzog doch keiner auch nur eine Miene gegen mich. Natürlicherweise ließ ich mir dies eine Aufmunterung sein, meinen Spaziergang desto weiter auszudehnen, und kam auf solche Art in dem Tale, welches an der Südseite der hohen Ebene liegt, um ein gutes Stück tiefer ins Land, als ich zuvor je gewesen. Überall mit dichter Waldung umringt, ward ich selten von der Gegend etwas gewahr, wenn nicht hie und da eine Lücke zwischen den Bäumen mir einige Aussicht verschaffte. Dann aber hatte ich ein desto reizenderes Schauspiel. Ich übersah einen Teil der am Abhange des Hügels befindlichen Pflanzungen, wo die Einwohner in voller Arbeit waren. Sie fällten oder beschnitten Bäume, bestellten ihr Land statt eines Spatens mit einem dürren Ast und setzten Yams oder andere Wurzeln. An einem Orte hörte ich sogar einen Indianer bei seiner Arbeit singen.

Das Geräusch eines herankommenden Wanderers unterbrach mich. Es war Dr. Sparrmann. Ich zeigte ihm die Gegend und erzählte, zu was für Gedanken sie mich verleitet hatte. Doch endlich mußten wir uns losreißen und nach dem Schiffe zurückkehren, weil der Mittag nicht weit war. Der erste Einwohner, dem wir begegneten, flüchtete vor uns und versteckte sich hinters Gebüsch. Unmittelbar darauf trafen wir beim Eingange einer Plantage eine Frau an, die allem Ansehen nach ebensogern davongelaufen wäre, es aber nicht wagte, weil wir ihr ganz unerwartet und schon sehr nahe gekommen waren. Mit zitternder Hand und verstörtem Gesicht bot sie uns einen Korb voll Yambosäpfeln an. Dies Betragen befremdete uns nicht wenig, doch kauften wir ihr die Früchte ab und gingen weiter. Sowohl innerhalb als außerhalb dieser Plantage standen viele Männer im Gebüsch, die unaufhörlich winkten, daß wir an den Strand zurückgehen möchten.

Sobald wir aus dem Walde heraustraten, klärte sich das Rätsel auf. Zwei Männer saßen im Grase und hielten einen dritten tot in ihren Armen. Sie zeigten uns eine Wunde, die er von einer Flintenkugel in die Seite bekommen hatte, und sagten dabei mit dem rührendsten Blick: »Er ist umgebracht.« In ihrer Sprache wird dies ungleich eindringender durch das einzige Wort Markom ausgedrückt. Auf diese Botschaft eilten wir nach der Gegend des Strandes, wo unsere Leute sich aufzuhalten pflegten, fanden aber keinen einzigen Indianer mehr bei ihnen und erfuhren, wie die Sache zugegangen war. Man hatte wie gewöhnlich eine Schildwache aufgestellt, die den Platz, den unsre Leute zu ihren Geschäften brauchten, von Indianern rein halten mußte, dahingegen die Matrosen diese Scheidelinie ohne Bedenken überschreiten und sich nach Belieben unter die Wilden mischen durften.

Einer von den Indianern, der vielleicht seit unserm Hiersein noch nie am Strande gewesen sein mochte, hatte sich zwischen seinen Landsleuten vorgedrängt und wollte über den freien Platz gehen. Weil aber unsere Leute diesen für sich allein zu haben meinten, so nahm die Schildwache den Indianer beim Arm und stieß ihn zurück. Dieser hingegen glaubte mit Recht, daß ihm auf seiner eigenen Insel ein Fremder nichts vorzuschreiben habe, und versuchte es daher von neuem, über den Platz wegzugehen, vielleicht bloß um zu zeigen, daß er gehen könne, wo es ihm beliebte. Allein die Schildwache stieß ihn zum zweiten Male, und zwar mit solchem Ungestüm zurück, daß wohl ein minder jähzorniger Mann als ein Wilder dadurch hätte aufgebracht werden müssen. Kein Wunder also, daß er, um seine gekränkte Freiheit zu verteidigen, einen Pfeil auf den Bogen legte und damit nach dem, der ihn angegriffen, zielte. Dies ward der Soldat nicht so bald gewahr, als er sein Gewehr anschlug und den Indianer auf der Stelle totschoß. In dem Augenblick, da dieser fiel, trat der Kapitän ans Land und sah, wie die übrigen davonliefen, um den grausamen, verräterischen Leuten zu entkommen, die auf fremdem Boden sich solche Ungerechtigkeiten erlaubten. Bereit, den Fehler nach Möglichkeit wiedergutzumachen, schickte er den Soldaten alsbald geschlossen an das Schiff und gab sich alle Mühe, die Einwohner zu besänftigen. Verschiedene derselben, besonders die, welche auf der östlichen hohen Ebene wohnten, ließen sich auch wirklich überreden, stehenzubleiben und denen von neuem zu trauen, die das vornehmste Gebot der Gastfreiheit so schändlich aus den Augen gesetzt hatten. Wahrlich ein rührender Beweis von der angeborenen Güte des menschlichen Herzens.

Eine ebenso seltene Mäßigung war es, daß die Wilden Dr. Sparrmann und mir nicht das geringste Leid zufügten, da sie doch den Mord ihres Landsmannes an uns beiden aufs nachdrücklichste hätten rächen können. Wir fuhren nunmehro mit dem Kapitän ans Schiff, nicht ohne Besorgnis, wie es meinem Vater ergehen würde, der, ohne von der vorgefallenen Begebenheit etwas zu wissen, in Begleitung eines einzigen Matrosen noch im Walde herumirrte. Doch es lief besser ab, als wir befürchtet, denn nach Verlauf einer Viertelstunde sahen wir ihn bei der Wache, die zu Sicherung einiger Wasserfässer am Lande zurückgeblieben war, wohlbehalten ankommen, und nun ließen wir ihn sogleich durch ein Boot abholen. Die Wilden hatten den Mord ihres Bruders ihn sowenig als uns entgelten lassen, sondern schienen vielmehr von unserer Gemütsart einen zu vorteilhaften Begriff gefaßt zu haben, um das Verbrechen eines einzigen Mannes den übrigen allen beizumessen.

Was mußten die Wilden von uns denken? Waren wir jetzt noch besser als andere Fremdlinge, oder verdienten wir nicht weit mehr Abscheu, weil wir uns unter dem Schein der Freundschaft eingeschlichen hatten, um sie hernach als Meuchelmörder zu töten? Ich muß gestehen, daß mehrere von unserer Schiffsgesellschaft billig genug dachten, dieses Unglück laut zu beklagen. Dergleichen Übereilungen waren uns fast allerorten begegnet, und der Schaden nirgends gutzumachen gewesen. Und hier in Tanna, wo wir uns bis auf den Tag unserer Abreise gesitteter und vernünftiger denn irgendwo betragen hatten, auch hier mußte dieser Ruhm durch die offenbarste Grausamkeit wieder vernichtet werden. Der Kapitän wollte den Soldaten mit exemplarischer Strenge dafür bestrafen lassen, daß er der ausdrücklichen Vorschrift, nach welcher dem Jähzorn der Wilden nie etwas anderes als Sanftmut entgegengesetzt werden sollte, so offenbar und mutwillig zuwidergehandelt hatte. Allein der Offizier, der am Strande das Kommando gehabt, nahm sich des Kerls an und sagte, er hätte jenen Befehl des Kapitäns seinen Leuten nicht bekanntgemacht, im Gegenteil ihnen eingeschärft, daß man die Wilden, wenn sie sich im geringsten beigehen ließen zu drohen, geradenwegs erschießen müsse. Auf dieses Geständnis konnte man dem Soldaten nichts weiter anhaben, ob aber der Offizier über das Leben der Einwohner zu gebieten habe, das ward weiter nicht untersucht. Man wußte, daß der Offizier viele vornehme Anverwandte hatte, worunter auch Minister befindlich waren. Überdem scheint es in England nicht viel auf sich zu haben, wenn ein Subaltern seine Schuldigkeit unterläßt oder gegen die Subordination handelt. Ja, man hat sogar Beispiele, daß ein Offizier cum infamia kassiert und gleichwohl bald nachher Staatsminister geworden ist. Jedes Land hat so seine eigene Weise!

Nach Tische fuhren wir wieder ans Land, wo die Matrosen noch zu guter Letzt ihr Glück im Fischfange versuchten, und zwar nicht ganz ohne Erfolg. Von Einwohnern waren nur sehr wenige zugegen und die mehresten unbewaffnet, so daß die Ermordung ihres Landsmannes vergessen oder wenigstens vergeben zu sein schien. Mein Vater, Dr. Sparrmann und ich gingen nach der Ebene, um Vögel zu schießen. Auch dort erblickten wir nur einen einzigen Indianer, der noch dazu, sobald er uns ansichtig ward, einen andern Weg nahm und mit starken Schritten zu entfliehen suchte. Wir riefen ihm aber nach und brachten es durch alle Freundschaftsbeteuerungen, die sich durch Zeichen nur ausdrücken lassen, so weit, daß er umkehrte. Mit mißtrauischem, schüchternem Blick wagte er's, näher zu kommen, doch beruhigten wir ihn endlich durch allerhand Geschenke, schieden als gute Freunde und kehrten mit allen unseren Leuten ziemlich spät an Bord zurück.

Am folgenden Morgen sah man verschiedene Kanus mit aufgespannten Segeln aus dem Hafen abgehen. Der Form nach kamen sie mit den Fahrzeugen, die auf den Freundschaftlichen Eilanden gebaut werden, ziemlich überein, nur daß die hiesigen ungleich schlechter gearbeitet waren als jene. Sie hatten durchgehends Ausleger und konnten zum Teil bis zwanzig Mann führen. Die Segel waren niedrig und bestanden aus dreieckigen Matten, davon das breite Ende aufwärts, das spitzige nach unten zu gekehrt war. Ein langes Stück Holz, wie ein Trog ausgehöhlt, macht den Boden des Kanus aus, und die Seitenwände bestehen aus einer oder zwei aufeinandergesetzten Planken, die mit Stricken von Kokosfasern folgendermaßen verbunden sind: Bei Bearbeitung der Planken wird die äußere Seite ganz glatt und eben gezimmert, indes auf der inneren in gewisser Entfernung kleine Erhöhungen oder Höcker am Holze gelassen werden, die, in senkrechter Richtung durchbohrt, als lauter fest eingeschraubte Ringe hervorragen. Durch diese Löcher oder Ringe ziehen sie die Stricke durch und schnüren auf solche Art die Planken eine auf der anderen fest, ohne daß außerhalb weder von den Löchern noch von den Stricken das mindeste zu sehen ist. Die Ruder sind in aller Absicht schlecht, sowohl was die Form als was die Arbeit betrifft. Daß die Tanneser ihre Fahrzeuge und übrigen Handarbeiten nicht so sauber machen und so schön glätten als die Bewohner der Freundschaftlichen Eilande mag wohl daher rühren, daß der ewige Krieg, worin sie zu leben scheinen, ihnen nicht genug Zeit dazu erübrigen läßt.

 

Da der Wind nunmehro günstig war, so lichteten wir die Anker und stachen nach einem Aufenthalt von sechzehn Tagen am 20. August wieder in See.

Wir steuerten ostwärts nach der Insel Irroman hin. Der Aufenthalt in Tanna hatte uns drei bis vier Mahlzeiten von frischen Fischen, imgleichen einen kleinen Vorrat von Yams verschafft, der aber für die Kranken aufbewahrt werden mußte. Es stellten sich nämlich jetzo unter den Matrosen Fieber ein, und bloß diese Patienten waren es, denen statt des ungesunden Zwiebacks und gepökelten Rindfleisches kleine Portionen von Yams ausgeteilt werden durften.

Abends gelangten wir ziemlich nahe an die Insel Irroman, welche ohngefähr zwölf Seemeilen ostwärts von Tanna liegt und aus einem hohen Tafelberge besteht. Die Nacht über ward mit Lavieren zugebracht und am nächsten Morgen die Lage der Insel Anatom bestimmt. Sie ist etwas kleiner als Tanna, doch konnten wir der Entfernung wegen nicht genau feststellen, um wieviel. Ein frischer Wind begünstigte unsere Fahrt dermaßen, daß wir am folgenden Morgen schon an der Südwestseite von Irromanga hinsegelten. Noch vor Sonnenuntergang gelangten wir an die südlichen Ufer von Sandwich-Eiland, die uns weit fruchtbarer und reicher an Waldung vorkamen als die auf der Nordseite, wo wir ehemals, auf dem Hinwege, vorbeigesegelt waren. Die ganze Nacht über ging unsere Fahrt so schnell fort, daß wir am Morgen schon an der Südwestküste von Mallikolo hinsteuerten. Gegen Mittag stießen zwei Kanus vom Lande ab und ruderten uns entgegen, sie mußten aber bald zurückkehren, weil wir für ihre Fahrzeuge viel zu schnell segelten. Während der Nacht liefen wir um die nördliche Spitze von Mallikolo und befanden uns bei Tagesanbruch am 24. schon ziemlich weit in der Durchfahrt, die Bougainville zwischen Mallikolo und einer andern, mehr gen Norden gelegenen Insel entdeckt hat.

Das Land, welches wir jetzt gen Norden sahen, ist vermutlich eben dasjenige, welches, von dem ersten erfahrenen Seemann Quirós entdeckt; mit dem Namen Tierra del Espiritu Santo (Land des Heiligen Geistes) belegt und damals für ein Stück des Kontinents oder festen Landes gehalten wurde. Die Bai Sankt Philipp und San Jago, darin er ankerte, mag wohl innerhalb der kleinen Inseln befindlich sein, die wir längs der Küste liegen sahen, denn wir bemerkten hinter selbigen wirklich etwas einer Bai Ähnliches; der Kapitän wollte sich aber nicht die Zeit nehmen, es näher zu untersuchen, sondern begnügte sich, die kleinen Eilande nach dem Tage, an welchem wir sie zuerst erblickt hatten, Bartholomäus-Eilande zu nennen.

Nunmehr bekamen wir auch die Insel der Aussätzigen (Isle des Lépreux) und Aurora, beide ziemlich weit gen Osten, zu Gesicht und steuerten längs der östlichen Küste von Tierra del Espiritu Santo gerade nach Norden hinauf. An dieser befand sich eine Menge kleiner Eilande, die Herr von Bougainville nicht gesehen hatte, sie waren so wie die große Insel von fruchtbarem Ansehen und überall mit Waldung bedeckt, aus welcher an unzähligen. Orten Rauch emporstieg, ein sicheres Merkmal, daß sie reichlich bevölkert sein mußten. Die Nacht hindurch kreuzten wir ab und zu und befanden uns frühmorgens den nördlichsten Eilanden gegenüber, woselbst auch von der großen Insel bereits das nördlichste Ende zum Vorschein kam. Endlich lenkten wir westwärts und entdeckten hinter einem auf der Hauptinsel gelegenen Vorgebirge eine sehr geräumige Bai, die am Eingang nicht weniger als fünf starke Seemeilen breit und von verhältnismäßiger Tiefe war. Auf dem westlichen Ufer der Bai kamen vornehmlich gegen Abend viele Eingeborne zum Vorschein. Nachdem sie uns lange genug angegafft hatten, stießen etliche in einem Kanu, das nach der Art der mallikolesischen Fahrzeuge gebaut war, vom Lande und ruderten auf uns zu. Wir suchten sie durch alle ersinnlichen Freundschaftszeichen der besten Aufnahme im voraus zu versichern, demohnerachtet getrauten sie sich nicht ganz nahe heran. Es wunderte uns, den an dieser Seite der Bai befindlichen Berg seines steilen Aufganges ohnerachtet reichlich mit Bäumen bewachsen und auch stark bewohnt zu sehen. Vom Fuße desselben lief ein niedriger, ebener Streifen Landes ein bis zwei Meilen weit in die Bai und machte eine Art von Bucht aus.

Daselbst erwarteten wir das Tageslicht und fuhren hernach fort, bei schwachem Winde südwärts in die Bai hineinzusteuern. Dies währte aber nicht lange, denn gegen Mittag hatten wir schon wieder Windstille. Nach Tische mußten zwei Boote tiefer in die Bai rudern, um sich im Innersten derselben nach einem Hafen oder« Fluß umzusehen, wovon der Entfernung wegen vom Schiff aus nichts zuerkennen war.

Während dieser Zeit kamen drei Kanus mit dreieckigen Segeln vom Ufer und näherten sich ziemlich schnell. In jedem saßen vier bis fünf Mann, die ganz nackend waren. Die Kanus waren gleich denen in Mallikolo schlecht gearbeitet und mit Auslegern versehen, auch lagen einige Speere mit zwei bis drei Spitzen darin, die unstreitig zum Fischfang dienten, außer diesen hatten die Leute gar keine Waffen. Sobald sie uns nahe genug dünkten, riefen wir ihnen zu und ließen Medaillen, Nägel, tahitisches Zeug und roten Boy herab, welches sie ungesäumt in Empfang nahmen. Von allen diesen Kleinigkeiten machten ihnen die Nägel die mehreste Freude, sie müssen also dieses Metall bereits kennen. Vielleicht ist seit Quirós' Zeiten etwas Eisenwerk allhier zurückgeblieben und durch seine Dauerhaftigkeit bei den Einwohnern beliebt geworden. An demselben Strick, mit welchem wir ihnen unsere Geschenke herunterließen, schickten sie uns einen Zweig des Pfefferbaums herauf, außer diesem Freundschaftszeichen hatten sie aber nichts zu geben.

Wir redeten sie verschiedentlich an, und sie antworteten etliche Male, doch verstand keiner den andern. Endlich fiel es mir bei, die Zahlen in der Sprache der Freundschaftlichen Eilande herzunennen, und kaum hatte ich zu zählen angefangen, so unterbrachen sie mich und zählten in derselben Mundart richtig bis zehn fort. Darauf deutete ich mit dem Finger aufs Land und verlangte den Namen der Insel zu wissen. Sie antworteten mir mit dem Wort Fannua, welches in vorgedachtem Dialekt soviel als Land bedeutet.

Am nächsten Tage wehte der Wind noch immer so schwach, daß wir an der westlichen Küste von Tierra del Espiritu Santo nur ganz langsam herabkamen. Am 30. und 31. drehte der Wind nach Süden, so daß wir ab und zu lavieren mußten, um die südwestliche Spitze der Insel zu erreichen. Diese Landspitze nannten wir Kap Lisburne. Von dort aus liefen wir nochmals in die Durchfahrt zwischen Mallikolo und Tierra del Espiritu Santo, damit an völliger Umschiffung der letztern Insel nicht das geringste fehlen möchte.

Nunmehro hatten wir unsern Endzweck, den allhier befindlichen Haufen von Inseln ganz zu umschiffen, völlig erreicht. Er bestand aus zehn großen und einer Menge kleinerer Eilande. Kapitän Cook nannte sie nämlich in Beziehung auf die an der westlichen Küste von Schottland befindlichen Hebridischen Inseln die Neuen Hebriden. Es war sechs Uhr abends, als wir das Schiff umwandten und mit den südöstlichen Passatwinden von den Neuen Hebriden weg nach Süd-Südwest steuerten.

Nunmehro richteten wir unsern Lauf gen Süden, um die Südsee in ihrer größten Breite, nämlich bis zur Spitze von Amerika hin, zu durchkreuzen.


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