Karl Albrecht Heise
Japanische Märchen
Karl Albrecht Heise

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

illustration

Die Auster.

Auf dem Meeresgrunde lebte einmal eine Auster. Diese hatte, wie alle Austern, sehr starke Schalen, die sie, wenn ein verdächtiges Geräusch ertönte, jedesmal fest schloß; denn dann konnte ihr, wie sie glaubte, nie etwas Böses geschehen. Die Fische im Meere beneideten sie deshalb und sagten zu ihr: »Frau Auster, Ihr habt eine schöne Festung; wenn Ihr sie schließt, seid Ihr sicher und könnt daher ein recht schönes Wohlleben führen!«

»Es ist nicht weit her,« erwiderte die Auster bescheiden aber mit Stolz; »wenn ich auch vor äußerer Gefahr sicher bin, so bin ich doch nicht ohne Not; denn es ist gar zu langweilig das Leben!«

In diesem Augenblick gab es unter den Fischen eine große Unruhe und das Wasser wurde aufgerührt, flugs schloß die Auster ihre Schalen und dachte: »Ach, die armen Fische! Jedenfalls ist da wieder ein Netz oder eine Angel. Ich bin nur froh, daß ich in meiner Schale sicher bin! Ja, ja, man muß stets vorsichtig sein!«

Die Auster verhielt sich ganz ruhig; nachdem das Geräusch verstummt war, wollte sie sehen, was geschehen sei und öffnete vorsichtig die Schalen, aber o Schreck: An ihrer Schale hing ein Zettel, auf dem stand: »Diese Auster kostet 2 senEin Sen, jetzige japanische Münze = 2 Pfennig.

Sie befand sich auf dem Ladentisch eines Fischhändlers.

Hieraus kann man lernen, sich nie in Sicherheit zu wiegen und nie vor einer Gefahr die Augen zu schließen.


 << zurück weiter >>